Carpaltunnel-Syndrom: Kampf um Anerkennung als Berufskrankheit
Das Landessozialgericht Hamburg wies die Berufung des Klägers zurück, der die Anerkennung seines Carpaltunnelsyndroms als Berufskrankheit gemäß Nr. 2113 der Anlage 1 zur BKV begehrte. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass die Erkrankung in direktem, zeitnahem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit stand. Die Beweislage reichte nicht aus, um das Carpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit anzuerkennen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Ablehnung der Berufung: Das Landessozialgericht Hamburg wies die Berufung des Klägers gegen die Nichtanerkennung des Carpaltunnelsyndroms als Berufskrankheit zurück.
- Kein direkter Zusammenhang: Der Kläger konnte keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen seiner beruflichen Tätigkeit und dem Carpaltunnelsyndrom nachweisen.
- Beweislage unzureichend: Die vorliegenden medizinischen Berichte und Beweise reichten nicht aus, um das Carpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit zu bestätigen.
- Fehlende zeitnahe Diagnose: Es gab keine hinreichenden Belege dafür, dass die Erkrankung zeitnah zur beruflichen Exposition aufgetreten ist.
- Wichtigkeit neurologischer Untersuchungen: Die Diagnose eines Carpaltunnelsyndroms erfordert spezifische neurologische Untersuchungen, welche im Fall des Klägers nicht ausreichend vorlagen.
- Berufliche Exposition und Erkrankungsbeginn: Es fehlte ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition und dem Beginn der Erkrankung.
- Keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung: Aufgrund der fehlenden Anerkennung als Berufskrankheit wurden keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt.
- Revision nicht zugelassen: Das Gericht ließ keine Revision zu, was den endgültigen Charakter des Urteils unterstreicht.
Übersicht
Das Carpaltunnel-Syndrom im Fokus des Sozialrechts
In der aktuellen Rechtsprechung nimmt die Frage, ob bestimmte Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt werden können, eine immer wichtigere Rolle ein. Ein besonders aufmerksamkeitsstarkes Beispiel hierfür ist die Diskussion um das Carpaltunnel-Syndrom. Dieses Nervenleiden, welches durch repetitive manuelle Tätigkeiten und erhöhten Kraftaufwand hervorgerufen werden kann, steht im Mittelpunkt eines Urteils des Landessozialgerichts Hamburg. Die Kernfrage dabei: Kann das Carpaltunnel-Syndrom unter bestimmten Umständen als Berufskrankheit gemäß der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannt werden? Die Antwort darauf hat weitreichende Implikationen, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Arbeitgeber und die gesetzliche Unfallversicherung.
Die folgenden Ausführungen widmen sich einem konkreten Fall, in dem ein Kläger die Anerkennung seines Carpaltunnel-Syndroms als Berufskrankheit begehrte. Dieser Fall beleuchtet die komplexen Aspekte des Kausalzusammenhangs zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung. Lassen Sie sich in eine detaillierte Analyse dieses spannenden Rechtsfalles führen, der grundlegende Fragen der Arbeitsmedizin und des Sozialrechts berührt.
Der Streit um das Carpaltunnel-Syndrom als Berufskrankheit
Im Herzen des Rechtsstreits am Landessozialgericht Hamburg stand die Frage, ob das Carpaltunnel-Syndrom als Berufskrankheit nach Nr. 2113 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannt werden kann. Der Kläger, ein 1969 geborener französischer Staatsangehöriger, war bis 2007 in verschiedenen Unternehmen als Rohrschlosser, Rohrleitungsbauer und Industriemonteur tätig. Er machte geltend, dass seine Erkrankung, das Carpaltunnel-Syndrom, aufgrund seiner beruflichen Tätigkeiten entstanden sei, insbesondere durch repetitive manuelle Tätigkeiten sowie durch erhöhten Kraftaufwand der Hände.
Die medizinische und berufliche Bewertung des Falls
Der Kläger legte 2017 einen ärztlichen Bericht vor, der auf ein beidseitiges Carpaltunnel-Syndrom hinwies. Er betonte, seit 2006 Schmerzen in den Handgelenken zu haben. Die Präventionsdienste der Beklagten sowie der Berufsgenossenschaft Holz und Metall bestätigten, dass die Tätigkeiten des Klägers grundsätzlich geeignet gewesen seien, ein Carpaltunnel-Syndrom zu verursachen. Allerdings wies der Präventionsdienst darauf hin, dass für die Anerkennung als Berufskrankheit ein enger arbeitskongruenter Verlauf erforderlich sei. Das Auftreten der Beschwerden erst drei Jahre nach Beendigung der belastenden Tätigkeit stand dieser Forderung entgegen.
Die gerichtliche Entscheidung und ihre Begründung
Das Landessozialgericht Hamburg wies die Berufung des Klägers zurück. Die Hauptbegründung des Gerichts basierte darauf, dass kein direkter Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und dem Auftreten des Carpaltunnel-Syndroms festgestellt werden konnte. Insbesondere wurde betont, dass die Beschwerden des Klägers erst mehrere Jahre nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit aufgetreten waren und somit der geforderte enge zeitliche Zusammenhang fehlte. Zudem waren die medizinischen Nachweise, darunter ein ärztlicher Bericht aus dem Jahr 2010, nicht ausreichend, um die Erkrankung als Berufskrankheit zu klassifizieren.
Weiterführende Implikationen und Schlussfolgerungen
Dieses Urteil unterstreicht die Komplexität bei der Anerkennung von Erkrankungen als Berufskrankheiten. Es zeigt auf, dass neben dem Nachweis der Erkrankung selbst, der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition und dem Auftreten der Erkrankung entscheidend ist. Die Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg liefert somit wichtige Erkenntnisse für ähnliche Fälle, in denen die Anerkennung von Erkrankungen als Berufskrankheiten strittig ist. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen dieses Urteil auf zukünftige Fälle haben wird, in denen Arbeitnehmer die Anerkennung ihrer Erkrankungen als Berufskrankheiten suchen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was definiert das Carpaltunnel-Syndrom medizinisch und rechtlich?
Das Karpaltunnelsyndrom (KTS) ist ein medizinisches Phänomen, das durch eine Kompression des Nervus medianus im Bereich der Handwurzel gekennzeichnet ist. Dieser Zustand wird auch als Engpasssyndrom oder Nervenkompressionssyndrom bezeichnet. Der Nervus medianus ist für die Empfindung und Beweglichkeit des Daumenballens und von Teilen der Hand verantwortlich. Wenn das Gewebe im Karpaltunnel anschwillt, kann der Mittelnerv unter Druck geraten und ein Karpaltunnelsyndrom auslösen.
Die Symptome des Karpaltunnelsyndroms umfassen typischerweise Taubheitsgefühle, Kribbeln und das Gefühl, dass die Hand „einschläft“, insbesondere im Bereich des Daumens, des Zeige-, Mittel- und der dem Mittelfinger zugewandten Hälfte des Ringfingers. Diese Symptome können nachts oder bei länger anhaltender gleicher Stellung der Hand besonders stark ausgeprägt sein.
Die Ursachen für das Karpaltunnelsyndrom können vielfältig sein. Dazu gehören Überlastung oder repetitive Tätigkeiten, degenerative, rheumatische, hormonelle und stoffwechselbedingte Erkrankungen, Traumata, Frakturen im Bereich des Handgelenks, Blutungen, Ödeme, Gewichtszunahme und Tumoren. Es kann auch idiopathisch auftreten, das heißt ohne erkennbare Ursache.
Rechtlich gesehen kann das Karpaltunnelsyndrom in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anerkannt werden. Dies ist der Fall, wenn es durch berufliche Tätigkeiten verursacht wird, die mit einer erhöhten Belastung des Handgelenks einhergehen. Die Anerkennung als Berufskrankheit ermöglicht den Zugang zu bestimmten Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Das vorliegende Urteil
Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 19/21 – Urteil vom 19.03.2023
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2113 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen.
Der am xxxxx 1969 geborene Kläger ist französischer Staatsangehöriger und war vom 22. Mai 2000 bis zum 7. April 2007 in verschiedenen Unternehmen als Rohrschlosser, Rohrleitungsbauer im Montage- und Demontagebereich sowie als Industriemonteur auf verschiedenen Baustellen tätig. Danach war er als selbständiger Unternehmer in F. tätig.
Im Rahmen der Geltendmachung einer Berufserkrankung Asbestose vor dem Sozialgericht Hamburg beantragte der Kläger im Jahr 2017, seine Erkrankung an einem Carpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit nach der Nr. 2113 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. Hierfür legte der Kläger einen ärztlichen Bericht des „C. vom 18. August 2010 vor. Die den Kläger wegen Rückenmarkschmerzen behandelnden Ärzte Prof. L., Dr. S. und Frau M. gaben an, dass das Elektroneuromyogramm auf ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom (vor allem links) hinweise. Zudem erklärte der Kläger, dass er seit 2006 Schmerzen in den Handgelenken habe.
Die Präventionsdienste der Beklagten sowie der Berufsgenossenschaft Holz und Metall erklärten in ihren Stellungnahmen zur Arbeitsplatzexposition, dass der Kläger Tätigkeiten verrichtet habe, die geeignet gewesen seien, eine Berufskrankheit nach der Nr. 2113 der Anlage 1 zur BKV zu verursachen. Der Präventionsdienst der Beklagten wies in seiner Stellungnahme vom 10. April 2018 darauf hin, dass bei der Berufskrankheit Nr. 2113 ein enger arbeitskongruenter Verlauf zu fordern sei. Das Auftreten von Beschwerden im Sinne eines Carpaltunnelsyndroms drei Jahre nach Beendigung einer belastenden Tätigkeit widerspreche jedoch der geforderten Arbeitskongruenz.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. Juni 2018 die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2113 der Anlage 1 zur BKV ab. Voraussetzung für die Anerkennung einer solchen Berufskrankheit sei eine Druckschädigung des Nervus medianus im Karpaltunnel (Karpaltunnel-Syndrom). Darüber hinaus müsse die Erkrankung durch repetitive manuelle Tätigkeit mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen verursacht worden sein. Nach den vorliegenden Arztberichten, insbesondere nach dem Bericht der C. von Prof. Dr. L., Dr. S. und Frau M. vom 18. August 2010 habe aufgrund einer neurologischen Untersuchung ein beidseitiges Carpaltunnelsyndrom vor allem links befundet werden können. Darüber hinaus sei es nach Angaben der Präventionsdienste durch das Arbeiten mit den verschiedenen Werkzeugen und Maschinen in der Mehrzahl der Arbeitsschichten zu Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2113 gekommen. Jedoch liege seit 2007 keine versicherte berufliche Belastung mehr vor. Für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2113 werde ein enger arbeitskongruenter Verlauf gefordert. Anhand des Krankheitsverlaufes lasse sich kein Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit herleiten. Gegen einen Zusammenhang spreche insbesondere das Fehlen klinischer krankhafter Befunde im zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Die Beschwerden hätten erstmals im Jahre 2010, also drei Jahre nach Beendigung der Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2113 dazu geführt, dass der Kläger einen Arzt aufgesucht habe. Vor 2010 seien keine ärztlichen Behandlungen dokumentiert. In der Zeit, in welcher eine berufliche Gefährdung an einem Carpaltunnelsyndrom zu erkranken vorgelegen habe, seien keine nachgewiesenen und durch Ärzte dokumentierten Beschwerden aufgetreten.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und erklärte, dass sich das Carpaltunnelsyndrom im Rahmen seiner Tätigkeit entwickelt habe. Die durchgeführten Berechnungen der Beklagten im Rahmen der Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition seien unrichtig, da diese lediglich von einer durchschnittlichen Belastung ausgingen. Die übrigen Arbeiten, beispielsweise Demontage der Rohrisolierung, Transporte und die durchgeführten Schweißarbeiten, seien zu Unrecht nicht weiter betrachtet worden, da es sich hierbei weder um repetitive Tätigkeiten noch um Arbeiten mit Hand-Arm-Schwingungen im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2113 gehandelt haben soll. Diese Stellungnahme verkenne jedoch, dass ein erhöhter Kraftaufwand bzw. eine Tätigkeit mit Beugung und Streckung der Handgelenke dazu in der Lage seien, die Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2113 hervorzurufen. Insbesondere Schweißarbeiten oder der Transport von Isolierungen oder Rohren stellten belastende Tätigkeiten für die Hände bzw. Handgelenke des Klägers dar und hätten zu dem Carpaltunnelsyndrom geführt. Einer Feststellung der Berufskrankheit Nr. 2113 stehe auch nicht entgegen, dass das Carpaltunnelsyndrom nach Ansicht der Beklagten erst 3 Jahre nach Beendigung der belastenden Tätigkeit beim Kläger aufgetreten sei. Wie in der Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 21. Februar 2018 schon mitgeteilt worden sei, habe der Kläger bereits während der Tätigkeiten im Anschluss an die jeweiligen Schichten über Taubheit in den Händen geklagt. Dies sei bereits damals ein Anzeichen dafür gewesen, dass eine Schädigung des Karpaltunnels beim Kläger vorgelegen habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2019 zurück. Gemäß der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nr. 2113 sei ein Kausalzusammenhang plausibel, wenn der Erkrankungsbeginn in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition stehe. Der Nachweis des Carpaltunnelsyndroms sei jedoch erst im Jahr 2010 bei einer Beschäftigung in Deutschland bis April 2007 erfolgt. Anschließend sei der Kläger selbstständig in F. tätig gewesen und habe nicht mehr unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem SGB VII gestanden. Das Krankheitsbild müsse im zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition ärztlicherseits diagnostisch gesichert sein. Allein die Aussage bzw. Beschwerdeschilderung des Betroffenen ohne Arztkonsultation reiche hierfür nicht aus.
Der Kläger hat am 5. März 2019 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und vorgetragen, dass er bereits vorzeitig gegenüber seinen Hausärzten mitgeteilt habe, dass er unter entsprechendem Taubheitsgefühl in den Händen leide. Er hat der Klagebegründung ein ärztliches Attest seines behandelnden Arztes in F. Dr. M1 vom 6. August 2019 beigefügt, wonach der Arzt mitteilte, der angibt, dass bei dem Kläger ab 2010 ein Carpaltunnelsyndrom vorgelegen habe.
Die Beklagte hat ergänzend zu ihren Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden darauf hingewiesen, dass laut wissenschaftlicher Begründung für die Berufskrankheit Nr. 2113 bei der Diagnostik als essenziell die Messung der motorischen und sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit im Versorgungsbereich des Nervus medianus angesehen werde. Die AWMF Leitlinie 005/003 Diagnostik und Therapie des Carpaltunnelsyndroms empfehle die Bestimmung der distalen motorischen Latenz des Nervus medianus. Bei grenzwertigem oder nicht eindeutigen Befund sei zusätzlich eine sensible Neurografie erforderlich. Das vorgelegte ärztliche Attest vom 6. August 2019 ersetze nicht den Nachweis der Erkrankung durch einen Neurologen. Unabhängig von dem fehlenden neurologischen Befund sei darüber hinaus dem Attest des Allgemeinmediziners Dr. M1 nicht zu entnehmen, auf welche klinischen Untersuchungsbefunde er seine Diagnose stütze.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Juni 2022 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch, dass seine Erkrankung an einem Carpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit nach der Nr. 2113 der Anlage 1 zur BKV festgestellt werde. Zwar sei unstreitig, dass die Tätigkeit des Klägers bis zum Jahre 2007 als Rohrschlosser, Rohrleitungsbauer im Montage- und Demontagebereich sowie als Industriemonteur auf diversen Baustellen durch das Arbeiten mit verschiedenen Werkzeugen, die Rückstoßerschütterungen und Vibrationen erzeugten, dem Grunde nach geeignet gewesen sei, eine Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel hervorzurufen. Ferner sei unstreitig, dass bei dem Kläger ein Carpaltunnelsyndrom diagnostiziert worden sei. Die Erkrankung könne aber nicht als Berufskrankheit anerkannt werden, da die gefährdende Tätigkeit bis zum 7. April 2007 die Erkrankung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht habe. Dieser sog. Kausalzusammenhang sei nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Literatur plausibel, wenn der Erkrankungsbeginn in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition stehe (unter Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 602). Dieser sei vorliegend nicht anzunehmen, denn die Erkrankung sei erstmals durch Prof. Dr. L., Dr. S. und Frau M. vom C. mittels einer neurologischen Untersuchung am 18. August 2010 medizinisch belegt worden; die gefährdende Tätigkeit habe der Kläger jedoch bereits im Jahre 2007 beendet.
Der geforderte enge zeitliche Zusammenhang sei jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn zwischen dem letzten Beschäftigungstag mit geeigneter Exposition und dem erstmaligen Auftreten bzw. Nachweis eines Carpaltunnelsyndroms mehr als drei Jahre lägen. Zu Recht habe die Beklagte zudem darauf hingewiesen, dass der Nachweis eines Carpaltunnelsyndroms erst durch entsprechende neurologische Untersuchungen und Messungen, wie sie durch die Ärzte Prof. L., Dr. S. und Frau M. durchgeführt worden seien, erbracht werden könne. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass entsprechende Untersuchungen bereits zu einem Zeitpunkt vor dem 18. August 2010 durchgeführt worden seien und ein Carpaltunnelsyndrom diagnostiziert worden sei. Insofern helfe das vom Kläger vorgelegte ärztliche Attest von Dr. M1 vom 6. August 2019 weder hinsichtlich der Feststellung eines Carpaltunnelsyndroms noch bezüglich der von ihm festgelegten Zeit weiter.
Gegen den ihm am 14. Juni 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. Juni 2021 Berufung eingelegt. Er hat die Elektroneuromyographie des C. vom 10. August 2010 vorgelegt. Sein letzter Arbeitstag sei am 7. April 2007 gewesen. Bis zu einer Arbeitsunterbrechung aufgrund eines Unfalls am 2. Juli 2009 habe er keine manuelle Tätigkeit mehr ausgeführt. Weitere vom Kläger eingereichte medizinische Unterlagen aus 2009 enthalten nicht die Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms.
Der Kläger beantragt nach Aktenlage sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 3. Juni 2021 und den Bescheid vom 28. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das bei dem Kläger vorliegende Karpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit nach Nr. 2113 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Übertragungsbeschluss vom 3. August 2022 hat der Senat der Berichterstatterin, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, das Verfahren nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift vom 19. April 2023 ergänzend Bezuge genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die Berufung, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 5 SGG durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden konnte, hat keinen Erfolg. Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage vollumfänglich anschließt. Auch mit den im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen hat der Kläger keinen früheren Beginn des Karpaltunnelsyndroms nachgewiesen. Allein in dem ärztlichen Bericht vom 11. Dezember 2009 von Dr. S1 werden Schmerzen in der Hand erwähnt, diese werden allerdings genauso wie die Schmerzen in den Füßen im Zusammenhang mit den Rückenschmerzen gesehen. Ein enger zeitlicher Beginn der Erkrankung zur Beschäftigung besteht somit nicht.
Da keine Berufskrankheit nach der Nr. 2113 der Anlage 1 zur BKV vorliegt, sind hieraus auch keine Leistungen zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.