Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Abbruch Eingliederungsmaßnahme und die Folgen: Das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt
- Der Weg zum Gericht: Ein junger Mann und seine Eingliederungsmaßnahme
- Sanktionsmaßnahmen Arbeitslosengeld: Die Entscheidung des Jobcenters
- Die Argumentation des Klägers und das Urteil des Sozialgerichts
- Das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt: Eine Kehrtwende
- Entscheidungsgründe im Detail: Warum das LSG anders entschied
- Teilnehmerschutz Eingliederungsmaßnahmen: Was bedeutet das für Leistungsbezieher?
- Auswirkungen des Urteils und Hinweise für Leistungsbezieher
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Konsequenzen drohen beim Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme?
- Wie kann ich mich gegen eine ungerechtfertigte Kürzung des Arbeitslosengeldes wehren?
- Welche wichtigen Gründe rechtfertigen den Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme?
- Was muss ich tun, wenn ich an der Eingliederungsmaßnahme nicht teilnehmen kann?
- Welche Pflichten habe ich während einer Eingliederungsmaßnahme?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
- Datum: 16.11.2023
- Aktenzeichen: L 5 AS 358/22
- Verfahrensart: Sozialrechtliches Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, SGB II
- Beteiligte Parteien:
- Kläger: Empfänger der SGB II-Leistungen, geboren ca. 2000, der im streitigen Zeitraum Leistungen bezog und in einem Beratungsgespräch am 16.04.2019 über seine schulischen Ambitionen und Schwierigkeiten (insbesondere hinsichtlich des angestrebten Realschulabschlusses) Auskunft gab.
- Beklagte: Zuständige Behörde, die die SGB II-Leistungen erbringt, welche einen Sanktionsbescheid sowie einen Bescheid über die Minderung der Leistungen für Oktober bis Dezember 2021 erließ und mit Berufung das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg verteidigte.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger bezog im fraglichen Zeitraum SGB II-Leistungen. Nach einem Beratungsgespräch am 16.04.2019, in dem er seine Bildungsvorhaben (Erlangung des Realschulabschlusses bzw. Wiederholung des Schuljahres) und die damit verbundenen Herausforderungen darlegte, wurde ihm für die Monate Oktober bis Dezember 2021 ein Sanktionsbescheid samt Minderung der Leistungen zugestellt. Ein früheres Urteil des Sozialgerichts Magdeburg hatte diese Bescheide aufgehoben.
- Kern des Rechtsstreits: Streitpunkt war die Frage, ob die Maßnahme zur Sanktionierung (Sanktionsbescheid und Minderung der Leistungen) angesichts der persönlichen und schulischen Umstände des Klägers rechtmäßig sei.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17.06.2022 wurde aufgehoben, die Klage abgewiesen, die Kosten nicht erstattet und die Revision nicht zugelassen.
- Folgen: Der Sanktionsbescheid und die damit verbundene Leistungsminderung bleiben in Kraft. Der Kläger muss die Sanktionen akzeptieren, weitere Rechtsmittel sind ausgeschlossen und das Urteil ist endgültig.
Der Fall vor Gericht
Abbruch Eingliederungsmaßnahme und die Folgen: Das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt

Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) hatte sich in einem Fall mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Minderung des Arbeitslosengeldes (SGB II-Leistungen) gerechtfertigt ist, nachdem ein junger Mann eine Eingliederungsmaßnahme durch Unentschuldigte Fehlzeiten abgebrochen hatte. Das Urteil (Az.: L 5 AS 358/22 vom 16.11.2023) ist besonders relevant für junge Erwachsene, die Leistungen nach dem SGB II beziehen und sich in einer beruflichen Orientierungsphase befinden. Es verdeutlicht die Pflichten von Leistungsbeziehern und die Konsequenzen bei Pflichtverletzungen.
Der Weg zum Gericht: Ein junger Mann und seine Eingliederungsmaßnahme
Der Kläger, geboren im Jahr 2000, bezog im streitigen Zeitraum Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II) vom Jobcenter (Beklagter). Nach seinem Hauptschulabschluss im Jahr 2015 absolvierte er ein Berufsvorbereitungsjahr und besuchte eine Berufsfachschule mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Trotz dieser Bemühungen gelang ihm der direkte Einstieg in eine Ausbildung oder Beschäftigung nicht.
Um seine beruflichen Perspektiven zu verbessern, wurde er in eine Eingliederungsmaßnahme vermittelt. Diese Maßnahme sollte ihm helfen, seine Stärken und Interessen zu erkennen und ihn auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Der junge Mann nahm jedoch an der Maßnahme nicht regelmäßig teil. Es kam zu unentschuldigten Fehlzeiten, was schließlich zum Abbruch der Eingliederungsmaßnahme führte.
Sanktionsmaßnahmen Arbeitslosengeld: Die Entscheidung des Jobcenters
Aufgrund des Abbruchs der Eingliederungsmaßnahme sah das Jobcenter eine Pflichtverletzung seitens des Klägers. Es erließ einen Sanktionsbescheid und minderte daraufhin das Arbeitslosengeld. Das Jobcenter argumentierte, dass der Kläger ohne wichtigen Grund die Maßnahme abgebrochen und damit seine Mitwirkungspflichten verletzt habe. Diese Mitwirkungspflichten sind im SGB II verankert und sollen sicherstellen, dass Leistungsbezieher aktiv an ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkt mitwirken.
Die Argumentation des Klägers und das Urteil des Sozialgerichts
Der Kläger war mit der Entscheidung des Jobcenters nicht einverstanden und klagte vor dem Sozialgericht Magdeburg. Er argumentierte, dass die Minderung des Arbeitslosengeldes ungerechtfertigt sei. Das Sozialgericht gab ihm Recht und hob den Sanktionsbescheid sowie den Bescheid über die Minderung der Grundsicherungsleistungen auf.
Das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt: Eine Kehrtwende
Das Jobcenter legte gegen das Urteil des Sozialgerichts Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt ein. Das LSG hob das Urteil des Sozialgerichts auf und wies die Klage des Klägers ab.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger tatsächlich seine Pflichten verletzt habe, indem er ohne triftigen Grund der Eingliederungsmaßnahme ferngeblieben sei. Die unentschuldigten Fehlzeiten führten zum Abbruch der Maßnahme und beeinträchtigten seine Chancen auf Vermittlungshilfen und eine erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsmarkt.
Entscheidungsgründe im Detail: Warum das LSG anders entschied
Das LSG stützte seine Entscheidung auf die einschlägigen Paragraphen des SGB II, insbesondere auf die Regelungen zu den Mitwirkungspflichten und den Sanktionsmöglichkeiten bei Pflichtverletzungen.
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger über seine Pflichten und die möglichen Konsequenzen eines Abbruchs der Eingliederungsmaßnahme informiert worden war. Trotzdem habe er die Maßnahme durch seine unentschuldigten Abwesenheiten selbst vereitelt. Das LSG betonte, dass Leistungsbezieher nicht nur ein Recht auf Unterstützung bei Arbeitslosigkeit haben, sondern auch die Pflicht, aktiv an ihrer Eingliederung mitzuwirken.
Das Gericht wies darauf hin, dass die Sanktionen im SGB II dazu dienen, Leistungsbezieher zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten und die Solidargemeinschaft vor Missbrauch zu schützen.
Teilnehmerschutz Eingliederungsmaßnahmen: Was bedeutet das für Leistungsbezieher?
Das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt verdeutlicht, dass Leistungsbezieher nach dem SGB II nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten haben. Dazu gehört die aktive Mitwirkung an Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Unentschuldigte Fehlzeiten oder ein Abbruch von Eingliederungsmaßnahmen können zu Sanktionen in Form einer Arbeitslosengeld Kürzung führen.
Es ist daher ratsam, sich vor Beginn einer Maßnahme umfassend über deren Inhalt und Ziele zu informieren. Bei Problemen oder Schwierigkeiten während der Maßnahme sollte man sich umgehend an den zuständigen Betreuer beim Jobcenter wenden, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Es ist wichtig zu beachten, dass es auch Fälle gibt, in denen ein Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme gerechtfertigt sein kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Maßnahme unzumutbar ist, den Teilnehmerschutz missachtet oder gegen geltendes Recht verstößt. In solchen Fällen ist es ratsam, sich Rechtsberatung zu suchen und die Gründe für den Abbruch dem Jobcenter nachvollziehbar darzulegen.
Auswirkungen des Urteils und Hinweise für Leistungsbezieher
Dieses Urteil zeigt deutlich, dass das Jobcenter bei Pflichtverletzungen konsequent Sanktionen verhängen kann. Es ist daher entscheidend, die eigenen Rechte und Pflichten als Leistungsbezieher zu kennen und sich entsprechend zu verhalten. Bei Unsicherheiten oder Fragen sollte man sich an Beratungsstellen oder Rechtsanwälte wenden, die auf Sozialrecht spezialisiert sind.
Leistungsbezieher sollten sich stets bewusst sein, dass die Unterstützung bei Arbeitslosigkeit eine gemeinsame Aufgabe von Jobcenter und Leistungsbezieher ist. Nur durch aktive Mitwirkung und die Einhaltung der vereinbarten Regeln kann eine erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsmarkt gelingen. Andernfalls drohen Sanktionsmaßnahmen Arbeitslosengeld und im schlimmsten Fall sogar die Rückzahlung von Arbeitslosengeld.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil bestätigt die Rechtmäßigkeit von Sanktionen bei unentschuldigtem Fernbleiben von Fördermaßnahmen des Jobcenters. Es unterstreicht, dass Leistungsempfänger aktiv an ihrer beruflichen Eingliederung mitwirken müssen und Angebote wie Bewerbungstrainings oder Qualifizierungsmaßnahmen nicht ohne wichtigen Grund ablehnen dürfen. Die Entscheidung verdeutlicht den Grundsatz des „Förderns und Forderns“ im SGB II-System.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als SGB II-Leistungsempfänger müssen Sie angebotene Fördermaßnahmen des Jobcenters wahrnehmen, auch wenn diese nicht Ihrem Wunschberuf entsprechen. Lehnen Sie Maßnahmen wie Bewerbungstrainings ohne triftigen Grund ab oder brechen diese ab, riskieren Sie eine Kürzung Ihrer Leistungen um bis zu 30% für drei Monate. Um Sanktionen zu vermeiden, sollten Sie Termine beim Jobcenter zuverlässig wahrnehmen und bei Verhinderung rechtzeitig absagen und einen Nachweis einreichen. Nutzen Sie die angebotenen Fördermaßnahmen als Chance, Ihre beruflichen Perspektiven zu verbessern.
Benötigen Sie Hilfe?
Klare Perspektiven bei arbeitsmarktbezogenen Sanktionsfragen
In Situationen, in denen Pflichtverletzungen zu Eingliederungsmaßnahmeabbrüchen und damit verbundenen Sanktionsmaßnahmen führen, können Unsicherheiten über Rechte und Pflichten entstehen. Solche Fragestellungen betreffen nicht nur finanzielle Aspekte, sondern auch den Weg in die nachhaltige Arbeitsintegration. Verstehen Sie die Tragweite Ihres Falls?
Unsere Kanzlei bietet Ihnen eine präzise Analyse Ihrer speziellen Situation und erläutert die relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen. Vertrauen Sie auf eine fundierte und sachliche Beratung, mit der Sie langfristig Klarheit über Ihre Möglichkeiten erhalten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Konsequenzen drohen beim Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme?
Sanktionen beim Bürgergeld (ehemals Arbeitslosengeld II)
Wenn Sie eine Eingliederungsmaßnahme ohne wichtigen Grund abbrechen oder durch Ihr Verhalten einen Abbruch verursachen, wird das Bürgergeld für drei Monate um 30 Prozent des Regelbedarfs gekürzt.
Ein maßnahmewidriges Verhalten liegt vor, wenn Sie den Ablauf der Maßnahme beeinträchtigen oder den Maßnahmeerfolg gefährden. Dies kann beispielsweise durch wiederholtes unentschuldigtes Fehlen oder grobe Missachtung der Unterrichts- oder Betriebsordnung geschehen.
Besonderheiten bei wiederholten Verstößen
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019 darf die Leistungsminderung auch bei wiederholten Verstößen nicht mehr als 30 Prozent des Regelbedarfs betragen. Die frühere Regelung mit Kürzungen von 60 Prozent oder gar einem vollständigen Wegfall der Leistungen ist verfassungswidrig.
Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld I
Beim Arbeitslosengeld I gelten folgende Sperrzeiten bei Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme:
- Beim ersten Verstoß: 3 Wochen
- Beim zweiten Verstoß: 6 Wochen
- Bei weiteren Verstößen: 12 Wochen
Eine Verkürzung der Sperrzeit auf 6 Wochen ist möglich, wenn dies für Sie eine besondere Härte bedeuten würde.
Wichtige Gründe für einen Abbruch
Ein Abbruch der Maßnahme bleibt ohne Konsequenzen, wenn Sie dafür einen wichtigen Grund nachweisen können. Als wichtige Gründe gelten beispielsweise:
- Gesundheitliche Gründe (mit ärztlicher Bescheinigung)
- Antritt einer Arbeitsstelle
- Extreme Fahrzeiten zur Maßnahme
Maßnahmewidriges Verhalten, das zu einem Ausschluss führen kann, umfasst beispielsweise Trunkenheit während der Maßnahme oder Schlägereien mit anderen Teilnehmern.
Wie kann ich mich gegen eine ungerechtfertigte Kürzung des Arbeitslosengeldes wehren?
Gegen einen Bescheid über die Kürzung des Arbeitslosengeldes können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids Widerspruch einlegen. Der Widerspruch kann schriftlich bei der Arbeitsagentur eingereicht oder dort zur Niederschrift vorgetragen werden.
Inhalt des Widerspruchs
Im Widerspruchsschreiben sollten Sie den konkreten Bescheid bezeichnen und Ihre Gründe darlegen, warum die Kürzung ungerechtfertigt ist. Bei einer Sperrzeit wegen Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme müssen Sie beispielsweise nachweisen, dass ein wichtiger Grund für den Abbruch vorlag oder keine ordnungsgemäße Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgte.
Prüfung durch die Arbeitsagentur
Die Arbeitsagentur wird nach Eingang des Widerspruchs den Fall erneut prüfen. Wird dem Widerspruch stattgegeben, erhalten Sie einen neuen Bescheid. Andernfalls ergeht ein Widerspruchsbescheid.
Klage vor dem Sozialgericht
Nach Erhalt des Widerspruchsbescheids haben Sie erneut einen Monat Zeit, um Klage beim zuständigen Sozialgericht einzureichen. Das Sozialgericht prüft dann, ob die Kürzung rechtmäßig war. Bei einer Sperrzeit wegen Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme wird beispielsweise geprüft, ob:
- Eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung erfolgte
- Ein wichtiger Grund für den Abbruch vorlag
- Bei maßnahmewidrigem Verhalten eine Abmahnung erfolgte (außer bei besonders schweren Verstößen)
Die Dauer der Sperrzeit kann je nach Verstoß zwischen einer und zwölf Wochen betragen. Bei einer Sperrzeit wegen Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme staffelt sich die Dauer: drei Wochen beim ersten Verstoß, sechs Wochen beim zweiten und zwölf Wochen ab dem dritten Verstoß.
Welche wichtigen Gründe rechtfertigen den Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme?
Gesundheitliche Gründe
Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen die Maßnahme nicht fortführen können, liegt ein wichtiger Grund vor. Diese gesundheitlichen Einschränkungen müssen Sie durch ein ärztliches Attest nachweisen.
Familiäre Verpflichtungen
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn Sie die Pflege oder Betreuung eines Kindes oder einer unterhaltspflichtigen Person übernehmen müssen. Dies gilt auch, wenn eine doppelte Haushaltsführung erforderlich wird und dadurch die Versorgung von Angehörigen nicht mehr gesichert werden kann.
Aufnahme einer Beschäftigung
Sie dürfen die Maßnahme abbrechen, wenn Sie eine Arbeitsstelle antreten. Dies ist sogar ausdrücklich als wichtiger Grund anerkannt, da das Ziel der beruflichen Eingliederung damit erreicht wird.
Unzumutbare Bedingungen
Ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn:
- Die Maßnahme gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt
- Sie erheblichem psychischen Druck oder Mobbing ausgesetzt sind
- Die Maßnahme Ihr Grundrecht wesentlich beeinträchtigt
Nachweis und Vorgehen
Bevor Sie eine Maßnahme abbrechen, müssen Sie:
- Einen zumutbaren Versuch unternehmen, die Probleme zu beseitigen
- Die Gründe dem Maßnahmeträger und der Arbeitsagentur mitteilen
- Entsprechende Nachweise vorlegen
Ein wichtiger Grund wird nur anerkannt, wenn Sie erfolglos versucht haben, die Ursachen zu beseitigen, oder wenn ein solcher Versuch von vornherein aussichtslos gewesen wäre.
Folgen ohne wichtigen Grund
Wenn Sie die Maßnahme ohne wichtigen Grund abbrechen, droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Diese beträgt:
- Beim ersten Verstoß: 3 Wochen
- Beim zweiten Verstoß: 6 Wochen
- In den übrigen Fällen: 12 Wochen
Einzelne Fehltage in einer Maßnahme ohne wichtigen Grund, die nicht zum Abbruch führen, lösen noch keine Sperrzeit aus.
Was muss ich tun, wenn ich an der Eingliederungsmaßnahme nicht teilnehmen kann?
Bei einer Verhinderung an der Teilnahme einer Eingliederungsmaßnahme müssen Sie unverzüglich das Jobcenter informieren. Dies bedeutet, Sie müssen die Information ohne schuldhaftes Zögern weitergeben – also so schnell wie möglich.
Krankheit als Verhinderungsgrund
Bei Krankheit gelten folgende Regeln:
- Sie müssen sich zu Beginn der betrieblichen Arbeitszeit beim Jobcenter melden.
- Eine ärztliche Bescheinigung ist erforderlich.
- Bei längerer Krankheit von mehr als sechs Wochen wird die Maßnahme in der Regel beendet.
Abwesenheit und Urlaub
Wenn Sie eine geplante Abwesenheit haben:
- Sie benötigen vorab die Zustimmung des Jobcenters.
- Die Zustimmung sollte nicht früher als drei Wochen vor der geplanten Abwesenheit beantragt werden.
- Ohne wichtigen Grund wird eine Abwesenheit für maximal drei Wochen im Kalenderjahr genehmigt.
Wichtige Gründe für eine Abwesenheit
Das Jobcenter erkennt folgende wichtige Gründe an:
- Ärztlich verordnete Maßnahmen zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation
- Teilnahme an kirchlichen oder gewerkschaftlichen Veranstaltungen
- Aktivitäten zur Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit
- Ehrenamtliche Tätigkeiten, sofern diese die Eingliederung nicht wesentlich beeinträchtigen
Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Ohne Zustimmung oder bei unentschuldigtem Fehlen verlieren Sie Ihren Leistungsanspruch. Bei mehr als zwölf Werktagen unentschuldigtem Fehlen oder mehr als sechs Wochen entschuldigtem Fehlen wird die Maßnahme in der Regel beendet.
Welche Pflichten habe ich während einer Eingliederungsmaßnahme?
Als Teilnehmer einer Eingliederungsmaßnahme haben Sie umfassende Mitwirkungspflichten, die sich aus dem Sozialgesetzbuch ergeben. Diese Pflichten sind rechtlich bindend und ihre Einhaltung ist für den Erfolg der Maßnahme entscheidend.
Grundlegende Mitwirkungspflichten
Sie müssen der Agentur für Arbeit auf Verlangen Auskunft über den Eingliederungserfolg der Maßnahme erteilen. Dazu gehört auch die Pflicht, eine Beurteilung Ihrer Leistung und Ihres Verhaltens durch den Maßnahmeträger zuzulassen.
Anwesenheit und Teilnahme
Während der Maßnahme sind Sie zu regelmäßiger und pünktlicher Teilnahme verpflichtet. Bei Fehlzeiten müssen diese dem Träger und der Agentur für Arbeit unverzüglich mitgeteilt werden. Fehlen Sie mehr als sieben Tage, kann dies zum Abbruch der Maßnahme führen.
Kommunikation und Dokumentation
Sie müssen transparent mit allen Beteiligten kommunizieren. Dies bedeutet:
- Änderungen in Ihrer persönlichen Situation unverzüglich melden
- Notwendige Unterlagen und Nachweise vorlegen
- An Qualitätsprüfungen mitwirken
- Rückmeldungen zum Maßnahmenverlauf geben
Konsequenzen bei Pflichtverletzungen
Wenn Sie Ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, drohen Leistungskürzungen. Eine Weigerung, an der Maßnahme teilzunehmen, oder ein Abbruch ohne wichtigen Grund kann zu einer teilweisen oder vollständigen Reduzierung der Leistungen führen. Im Extremfall droht sogar eine Anzeige wegen Betrugs.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
SGB II-Leistungen
Dies sind staatliche Unterstützungsleistungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige, auch bekannt als „Hartz IV“ oder seit 2023 als „Bürgergeld“. Diese Grundsicherungsleistungen umfassen den Regelbedarf für Lebensunterhalt sowie Kosten für Unterkunft und Heizung. Die rechtliche Grundlage findet sich im Sozialgesetzbuch II.
Beispiel: Eine alleinstehende erwerbsfähige Person erhält den Regelsatz von 502 Euro (Stand 2024) plus angemessene Wohnkosten.
Eingliederungsmaßnahme
Eine von der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter angeordnete Maßnahme zur beruflichen Integration von Arbeitslosen. Ziel ist die Verbesserung der Beschäftigungschancen durch Qualifizierung, Training oder praktische Tätigkeiten. Teilnehmer sind zur Mitwirkung verpflichtet gemäß § 15 SGB II.
Beispiel: Ein mehrwöchiger Bewerbungstraining-Kurs oder eine Ausbildung in einem bestimmten Berufszweig.
Sanktionsbescheid
Ein offizieller Verwaltungsakt, mit dem das Jobcenter Leistungskürzungen aufgrund von Pflichtverletzungen verhängt. Die Rechtsgrundlage bildet § 31 SGB II. Der Bescheid muss die Art, Höhe und Dauer der Sanktion sowie die Begründung enthalten und auf Rechtsmittel hinweisen.
Beispiel: Nach unentschuldigtem Fernbleiben von einer Maßnahme erhält der Leistungsempfänger einen Bescheid über 10% Kürzung für drei Monate.
Unentschuldigte Fehlzeiten
Das nicht gerechtfertigte Fernbleiben von einer verpflichtenden Maßnahme ohne wichtigen Grund und ohne vorherige Mitteilung. Gemäß § 31 Abs. 1 SGB II stellt dies eine Pflichtverletzung dar, die Sanktionen nach sich ziehen kann.
Beispiel: Ein Teilnehmer erscheint wiederholt nicht zum Kurs, ohne sich krank zu melden oder einen anderen triftigen Grund nachzuweisen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 31 Abs. 1 SGB II (Sanktionen bei Pflichtverletzungen): Dieser Paragraph regelt Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen von Leistungsbeziehern nach dem SGB II. Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Leistungsbezieher sich weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen, oder wenn er sich nicht ausreichend um eine Arbeitsstelle bemüht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Beklagte sanktionierte den Kläger aufgrund des Abbruchs einer „Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung“, was eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 1 SGB II darstellt.
- § 32 SGB II (Dauer der Minderung und Wegfall des Leistungsanspruchs): Dieser Paragraph regelt die Dauer der Leistungsminderung bei einer Sanktion sowie die Voraussetzungen für einen vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs. Die Minderung beträgt in der Regel 30 Prozent des Regelbedarfs für drei Monate, bei wiederholten Pflichtverletzungen kann sie weiter ansteigen bis hin zum vollständigen Wegfall der Leistungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Entscheidung über die Dauer der Sanktion und die Höhe der Minderung, die im Urteil angefochten wurde, basiert auf den Regelungen des § 32 SGB II, insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Leistungsminderung von drei Monaten.
- § 10 SGB II (Zumutbarkeit): Diese Norm definiert, welche Tätigkeiten und Maßnahmen für Leistungsbezieher zumutbar sind. Unzumutbar sind Tätigkeiten, die gegen Gesetze, Tarifverträge oder sonstige Bestimmungen verstoßen, die die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit übersteigen, die die Erziehung des Kindes gefährden oder die aus sonstigen wichtigen Gründen nicht zugemutet werden können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Zumutbarkeit der Maßnahme, zu deren Teilnahme der Kläger aufgefordert wurde, ist entscheidend, um zu beurteilen, ob der Abbruch der Maßnahme eine sanktionswürdige Pflichtverletzung darstellt.
- § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB II a.F. (alte Fassung bis 31.12.2022): Diese ältere Fassung des Paragraphen regelte die Sanktionen bei Abbruch oder Verweigerung einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum relevant. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Sanktionsbescheid bezog sich auf diese Fassung, da die Pflichtverletzung vor dem 1. Januar 2023 begangen wurde.
- Art. 12 GG (Berufsfreiheit): Dieser Artikel des Grundgesetzes schützt die freie Wahl des Berufs, des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte. Der Staat darf diese Freiheit nur durch Gesetz einschränken. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Berufsfreiheit des Klägers kann berührt sein, wenn er gezwungen wird, eine bestimmte Maßnahme oder Tätigkeit auszuüben, die nicht seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht, allerdings finden die Einschränkungen durch das SGB II hier ihre Rechtfertigung.
Das vorliegende Urteil
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt – Az.: L 5 AS 358/22 – Urteil vom 16.11.2023
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