Skip to content
Menü

Anerkennung einer Meniskusschädigung als Folge eines Arbeitsunfalls  

Arbeitsunfall-Folge: Meniskusschädigung anerkannt

Das Landessozialgericht Hamburg hat in einem Urteil die Meniskusschädigung eines Klägers als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt. Trotz anfänglicher Ablehnung durch die Beklagte und komplexer medizinischer Bewertungen, wurde ein direkter Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Meniskusverletzung festgestellt. Dieses Urteil stellt einen wichtigen Präzedenzfall für ähnliche Fälle dar.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: L 2 U 46/20   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Anerkennung der Meniskusschädigung: Als direkte Folge des Arbeitsunfalls am 6. April 2014.
  2. Frühere Entscheidungen abgeändert: Vorherige Ablehnungen durch das Sozialgericht und die Beklagte wurden revidiert.
  3. Medizinische Diagnosen: Hervorhebung der Diagnosen von verschiedenen Ärzten und Spezialisten.
  4. Detailierte Analyse der Verletzung: Untersuchung des Meniskusrisses und der menisco-tibialen Bänder.
  5. Bedeutung von MRT-Befunden: Spezifische Erwähnung der MRT-Aufnahmen und deren Interpretationen.
  6. Gutachten und fachliche Meinungen: Einbezug von Expertenmeinungen zur Untermauerung des Kausalzusammenhangs.
  7. Revisionsentscheidung: Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.
  8. Kostenübernahme: Anordnung zur teilweisen Übernahme der außergerichtlichen Kosten durch die Beklagte.

Anerkennung von Verletzungen am Arbeitsplatz

Arbeitsunfälle und deren Folgen sind ein wesentlicher Aspekt des Sozialrechts. Insbesondere die Frage, inwieweit spezifische Verletzungen wie eine Meniskusschädigung als direkte Konsequenz eines Arbeitsunfalls anerkannt werden, ist von großer Bedeutung. Diese Anerkennung hat weitreichende Implikationen für die betroffenen Arbeitnehmer, da sie die Grundlage für mögliche Entschädigungsansprüche bildet. Die Entscheidungen in solchen Fällen basieren häufig auf detaillierten medizinischen Bewertungen und rechtlichen Überlegungen, die vom jeweiligen Landessozialgericht getroffen werden.

Die Frage, ob ein Gesundheitsschaden wie eine Meniskusverletzung tatsächlich auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist, erfordert eine sorgfältige Prüfung aller Umstände und medizinischen Befunde. Entscheidungen in solchen Fällen können Präzedenzfälle für zukünftige Urteile schaffen und sind daher von großem Interesse für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Rechtsexperten. Der folgende Bericht beleuchtet die Details eines konkreten Urteils des Landessozialgerichts Hamburg, das sich mit dieser Thematik auseinandersetzt und dabei neue Maßstäbe setzt. Lassen Sie uns gemeinsam einen genaueren Blick auf diesen Fall werfen und seine Bedeutung für das Sozialrecht erkunden.

Der Weg zur Anerkennung einer Meniskusschädigung

Am 6. April 2014 erlitt ein Lizenzspieler des Fußballvereins H. während eines Spiels eine Knieverletzung. Die Diagnose ergab eine Kniegelenkdistorsion, einen leichten Reizerguss und keinen Nachweis akuter Bandverletzungen. Die Kernspintomografie zeigte jedoch eine Chondromalazie und einen hyalinen Knorpeldefekt sowie eine Baker-Zyste, aber keine signifikante Beschädigung der äußeren Kollateralbänder. Wichtig hierbei ist, dass ein Außenmeniskusradiärriss und ein Teilriss der menisco-tibialen Bänder diagnostiziert wurden.

Rechtliche Herausforderungen und medizinische Bewertungen

Der Fall wurde rechtlich komplex, als die Beklagte eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 1. Mai 2014 anerkannte, jedoch eine Verletzung der Bandstrukturen, die auf einen unfallbedingten Gesundheitsschaden hindeuten würden, verneinte. Dies basierte auf der Annahme, dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden bestünde. Der Kläger widersprach dem, da die Knieverdrehung durchaus einen Meniskusriss verursachen könne, was durch ärztliche Diagnosen unterstützt wurde.

Die Wendung vor dem Landessozialgericht Hamburg

Der Fall nahm eine entscheidende Wendung, als das Landessozialgericht Hamburg eingriff. Es wurde ein umfassendes Gutachten eingeholt, das den Unfall als wahrscheinliche alleinige Ursache für die Distorsion des rechten Kniegelenks mit Außenmeniskusradiärriss feststellte. Der Sachverständige betonte, dass der Unfall geeignet war, einen Meniskusriss zu verursachen, und widerlegte somit die Argumente der Beklagten. Es wurde festgestellt, dass der Radiärriss im rechten Knie des Klägers aufgrund eines traumatischen Ereignisses, verursacht durch den Unfall, entstanden war.

Entscheidung und ihre Bedeutung

Das Gericht entschied, dass der Kläger Anspruch auf die Feststellung des weiteren Gesundheitsschadens als Folge des Arbeitsunfalls hat. Die Entscheidung berücksichtigte dabei die detaillierten medizinischen Bewertungen und widersprach der anfänglichen Ablehnung durch die Beklagte. Dieses Urteil stellt einen wichtigen Schritt in der Anerkennung von Meniskusschäden als Arbeitsunfallfolge dar und hat signifikante Bedeutung für ähnliche Fälle in der Zukunft.

In diesem konkreten Fall wurde das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg zu einem entscheidenden Moment für die Rechtsprechung im Bereich von Arbeitsunfällen und deren Folgen, insbesondere im Hinblick auf die Anerkennung von Meniskusschäden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie erfolgt die Anerkennung einer Verletzung als Arbeitsunfallfolge?

Die Anerkennung einer Verletzung als Folge eines Arbeitsunfalls in Deutschland erfolgt durch die gesetzlichen Unfallversicherungsträger, die in jedem Einzelfall genau prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall vorliegen. Die Rechtsgrundlage für eine solche Anerkennung findet sich in § 1 SGB VII.

Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

– Eine versicherte Tätigkeit muss vorliegen.
– Es muss ein Gesundheitsschaden oder Tod auftreten.
– Es muss sich um ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis handeln.

Ein Arbeitsunfall ist definiert als ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, welches zu einem Gesundheitsschaden oder aber zum Tode führt. Es liegt kein Arbeitsunfall vor, wenn Verletzungen oder Gesundheitsschäden ohne Einwirkung von außen zufällig während der versicherten Tätigkeit auftreten.

Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitsunfälle der gesetzlichen Unfallversicherung unverzüglich anzuzeigen. Diese Anzeigepflicht besteht, wenn der verunfallte Arbeitnehmer infolge des Unfalls für mehr als drei Tage nicht arbeitsfähig ist.

Die Anerkennung als Arbeitsunfall durch die Berufsgenossenschaft ist Voraussetzung für Leistungen wie Verletztengeld und Unfallrente. Wenn Versicherte einen Arbeitsunfall erleiden, haben sie Anspruch auf umfassende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wie z.B. ärztliche Behandlung, Verletztengeld während der Arbeitsunfähigkeit, Umschulung oder behindertengerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Unfallrente bei dauerhaften Gesundheitsschäden sowie Hinterbliebenenrenten im Todesfall.

Falls der Arbeitsunfall nicht anerkannt wird, sollten Arbeitnehmer sicherstellen, dass der Arbeitgeber den Unfall auch tatsächlich gemeldet hat. Arbeitnehmer können einen Unfall jedoch auch selbst bei der DGUV melden.


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 46/20 – Urteil vom 29.06.2022

1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2020 und der Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2016 werden abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 6. April 2014 einen Außenmeniskusradiärriss mit Teilriss der menisco-tibialen Bänder außenseitig rechts festzustellen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Kläger nach einem Arbeitsunfall (Kniegelenkdistorsion) die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen beanspruchen kann.

Der im Jahre 1979 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt Lizenzspieler des Fußballvereins H.. Am 6. April 2014 verspürte er während eines Fußballspiels nach einer Verdrehbewegung einen stechenden Schmerz im rechten Knie (außenseitig). Der Mannschaftsarzt Dr. M. des Ambulanzzentrums des U. diagnostizierte in seiner ärztlichen Unfallmeldung vom 10. April 2014 u.a. einen Zustand nach Kniegelenksdistorsion rechts, einen leichten Reizerguss und keine akute Bandverletzung.

Die Kernspintomografie-Aufnahme des rechten Kniegelenkes vom 9. April 2014 ergab laut Unfallmeldung des Dr. M. eine Chondromalazie Grad II bis III mit einem hyalinen Knorpeldefekt/Erweichung 8×10 mm im femoralseitigen Pateallaglreitlager, etwas mehr über der medialen Femurkondyle, einen mäßigen Reizerguss im Kniegelenk mit Ausbildung einer Baker-Zyste, bei erhaltenen Kollateralbändern, ohne Auffaserung oder Teilruptur des äußeren Kollateralbandes und im Übrigen regelrechten morphologischen Befund. Unter dem 17. April 2014 berichtete Dr. M.B., leitender Arzt bei dem Klinikum W., an die Beklagte, dass bei dem Kläger u.a. eine Distorsion des rechten Kniegelenks mit Außenmeniskusradiärriss und Teilriss der menisco-tibialen Bänder diagnostiziert worden sei. Nach einer MRT- Kontrolluntersuchung am 24. September 2014 wurde in der Radiologie des Klinikums W. u.a. festgestellt, dass der radiäre Riss des Aussenmeniskus mutmaßlich etwas zugenommen habe. Am 22. Januar 2015 wurde der Kläger in der Orthopädie Sportklinik B. am rechten Kniegelenk operiert. Nach dem OP-Protokoll wurde dabei unter anderem ein traumatischer Radiärriss mit Lappenbildung am Außenmeniskus festgestellt.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2014 erkannte die Beklagte eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 1. Mai 2014 sowie eine Behandlungsbedürftigkeit bis zum 21. Mai 2014 an. Eine Verletzung von Bandstrukturen, welche auf einen unfallbedingten Gesundheitsschaden hinweise, könne nicht nachgewiesen werden. Aufgrund der bereits vorliegenden verschleißbedingten Veränderungen am rechten Knie sei keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem plötzlichen äußeren Ereignis und dem Gesundheitsschaden gegeben. Bereits auf einer MRT-Untersuchung vom 29. März 2005 aufgrund eines angegebenen Unfalls vom selben Tag, habe sich eine Veränderung des Gelenkknorpels rechts und das Bild einer abgelaufenen Reizung der Patellasehne gezeigt.

Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und erklärte, dass die Kniegelenkverdrehung durchaus geeignet sei, einen Meniskusriss zu verursachen. Dieser sei auch durch den behandelnden Arzt Dr. B1 sowie den Kniespezialisten Dr. E. anhand der Erstaufnahmen diagnostiziert worden.

Im Rahmen eines fachchirurgischen Gutachtens zur Zusammenhangsfrage vom 4. März 2016 erklärte der Gutachter Dr. P., dass der Kläger ihm gegenüber geschildert habe, zum Unfallzeitpunkt aus vollem Lauf heraus plötzlich abgestoppt und dann eine schnelle Drehbewegung im rechten Kniegelenk durchgeführt zu haben. Da die Durchsicht des MRT-Befundes vom 9. April 2014 durchaus einen Einriss im rechten Außenmeniskus vermuten lasse, seien sämtliche Behandlungen einschließlich der am 22. Januar 2015 erfolgten Operation aufgrund des Unfallereignisses vom 6. April 2014 heilbehandlungsbedürftig gewesen.

Die Fachärztin für Chirurgie Dr. F. erklärte in ihrer beratenden fachärztlichen Stellungnahme vom 31. Mai 2016, dass sich nach der eigenen Sichtung des MRT vom 9. April 2014 allenfalls eine kleine Einfärbung in der Pars intermedia des Außenmeniskus zeige. Wesentliche Begleitverletzungen seien nicht erkennbar. Auch im MRT vom 24. September 2014 lasse sich ein Teilriss der menisko-tibialen Bänder außenseitig rechts nicht nachvollziehen. Im Übrigen werde in den vorliegenden klinischen Befunden jeweils die Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes mit 0/0/130° angegeben. Der kleine Radiärriss in der Pars intermedia des Außenmeniskus könne nicht Folge des Unfallereignisses sein, da keine objektivierbaren Begleitverletzungen vorgelegen hätten. Jedoch habe ein nicht unerheblicher Knorpelschaden im Bereich des medialen patellaren Gleitlagers vorgelegen.

Der Radiologe Professor Dr. M. erklärte dazu in seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2016, nach Sichtung der MRT-Aufnahmen vom 9. April 2014, dass sich nur eine minimale Einkerbung auf dem Außenmeniskus zeige. In der frontalen Ebene sei der Außenmeniskus vollständig intakt und es zeige sich auch keine Imbibierung oder Mitreaktion der lateralen Strukturen. Im Übrigen erkläre sich die von dem Kläger geäußerte und klinische Schmerzsituation durch den nicht unbedeutenden hyalinen Knorpelschaden.

Die Beklagte erließ daraufhin am 21. Juli 2016 den Widerspruchsbescheid und erklärte ergänzend, dass gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Monate später diagnostizierten Radiärriss des rechten Außenmeniskus und dem Ereignis vom 6. April 2014 der ungeeignete Hergang zur Verursachung einer traumatischen Verletzung sowie der fehlende Nachweis eines frischen Risses sowie das Fehlen knöcherner oder bänderbezogener Begleitverletzungen sprächen.

Der Kläger hat am 15. August 2016 Klage erhoben und kritisiert, dass die Beklagte nicht weitere Unfälle berücksichtigt und keine Abgrenzung der Verursachungsbeiträge vorgenommen habe. Zudem hat sich sich der Kläger auf den Vortrag von Dr. P bezogen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf die Erkenntnisse des Verwaltungsverfahrens und die Argumentation in den angefochtenen Bescheiden bezogen.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung diverser Befundberichte sowie durch Einholung eines chirurgischen Fachgutachtens durch den Sachverständigen Z. vom 15. August 2018. Der Sachverständige hat erklärt, dass durch das Unfallereignis keine relevante Schädigung des Außenbandapparates im Sinne einer Begleitverletzung, welche nach der einschlägigen Literatur bei einer unfallbedingten Zerreißung des Meniskus gefordert werde (Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin – Arbeitsunfall und Berufskrankheit – 9. Auflage, S. 653 ff.), vorgelegen habe. Als Unfallfolge sei eine ausgeheilte Zerrung des rechten Kniegelenkes zu nennen. Unfallunabhängig bestünden eine ausgeheilte geringe Schädigung des rechten Kniegelenkes aus dem Jahre 2005 mit Einriss der Synovialummantelung des vorderen Kreuzbandes und Einriss einer Schleimhautfalte, Schäden der Achillessehne beidseits, operativ behandelt, eine Ruptur der Ischiocruralmuskulatur des rechten Oberschenkels, ein Abriss der Hüftbeugemuskulatur rechts sowie eine degenerative Schädigung des rechten Kniegelenkes mit leichter Außenmeniskusschädigung und Knorpelschäden.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. Oktober 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der bei dem Kläger durch Dr. P. diagnostizierte radiäre Einriss des rechten Außenmeniskus sei auch bei Annahme eines solchen „Risses“ nicht auf das Unfallereignis vom 6. April 2014 zurückzuführen. Denn dieses Unfallereignis habe nicht den über die Verstauchung des Kniegelenks hinausgehenden Gesundheitsschaden der degenerativen Schädigung des rechten Kniegelenkes mit leichter Schädigung des Außenmeniskus und Knorpelschäden hervorgerufen. Ein Unfallereignis sei nur dann geeignet, einen Meniskusschaden zu verursachen, wenn die physiologischen Bewegungs- und Belastungsgrenzen überschritten würden. Danach sei entscheidend, ob bei dem Unfallereignis auch die den Meniskus schützenden Strukturen wie der Kapselbandapparat geschädigt worden seien. Durch den vom Kläger zum Unfallzeitpunkt beschriebenen versuchten und von seinem Gegenspieler unterdrückten Richtungswechsel, mit einer Drehbewegung des Oberkörpers nach links, bei Belastung des rechten Beines sei es bei dem Kläger nicht zu einer ausrenkenden Bewegung gekommen und es habe auch nicht den Nachweis einer entsprechenden schweren Gelenkschädigung oder einer Sofortsymptomatik ergeben. Ausschlaggebend sei, dass ein struktureller Erstschaden im Rahmen von Einblutungen oder Kapselbandschäden an dem betroffenen Knie nicht habe nachgewiesen werden können. Vielmehr seien anlässlich der MRT-Untersuchung eine nicht unerhebliche degenerative Schädigung des Kniegelenkes mit einer Chondromalazie II. bis III. und hyalinen Knorpeldefekt/Erweichung von 8 x 10 mm im femoralseitgen Patellagleitlager, ein mäßiger Reizerguss sowie eine kleine Baker-Zyste erkannt worden, so dass wegen fehlender traumatischer Zeichen kein ursächlicher bzw. rechtlich-wesentlicher Zusammenhang mit dem beschriebenen Unfallereignis hergestellt werden könne. Daher könne gutachterlichen Stellungnahmen gefolgt werden, die eine Heilbehandlung und Arbeitsunfähigkeit wegen der Folgen des Unfallereignisses (Kniegelenkzerrung) lediglich bis zum 30. April 2014 annähmen. Plausibel habe der Sachverständige Z. darüber hinaus beschrieben, dass die Befunde, die nach dem Ereignis erhoben worden seien, auch nicht für eine isolierte Meniskusschädigung durch den Unfall sprächen.

Der Kläger hat gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 4. November 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 20. November 2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts sei verfahrensfehlerhaft, nämlich vor Ablauf der dazu gewährten Stellungnahmefrist ergangen. Deshalb habe der nunmehr gestellte Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ein Gutachten des Chirurgen Prof. Dr. B2 erstellen zu lassen, nicht in erster Instanz gestellt werden können.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 6. April 2014 einen Außenmeniskusbänderriss festzustellen.

Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Landessozialgericht hat gemäß § 109 SGG zu der Frage weiterer Gesundheitsstörungen des Klägers aufgrund des Unfalles vom 6. April 2014 ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. B2 eingeholt. Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 9. September 2021 zu dem Ergebnis, dass der Unfall vom 6. April 2014 wahrscheinlich als alleinige Ursache für die Distorsion des rechten Kniegelenks mit Außenmeniskusradiärriss und Teilriss der menisco-tibialen Bänder außenseitig anzusehen sei. Dass der Kläger zunächst weiter fußballgespielt habe, stehe dem nicht entgegen. Bereits in dem MRT vom 9. April 2014 sei im rechten Kniegelenk ein leichter Anriss des Aufhängeapparates des Außenminiskus mit leichter Einblutung zu sehen gewesen. Für eine derartige mikrostrukturelle Begleitverletzung des Kapselapparates fänden sich in den vorliegenden weiteren Gutachten zahlreiche Fakten. Die Unfallfolgen hätten ab dem 6. April 2014 auf Dauer zu eine MdE von 10 v.H. geführt.

Die Beklagte wendet ein, es dürfe nicht aus einem bestimmten Erkrankungsbild auf den „passenden“ Hergang geschlossen werden. Eine isolierte Meniskusverletzung werde heute nur noch bei einem sogenannten „wuchtigen Drehsturz“ diskutiert. Dieser sei aber im Streitfall nicht nachgewiesen. Das Gutachten sei auch wegen der für die Befunde angenommene MdE von 10 v. H. nicht überzeugend. Bei beiden Kniegelenken hätten sich keine Bewegungseinschränkungen gezeigt. Auch sonst hätten sich keine funktionellen Beeinträchtigungen ergeben.

Der Senat hat über die Berufung am 29. Juni 2022 mündlich verhandelt, auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten (Az.: 02 03 2-6 492 674).

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung des Klägers, mit der dieser im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) nur noch die Feststellung weiterer Unfallfolgen verfolgt, ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung des geltend gemachten weiteren Gesundheitsschadens als Folge des Arbeitsunfalles vom 6. April 2014.

1. Für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem im Streitfall von der Beklagten bereits anerkannten Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) wird von der ständigen Rechtsprechung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 27/06 R, juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R und vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, juris).

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der geltend gemachte weitere Gesundheitsschaden, die Schädigung des Außenmeniskus, Folge des Arbeitsunfalls vom 6. April 2014 ist. Der leitende Arzt der sportmedizinischen Abteilung des Klinikums W., Dr. B1, erkannte auf den MRT- Aufnahmen des rechten Knies des Klägers vom 9. April 2014 bereits bei seiner Untersuchung am 14. April 2014 einen Radiärriss des Außenmeniskus im Bereich der Pars intermedia und einen Teilriss des menisko-tibialen Bänder. Vier Monate später beschrieb der Leiter der Radiologie des Klinikums W., Prof. Dr. R., dass sich der radiäre Riss des intermediären Anteils des Außenmeniskus mutmaßlich etwas zunehmend gezeigt hätte. Diese Diagnose wird im Januar 2015 von dem Orthopäden und Sportmediziner Dr. E. bestätigt, der von einem kernspintomographisch gesicherten Radiärriss im Bereich des Außenmeniskus spricht. Zwar ist der Sachverständige Z. in seinem Gutachten vom 15. August 2018 zu dem Ergebnis gelangt, dass auf den Kernspintomographieaufnahmen vom 9. April 2014 nur eine geringfügige Texturstörung am Außenmeniskus erkennbar sei, er hat sich jedoch mit dem Operationsbericht der Klinik B. vom 22. Januar 2015 nicht auseinandergesetzt. In dem entsprechenden Operationsprotokoll wurde als Befund u.a. ein traumatischer Radiärriss mit Lappenbildung am Außenmeniskus festgestellt. Der Sachverständige Dr. P. weist in seinem auf Veranlassung der Beklagten erstellten Gutachten vom 21. März 2016 darauf hin, dass bei der Operation der bereits zuvor vermutete Einriss des Außenmeniskus bestätigt worden sei. Bereits die Durchsicht des MRT-Befundes vom 9. April 2014 habe durchaus einen Einriss im rechten außen Meniskus vermuten lassen. Dieser Sachverständige beschreibt im Übrigen auch den Einriss des Aufhängeapparats des Außenmeniskus mit leichter Einblutung.

Es steht deshalb zur Überzeugung des Senats fest, dass der Radiärriss im rechten Knie des Klägers aufgrund eines traumatischen Ereignisses und zwar durch den Unfall vom 6. April 2014 hervorgerufen wurde. Die im Widerspruchsbescheid und auch noch während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren vorgebrachte Behauptung der Beklagten, der Radiärriss des Außenmeniskus sei erst Monate nach dem Unfall diagnostiziert worden (und man wisse nicht, was in der Zwischenzeit passiert sei), trifft nicht zu. Bereits am 14. April 2014, also nur acht Tage nach dem Unfall, wurden in der Abteilung für Sportmedizin des Klinikums W. der Außenmeniskusradiärriss und die Bandverletzungen am rechten Knie des Klägers diagnostiziert (Bericht des Dr. B1 vom 17. April 2014). Die dem zugrundeliegenden MRT-Aufnahmen stammen vom 9. April 2014, wurden also nur drei Tage nach dem Unfall gefertigt.

b) Das Unfallereignis war auch geeignet, einen Meniskusriss zu verursachen.

aa) Der Sachverständige Z. geht in seinem Gutachten davon aus, dass eine traumatische Meniskusschädigung nur bei einer erheblichen Belastung des Kniegelenks möglich sei. Dazu müsse der Meniskus zwischen Oberschenkelrolle und Schienbeinkopf eingeklemmt und durch eine gleichzeitige Drehbewegung zerrissen werden. Voraussetzung sei daher eine gleichzeitig bestehende Schädigung der Bandverbindungen. Der dadurch hervorgerufene sofortige Schmerz gehe mit einer erheblichen Schwellung einher. Soweit der Sachverständige Z. und ihm folgend das Sozialgericht davon ausgehen, dass ein entsprechender Befund nicht vorgelegen habe, widerspricht dies dem Zwischenbericht des Orthopäden Dr. B1 vom 17. April 2014, der bei der Auswertung der MRT- Aufnahmen eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung im rechten Kniegelenk feststellen konnte.

bb) Die Unfallschilderung des Klägers, mit der dieser die Anfrage der Beklagten vom 29. April 2014 schriftlich beantwortete, ist mit dem von dem Sachverständigen Z. vorausgesetzten notwendigen Geschehen in Einklang zu bringen. Der Kläger gab an, er habe sich bei dem Versuch, sich von seinem Gegner zu lösen, das rechte Knie verdreht und spricht von einem „starken stechenden Schmerz“. Auf die Frage, ob er mit dem Knie um- oder eingeknickt sei, antwortete er: „eher verdreht“. Der Senat hält diese Angaben für glaubhaft, zumal sie zu einem Zeitpunkt abgegeben wurden, als der Kläger noch nicht wissen konnte, dass es für die Kausalitätsbeurteilung entscheidend auf eine derartige Verdrehbewegung ankommt. Auch der sofortige Schmerz, den der Sachverständige Z. bei einem solchen Manöver erwartet, wurde von dem Kläger bereits in seiner ersten Äußerung zu dem Unfallgeschehen genauso geschildert, als er von einem „starken stechenden Schmerz“ sprach. Der Senat hält damit einen Ereignisablauf für nachgewiesen, der geeignet ist, eine schädigungsrelevante Meniskusbelastung zu bewirken. Der hier festgestellte Sachverhalt, bei dem ein Profi-Fußballspieler von Beginn der Behandlung an gegenüber seinen behandelnden Ärzten von einer Kniegelenksverdrehung mit stechenden Schmerzen bei einem Zweikampf in einem Bundesliga- Fußballspiel berichtet, ist mit dem Sachverhalt der Entscheidung des Hessischen LSG vom 11. September 2020 – L 3 U 150/18, juris, auf den die Beklagte verweist, nicht vergleichbar. Dort war eine 16-jährige Schülerin beim Schlittschuhlaufen auf das Knie gefallen und hatte eine Prellung erlitten. Einen „wuchtigen Drehsturz“, bei dem das gebeugte und rotierte Kniegelenk bei fixiertem Unterschenkel/Fuß plötzlich passiv in die Streckung gezwungen wird, hatte das Gericht dort (natürlich) nicht feststellen können.

c) In Übereinstimmung mit dem umfassenden und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B2 vom 9. September 2021, der sich eingehend mit dem Inhalt sämtlicher ihm vorliegenden Vorgutachten auseinandergesetzt hat, steht damit zur Überzeugung des Senats fest, dass neben einer Distorsion des rechten Kniegelenks auch ein Außenmeniskusradiärriss und ein Teilriss der menisco-tibialen Bänder als mikrostrukturelle Begleitverletzung Folge des Unfalls vom 6. April 2014 sind.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits. Dabei wurde berücksichtigt, dass der Kläger bei Einlegung seiner Berufung den Zahlungsantrag (Verletztenrente) noch angekündigt und erst nach Eingang des Gutachtes vom 9. September 2021 darauf verzichtet und ihn in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2022 nicht mehr gestellt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Sozialrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Sozialrecht. Wir beraten uns vertreten Sie in sozialrechtlichen Fragen. Jetzt Ersteinschätzung anfragen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Beiträge aus dem Sozialrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!