Skip to content
Menü

Anerkennung bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit

Hessisches Landessozialgericht – Az.: L 9 U 120/16 – Urteil vom 11.06.2018

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Die im Jahre 1954 geborene Klägerin absolvierte von August 1984 bis Juli 1985 ein Praktikum in einem Kindergarten und war ab Juli 1989 als Erzieherin in zwei Kindergärten tätig. Ab 19. Januar 2012 übte sie ihre Tätigkeit wegen ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr aus.

Vom 28. Februar 2012 bis 23. März 2012 erhielt die Klägerin stationäre Rehabilitationsleistungen auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung in der B-Klinik (Orthopädie) in B-Stadt. Im Abschlussbericht vom 26. März 2012 gab der Leitende Abteilungsarzt Dr. C., Arzt für Orthopädie, als Diagnosen unter anderem ein LWS-Syndrom bei degenerativem Bandscheibenschaden L5/S1 größer L 3 bis 5 und eine beginnende Spondylarthrose an.

Anerkennung bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit
(Symbolfoto:
create jobs 51/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 4. April 2012 beantragte die Klägerin die Durchführung eines förmlichen Verfahrens zur Feststellung einer Berufskrankheit. Den daraufhin von der Beklagten übersandten Fragebogen füllte sie aus und sandte ihn mit einem Schreiben zurück, in dem sie der Übermittlung von Daten an ihren Arbeitgeber bezüglich ihrer Erkrankung widersprach. Unter dem 14. Juli 2012 übersandte sie der Beklagten ferner einen selbst erstellten Arbeitsplatz-Erhebungsbogen, in dem sie angab, während ihrer Tätigkeit im Kindergarten A-Stadt (Juli 1989 bis September 1993, Vollzeitkraft für acht Stunden) Kinder im Alter zwischen drei bis sechs Jahren betreut zu haben, wobei das Gewicht der Kinder ca. 30 kg betrage, sie die Kinder am Tag fünf- bis zehnmal gehoben und zwischen 2 und 15 m getragen habe. Hinsichtlich der Tätigkeit im Kindergarten D Stadt (Oktober 1993 bis laufend, Halbtagskraft für vier Stunden) seien alle Kinder mehrfach übergewichtig gewesen, die fünf und sechs Jahre alten Kinder hätten zwischen 20 und 50 kg und die zwei bis vier Jahre alten Kinder zwischen 20 und 25 kg gewogen, wobei bei den zwei- bis vierjährigen Kindern ca. 20 bis 25 mal täglich Hebebewegungen durchgeführt worden seien, und zwar bei einer Trageentfernung zwischen 2 und 15 m. Die Beklagte bat daraufhin die Abteilung Prävention der Unfallkasse Hessen um eine Stellungnahme zu den Voraussetzungen der BK 2108 auf der Grundlage der beigefügten Angaben der Klägerin, mithin ohne Angaben des Unternehmers, weil die Klägerin widersprochen habe, Unterlagen von den Arbeitgebern einzuholen. In der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition BK Nr. 2108 vom 13. August 2012 errechnete der Präventionsdienst der Beklagten für die Tätigkeit der Klägerin von Oktober 1993 bis zum 13. August 2012 im Kindergarten der evangelischen Kirchengemeinde ED-Stadt eine berufliche Gesamtdosis in Höhe von 9 × 106 Nh. In ihrer Stellungnahme vom 5. September 2012 zur Arbeitsplatzexposition führte die Unfallkasse Hessen für die Zeiträume August 1984 bis Juli 1985 und Juli 1989 bis September 1993 aus, dass die Gesamtbelastung auf der Grundlage der Angaben der Klägerin und damit im Sinne einer worst-case-Betrachtung 1,7 × 106 Nh betragen habe.

Die Beklagte holte daraufhin ein orthopädisch-unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten bei Prof. Dr. F., Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Heidelberg, ein. In dessen Gutachten vom 10. Januar 2013, das nach klinischer Untersuchung der Klägerin erstellt wurde, führte dieser aus, dass bei der Klägerin Höhenminderungen im Bereich aller Wirbelkörper, besonders im Bereich L 5/S 1 von über 50 % mit mittelgradiger Spondylochondrose, im Bereich L 4/5 eine leichte Spondylose, im Bereich L 3/L 4 eine mäßige Spondylose sowie anlagebedingte knöcherne Ausziehungen der Grund- und Deckplatte im Segment L 2/3 bestünden, mithin Bandscheibenerkrankungen der Lendenwirbelsäule vorlägen. Es ließen sich jedoch keine Anpassungsreaktionen der Wirbelkörper im Sinne von Strukturveränderungen der Grund- und Tragplatten sowie knöchernen Randwülsten der Deckplatten feststellen. Vielmehr lägen degenerative und anlagebedingte Veränderungen der gesamten Wirbelsäule vor. Die morphologischen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule seien genauso stark ausgeprägt wie im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die starke singuläre Bandscheibenhöhenminderung im Bereich der unteren Brustwirbelsäule sei als Zeichen einer juvenilen Aufbaustörung nachgewiesen. Diese müsse als wesentlich konkurrierende Ursache der Bandscheibenerkrankung angesehen werden, so dass sich bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung gemäß der BK 2108 aufgrund der beruflichen Exposition nicht wahrscheinlich machen ließe. Die vorhandenen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule seien schicksalsmäßig und aus innerer Ursache heraus entstanden, der Gesundheitsschaden wäre – so Prof. Dr. F. – mit Wahrscheinlichkeit auch ohne berufliche Belastung zu etwa derselben Zeit in ungefähr gleichem Ausmaß eingetreten.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 19. März 2013 die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung der Klägerin als Berufskrankheit nach der BK 2108 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Gesamtbelastung als Erzieherin habe 10,7 MNh und damit lediglich 63 % der Richtdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) erreicht, so dass der Wert, ab dem eine medizinische Zusammenhangsbeurteilung vorzunehmen sei, nur geringfügig überschritten würde. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. F. ergäben sich keine Erkenntnisse, weshalb die geringe Gesamtbelastungsdosis während der beruflichen Tätigkeit als Ursache der Lendenwirbelsäulenerkrankung in Betracht kommen könne. Hiergegen legte die Klägerin unter dem 8. April 2013 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2013 zurückgewiesen wurde.

Am 8. August 2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, das Sitzen auf den Stühlen im Kindergarten sei eine Zwangshaltung im Sinne der BK 2108. Die Beklagte habe eine Prüfung unterlassen, ob eine extreme Rumpfbeugehaltung vorliege. Sofern die Beklagte es nicht zweifelsfrei ausschließen könne, gelte zu Gunsten der Klägerin der Anscheinsbeweis nach § 9 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII. Die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition sei weder begründet noch nachvollziehbar. Bei der Berechnung habe die Beklagte zudem die neueste Entwicklung der deutschen Wirbelsäulenstudie nicht berücksichtigt. Die Rechtsprechung habe mehrmals darauf hingewiesen, dass das MDD-Modell für Erzieherinnen nur eingeschränkte Bedeutung haben könne. Auch unterhalb der Orientierungswerte nach dem MDD bestehe ein erhöhtes Risiko für bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule. Die Diagnose in dem Gutachten von Prof. Dr. F. sei nicht haltbar. Die dortigen Aussagen seien auch zum Teil falsch. Zentrale Aussagen im Gutachten von Prof. Dr. F. stammten wörtlich aus den Veröffentlichungen von Dr. G., der bandscheibenbedingte Segmentschäden an der Lendenwirbelsäule, gleichgültig, ob Einzel- oder auch Mehrsegmentschäden, als anlagebedingte lumbale Übergangsstörungen bezeichnet habe. Indes sei inzwischen nachgewiesen, dass weder Morbus Scheuermann, eine Skoliose oder gar das Wirbelgleiten in der Lage seien, bandscheibenbedingte LWS-Degenerationen zu fördern oder zu erzeugen. Auch die Aussage von Prof. Dr. F., dass Rückenschmerzen eine Volkskrankheit seien, könne so nicht aufrechterhalten werden. Es sei inzwischen erwiesen, dass die versicherungsrechtlich durch die BK 2108 bis 2110 geschützte bandscheibenbedingte LWS-Degenerationserkrankung keine Volkskrankheit sei. Prof. Dr. F. habe zwar die Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen verneint, dies aber ohne nähere Begründung. Die im ersten Punkt der Konstellation B 2 vorzunehmende Bewertung sei ohne Magnetresonanztomographie (MRT) nicht möglich. Die besondere intensive Belastung solle anhand des Richtwertes für die Lebensdosis festgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gebe es aber keine Richtwerte mehr, sondern nur noch Orientierungswerte, wobei ebenfalls jegliche zeitliche Begrenzung, insbesondere die Zehnjahresgrenze, gefallen sei. Hier sei aufgrund der 20-jährigen Berufsausübung der Klägerin als Erzieherin dieser Punkt eindeutig zu bejahen. Es stehe außer Streit, dass die Tätigkeit der Klägerin als Erzieherin generell geeignet sei, Lendenwirbelsäulenschäden zu verursachen. Andere Personengruppen seien nicht in gleicher Weise betroffen wie Erzieherinnen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Tätigkeiten einer Erzieherin keine solche in extremer Rumpfbeugehaltung seien, bei denen es zu andauernden Zwangshaltungen komme. Hierunter fielen nur Arbeiten in Bodenhöhe oder unter der Standfläche, bei denen es zu einer Beugung des Oberkörpers aus der aufrechten Körperhaltung um ca. 90° oder mehr komme, sowie Arbeiten in Arbeitsräumen, die niedriger als 100 cm seien und somit andauernde Zwangshaltungen mit Arbeiten im Knien, Hocken, Fersensitz oder in gebeugter bzw. verdrehter Körperhaltung bedingten. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. F. ergäben sich keine medizinischen Erkenntnisse, weshalb die geringe Gesamtbelastungsdosis während der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Ursache der Lendenwirbelsäulenerkrankung in Betracht kommen könne. Die festgestellten chronischen Rückenschmerzen mit Osteochondrose im Bereich der Lendenwirbelsäule L5/S1 bei juveniler Aufbaustörungen der Wirbelsäule seien vielmehr auf diese juvenile Aufbaustörung zurückzuführen.

Das Sozialgericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten bei Dr. J., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, eingeholt. In seinem nach persönlicher Untersuchung der Klägerin erstellten Gutachten vom 29. Mai 2015 hat er im Bereich der Halswirbelsäule eine Texturstörung der Bandscheibe zwischen dem vierten und fünften Halswirbel (ICD 10 M 50.3), flankiert von knöchernen Formveränderungen an den benachbarten Grund- und Deckplatten (ICD 10 M 47.82), sowie eine Verschleißumformung der linksseitigen unteren Halswirbelgelenke (ICD 10 M4 7.82) diagnostiziert. Im Bereich der Brustwirbelsäule hat er eine rechtsbetonte Formveränderung der Wirbelkörpergrund- und Deckplatten (ICD 10 M 47.84) im Krümmungsscheitel einer überdurchschnittlichen Rundschwingung und im Bereich der Lendenwirbelsäule eine dem Alter vorauseilende Texturstörung der untersten sowie eine altersnormale Texturstörung der darüber gelegenen, vorletzten Bandscheibe (ICD 10 M 51.3), dem Alter vorauseilende Verschleißumformungen der Zwischenwirbelgelenke des Lendensattels (ICD 10 M 47.86) sowie zum Teil altersuntypische Formveränderungen der Lendenwirbelkörpergrund- und Deckplatten (ICD 10 M 47.86) festgestellt. Ferner hat er eine schicksalhafte Verschleißumformung des rechten Hüftgelenkes (ICD 10 M 16.1) diagnostiziert. Hinsichtlich der BK 2108 hat er ausgeführt, dass diese Berufskrankheit nicht lediglich das Vorliegen eines Bandscheibenschadens, sondern gleichzeitig auch eine damit in Verbindung stehende klinische Symptomatik voraussetze. Das von Dr. H. anlässlich der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bescheinigte Lumbalsyndrom beschreibe lediglich das Vorhandensein von Rückenschmerzen, deren Ursachen derart mannigfaltig seien, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung mit einer derartigen Diagnose nicht erkennbar werde. Die von Dr. H. zudem diagnostizierte Radikulopathie, also eine Nervenwurzelirritation der Wirbelsäule, werde an keiner Stelle des Akteninhalts aus einer der ab dem Jahr 2012 erhobenen medizinischen Untersuchungsbefunde deutlich. Auch aus dem Entlassungsbericht von Dr. C. anlässlich der orthopädischen Reha-Maßnahme in B-Stadt (26. März 2012) würden die klinischen Zeichen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ebenso wenig deutlich wie aus dem aktenkundigen Gutachten von Prof. Dr. F. Der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens sei eine unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Hinzukommen müsse vielmehr eine entsprechende klinische Symptomatik. Weder aus dem Akteninhalt noch anlässlich der aktuellen Begutachtung der Klägerin werde eine bandscheibenbedingte Erkrankung deutlich, so dass die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für die BK 2108 bereits aus diesem Grunde nicht erfüllt würden. Selbst wenn man jedoch von einer bandscheibenbedingten Erkrankung vom Typ 1 (Lumbalsyndrom) ausgehe und auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen als gegeben ansähe, fehle es an einem belastungskonformen Schadensbild. In dem hier maßgeblichen expositionsnahen Zeitraum seien zwar wesentliche konkurrierende Ursachen für eine Bandscheibentexturstörung nicht zu erkennen. Den Ausführungen von Prof. Dr. F. sei diesbezüglich nicht beizupflichten. Dieser habe eine Aufbaustörung im Wachstumsalter (Morbus Scheuermann) als konkurrierende Ursache für eine Bandscheibentexturstörung aufgeworfen. Weder die aktuelle Bildgebung der Brustwirbelsäule der Klägerin noch die jenem Gutachten zu Grunde liegende Röntgenaufnahme ihrer Lendenwirbelsäule zeigten allerdings eindeutig entsprechende einschlägige Auffälligkeiten. Damit ergebe sich eine Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen: Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren seien ebenso wenig erkennbar wie eine Begleitspondylose. Um einen Zusammenhang der beruflichen Exposition mit dem Bandscheibenschaden wahrscheinlich zu machen, müsse demnach eines von drei Zusatzkriterien erfüllt sein. Eine Höhenminderung der Bandscheiben sei ausschließlich in den letzten beiden Lendenetagen zu erkennen (L 4/5 sowie L 5/S1). In einer Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule müssten deshalb auch die oberhalb davon gelegenen beiden Etagen eine Texturstörung aufweisen (black disc), damit eine jener Forderungen erfüllt werde. Eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule stehe vorliegend aber nicht zur Verfügung. Sie sei in Anbetracht der bereits formulierten Zweifel an einer bandscheibenbedingten Erkrankung allerdings auch verzichtbar. Bei der Klägerin liege demnach eine Konstellation B 3 der Konsensempfehlungen vor, für die in der Konsensgruppe keine Übereinstimmung bestanden habe. Insoweit hätten K. und G. eigens eine wissenschaftlich begründete Einschätzung abgegeben, wonach die Konstellation B 3 Ausdruck der häufigsten Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der Lendenwirbelsäule, mithin also einer schicksalhaften Texturstörung sei. Diese Erläuterung überzeuge aus naturwissenschaftlicher Sicht. Die Berufsbedingtheit einer Konstellation B 3 sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Bandscheibenproblematik an der Halswirbelsäule müsse daher nicht mehr diskutiert werden. Ein Bandscheibenschaden an der Halswirbelsäule werde in den Konsensempfehlungen erst dann relevant, wenn eine Fallgestaltung B 2 bestehe, nicht aber bei einer Konstellation B 3. Lediglich dann spreche ein Bandscheibenschaden an der Halswirbelsäule, wenn er – wie vorliegend – schwächer ausgeprägt sei als jener an der Lendenwirbelsäule, für eine Berufsbedingtheit (Konstellation B 4). Wesentlicher konkurrierender Auslöser für eine Bandscheibentexturstörung sei damit die genetisch bedingte Minderwertigkeit des Bandscheibengewebes, wofür vorliegend zudem der Umstand spreche, dass auch die Bandscheibe zwischen dem vierten und fünften Halswirbel der Klägerin texturgestört sei.

Am 19. Februar 2016 hat das Sozialgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Klägerin den Sachverständigen Dr. J. wegen Befangenheit abgelehnt hat, weil dieser mit der Beklagten Kontakt aufgenommen und sich ausschließlich an den von der Beklagten erstellten Konsensempfehlungen orientiert habe. Das Sozialgericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Sodann hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es lägen bereits erhebliche Zweifel vor, ob das Ausmaß der beruflichen Einwirkungen die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 erfüllte. Das einfache Sitzen auf kleinen Stühlen erfülle die Anforderungen an Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nicht, weil nicht ersichtlich sei, inwieweit damit eine vorgebeugte Haltung verbunden sei. Zudem erfordere die Tätigkeit einer Erzieherin für gewöhnlich das Sitzen auf kleinen Stühlen nur während der Mahlzeiten oder bei Bastelarbeiten oder ähnlichem, also nicht ununterbrochen längere Zeit in der Arbeitsschicht oder vielfach wiederholt. Die Berechnungen der Beklagten beruhten zudem einzig auf den Angaben der Klägerin. Deren Behauptung, alle von ihr betreuten Kinder seien übergewichtig gewesen und hätten zwischen 20 und 50 kg gewogen, verwundere bereits deshalb, weil die Kinder von den Erziehern normalerweise nicht gewogen würden. Die Angaben der Klägerin stünden auch in eindeutigem Widerspruch zu den von der Beklagten herangezogenen Normwertgrenztabellen sowie den Werten, die sich aus den in der Kinder- und Jugendmedizin gebräuchlichen Perzentilwerten und -kurven ergäben. Wenig glaubhaft sei auch die mehrfach erhobene Behauptung, die Klägerin habe diese übergewichtigen Kinder hochnehmen müssen, um sie zu trösten oder zu beruhigen. Die Kammer halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass die Arbeitgeber der Klägerin, wenn sie befragt worden wären, deutlich zu Lasten der Klägerin abweichende Angaben zu den Belastungen der Klägerin gemacht hätten. Allerdings seien weitere Ermittlungen seitens der Kammer insoweit nicht erforderlich. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin eine ausreichende Belastungsdosis annehme, lägen die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108 nicht vor. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK 2108 sei nach dem Gutachten von Dr. J. nicht gesichert. Selbst wenn eine solche vorläge, sei nicht von einem hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und der Krankheit auszugehen. Zwar spreche es für einen Zusammenhang, dass eine Veränderung mit Chondrose Grad III im Bandscheibensegment L5/S1 vorliege und wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren neben einem schicksalshaften Sachverhalt und der beruflichen Exposition nicht benannt werden könnten. Gegen eine kausale Verursachung sei jedoch anzuführen, dass eine Begleitspondylose nicht vorliege. Ein Zusatzkriterium lasse sich nicht nachweisen, so dass letztlich die Konstellation B 3 vorliege. Hinsichtlich der Beurteilung dieser Konstellation habe bei der Kommission kein Konsens bestanden. Ein Zusammenhang sei für die Kammer nicht wahrscheinlich.

Am 30. Mai 2016 hat die Klägerin Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung trägt sie vor, dass entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts Feststellungen des Übergewichts von Kindern in Kindergärten zu dokumentieren seien. Daher müssten Kinder in Kindergärten auch gewogen werden. Entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts seien die Kinder durch die Klägerin auch im Stehen getröstet worden. Die Verweigerung der Klägerin, dass ihre Erkrankung dem Arbeitgeber mitgeteilt werde, sei Ausdruck ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG), was auch in § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) als Sozialgeheimnis ausdrücklich festgeschrieben sei. Soweit eine Datenverarbeitung oder Datennutzung in einem Verfahren nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderlich sei, benötige die Beklagte nach § 67b Abs. 2 SGB X die Einwilligung der Klägerin. Auf die Folgen der Verweigerung habe die Beklagte an keiner Stelle hingewiesen. Gegen den ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin seien Kündigungsschutzklagen geführt worden. Daraus sei ersichtlich, dass der Arbeitgeber nicht unbedingt „sehr erfreuliche Auskünfte“ über die Klägerin geben würde. Das Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I mit dem Zustimmungserfordernis des § 67b Abs. 2 SGB X gelte auch für das Sozialgericht. Eine Anfrage beim ehemaligen Arbeitgeber sei weder nötig noch erforderlich. Durch die Verwaltungsakten, die das Sozialgericht bereits beigezogen habe, lägen umfangreiche Informationen vor. Zur Kritik der Klägerin an der Anwendung der Konsensempfehlungen habe das Sozialgericht nicht einmal ansatzweise Stellung genommen. Entgegen der Feststellung des Sozialgerichts habe die Klägerin nie behauptet, dass alle Kinder, die 6 Jahre alt seien, ein Gewicht von 50 kg hätten. Damit habe das Sozialgericht sein Urteil auf Grundlage falscher Tatsachenannahmen gefällt. Eine ordnungsgemäße Arbeitsplatzerhebung durch die Beklagte habe nicht stattgefunden. Ein Vertreter der Beklagten habe in unzulässiger Weise Kontakt mit dem Gutachter Dr. J. aufgenommen. Diese Einflussnahme setze sich in dem gesamten Gutachten des Sachverständigen fort. Dr. J. habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Klärung, ob bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung und damit eine Gesundheitsstörung der Lendenwirbelsäule vorliege, nur durch eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule beantwortet werden könne. Eine solche Untersuchung sei vom Sachverständigen jedoch abgelehnt worden, da nach den Konsensempfehlungen bereits zwingend von einer konkurrierenden Ursache auszugehen sei. Dr. J. habe die Beweisanordnung des Beweisbeschlusses missachtet, seine Ausführungen seien einseitig und interessensorientiert und gäben nicht den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wieder. Die Klägerin ist auch nicht damit einverstanden, dass bei dem ehemaligen Arbeitgeber in der Kindertagesstätte in ED Stadt ermittelt werde. Sie ist der Auffassung, dass die zu ermittelnden Daten arbeitswissenschaftlich retrospektiv ermittelt werden könnten. Das Sozialgericht habe zur 2. Alt. der BK 2108 – langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung – weder entschieden, noch sei dazu eine Beweisanordnung ergangen. Die nach § 132 Abs. 2 SGG mündlich mitzuteilenden wesentlichen Entscheidungsgründe seien zudem völlig andere gewesen als die schriftlichen Urteilsgründe. An der haftungsbegründenden Kausalität habe nie Zweifel bestanden. Die schriftliche Urteilsbegründung sei damit überraschend gewesen. Mit der Abweichung der mündlichen Entscheidungsgründe von der schriftlichen Urteilsbegründung würden Art. 103 Abs. 1 GG und § 62 SGG verletzt. Das Sozialgericht habe auch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, § 35 Abs. 1 SGB I und § 67b Abs. 2 SGB X verstoßen. Die Klägerin habe ein Recht, ihre Zustimmung zur Einholung von Auskünften zu verweigern, ohne dass das Gericht hieraus negative Schlüsse für die Klägerin ziehen dürfe. Das Sozialgericht habe sein Urteil nahezu durchgängig auf Umstände gestützt, die zuvor nicht Gegenstand des Vortrages eines Beteiligten gewesen, in ihrer Mehrzahl auch bislang so nirgends vertreten worden und weder Gegenstand des schriftlichen Verfahrens noch der mündlichen Verhandlung gewesen seien. Mehrfaches Vorbringen der Klägerin sei unberücksichtigt geblieben. Das Sozialgericht sei von den von der Klägerin beigebrachten Beweismitteln abgewichen, ohne seine eigene Sachkunde nachzuweisen. Es habe zu einzelnen Fragen recherchiert, die Ergebnisse dieser Recherchen den Beteiligten jedoch nicht eröffnet. In dem Urteil des Sozialgerichts sei nach den Ausführungen zur „haftungsbegründenden“ Kausalität lediglich hilfsweise eine Begründung zur „haftungsausfüllenden“ Kausalität enthalten. Zur Arbeit der Klägerin im Kindergarten in D-Stadt seien etwaige Nachfragen bei der Kirchenleitung und / oder der Kindergartenleitung bzw. bei den Mitarbeitern nicht erfolgsversprechend. Die Beklagte habe ihre Amtsermittlungspflicht nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I verletzt. Entsprechende Nachteile habe die Klägerin nicht zu tragen, da die Beklagte diesen Beweisnotstand verursacht habe, so dass diese letztlich die materielle Beweislast trage. Die Einholung eines arbeitswissenschaftlichen Gutachtens zur Kräfteeinwirkung auf die Lendenwirbelsäule sei erforderlich. Aus dem Bericht von Dr. L., Facharzt für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie, vom 23. Mai 2018 über ein MRT der Lendenwirbelsäule vom selben Tag ergebe sich zudem die Notwendigkeit der Durchführung einer MRT-Untersuchung zum Zwecke der Feststellung der Beschädigung der Lendenwirbel sowie der unteren Brustwirbel. Die MRT-Aufnahme vom 23. Mai 2018 könne dem Senat zur Verfügung gestellt werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. Februar 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2013 aufzuheben und festzustellen, dass bei der Klägerin die BK 2108 vorliegt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Das Landessozialgericht hat von Amts wegen ergänzende Stellungnahmen bei Dr. J. zu dessen Gutachten vom 29. Mai 2015 eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 2016 führt Dr. J. hierzu aus, dass die in seinem Gutachten angegebene Bandscheibenhöhe im Segment L 4/5 von 10 mm einem Chondrose-Grad I entspreche und demnach seinerzeit auch in jener Etage eine Bandscheibenhöhenminderung bestanden habe, die jedoch für die Klägerin nicht altersunüblich gewesen sei, sehr wohl jedoch eine Texturstörung ihrer darunter gelegenen, letzten Lendenbandscheibe, die einem Chondrose-Grad III entsprochen habe. Lediglich eine altersunübliche Bandscheibentexturstörung sei belastungstypisch. Eine altersnormale Chondrose wie jene der vorletzten Lendenbandscheibe weise dagegen lediglich auf einen schicksalhaften Aufbrauch hin. Wenn in den Konsensempfehlungen eine Höhenminderung gefordert werde, sei damit grundsätzlich immer eine altersunübliche Ausprägung gemeint. Insofern sei eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule verzichtbar, weil eine altersunübliche Höhenminderung an mehreren Lendenbandscheiben, wie für ein belastungskonformes Schadensbild gefordert, nicht festzustellen sei. In der Stellungnahme vom 30. Mai 2018 legt er zum Bericht von Dr. L. vom 23. Mai 2018 dar, dass der dort geschilderte Zustand nicht dem einer black disc entspreche. Ergänzend dazu führt er unter dem 1. Juni 2018 aus, dass – sofern eine aktuelle Kernspintomographie überhaupt eine black disc zeige – keineswegs überwiegend wahrscheinlich sei, dass sie bereits im Jahr 2012 vorhanden gewesen sei.

Der Senat hat am 24. Februar 2017 und am 13. November 2017 jeweils einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen des Inhalts wird auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften vom selben Tag Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht M. sowie die Richter am Landessozialgericht N. und O. wegen Befangenheit abgelehnt. Mit Beschluss vom 13. März 2018 (L 9 SF 13/18 AB) hat der Senat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten verbunden mit der auf Feststellung der BK 2108 gerichteten Feststellungsklage zulässig (siehe BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 9).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2108.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der streitgegenständlichen Berufskrankheit ist § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. mit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I 2623). Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV lautet: „Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten nur diejenigen Krankheiten, die von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sogenannte Listen-Berufskrankheiten) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden. Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zur Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und dass diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität), wobei zudem Anerkennungsvoraussetzung ist, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlässt (ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 10). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsbegründende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen, während für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit, genügt (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 10).

Die Klägerin war von August 1984 bis Juli 1985 als Praktikantin und ab Juli 1989 als Erzieherin in Kindergärten bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Januar 2012 tätig und damit als Beschäftigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert.

Die Klägerin unterlag im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit allerdings bereits nicht den nach dem Tatbestand der BK 2108 vorausgesetzten Einwirkungen. Danach muss der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit entweder langjährig schwer gehoben und getragen oder in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben, ansonsten ist der Tatbestand der BK 2108 nicht erfüllt (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 12).

Der Senat ist hierbei nicht an die Bejahung dieser arbeitstechnischen Voraussetzungen durch die Beklagte gebunden. Diese Aussage nimmt nicht an der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes (§ 77 SGG) teil, weil in dem Bescheid durch bindenden Verfügungssatz alleine das Nichtbestehen der BK 2108 geregelt wurde (vgl. BSG, Urteil vom ein 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 13).

Die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten erfolgten zwar – wie tatbestandlich vorausgesetzt – langjährig. Denn langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 20).

Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 sind dennoch nicht nachgewiesen. Aufgrund der Weigerung der Klägerin, Auskünfte bei ihren ehemaligen Arbeitgebern einzuholen, konnte nicht ermittelt werden, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Vollbeweis vorliegen, was sich im Wege der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin auswirkt.

Nach § 103 Satz 1 Hs. 2 SGG sind die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhaltes heranzuziehen, sog. Mitwirkungslast. Die Grenzen der Mitwirkung ergeben sich im Wesentlichen aus § 65 SGB I, aus Vorschriften des Datenschutzes sowie aus dem Sozialgeheimnis (§ 35 SGB I, §§ 67 ff. SGB X). Zwar muss das Gericht auch bei der Verletzung der Mitwirkungslast grundsätzlich selbst ermitteln. Weigert sich ein Beteiligter jedoch grundlos, dem Gericht nähere Angaben zu machen, obwohl er dies könnte und das ihm auch nicht unzumutbar ist, schränkt dies die Ermittlungspflichten des Gerichts ein (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 103 Rn. 17). Das Gericht kann Schlüsse daraus ziehen, dass ein Beteiligter sich grundlos geweigert hat, die Zustimmung zur Einholung von Auskünften zu erteilen; es kann auch im Rahmen der Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis kommen, dass die verhinderten Ermittlungen für den Beteiligten ein ungünstiges Ergebnis gehabt hätten, wenn das nicht mit sonstigen Feststellungen in Widerspruch steht (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Aufl. 2017, §103 Rn. 18). Im Falle mangelnder Mitwirkung muss der Beteiligte darauf hingewiesen werden, dass das Gericht nachteilige Schlüsse ziehen will, soweit ihm das nicht bereits konkret geläufig ist (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 5/09 R -, juris, Rn. 16).

Davon ausgehend ist zunächst ein langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten nicht im Vollbeweis gesichert.

Zur Berechnung dieser Einwirkungen hat die Beklagte zutreffend auf das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) abgestellt. Das MDD ist eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen „langjähriges“ Heben und Tragen „schwerer“ Lasten oder „langjährige“ Tätigkeiten in „extremer Rumpfbeugehaltung“ nur ungenau und allenfalls nur richtungsweisend umschriebenen Einwirkungen, wobei die aufgrund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis des MDD, nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte zu verstehen sind (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 17). Es sind keine hinreichenden Gründe ersichtlich, warum dass MDD nicht auch bei der Tätigkeit als Erzieherin angewendet werden könnte. In der vom BSG vorgenommenen Modifizierung (Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, juris) gibt es einen unteren Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann. Diesen setzt das BSG auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Beurteilungsrichtwerts für die Gesamtbelastungsdosis fest. Unterhalb des hälftigen Beurteilungsrichtwertes (für Frauen: 1/2 von 17 MNh, d. h. 8,5 MNh) ist es damit ausgeschlossen, dass eine BK 2108 vorliegt. Die Beklagte hat sämtliche Angaben der Klägerin als wahr unterstellt und hieraus eine Gesamt-Belastungsdosis von 10,7 MNh ermittelt. Dieser Wert liegt mithin lediglich um 2,2 MNh über demjenigen, unter dem der Tatbestand der BK 2108 von vorneherein ausgeschlossen ist.

Die Angaben der Klägerin zu ihrer beruflichen Tätigkeit, insbesondere zu dem Gewicht der Kinder, sind aus Sicht des Senats sehr fernliegend und zweifelhaft. Im Vollbeweis könnte eine entsprechende Beweisführung nur dann gelingen, wenn die jeweiligen Arbeitgeber der Klägerin oder andere Mitarbeiter nach den von der Klägerin durchgeführten Tätigkeiten befragt werden könnten. Da die Klägerin eine solche Befragung jedoch abgelehnt hat, wirkt sich dies im Rahmen der objektiven Beweislast zu ihren Lasten aus. Auf diese Folge wurde sie auch vom Senat hingewiesen. Ihre Mitwirkungslast hat die Klägerin verletzt, weil sie ohne hinreichenden Grund die Einholung von Auskünften bei ihren ehemaligen Arbeitgebern verweigert hat. Die Befragung der Arbeitgeber ist für die Klägerin nicht unzumutbar. Denn dadurch werden den Arbeitgebern keine Daten der Klägerin, insbesondere keine gesundheitlichen Einschränkungen, offenbart.

Das von der Klägerin beantragte arbeitswissenschaftliche Gutachten musste der Senat nicht einholen. Denn die Ermittlung der konkreten Verrichtungen der Klägerin ist zwingend zur Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 erforderlich. Ein Gutachten ohne entsprechende (Anknüpfungs-)Tatsachen wäre daher unbrauchbar. Von Ermittlungsmöglichkeiten jedoch, die von vornherein völlig ungeeignet sind, hat das Gericht keinen Gebrauch zu machen (BSG, Beschluss vom 23. Juli 2015 B 2 U 78/15 B -, juris, Rn. 7).

Zudem sind auch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nicht nachgewiesen. Das vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2108 ist hierbei zwar nicht rechtlich verbindlich, jedoch als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 15). Hinsichtlich der Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nennt das Merkblatt Arbeiten in Bodenhöhe oder unter der Standfläche, bei denen es zu einer Beugung des Oberkörpers aus der aufrechten Körperhaltung um ca. 90° oder mehr kommt. Ferner zählen danach Arbeiten in Arbeitsräumen dazu, die niedriger als ca. 100 cm sind und somit andauernde Zwangshaltungen mit Arbeiten im Knien, Hocken, im Fersensitz oder in gebeugter bzw. verdrehter Körperhaltung bedingen. Beispielhaft werden unter Nennung weiterer wissenschaftlicher Quellen Berufsgruppen, bei denen solche Tätigkeiten vorkommen, aufgeführt. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Sinne der BK 2108 erfordern weder eine Zwangshaltung noch eine Rumpfbeuge von mindestens 90° oder mehr (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 16, wobei dahinstehen könne, ob eine Rumpfbeuge von 45°, wie sie in der DWS-Folgestudie bereits als wirbelsäulenschädigend dargestellt werde, mit der möglichen Wortbedeutung des Attributs „extrem“ vereinbar sei, Rn. 19). In der wissenschaftlichen Literatur wird eine solche Körperhaltung typischerweise bei Stahlbetonarbeitern und Verbundsteinlegern angenommen, die ohne wirksame Unterbrechung über mehrere Minuten (mindestens zwei bis drei) eine starke Rumpfneigung einnehmen, während diese Voraussetzung weder bei Tätigkeiten in vorgebeugter Haltung im Sitzen, bei der Tätigkeit von Friseuren noch bei der zahnärztlichen Tätigkeit erfüllt seien (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 523 m. w. N.).

Auch insofern wäre jedoch eine Betrachtung der konkreten Arbeitsplatzbelastung der Klägerin und damit eine Befragung von Arbeitgebern oder anderen Mitarbeitern notwendig, sofern man nicht von vornherein bei Erzieherinnen eine Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung verneint.

Doch selbst für den Fall, dass von einer Gesamtbelastungsdosis von 10,7 MNh auszugehen wäre und damit die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 vorlägen, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2108. Denn es ist auch keine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nachgewiesen.

Die Berechnungen der Präventionsdienste sind aus Sicht des Senates – sofern man die Angaben der Klägerin zu Grunde legt – nicht zu beanstanden. Die Einwände der Klägerin gegen die Berechnungen sind nicht hinreichend substantiiert und damit nicht geeignet, die Ermittlungen in Frage zu stellen.

Der Tatbestand der BK 2108 setzt neben einem objektivierten Bandscheibenschaden ein korrespondierendes klinisches Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen voraus. Von einem solchen ist in Anwendung der sogenannten Konsensempfehlungen nicht auszugehen.

Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen der BK 2108 geschlossen werden; vielmehr müssen medizinische Kriterien hinzukommen. Während die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK zum einen das Vorhandensein der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und zum anderen die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung beinhalten, betreffen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit und zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R -, juris, Rn. 18).

Der Senat folgt insoweit Dr. J., der seiner Einschätzung die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 (Bolm-Audorff u. a., Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S. 211, 216 ff., 228 ff.) zugrunde gelegt hat. Diese bilden weiterhin den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ab (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R -, juris, Rn. 20).

Diese Konsensempfehlungen unterscheiden, wie auch der Sachverständige Dr. J. ausgeführt hat, zwischen dem Typ 1 lokales Lumbalsyndrom und dem Typ 2 lumbales Wurzelsyndrom. Der Senat tritt der Einschätzung von Dr. J. bei, dass sich weder aus dem Akteninhalt noch anlässlich der Begutachtung der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule ergibt. Überzeugend führt Dr. J. in seinem Gutachten aus, dass das von Dr. H. im Jahr 1993 bescheinigte Lumbalsyndrom lediglich das Vorhandensein von Rückenschmerzen (mit mannigfaltigen Ursachen) bedeutet und daraus eine bandscheibenbedingte Erkrankung nicht erkennbar wird. Plausibel führt Dr. J. ferner aus, dass der Nachweis einer solchen Erkrankung auch nicht aus der Bescheinigung einer „Krankheit der Wirbelsäule“ von Dr. H. im Jahr 2012 und auch nicht aus dessen Diagnose einer Radikulopathie, also einer Nervenwurzelirritation der Wirbelsäule, begründet wird, da eine derartige Nervenwurzelreizung nicht belegt ist. Dies gilt auch für die von den Dres. P. und Kollegen berichteten „lokalen lumbalen Schmerzen“, also Rückenschmerzen ohne Nervenwurzelirritation. Im Entlassungsbericht von Dr. C. (vom 26. März 2012) werden die klinischen Zeichen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ebenso wenig deutlich wie aus dem Gutachten von Prof. Dr. F. Zutreffend weist Dr. J. darauf hin, dass nach den Konsensempfehlungen neben der Krankheits- und Belastungsanamnese eine Schmerzanamnese zur Abgrenzung einer bandscheibenbedingten Erkrankung gegenüber einem chronisch unspezifischen Schmerzsyndrom bei parallel vorhandenen degenerativen Veränderungen an den Bandscheiben der Wirbelsäule erforderlich ist, wobei die Abgrenzung für die nichtradikulären bandscheibenbedingten Erkrankungen nur mit begrenzter Wahrscheinlichkeit gelinge und gegen einen Zusammenhang die gleichmäßige Ausbreitung von Schmerzen über weite Bereiche des Rückens, mehrere Segmente vom bildgebend dargestellten Bandscheibenschaden entfernt, sowie die Schilderung von Schmerzen, die sich zugleich über die Gelenke ausbreiten, sprechen. Der Senat tritt der Einschätzung von Dr. J. bei, dass sich nach diesen Maßstäben eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht im Vollbeweis ergibt.

Doch selbst bei Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK 2108 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung dieser BK. Unter Anwendung der Konsensempfehlungen ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Krankheit nicht anzunehmen.

Die Konsensempfehlungen sind für die Frage des wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung der Klägerin nach wie vor eine geeignete Grundlage, um den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand bezüglich bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule zu bestimmen (BSG, Urteil vom 23. Mai 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 32). Dem Senat liegen im Rahmen seiner eigenen Ermittlungen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht. Bei den Konsensempfehlungen handelt es sich nicht um einen normativen Text oder ein antizipiertes Sachverständigengutachten, weil sie weder vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber erlassen noch von unabhängigen und der Neutralität verpflichteten Autoren verfasst wurden; daher sind sie für Verwaltung, Gerichte oder Gutachter auch nicht unmittelbar verbindlich, und es verbietet sich deren Auslegung unter strikter Anwendung der juristischen Methodenlehre; die Konsensempfehlungen dienen lediglich zur Erleichterung der Beurteilung im Einzelfall, um typische Befundkonstellationen im Hinblick auf die Kausalbeziehungen unter Zugrundelegung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands einordnen zu können (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 37).

Bei fehlender Begleitspondylose wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen zunächst dann als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung und / oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht (B 2, 1. Zusatzkriterium, 1. Alt.). Alternativ müssen bei nur monosegmentaler(m) Chondrose/Vorfall in L 5/S 1 oder L 4/5 im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten black discs vorliegen (B 2, 1. Zusatzkriterium, 2. Alt.), eine besonders intensive Belastung bestehen, wobei als Anhaltspunkt das Erreichen des Richtwerts für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren gilt (B 2, 2. Zusatzkriterium), oder ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen bestehen, wofür als Anhaltspunkt das Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosisrichtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 1/2 KN, Männer ab 6 KN; B 2, 3. Zusatzkriterium) verlangt wird (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R -, juris, Rn. 24).

Der Senat tritt der Einschätzung von Dr. J. bei, dass bei der Klägerin eine altersunübliche Höhenminderung nicht im Bereich L 4/5, sondern lediglich im Bereich L5/S1 im Zeitpunkt der Begutachtung, etwa drei Jahre nach Aufgabe der belastenden Tätigkeit, vorliegt. Der Senat schließt sich ebenfalls der Einschätzung von Dr. J. bei, dass in Ermangelung einer Begleitspondylose und einer Konkurrenzursache die Konstellation B 2 einschlägig ist, aber kein dortiges Zusatzkriterium erfüllt ist. Insbesondere ist nicht erwiesen, dass im Untersuchungszeitpunkt eine black disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten vorlag.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Bildern der MRT-Untersuchung vom 23. Mai 2018, die dem Gericht nicht vorlagen. Nach der hierzu eingeholten Stellungnahme des Sachverständigen Dr. J. vom 30. Mai 2018 ergibt sich aus dem Bericht von Dr. L. kein Hinweis für das Vorliegen einer black disc. Der Umstand, dass in der Stellungnahme von Dr. J. in der Kopfzeile jeweils ein anderer Proband genannt ist, hat keinen Einfluss auf deren Verwertbarkeit, weil sich aus dem Inhalt der Ausführungen eindeutig ergibt, dass ihr Gegenstand der Fall der Klägerin ist. Außerdem könnte nach den Ausführungen von Dr. J. vom 1. Juni 2018 auch aus den entsprechenden MRT-Bildaufnahmen nicht geschlossen werden, dass bereits im Jahr 2012 eine entsprechende black disc vorlag, erst Recht nicht im Vollbeweis. Maßgeblich für das Vorliegen einer black disc ist nicht das Jahr 2018, sondern das Jahr 2012 und eventuell der unmittelbar daran anschließende Zeitraum. Für den Tatbestand der BK 2108 ist nämlich eine zeitliche Korrelation zwischen Expositionsende und Krankheitseintritt erforderlich (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 536). Nach den Konsensempfehlungen (Nr. 1.2) ist bei bereits länger zurückliegender Aufgabe der belastenden Tätigkeit der bildgebende Befund zum Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit wegweisend. Die Existenz einer black disc in einer MRT-Aufnahme aus dem Jahr 2018 wäre mithin nicht ausreichend, um eine black disc als Zusatzkriterium nachzuweisen.

Soweit weder eine Begleitspondylose noch eines der Zusatzkriterien der Konstellation B 2 vorliegt und keine konkurrierenden Faktoren erkennbar sind, war die Einschätzung des Zusammenhangs durch die Teilnehmer der Konsensarbeitsgruppe offensichtlich unterschiedlich und es wurde folglich auch keine Anerkennungsempfehlung ausgesprochen. Im Rahmen der Amtsermittlung ist daher festzustellen, ob individuelle, dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechende Umstände vorliegen, im konkreten Einzelfall ein Ursachenzusammenhang als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 6/13 -, juris, Rn. 26). Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen von Dr. J. an, dass der wesentliche konkurrierende Auslöser für die Bandscheibentexturstörung bei der Klägerin die genetisch bedingte Minderwertigkeit des Bandscheibengewebes ist, wofür vorliegend auch der Umstand spricht, dass auch die Bandscheibe zwischen dem vierten und fünften Halswirbel der Klägerin texturgestört ist.

Die Kostentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Sozialrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Sozialrecht. Wir beraten uns vertreten Sie in sozialrechtlichen Fragen. Jetzt Ersteinschätzung anfragen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Beiträge aus dem Sozialrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!