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Anerkennung der Kniearthrose als Berufskrankheit 2112: Kniebelastung entscheidend

Ein Schweißer kämpfte um die Anerkennung der Kniearthrose als Berufskrankheit 2112, nachdem er über 37.100 Stunden kniend gearbeitet hatte. Die Unfallversicherung verwies auf Übergewicht als Hauptursache, doch das Landessozialgericht bewertete die Kausalität neu.

Zum vorliegenden Urteil Az.: L 5 U 58/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landessozialgericht Mecklenburg‑Vorpommern
  • Datum: 10.02.2021
  • Aktenzeichen: L 5 U 58/17
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Berufskrankheitenrecht, Sozialrecht, Versicherungsrecht

  • Das Problem: Ein ehemaliger Schweißer klagte, weil die gesetzliche Unfallversicherung seine beidseitige Kniearthrose (Gonarthrose) nicht als Berufskrankheit 2112 anerkennen wollte. Die Versicherung argumentierte mit konkurrierenden Ursachen wie Übergewicht, Meniskusschäden und alten Verletzungen.
  • Die Rechtsfrage: Muss die Unfallversicherung die Kniearthrose als Berufskrankheit anerkennen, wenn die berufliche Tätigkeit die geforderte Mindestbelastung (13.000 Stunden Knien) deutlich überschritten hat, aber auch andere gesundheitliche Risikofaktoren vorliegen?
  • Die Antwort: Ja. Das Gericht verpflichtete die Unfallversicherung zur Anerkennung der Kniearthrose. Die extrem lange berufliche Belastung (ca. 37.100 Stunden) war die wesentliche Ursache.
  • Die Bedeutung: Eine massive Überschreitung der erforderlichen kumulativen Kniebelastung ist ein sehr starkes Indiz für die berufliche Verursachung. Konkurrierende Faktoren wie leichtes Übergewicht oder sekundäre Meniskusschäden dürfen die Anerkennung in solchen Fällen nicht verhindern.

Der Fall vor Gericht


War es der Job oder das Schicksal? Der lange Kampf eines Schweißers um Anerkennung seiner Kniearthrose

Die Knie eines langjährigen Schweißers waren zerstört. Die Diagnose: fortgeschrittene Arthrose. Der Fall schien klar – die jahrzehntelange Arbeit im Knien musste der Täter sein.

Ein Arbeiter schweißt in kniender Haltung, deren Belastung die Kausalität für die Berufskrankheit 2112 (Gonarthrose) beweist.
Landessozialgericht erkennt beidseitige Kniearthrose als Berufskrankheit nach rund 37.100 Stunden kniender Arbeit an. | Symbolbild: KI

Doch die gesetzliche Unfallversicherung präsentierte eine ganze Reihe anderer Verdächtiger: eine alte Sportverletzung, eine leichte O-Bein-Stellung, das Körpergewicht des Mannes und sogar eine Gichterkrankung. Der Prozess vor dem Landessozialgericht wurde zu einer medizinischen Spurensuche. Die Richter mussten wie Detektive ermitteln, welche dieser Ursachen den entscheidenden Beitrag zum Schaden geleistet hatte – und welche nur falsche Fährten waren.

Zählt jede Arbeitsstunde auf den Knien?

Der erste Prüfstein für die Anerkennung einer Gonarthrose als Berufskrankheit ist eine mathematische Hürde. Die Berufskrankheiten-Verordnung verlangt unter der Nummer 2112 einen klaren Nachweis: Der Betroffene muss während seines Arbeitslebens mindestens 13.000 Stunden im Knien oder in einer vergleichbaren Haltung gearbeitet haben. Zudem muss die Belastung pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde betragen haben.

Für den Schweißer, der von 1979 bis 2012 auf einer Werft tätig war, wurde diese Rechnung zur Grundlage seines Anspruchs. Er gab an, 95 Prozent seiner Arbeitszeit knieend verbracht zu haben. Die Unfallversicherung schickte ihren Präventionsdienst, um diese Angaben zu überprüfen. Das Ergebnis war eindeutig und pulverisierte jeden Zweifel. Die Experten errechneten eine Kumulative Einwirkungsdauer von rund 37.100 Stunden. Der Grenzwert von 13.000 Stunden war bereits im Jahr 1990 überschritten. Damit stand der erste Baustein für die Anerkennung fest: Die arbeitstechnischen Voraussetzungen waren mehr als erfüllt. Der Fall verlagerte sich vom Rechenschieber in den Untersuchungsraum.

Reicht ein ärztlicher Befund für den juristischen Beweis?

Der zweite Schritt erforderte einen präzisen medizinischen Nachweis. Es genügte nicht, einfach nur eine Arthrose zu haben. Das Gesetz verlangt für die BK 2112 eine Gonarthrose von mindestens Grad II nach der Kellgren-Klassifikation, einer standardisierten radiologischen Einteilung. Die Richter mussten die Frage im Vollbeweis klären – es durfte kein vernünftiger Zweifel am Krankheitsbild und dessen Schweregrad bestehen.

Die Unfallversicherung argumentierte lange, dieser Beweis sei nicht erbracht. Ihre beratenden Ärzte sahen die Veränderungen als altersgerechten Verschleiß. Erst im Laufe des Verfahrens kamen Röntgenbilder aus dem Jahr 2014 auf den Tisch, die eine neue Bewertung erzwangen. Zwei unabhängige Gutachter, ein Professor für Orthopädie und ein vom Gericht bestellter Chefarzt, kamen zum selben Ergebnis: Die Aufnahmen zeigten unmissverständlich eine Gonarthrose des Grades II in beiden Kniegelenken. Selbst die Unfallversicherung konnte diesen radiologischen Befund am Ende nicht mehr ernsthaft bestreiten. Das Gericht stellte fest: Die Krankheit im erforderlichen Ausmaß war bewiesen. Nun stand nur noch die schwierigste Frage im Raum.

Was wiegt schwerer: 37.000 Stunden Arbeit oder ein paar Kilo zu viel?

Die letzte und entscheidende Hürde war die Frage nach dem Ursachenzusammenhang. Im Recht der Berufskrankheiten gilt die „Theorie der wesentlichen Bedingung“. Im Klartext bedeutet das: Die berufliche Belastung muss nicht die alleinige, aber eine wesentliche Ursache für die Krankheit sein. Es reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, kein hundertprozentiger Beweis. Hier begann die eigentliche juristische und medizinische Abwägung. Die Unfallversicherung führte eine ganze Liste möglicher konkurrierender Ursachen ins Feld, die das Gericht systematisch abarbeitete.

Das erste Argument war das Übergewicht des Mannes. Sein Body-Mass-Index lag bei 29,1. Das ist zwar Übergewicht, aber noch keine Adipositas, die bei einem BMI von 30 beginnt. Die wissenschaftlichen Empfehlungen zur BK 2112 sehen erst bei Adipositas ein deutlich erhöhtes Risiko. Da die Versicherung keine Daten vorlegen konnte, die ein jahrelanges starkes Übergewicht belegten, stuften die Richter diesen Faktor als nicht wesentlich ein. Er konnte die massive berufliche Belastung nicht ausstechen.

Als Nächstes prüfte das Gericht frühere Meniskusschäden und Operationen. Hätten diese die Arthrose ausgelöst oder beschleunigt? Der vom Gericht bestellte Gutachter Dr. S. lieferte hier eine schlüssige Analyse. Er wertete die Meniskusschäden als sekundär – sie waren also eine Folge der bereits durch die Arbeit begonnenen Knorpelschädigung, nicht deren Auslöser. Die Operationen konnten die Entwicklung zwar beeinflussen, waren aber Teil einer Kausalkette, die mit der beruflichen Belastung begann.

Weitere „Verdächtige“ wurden geprüft und entkräftet. Eine Schienbeinfraktur aus der Kindheit war ohne Fehlstellung verheilt und damit irrelevant. Eine leichte O-Bein-Stellung war nicht angeboren, sondern entwickelte sich wahrscheinlich erst durch den Gelenkverschleiß. Eine einmalig aufgetretene Gicht am Fuß war kein Beleg für eine chronische Gelenkerkrankung, die die Knie hätte schädigen können.

Am Ende stand die richterliche Überzeugung. Der Gutachter Dr. S. hatte alle konkurrierenden Faktoren sorgfältig gewichtet und kam zu einem klaren Ergebnis: Keiner dieser Faktoren war für sich genommen oder in der Summe stark genug, um die überragende Bedeutung der 37.100 Stunden Kniebelastung in den Hintergrund zu drängen. Das Landessozialgericht folgte dieser Einschätzung. Es verpflichtete die Unfallversicherung, die beidseitige Kniearthrose des Schweißers als Berufskrankheit anzuerkennen.

Die Urteilslogik

Die Anerkennung einer Berufskrankheit hängt von der gerichtlichen Abwägung ab, ob die berufliche Einwirkung andere Gesundheitsrisiken kausal in den Hintergrund drängt.

  • Das quantifizierte Risiko zählt: Der Gesetzgeber definiert die Mindestbelastung für eine berufliche Knieerkrankung durch einen Schwellenwert, der exakt 13.000 kumulierte Stunden Kniearbeit im Berufsleben festlegt und dessen Überschreitung die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt.
  • Eindeutiger medizinischer Vollbeweis: Die Anerkennung einer Gonarthrose erfordert einen präzisen radiologischen Befund (mindestens Kellgren Grad II), der die Schwere der Schädigung zweifelsfrei und objektiv belegen muss.
  • Berufliche Dominanz bei Kausalität: Die berufliche Belastung stellt die wesentliche Bedingung für eine Berufskrankheit dar, wenn konkurrierende Faktoren – wie ein Body-Mass-Index unterhalb der Adipositasgrenze oder sekundäre Meniskusschäden – die überragende Bedeutung der beruflichen Einwirkung nicht entkräften können.

Das Recht der Berufskrankheiten verlangt eine systematische Gewichtung aller Ursachen, um sicherzustellen, dass die Arbeit die entscheidende Rolle bei der Entstehung des Schadens spielt.


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Wird Ihre Kniearthrose trotz langer Kniebelastung nicht als Berufskrankheit anerkannt?
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Experten Kommentar

Wenn die Unfallversicherung eine Kniearthrose ablehnen will, kommt oft schnell der Lebenswandel ins Spiel, etwa Übergewicht oder alte Sportverletzungen. Dieses Urteil zeigt sehr konsequent, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung keine Papiertiger duldet. Wurde die geforderte 13.000-Stunden-Hürde der Kniebelastung massiv überschritten, braucht es extrem starke, unabhängige Konkurrenzursachen, um die Kausalität zu durchbrechen. Die Versicherung kann eine lange Liste an Risikofaktoren vorlegen, doch sie muss beweisen, dass diese die enorme berufliche Belastung tatsächlich „ausstechen“ – ein kleiner Nebenfaktor reicht dafür nicht aus.


Ein Holzfragezeichen steht neben einem Buch mit der Aufschrift "SGB Sozialrecht" auf einem Holzuntergrund. Daneben befinden sich ein Paar Schuhe, ein Stift und eine Registerkarte in einem warmen, orangefarbenen Licht.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie viele Stunden muss ich knien, damit meine Kniearthrose als Berufskrankheit anerkannt wird?

Die Berufskrankheit 2112 (Gonarthrose durch kniebelastende Tätigkeiten) erfordert den Nachweis von 13.000 kumulativen Stunden kniender oder vergleichbar belastender Tätigkeit. Diese Gesamtstundenzahl muss über das gesamte Berufsleben erreicht werden. Zudem muss die Belastung pro Arbeitsschicht nachweislich mindestens eine Stunde betragen haben, um die juristische Hürde zu erfüllen.

Weil kaum jemand über Jahrzehnte exakte Aufzeichnungen führt, übernimmt der Präventionsdienst der gesetzlichen Unfallversicherung die Berechnung nachträglich. Experten analysieren das typische Tätigkeitsprofil am Arbeitsplatz, um den prozentualen Anteil knieender Arbeit pro Schicht zu ermitteln. Dieser Prozentsatz wird dann auf die gesamte Dauer des Arbeitslebens hochgerechnet. Dadurch kann der Nachweis der kumulativen Belastung auch ohne detaillierte, persönliche Stundenzettel erbracht werden.

Ein Beispiel: Ein langjähriger Schweißer verbrachte 95 Prozent seiner Schicht kniend. Die Gutachter der Berufsgenossenschaft errechneten in diesem Fall eine Gesamtbelastung von rund 37.100 Stunden. Diese massive Überschreitung des Grenzwertes von 13.000 Stunden gilt als entscheidender Baustein. Solche hohen Zahlen entlasten den Antragsteller im späteren Verfahren, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen unumstößlich erfüllt sind.

Suchen Sie alte Arbeitsverträge, Zeugnisse oder detaillierte Stellenbeschreibungen zusammen, die Ihren prozentualen Anteil der knieenden Tätigkeiten pro Schicht dokumentieren.


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Wird Kniearthrose trotz Übergewicht oder alter Meniskusschäden als Berufskrankheit anerkannt?

Ja, die Anerkennung der Kniearthrose als Berufskrankheit 2112 ist auch bei konkurrierenden Ursachen möglich. Entscheidend ist die juristische Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese Regel besagt, dass Ihre berufliche Belastung die überragende Ursache bleiben muss. Private Risikofaktoren wie Übergewicht oder frühere Verletzungen dürfen die Bedeutung der Arbeit nicht in den Hintergrund drängen. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Job die Krankheit verursacht hat, reicht für den Beweis aus.

Die Berufsgenossenschaften (BG) prüfen genau, ob private Faktoren dominant sind. Bei Übergewicht sehen wissenschaftliche Empfehlungen erst eine Adipositas ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 als deutlich erhöhtes Risiko. Im Fall eines Schweißers reichte ein BMI von 29,1 beispielsweise nicht aus, um die Anerkennung zu verhindern. Die Richter müssen alle Mitursachen systematisch abarbeiten, um deren Unwesentlichkeit im Vergleich zur massiven beruflichen Einwirkung festzustellen.

Auch alte Meniskusschäden führen nicht automatisch zur Ablehnung. Gutachter können feststellen, dass diese Verletzungen eine sekundäre Folge der bereits durch die Arbeit begonnenen Knorpelschädigung waren – und nicht der primäre Auslöser der Arthrose. Wenn die kumulative Berufsbelastung, etwa 37.100 knieende Stunden, nachweislich erbracht wurde, muss diese überragende Einwirkung alle privaten Faktoren überwiegen und in den Hintergrund drängen.

Fordern Sie Kopien aller medizinischen Gutachten an und prüfen Sie genau, ob diese die Kausalkette Ihrer Knieverletzungen sauber trennen.


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Wie berechnet die Berufsgenossenschaft die 13.000 Stunden kumulative Einwirkungsdauer?

Sie müssen keine lückenlose Dokumentation Ihrer Kniestunden über Jahrzehnte vorlegen. Die Berechnung der kumulativen Einwirkungsdauer ist Aufgabe der Berufsgenossenschaft (BG). Die BG setzt dafür ihren spezialisierten Präventionsdienst ein. Diese Experten ermitteln auf wissenschaftlicher Basis, wie hoch Ihre tatsächliche Belastung war, um den juristischen Grenzwert zu überprüfen.

Der Präventionsdienst analysiert Ihren Arbeitsablauf detailliert anhand typischer oder standardisierter Abläufe. Die Experten prüfen, welche Tätigkeiten Sie ausgeführt haben und bestimmen den prozentualen Anteil knieender Haltungen pro Schicht. Nehmen wir an, die Gutachter legen fest, dass Sie 90 Prozent Ihrer Acht-Stunden-Schicht kniend verbracht haben. Dieser ermittelte Wert wird anschließend auf die gesamte Dauer Ihres Berufslebens hochgerechnet, wobei Fehltage und Urlaube abgezogen werden.

Die resultierende Stundenzahl wird zum entscheidenden ersten Beweisbaustein im Verfahren. Im Fall eines Schweißers, der 33 Jahre lang auf der Werft arbeitete, errechneten die Experten beispielsweise eine Gesamtdauer von 37.100 Stunden. Eine derart massive Überschreitung des Grenzwertes von 13.000 Stunden gilt als unumstößlicher Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen und kann im späteren Gerichtsverfahren kaum noch angezweifelt werden.

Bieten Sie dem Präventionsdienst aktiv an, detaillierte Berichte über Ihre früheren Tätigkeiten oder eine Begehung des ehemaligen Arbeitsplatzes zu ermöglichen, um die Berechnungsgrundlage zu verifizieren.


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Was bedeutet die „Theorie der wesentlichen Bedingung“ für meinen Anspruch auf Berufskrankheit 2112?

Diese juristische Regel ist der Schlüssel zur Anerkennung Ihrer Kniearthrose als Berufskrankheit (BK 2112). Die Theorie besagt, dass die berufliche Belastung zwar nicht die alleinige, aber eine wesentliche Bedingung für Ihre Erkrankung sein muss. Es reicht aus, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für diesen Zusammenhang besteht. Ziel ist es, nachzuweisen, dass Ihre berufliche Einwirkung so dominant war, dass die Krankheit ohne sie nicht im vorliegenden Umfang eingetreten wäre.

Im Gegensatz zum allgemeinen Zivilrecht muss die berufliche Ursache nicht kausal im Sinne von ‚allein verantwortlich‘ sein. Gerichte prüfen stattdessen, ob die Arbeit im Vergleich zu allen anderen Einflüssen – wie Alter, Übergewicht oder Gelenkfehlstellungen – eine überragende Bedeutung behält. Konkurrierende Faktoren dürfen die massive Belastung durch die Berufskrankheit 2112 nicht in den Hintergrund drängen. Der Richter muss alle Mitursachen systematisch abarbeiten und deren Unwesentlichkeit im konkreten Fall entkräften.

Nehmen wir an, Sie weisen 37.000 kumulative Kniestunden nach. Selbst Faktoren wie leichtes Übergewicht oder alte Meniskusschäden werden dann oft als nicht dominant eingestuft. Sie sind nur als sekundäre Folge der bereits durch die Arbeit begonnenen Knorpelschädigung anzusehen. Erst wenn ein Faktor, beispielsweise Adipositas (BMI ab 30), wissenschaftlich als stark eigenständiges Risiko gilt, kann er die Anerkennung der beruflichen Ursache gefährden.

Bitten Sie Ihren Rechtsbeistand oder den beauftragten Gutachter, die überragende Bedeutung Ihrer Kniebelastung explizit im Bericht festzuhalten, um die juristische Anforderung der Wesentlichkeit zu erfüllen.


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Welcher Schweregrad (Kellgren II) muss für die Anerkennung meiner Gonarthrose nachgewiesen werden?

Die Anerkennung Ihrer Gonarthrose als Berufskrankheit (BK 2112) setzt den Nachweis von mindestens Grad II der Kellgren-Klassifikation voraus. Diese standardisierte radiologische Einteilung definiert den minimal notwendigen Schweregrad des Gelenkverschleißes. Der Befund muss durch aktuelle Röntgenbilder oder andere bildgebende Verfahren unmissverständlich belegt werden. Diese Kellgren-Klassifikation ist die zwingende medizinische Voraussetzung für Ihren juristischen Anspruch.

Die Unfallversicherung nutzt die Kellgren-Klassifikation, um eine klare Abgrenzung zum normalen Gelenkverschleiß im Alter zu ziehen. Aus diesem Grund argumentieren die medizinischen Dienste der Berufsgenossenschaft (BG) oft, die vorliegenden Knorpelschäden seien lediglich altersgerechter Verschleiß. Ein einfacher ärztlicher Bericht mit einer unspezifischen Diagnose reicht daher für den juristischen Beweis nicht aus. Für die Gerichte zählt der sogenannte Vollbeweis, der nur durch eine spezialisierte radiologische Bewertung der Gonarthrose erbracht werden kann.

Diese strikte Beweisanforderung führt dazu, dass die BG oder das zuständige Sozialgericht fast immer unabhängige Gutachter, oft Chefarzt-Experten, beauftragen. Diese Spezialisten prüfen die Röntgenbilder explizit auf die Merkmale der Grade II, III oder IV. Wenn Ihr behandelnder Arzt lediglich von einer „mittelschweren Arthrose“ spricht, ist dies für die BG nicht aussagekräftig genug. Es müssen unmissverständlich die radiologischen Befunde (z. B. Osteophytenbildung, Gelenkspaltverschmälerung) nach der Kellgren-Klassifikation genannt werden.

Bitten Sie Ihren Orthopäden sofort, die aktuellsten Röntgenbilder explizit nach den Kellgren-Graden zu bewerten und diesen Befund präzise in den Bericht aufzunehmen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


**Bildtyp:** Editorial-Foto

**Hauptmotiv:** Schreibtisch mit Büromaterialien

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- SOZIALRECHT GLOSSAR
- Fachbegriffe einfach erklärt.
- KINDERGELD
- ALG I ANTRAG
- PFLEGEGRAD EINSTUFUNG.
- BEWILLIGT

**Wesentliche Bildelemente:** Buch, Lupe, Kugelschreiber

**Bildbeschreibung:** Das Bild zeigt eine büroähnliche Umgebung mit einem Schreibtisch. Auf dem Tisch liegen ein geöffnetes Buch, eine Lupe und Kugelschreiber. Ein Ordner mit der Aufschrift "BEWILLIGT" und ein Aktenkorb mit beschrifteten Unterlagen sind ebenfalls sichtbar.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Berufskrankheit (BK) 2112

Die Berufskrankheit 2112 ist die spezifische Nummer in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), die Kniearthrose durch kniebelastende Tätigkeiten offiziell als arbeitsbedingte Krankheit anerkennt.
Das Gesetz definiert die BK 2112, um klar festzulegen, unter welchen exakten arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen Arbeitnehmer Anspruch auf Entschädigung durch die gesetzliche Unfallversicherung haben.

Beispiel: Der Schweißer musste nachweisen, dass seine Gonarthrose genau die Anforderungen der Berufskrankheit 2112 erfüllte, um die notwendigen Leistungen von der Berufsgenossenschaft zu erhalten.

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Gonarthrose

Gonarthrose beschreibt den chronischen und oft schmerzhaften Verschleiß der Kniegelenke, wobei der Knorpel im Laufe der Zeit massiv abgebaut wird.
Für die Anerkennung als Berufskrankheit 2112 ist der Nachweis einer Gonarthrose zwingend erforderlich, da das Sozialrecht nur diesen konkreten Gelenkschaden entschädigt.

Beispiel: Experten mussten im vorliegenden Fall feststellen, dass die Gonarthrose des Schweißers bereits Grad II erreicht hatte und damit nicht mehr als bloßer altersgerechter Verschleiß eingestuft werden konnte.

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Kellgren-Klassifikation

Die Kellgren-Klassifikation ist ein international standardisiertes Schema zur radiologischen Einteilung und Messung des Schweregrads einer Arthrose, basierend auf der Analyse von Röntgenbildern.
Juristen und Gutachter nutzen die Kellgren-Klassifikation, um festzustellen, ob der erforderliche Mindestschweregrad (mindestens Grad II) für die Anerkennung der Berufskrankheit 2112 erreicht ist.

Beispiel: Ohne einen unmissverständlichen Befund, der mindestens Grad II der Kellgren-Klassifikation bescheinigte, hätte das Landessozialgericht die Anerkennung der Kniearthrose verweigert.

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Kumulative Einwirkungsdauer

Juristen verstehen unter der Kumulativen Einwirkungsdauer die Gesamtanzahl der Arbeitsstunden, die ein Betroffener über sein gesamtes Berufsleben hinweg in kniender oder vergleichbar belastender Haltung absolviert hat.
Diese Dauer muss laut Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2112) mindestens 13.000 Stunden betragen, um die arbeitstechnische Voraussetzung für die Anerkennung der Kniearthrose zu erfüllen.

Beispiel: Die Experten berechneten für den Schweißer eine kumulative Einwirkungsdauer von 37.100 Stunden, womit der juristisch geforderte Grenzwert bereits im Jahr 1990 überschritten war.

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Präventionsdienst

Der Präventionsdienst ist eine spezialisierte Abteilung der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft), deren Aufgabe es ist, die tatsächlichen Belastungen am Arbeitsplatz nachträglich zu ermitteln und wissenschaftlich zu bewerten.
Dieser Dienst soll die exakte Kumulative Einwirkungsdauer berechnen und die Angaben des Versicherten objektiv überprüfen, bevor ein Fall vor Gericht landet.

Beispiel: Der Präventionsdienst schickte Experten auf die Werft, um zu prüfen, ob die Behauptung des Schweißers, 95 Prozent seiner Schicht kniend verbracht zu haben, den realen Tätigkeitsabläufen entsprach.

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Theorie der wesentlichen Bedingung

Die Theorie der wesentlichen Bedingung ist der juristische Maßstab im Sozialrecht, der festlegt, dass die berufliche Belastung zwar nicht die alleinige, aber zumindest eine überragend wichtige Ursache für die Erkrankung sein muss.
Durch diese Kausalitätstheorie können private Risikofaktoren wie Übergewicht oder Sportverletzungen nur dann zur Ablehnung führen, wenn sie die Bedeutung der beruflichen Einwirkung in den Hintergrund drängen.

Beispiel: Das Gericht wandte die Theorie der wesentlichen Bedingung an, um zu entscheiden, ob die 37.000 Stunden Kniebelastung wichtiger waren als der Body-Mass-Index (BMI) des Mannes.

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Vollbeweis

Juristen verlangen den Vollbeweis, wenn eine Tatsache, wie etwa der Schweregrad einer Gonarthrose, mit einem Maß an Sicherheit nachgewiesen werden muss, das keinen vernünftigen Zweifel mehr zulässt.
Diese hohe Anforderung an die Beweisführung stellt sicher, dass Entscheidungen über die Anerkennung einer Berufskrankheit auf einer gesicherten medizinischen und tatsächlichen Grundlage getroffen werden.

Beispiel: Um die Arthrose anzuerkennen, musste das Gericht den Vollbeweis für den Schweregrad II nach der Kellgren-Klassifikation erbringen, wofür die Richter unabhängige Sachverständige beauftragten.

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Das vorliegende Urteil


Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: L 5 U 58/17 – Urteil vom 10.02.2021


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