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Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 BKV

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 47/19 – Urteil vom 07.07.2021

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Der am xxxxx 1959 geborene Kläger lebt seit 1974 in Deutschland. Er übte u. a. eine Tätigkeit in einem Familienbetrieb aus, in welchem Feinkost, Obst und Gemüse angeboten wurde. Ab 2005 betrieb der Kläger selbstständig einen Döner-Imbiss und war seit dem 16. September 2007 bei der Beklagten versichert.

Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 BKV
(Symbolfoto: Ternavskaia Olga Alibec/Shutterstock.com)

Der Kläger stellte mit Schreiben vom 18. November 2008 bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), da er unter einem dyshidrosiformen Handekzem leide. Im beigefügten Hautarztbericht von Dr. L. vom 4. November 2008 gab dieser an, dass der Kläger einen Imbissbetrieb betreibe und Reinigungsmitteln, Fetten, Ölen usw. ausgesetzt sei. Die Hauterkrankung sei erstmals am 16. September 2008 aufgetreten. Der aktuelle Hautbefund zeige Hyperkeratosen, Rhagaden, Erosionen und Artefakte bei Juckreiz an den Handflächen und Fingerseitenflächen. Während einer Arbeitskarenz sei eine Verbesserung des Hautzustandes eingetreten.

Dr. L. teilte zudem mit, dass sich der Kläger erstmals am 16. September 2008 mit einem dyshidrosiformen Handekzem vorgestellt habe, anamnestisch habe die Erkrankung seit dem 13. September 2008 bestanden. Die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. L. lag seit dem 15. Oktober 2008 mit der Diagnose eines Handekzems vor.

Der Kläger befand sich vom 15. bis 24. Januar 2009 in stationärer Behandlung in der A. Klinik S.. Dort diagnostizierte Prof. Dr. S1 eine Exazerbation eines chronisch rezidivierenden dyshidrosiformen Hand- und Fußekzems, chronisch rezidivierende depressive Episoden sowie eine Typ IV-Sensibilisierung gegenüber Nickel, Wollwachs und Amerchol. Bei Aufnahme habe der Kläger berichtet, im Mai 2008 ekzematöse, pustulöse und hyperkeratotische Hautveränderungen vor allem im Bereich der Palmae beidseits, aber auch im Bereich der Plantae beidseits bemerkt zu haben. Seit September 2008 finde eine lokale Behandlung mit topischen Steroiden statt.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass kein begründeter Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit bestehe. Es würden aber alle geeigneten Maßnahmen getroffen, um der Gefahr des Entstehens einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Der Hautarzt sei daher mit der Durchführung einer Heilbehandlung beauftragt worden.

Der Kläger befand sich vom 12. bis 20. Februar 2009 erneut in stationärer Behandlung in der A. Klinik S. aufgrund einer akuten Exazerbation. Im Befund wurde aufgeführt: Plantae und Palmae beidseits, massive Hyperkeratosen, Rhagaden, Pusteln auf geröteter Haut, Erosionen, Xerosis cutis, generalisiert. Vom 6. bis 21. März 2009 erfolgte eine Behandlung in der N.-Klinik W1/S2. Als Diagnosen wurden ein dyshidrosiformes Hand- und Fußekzem sowie eine Typ-IV-Sensibilisierung gegen Nickel, Wollwachs und Amerchol genannt. Vom 11. bis 26. Mai 2009 befand sich der Kläger erneut in der A. N.-Klinik W1/S2 in stationärer Behandlung. Im Entlassungsbericht wurde ausgeführt, dass es trotz intensiver Nutzung der ambulant zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten mit kortikoidhaltigen Externa zur erneuten Exazerbation und progredienten Verschlechterung der pustolösen Hauterkrankungen an Händen und Füßen gekommen sei. Es habe sich eine generalisierte Sebostase mit Pusteln und Erosionen sowohl palmar als auch plantar beidseits an der medialen Fußkante und im Fersenbereich gezeigt. Die durchgeführte Probeexzision an der linken Hand habe die Diagnose einer psoriasisformen Dermatitis ergeben. Der Befund passe zu einer Pustolosis palmaris et plantaris und zu einer Psoriasis pustulosa palmoplantaris.

Der beratende Facharzt der Beklagten Prof. Dr. W. erklärte in seiner Stellungnahme vom 21. April 2010, dass die Diagnose einer Pustolosis palmoplantaris gesichert sei und diese berufsunabhängig sei.

Unter den Diagnosen einer Psoriasis pustulosa palmoplantaris (DD: dyshidrosiformes Hand- und Fußekzem), einer Typ IV Sensibilisierung gegenüber Nickel II Sulfat, Amerchol und Lanolin sowie einer Depression erfolgte ein weiterer stationärer Aufenthalt in der A. N.-Klinik W1/S2 vom 31. Mai 2010 bis 21. Juni 2010.

Mit Hautarztbericht des B. Unfallkrankenhauses (B.) H. vom 11. August 2010 wies Dr. L1 darauf hin, dass der Kläger erklärt habe, es seien erstmals während eines Urlaubs im Mai 2008 im Bereich des Hypothenars beidseits palmar wenige Pusteln aufgetreten. In der Sommersaison August 2008 seien die Veränderungen progredient gewesen und hätten sich auf beide Hände ausgedehnt, so dass schließlich eine ambulante Vorstellung bei Exazerbation am 13. September 2009 im Krankenhaus S. erfolgt sei. Aufgrund des schlechten Hautzustandes habe der Versicherte erneut einen dreiwöchigen Urlaub genommen und mit frei verkäuflichen Salben behandelt. Daraufhin habe sich eine Besserung eingestellt. Etwas später als im Bereich der Hände hätten sich auch im Bereich der Ferse Pusteln gezeigt. Anhaltspunkte für eine beruflich verursachte Hauterkrankung fänden sich nicht, da das erste Auftreten der Hautveränderungen während eines Urlaubs erfolgt sei und weiterhin kontinuierlich ein behandlungsbedürftiger Lokalbefund im Bereich der Hände auch nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit bestehe, welcher sogar stationäre Aufenthalte erforderlich gemacht habe. Die berufliche Tätigkeit sei als Gelegenheitsursache zu bewerten.

Der Kläger wurde erneut in der A. Klinik W1/S2 vom 20. Juni 2011 bis zum 1. Juli 2011 unter den zuvor dort festgestellten Diagnosen behandelt.

Die Beklagte leitete im Folgenden ein Feststellungsverfahren zur Prüfung einer berufsbedingten Hauterkrankung nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV ein und holte ein berufsdermatologisches Gutachten von Dr. B1 ein. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 8. Oktober 2014 fest, dass mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit eine berufsunabhängige Pustolosis palmo-plantaris vorliege, die ggf. einer passageren, mechanischen Triggerung während der beruflichen Tätigkeit bzw. auch einer zusätzlichen Allergenbelastung ausgesetzt gewesen sein könnte. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass bei bestehender Nickelsensibilisierung eine nicht unerhebliche Nickelbelastung durch Inhalation von ca. 30 Zigaretten pro Tag vorliege. Der Kläger habe Tätigkeiten ausgeübt, die allenfalls mittelgradig hautbelastend gewesen seien, insbesondere wäre bei Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit zu überprüfen gewesen, inwieweit die ständig wechselnd verwandten Spülmittel entsprechende Duftstoffe enthalten haben könnten. Es habe bei dem Kläger eine allenfalls vorübergehende, in nachgeordneten Teilaspekten durch die berufliche Tätigkeit vorliegende Verschlimmerung vorgelegen, die allenfalls in den Bereich einer Gelegenheitsursache eingeordnet werden könne.

Die Beklagte erließ am 30. Januar 2015 einen Ablehnungsbescheid. Die festgestellte Erkrankung sei nicht ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Die geklagten Hauterscheinungen seien erstmals während eines Urlaubs im Mai 2008 aufgetreten. Diese hätten ab Oktober 2008 zu dauerhafter Arbeitsunfähigkeit geführt. Die Behandlung habe Dr. L. im November 2008 aufgenommen. Zu dieser Zeit sei die gefährdende Tätigkeit schon nicht mehr ausgeführt worden. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger während des gesamten Behandlungszeitraumes nicht mehr schädigend tätig gewesen sei, was deutlich gegen einen beruflichen Zusammenhang spreche. Des Weiteren sei die freiwillige Versicherung zum 19. Dezember 2008 beendet worden, so dass ab diesem Zeitpunkt kein Versicherungsschutz mehr durch die Beklagte bestanden habe.

Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und erklärte, dass die Hauterkrankung nicht erstmals während eines Urlaubs aufgetreten sei, sondern bereits zuvor während der Arbeitstätigkeit in H.. Der Kläger habe sich erst ab dem 16. Juni 2008 in der T. aufgehalten. Ende 2008 habe er die Berufstätigkeit wegen der Hauterkrankung vollständig aufgeben müssen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2015 zurück. Ein rechtlich-wesentlicher Ursachenzusammenhang sei zu verneinen, da nach Auswertung aller durchgeführten Untersuchungen und Testungen festgestellt worden sei, dass bei dem Kläger eine schicksalhafte Pustulosis palmo-plantaris vorliege, welche nicht in einem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehe.

Der Kläger hat am 11. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Der Kläger sei als Küchenhilfe Einwirkungen ausgesetzt gewesen, die typischerweise für seine Erkrankung ursächlich seien. Die Einschätzung von Dr. B1 habe sich als falsch herausgestellt, weil die Hauterkrankung vollständig ausgeheilt sei, nachdem der Kläger seine versicherte Berufstätigkeit aufgegeben habe. Das Rauchverhalten habe nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auch die Nickelaufnahme nicht wesentlich beeinflusst. Zudem sei dieses nicht geändert worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben u. a. durch Einholung eines Befundberichtes von Dr. L. vom 9. Februar 2016. Dieser hat mitgeteilt, dass es unter intensiver Behandlung zu einer langsamen und kontinuierlichen Abheilung gekommen sei. Bei der letzten Untersuchung am 4. August 2014 sei kein Handekzem mehr erkennbar gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die Hauterkrankung im Sinne eines kumulativ-toxischen Ekzems durch berufliche Belastung erworben worden sei. Die Tatsache, dass nach Aufgabe der Tätigkeit eine Abheilung erfolgt sei, spreche für die berufliche Genese.

Dr. K1 berichtete in seinem dermatologischen Gutachten vom 30. Mai 2016, dass der Kläger bei ihm angegeben habe, es seien erstmals während eines Urlaubs im Mai 2008 im Bereich des Hypothenars beidseits Pusteln aufgetreten. Letztmalig sei er bei Dr. L. am 4. August 2014 in Behandlung gewesen, danach seien die Hautbeschwerden vollständig abgeheilt. Durch die Histologie habe im Mai 2009 in der N.-Klinik W1/S2 die Diagnose einer Psoriasis pustulosis palmoplantaris verifiziert werden können.

Im Befund hat Dr. K1 ausgeführt, dass im Bereich der linken Hand, insbesondere im Bereich des Hypothenars, deutliche Veränderungen im Sinne von Papeln und Pusteln erkennbar seien, gleichermaßen auch an der rechten Hand. Diese Hautveränderungen seien klinisch im Sinne einer Psoriasis papulopustulosa zu deuten. Diese beruhe auf einer vererbten Disposition. Zu den exogenen Provokationsfaktoren zählten physikalische und chemische Reize, aber auch entzündliche Dermatosen mit epidermaler Beteiligung; zu den endogenen Provokationsfaktoren Infektionskrankheiten, Medikamente, aber auch Stress. Von einer beruflich provozierten Genodermatose könne vorliegend nicht ausgegangen werden. Weder könne von einem strengen Befall nur der Hände bei der Psoriasis ausgegangen werden, da auch die Fußsohlen betroffen gewesen seien, noch könne – jetzt nach Aufgabe der Tätigkeit – eine vollständige Abheilung im Bereich der Hände ausgemacht werden.

Im Befundbericht von Dr. S3 zur Probestanzbiopsie vom 7. Juli 2016 hat dieser ein älteres Stadium eines dyshidrosiformen Handekzems festgestellt.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG angehörte Arzt Dr. F. hat in seinem dermatologischen Gutachten vom 10. Juli 2017 darauf hingewiesen, dass der Kläger ihm gegenüber erklärt habe, dass er ab 2005 in einem klassischen Feuchtberuf als Koch teilweise über 11 Stunden täglich mit nickelhaltigen Kochutensilien gearbeitet habe. Es sei anzunehmen, dass er die 2009 ermittelte Sensibilisierung während dieser Tätigkeit erworben habe. Auch die nachgewiesenen Sensibilisierungen gegenüber den Salbengrundlagen Wollwachsalkohole und Amcherol seien mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Selbstmedikation mit Hautpflegeprodukten hervorgerufen worden. Zwar sei das Auftreten des beim Kläger festgestellten hyperkeratotisch-rhagadiformen Hand- und Fußekzems anlagebedingt, es sei allerdings durch die mit hoher Wahrscheinlichkeit beruflich erworbene Sensibilisierung gegen Nickel verschlimmert und unterhalten worden.

Es lägen folgende Diagnosen vor:

  • Zustand nach hyperkeratotisch-rhagadiformen Hand- und Fußekzem bei atopischer Diathese bei mehrfach ermitteltem erhöhten Gesamt-IgE,
  • Typ IV-Sensibilisierungen gegen Nickelsulfat, Wollwachsalkohole und Amerchol,
  • multiple seborrhoische Keratosen am Körperstamm und
  • ein kongenitaler Nävuszellnävus (Muttermal) der linken Flanke.

Es liege keine Psoriasis palmoplantaris bei dem Kläger vor. Die Abgrenzung sei klinisch und auch histopathologisch schwierig, da beide Krankheitsbilder sowohl klinisch-morphologisch und je nach Stadium auch in der feingeweblichen Diagnostik nur schwer voneinander abgegrenzt werden könnten. Auch das Auftreten eines hyperkeratotisch-rhagadiformen Hand- und Fußekzems verlaufe schicksalhaft. Allerdings bestehe durch die nachhaltige Schädigung der Hautbarrierefunktion bei entsprechender Exposition die erhöhte Gefahr einer sog. aufgepfropften Kontaktallergie, die durch beruflich relevante Allergene oder häufig vorkommende Allergene des alltäglichen Lebens hervorgerufen werde und dann den Entzündungsprozess sowohl auslöse als auch langfristig unterhalte. Die Erkrankung sei mit mehreren Exazerbationen schwer verlaufen. Von 2009 bis 2011 sei der Kläger insgesamt viermal stationär in Hautkliniken aufgenommen worden. Eine wiederholte Rückfälligkeit habe formal nicht bestanden, da der Kläger noch vor dem ersten stationären Aufenthalt in der Hautklinik S. im Januar 2009 bereits seit 16. Oktober 2008 arbeitsunfähig gewesen sei. Es resultiere eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 15 v. H.

Dr. F. hat in ergänzenden Stellungnahmen ausgeführt, dass die atopische Diathese eindeutig durch den Laborbefund einer erhöhten Gesamt-IgE-Konzentration belegt werde, weiterhin seien bei dem Kläger Typ IV-Sensibilisierungen gegenüber Nickelsulfat, Wollwachsalkohole und Amerchol festgestellt worden, die sich bei entsprechender Exposition mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Boden eines anlagebedingten dyshidrosiformen/hyperkeratorisch rhagadiformen Hand- und Fußekzems bei atopischer Diathese entwickelt hätten. Somit sei das gleichzeitige Auftreten an Hand und Fuß erklärbar. Der Kläger koche auch in seiner Freizeit und im Urlaub eine Stunde. Daher sei es erklärbar, dass das Hautekzem im Urlaub aufgetreten sei. Die von Dr. K1 aufgenommenen Fotos seien sowohl mit einer Psoriasis palmoplantaris als auch mit einem dyshidrosiformen Ekzem zu vereinbaren.

Dr. K1 hat ebenfalls ergänzend Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass die Hautbeschwerden auch im Bereich der Füße des Klägers aufgetreten seien, wo dieser mit Sicherheit keinen Kontakt mit nickelhaltigen Arbeitsmaterialien gehabt habe. Schließlich habe der Kläger auch noch im Jahre 2016 Beschwerden im Sinne der diagnostizierten Erkrankungen gehabt. Zudem sei Dr. F. nicht darauf eingegangen, dass die Hautveränderungen bei dem Kläger erstmals während eines Urlaubs im Jahr 2008 in der T. aufgetreten seien. Die anlässlich seiner Begutachtung im Jahre 2016 gefertigten Fotos zeigten, dass mitnichten nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit eine Abheilung des Hautleidens eingetreten sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Oktober 2019 abgewiesen. Das Merkmal der „Schwere“ der Erkrankung sei nicht erfüllt, da der Kläger sich erst mit behandlungsbedürftiger Erkrankung am 16. September 2008 bei einem Arzt vorgestellt habe und bereits am 19. Dezember 2008 seine Tätigkeit aufgegeben habe. Denn die „Schwere“ der Erkrankung sei daran geknüpft, dass die Hautveränderungen durch fortdauernde berufliche Exposition unterhalten würden. Auch eine „wiederholte Rückfälligkeit“ könne aufgrund der (frühzeitigen) Aufgabe der Tätigkeit nicht angenommen werden. Darüber hinaus sprächen diverse Umstände gegen eine beruflich erworbene Hauterkrankung des Klägers. Der Auffassung von Dr. F. könne nicht gefolgt werden. So sei insbesondere die kritiklos übernommene Darstellung des Klägers, er habe als Imbissbuden-Besitzer in einem klassischen Feuchtberuf als Koch teilweise über 11 Stunden täglich mit nickelhaltigen Kochutensilien gearbeitet, nicht plausibel. Zum einen habe bereits der die Erkrankung zuerst behandelnde Arzt Dr. L. sowie die den Kläger im Jahre 2009 behandelnden Ärzte mit keinem Wort auf eine ggf. beruflich erworbene Nickelallergie hingewiesen, da im Vordergrund der Kontakt zu Reinigungsmitteln und Fettölen gestanden habe. Zum anderen sei die dargestellte Handhabung mit „Kochutensilien“ als Dönerimbiss-Besitzer nicht ansatzweise vorstellbar. Zudem fehlten entsprechende konkrete arbeitstechnische Anhaltspunkte zur Validierung des beruflichen Nickelkontakts.

Entscheidend gegen einen Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Hauterkrankung sprächen aber insbesondere die auch von Dr. K1 und Dr. B1 gesehene Problematik, dass sich die Hauterscheinungen nicht nur im Bereich der ggf. durch die Tätigkeit in Anspruch genommenen Hände, sondern auch an den Füßen fänden, die Hauterkrankung nicht im Rahmen der beruflichen Tätigkeit, sondern im Urlaub aufgetreten sei und die Erkrankung erst nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit in solch starkem Ausmaß aufgetreten sei, dass mehrmalige stationäre Heilbehandlungen erforderlich gewesen seien.

Der Kläger hat gegen das ihm am 30. Oktober 2019 zugestellte Urteil am 28. November 2011 Berufung eingelegt. Er sei berufsbedingt seit spätestens 2005 über mehrere Jahre mit nickelhaltigem Kochwerkzeug in Berührung gekommen und habe sich dabei täglich häufig die Hände waschen und mehr als zwei Stunden täglich mit seinen Händen in feuchtem Milieu arbeiten müssen, so dass eine erhebliche fortlaufende berufliche Exposition außer Frage stehe. Der Kläger habe seine Tätigkeit aufgeben müssen, da er diese im Dönerimbiss nicht praktikabel ohne Kontakt mit nickelhaltigem Kochbesteck, Reinigungsmitteln, Waschwasser und Fettölen habe organisieren können. Nach Aufgabe des Berufs und Vermeidung auch aller Kontakte zu Nickel und Spülwasser im privaten Bereich sei die Erkrankung abgeklungen. Eine vorübergehende oder richtungsweisende Verschlechterung eines konstitutionellen Ekzems sei ausdrücklich im Merkblatt zur BK Nr. 5101 beschrieben worden. Der Kläger habe Dönerfleisch mit dem Messer, das Nickel enthalten habe, abgesäbelt. Allergische Ekzeme würden zudem zu Streureaktionen neigen. Auch das erstmalige Auftreten im Urlaub sei nicht ungewöhnlich. Eine Exposition im Urlaub z. B. mit Essbesteck, Treppengeländer sei wahrscheinlich. Außerdem habe sich die Krankheit im Urlaub nur in einigen Pusteln gezeigt und sich erst unter beruflich vielstündiger Exposition stark verschlimmert.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2019 sowie den Bescheid vom 30. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2015 aufzuheben und festzustellen, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der An- lage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass die Beurteilung im Gutachten von Dr. K1 der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entspreche. Der Vorinstanz sei auch bezüglich des Nichtvorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Merkmale „schwere oder rückfällige Erkrankung“ zuzustimmen.

Auf Veranlassung des Senats hat der Facharzt für Hautkrankheiten Dr. K2 am 8. Dezember 2020 ein Gutachten erstattet. Erstmalig sei die Hauterkrankung während eines all-inclusive Hotelaufenthalts in der T. im Mai 2008 aufgetreten. Nickelkontakt habe zu Kochutensilien, Messern und einem Verkaufstresen aus Edelstahl bestanden. Es habe ein täglicher Zigarettenkonsum von 60 Zigaretten bestanden. Es seien Lederschuhe mit vorzugsweise schwarzen Socken getragen worden.

Dr. K2 ist zur Diagnose einer Psoriasis papulopustulosa palmoplantaris und einem Verdacht auf eine Psoriasis arthropatica gekommen. Es würden zwischen den Experten eine Psoriasis pustulosa palmoplantaris oder ein dyshidrosiformes atopisches Hand- und Fußekzem diskutiert. Das klinische Bild spreche mittlerweile deutlich zugunsten einer Psoriasis pustulosa palmoplantaris. Der Verdacht werde auch durch das Vorliegen einer Psoriasis arthropathica und die Hautveränderungen im Bereich des rechten Knies des Patienten gestützt. Dieses sei eine schicksalhafte Genodermatose, deren Manifestation nicht im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehe. Eine beruflich bedingte richtungsweisende Verschlimmerung sei möglich, könne aufgrund des Verlaufs im vorliegenden Fall jedoch nicht bestätigt werden.

Die Ausbildung von Kontaktsensibilisierungen werde zwar durch eine genetisch bedingte atopisch-allergische Grundkonstellation begünstigt, finde sich aber im Laufe der Zeit bei fast allen Patienten mit nachhaltig gestörter Hautbarrierefunktion. Diese werde dann auch als Aufpfropfallergie bezeichnet. Kontaktsensibilisierungen könnten kaum als Hinweis und schon gar nicht als Beweis für ein dyshidrosiformes Ekzem angeführt werden. Als Betreiber eines Dönerimbisses sei der Kläger keiner deutlich höheren Nickelbelastung ausgesetzt als im Privatleben oder in anderen Berufen mit manueller Tätigkeit.

Es sei zwar theoretisch möglich, dass die nachgewiesene Nickelsensibilisierung in der relativ kurzen Zeit, die der Patient zwischen erstmaligem Auftreten von Hautveränderungen während eines Urlaubs in der T. im Mai 2008 und der Aufgabe des Imbisses im Dezember 2008 noch am Arbeitsplatz verbracht habe, dort erworben worden sei. Für die Gesamtbeurteilung sei dies irrelevant. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, warum sich ein Nickelkontakt am Arbeitsplatz gleichermaßen negativ auf die Hände und Füße auswirken sollte.

Eine zur Anerkennung einer Berufskrankheit geforderte Schwere (Verlauf über mindestens 6 Monate) und wiederholte Rückfälligkeit (mindestens drei Krankheitsschübe) seien nicht erfüllt. Die hautfachärztliche Behandlung sei im November 2008 aufgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe bereits Arbeitsunfähigkeit (seit 16. Oktober 2008) bestanden, so dass die gefährdende Tätigkeit nicht mehr habe ausgeübt werden können. Zum 19. Dezember 2008 sei die Tätigkeit als Imbissbetreiber und die selbstständige Tätigkeit aufgegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte sowie die Sitzungsniederschrift vom 7. Juli 2021 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Hauterkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV liegen nicht vor. Hierunter fallen schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie dass eine Krankheit vorliegt (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R, BSGE 118, 255). Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht sein (haftungsbegründende Kausalität). Schließlich ist Anerkennungsvoraussetzung, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlässt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die Berufskrankheit nicht anzuerkennen (BSG, a.a.O.). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK (BSG, a.a.O.). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen (BSG, a.a.O.). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, a.a.O.).

Der Kläger war zwar während seiner Tätigkeit als Imbissbetreiber bei der Beklagten versichert. Nach der Beweisaufnahme steht nach Auffassung des Senats aber fest, dass zwischen der bei dem Kläger vorliegenden Hauterkrankung und der beruflichen Einwirkung von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem keine haftungsbegründende Kausalität vorliegt. Eine berufliche Verursachung ist möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich. Der Senat folgt den gutachterlichen Ausführungen von Dr. K1 und Dr. K2, wonach bei dem Kläger eine Psoriasis papulopustulosa palmoplantaris vorliegt. Dies deckt sich mit den Beurteilungen der A. N.-Klinik W1/S2, in der sich der Kläger mehrfach zur stationären Behandlung befunden hat. Abweichend hiervon sind der behandelnde Hautarzt Dr. L., basierend auf der Beurteilung einer Biopsie von Dr. von S3, sowie der Gutachter Dr. F. zu der Diagnose eines dyshidrosiformen Hand- und Fußekzems gekommen. Für die Diagnose einer Psoriasis papulopustulosa palmoplantaris spricht jedoch, dass die Hautveränderungen nicht nur an den Händen, sondern auch an den Füßen aufgetreten sind. Zudem liegen bei dem Kläger mittlerweile der Verdacht auf eine Psoriasis arthropathica und Hautveränderungen im Bereich des rechten Knies vor. Eine solche schicksalhafte Genodermatose steht nicht im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit.

Dr. K2 hat zudem schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass eine beruflich bedingte richtungsweisende Verschlimmerung aufgrund des Verlaufs nicht bestätigt werden kann. Die Ausbildung von Kontaktsensibilisierungen – wie hier die Typ IV-Sensibilisierungen gegen Nickelsulfat, Wollwachsalkohole und Amerchol – finden sich demnach im Laufe der Zeit bei fast allen Patienten mit nachhaltig gestörter Hautbarrierefunktion als Aufpfropfallergien. Dies bestätigt auch Dr. F.. Es ist daher zwar theoretisch möglich, dass die Nickelsensibilisierung nicht bereits im Urlaub beim erstmaligem Auftreten von Hautveränderungen erworben worden ist, sondern während der nachfolgenden kurzen Zeit am Arbeitsplatz bis zur Aufgabe des Imbisses im Dezember 2008, überwiegend wahrscheinlich ist dies aber nicht. Hiergegen spricht vor allem, dass nicht nachvollziehbar ist, warum sich ein Nickelkontakt am Arbeitsplatz gleichermaßen negativ auf die Hände und Füße ausgewirkt haben sollte.

Zudem hat Dr. K2 darauf hingewiesen, dass der Kläger als Betreiber eines Dönerimbisses keiner deutlich höheren Nickelbelastung ausgesetzt gewesen sei als im Privatleben oder in anderen Berufen mit manueller Tätigkeit. Entsprechend sind in der Anlage zum Merkblatt zur BK Nr. 5101 bei den Berufen mit deutlich erhöhtem Erkrankungsrisiko für Kontaktekzeme zwar Köche und Küchenhilfen aufgeführt, aber nur aufgrund der Verwendung von Lebensmitteln, Reinigungsmitteln und Gummihandschuhen. Eine besondere Nickelbelastung wird nicht erwähnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

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