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Anerkennung eines Arbeitsunfalls – Voraussetzungen

Psychische Belastung am Arbeitsplatz: Anerkennung als Arbeitsunfall schwierig

Im Fokus des vorliegenden Falles steht die Auseinandersetzung um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, ein Kernthema des Sozialrechts. Im Zentrum dieser Debatte steht die Klägerin, die aufgrund ihrer Gesundheitsprobleme und Ereignisse am Arbeitsplatz eine Anerkennung als Arbeitsunfall anstrebt. Hierbei spielt die Frage, inwiefern die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin direkt auf Vorfälle am Arbeitsplatz zurückzuführen sind, eine zentrale Rolle.

Besondere Beachtung finden dabei die Unfallanzeige und die beratungsärztlichen Stellungnahmen, die wesentliche Elemente für die Beurteilung des Falls darstellen. Eine Herausforderung in solchen Fällen ist oft die differenzierte Bewertung von physischen und psychischen Folgen eines Arbeitsunfalls, insbesondere wenn Aspekte wie Retraumatisierung und langfristige Arbeitsunfähigkeit zur Diskussion stehen. Die Entscheidung über die Anerkennung oder Ablehnung eines solchen Falles hat weitreichende Konsequenzen für die betroffene Person und ist daher von großer rechtlicher und sozialer Bedeutung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: L 10 U 129/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Landessozialgericht Baden-Württemberg lehnte die Anerkennung eines Ereignisses vom 08.06.2011 als Arbeitsunfall ab, da kein vollbeweislicher Nachweis für einen direkten Gesundheitserstschaden durch das Ereignis und keinen ursächlichen Zusammenhang mit späteren Gesundheitsproblemen der Klägerin erbracht wurde.

Zentrale Punkte des Urteils:

  1. Berufungsablehnung: Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart wurde abgelehnt.
  2. Gesundheitliche Vorgeschichte: Die Klägerin hatte bereits vor dem Ereignis vom 08.06.2011 diverse gesundheitliche Probleme.
  3. Ereignis vom 08.06.2011: Ein psychisch kranker Antragsteller drohte der Klägerin am Arbeitsplatz. Die Klägerin machte psychische und physische Beschwerden als Folge des Ereignisses geltend.
  4. Fehlende Beweise für Gesundheitsschaden: Ein direkter Gesundheitserstschaden durch das Ereignis konnte nicht nachgewiesen werden.
  5. Diagnosen und Behandlungen: Die Klägerin erhielt verschiedene Diagnosen, darunter eine chronische Schmerzstörung und eine Somatisierungsstörung, jedoch keine PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) in direktem Zusammenhang mit dem Ereignis.
  6. Fehlender Zusammenhang mit Arbeitsunfall: Es wurde kein Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Problemen der Klägerin und dem Ereignis als Arbeitsunfall festgestellt.
  7. Verweigerung der Anerkennung als Arbeitsunfall: Das Ereignis vom 08.06.2011 wurde nicht als Arbeitsunfall anerkannt, da die notwendigen Kriterien nicht erfüllt waren.
  8. Kostenentscheidung und Revisionsablehnung: Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin, und eine Revision wurde nicht zugelassen.

Schwieriger Weg zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einer aktuellen Entscheidung die Berufung einer Klägerin abgewiesen, die um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall kämpfte. Der Fall, der sich über Jahre hinzog, beleuchtet die Komplexität und Herausforderungen bei der Anerkennung von Arbeitsunfällen, insbesondere wenn psychische Belastungen im Spiel sind.

Die Klägerin: Ein Lebensweg geprägt von gesundheitlichen Problemen

Die 1960 geborene Klägerin, eine Mutter von sechs Kindern, hatte nach einer Ausbildung zur Gärtnerin und einer späteren Tätigkeit als Altenpflegerin, aufgrund verschiedener gesundheitlicher Probleme ihre berufliche Laufbahn mehrfach ändern müssen. Ab 2009 war sie beim Jobcenter in verschiedenen Funktionen tätig. Im April 2018 wurde sie durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und stellte später einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. In der Folgezeit nahm sie an einer Rehabilitationsmaßnahme teil, in der diverse psychische und physische Leiden diagnostiziert wurden.

Der strittige Vorfall am Arbeitsplatz

Kern des Rechtsstreits war ein Vorfall am 08. Juni 2011, bei dem die Klägerin von einem psychisch kranken Antragsteller bedroht wurde. Dieses Ereignis meldete sie jedoch erst Jahre später, im Rahmen einer Unfallanzeige. Sie vertrat die Ansicht, dass ihre zunehmenden gesundheitlichen Probleme, insbesondere psychische Belastungen, die sich in Symptomen wie Durchfall, Schwindel und einer generellen Verschlechterung des Gesundheitszustandes äußerten, auf diesen Vorfall zurückzuführen seien.

Medizinische Gutachten und beratungsärztliche Stellungnahmen

Das Gericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf diverse medizinische Gutachten und beratungsärztliche Stellungnahmen. Diese legten dar, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Vorfall im Jahr 2011 und den gesundheitlichen Problemen der Klägerin nicht schlüssig nachgewiesen werden konnte. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin bereits vor dem Vorfall unter verschiedenen Beschwerden litt und die später diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nicht eindeutig auf das Ereignis am Arbeitsplatz zurückgeführt werden konnte.

Fazit: Ablehnung der Anerkennung als Arbeitsunfall

Letztendlich sah das Gericht keine ausreichenden Beweise für die Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall. Es wurde betont, dass für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls klare Nachweise erforderlich sind, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Ereignis am Arbeitsplatz und dem Gesundheitsschaden der Versicherten belegen. In diesem Fall konnte ein solcher Zusammenhang nicht hinreichend belegt werden, was zur Ablehnung der Berufung und somit zur Nichtanerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall führte.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls?

Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls in Deutschland basiert auf bestimmten Voraussetzungen. Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn eine versicherte Person infolge einer versicherten Tätigkeit einen Unfall erleidet. Gemäß § 8 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind:

1. Versicherte Person: Der Betroffene muss in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sein.
2. Versicherte Tätigkeit: Der Unfall muss während einer versicherten Tätigkeit auftreten, z.B. während der Arbeitszeit, auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit, oder bei der Ausübung eines Ehrenamtes.
3. Unfall: Es muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorliegen, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt.
4. Kausalzusammenhang: Zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis muss ein Zusammenhang bestehen, ebenso ein Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden.

Die zuständigen Unfallversicherungsträger, wie Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen, entscheiden, ob ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird. Bei Unklarheiten oder Ablehnung der Anerkennung kann es sinnvoll sein, rechtlichen Rat einzuholen.


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Baden-Württemberg – Az.: L 10 U 129/23 – Urteil vom 19.10.2023

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.12.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Die 1960 geborene Klägerin, Mutter von sechs Kindern, absolvierte nach eigenen Angaben (S. 92 VerwA) zunächst eine Ausbildung zur Gärtnerin und war im Anschluss selbstständig tätig. Von Ende der 1988er Jahre bis Anfang der 1990er Jahre durchlief sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin und war anschließend in diesem Beruf tätig. Auf Grund diverser gesundheitlicher Beschwerden (u.a. Kraftlosigkeit in den Händen, Schmerzzustände) konnte sie seit dem Jahr 2006 nicht mehr als Altenpflegerin arbeiten und ließ sich sodann über die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zur Diplom-Sozialarbeiterin umschulen. Ab dem Jahr 2009 war sie – wie auch zum Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses am 08.06.2011 – beim Jobcenter der Landeshauptstadt S1 (JC) beschäftigt und dort im Bereich der Fachstelle für Junge Menschen („U25“) eingesetzt, ab 2013 im Bereich Controlling und ab 2020 als Persönliche Ansprechpartnerin (vgl. zu allem S. 87, 91 f., 116 VerwA, S. 71 SG-Akte).

Ab April 2018 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nach Aufforderung seitens der Landeshauptstadt und auf Empfehlung des dortigen arbeitsmedizinischen Dienstes beantragte die Klägerin im März 2019 bei der DRV die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Vom 18.06. bis 23.07.2019 nahm die Klägerin auf Kosten der DRV an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik G1 – Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie – in G2 teil. Die dortigen Ärzte diagnostizierten bei der Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts vom 14.08.2019 (S. 86 ff. VerwA) eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung, ein Fibromyalgiesyndrom, eine Autoimmunthyreoiditis (Erstdiagnose 2001), ein Asthma bronchiale sowie (S. 91 VerwA) ein chronisches Wirbelsäulensyndrom, eine Gangunsicherheit und einen Zustand nach Kopfverletzung im Jahr 1970. Sie beschrieben u.a. eine querulatorische Persönlichkeitsakzentuierung bei Agitiertheit, Kritiksucht und „Kampfmodus“ sowie einen lebensgeschichtlich von Deprivation und einem ausgeprägten autarken Lebensmuster geprägten Hintergrund (S. 94, 96 VerwA). Die aktuellen (psychischen) Belastungen der Klägerin stünden im Zusammenhang mit dem Tod ihrer Mutter im April 2018 und der Auflösung des angetretenen Erbes, wobei die Klägerin starke Beeinträchtigungen in Bezug auf finanzielle Probleme angegeben habe (a.a.O.); die körperlichen Beschwerden führe sie auf ihre langjährige Tätigkeit als Altenpflegerin zurück (S. 92 VerwA). Das (später) angeschuldigte Ereignis erwähnte die Klägerin im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme nicht. Sie wurde noch als vorübergehend arbeitsunfähig, aber mit der Indikation einer stufenweisen Wiedereingliederung ab Mitte August 2019 entlassen.

Mit Unfallanzeige vom 27.08.2019 (S. 1 VerwA), die ersichtlich auf den Angaben der Klägerin beruht („mir“, „meine“), teilte das JC der Beklagten mit, dass am späten Nachmittag des 08.06.2011 ein (psychisch kranker, vgl. S. 40 VerwA) Antragsteller („Herr R1*“; hier zukünftig nur Antragsteller) beim JC erschienen sei und unter Androhung mit der Polizei um Leistungsgewährung ersucht habe. Aus dem Zusammenhang der Unfallanzeige ergibt sich, dass ein (vernünftiges) Gespräch zwischen dem Antragsteller und der Klägerin nicht zustande kam, weil dieser – auch nach Hinzuziehung eines JC-Vorgesetzen – „ohne Unterbrechung dasselbe“ gesagt habe. „Irgendwann“ sei der Antragsteller dann gegangen und habe im Anschluss bei der Klägerin („mir“) „ohne Unterlass mit dem bekannten Text“ angerufen. Dann habe er der Klägerin („mir“) gedroht, ihr („mir“) „das Leben zu nehmen“. Darüber habe die Klägerin im JC und beim Gemeindepsychiatrischen Dienst („GPZ“) Meldung gemacht (s. ergänzend S. 40 VerwA: noch am selben Tag sei der Betreffende zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen worden). „Seit 2012“ sei sie „vermehrt massiv krank“ und ihre („meine“) Tochter habe ihr „am letzten Abend der Reha“ jetzt im Sommer gesagt, dass sie („ich“) sich seit der Bedrohung verändert habe. Ferner teilte das JC in der Unfallanzeige mit, dass die Psyche der Klägerin verletzt worden sei („Trauma/Schock“) und dass sie am Tag nach dem Ereignis ihre Arbeit wiederaufgenommen habe.

Im Anschluss an die Unfallanzeige gab die Klägerin gegenüber der Beklagten an (S. 3 VerwA), dass die Wiedereingliederung von ihrem Arbeitgeber nach sechs Wochen abgebrochen worden sei, dass sie „rausgemobbt“ werden solle und dass man sie wegen ihrer Schwerbehinderung „loswerden“ wolle. Sie habe die letzten Jahre „extreme AU-Zeiten“ gehabt, immer mehrere Monate, u.a. wegen „Schilddrüse, Fibromyalgie, Ermüdungssyndrom, Schmerzzustände, Durchfall, Schwindel, Probleme bei der Lebensbewältigung“. In der letzten Reha sei ihr klargeworden, dass dies alles im Jahr 2011 mit dem Vorfall angefangen habe.

Die Staatsanwaltschaft S6 teilte der Beklagten auf Anfrage mit (S. 32 VerwA), dass das Ermittlungsverfahren (103 Js 17684/12) gegen R2 wegen Bedrohung im Jahr 2012 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden sei, dass die Akten zwischenzeitlich vernichtet worden und dass weitere Auskünfte nicht möglich seien.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin zunächst „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ fünf probatorische psychotherapeutische Sitzungen (vgl. S. 19 VerwA), zog bei den Krankenkassen der Klägerin Leistungsverzeichnisse bei (Techniker Krankenkasse, S. 68 ff. VerwA: Zeitraum von Anfang 2016 bis Ende Juli 2020; Die S2 BKK, S. 80 ff. VerwA: Zeitraum von Anfang Juni 2008 bis Anfang September 2014, dort u.a. Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug vom 04.06.2008 bis 14.01.2009 wegen Anpassungsstörungen und Fibromyalgie sowie Arbeitsunfähigkeit vom 12. bis 16.11. 2010 wegen einer nichtinfektiösen Gastroenteritis und Kolitis, so auch später vom 08. bis 13.06.2012) und holte bei den behandelnden Therapeuten Auskünfte ein.

R3, der die Klägerin bereits seit Oktober 2008 „aufgrund von wiederkehrender seelischer Labilität“ behandelt hatte, teilte in seinem psychotherapeutischen Erstbericht (S. 40 ff. VerwA) nach Gesprächen mit der Klägerin am 11.02. und 28.02.2020 mit, dass sie ihm am 19.09.2019 eine Bedrohung am Arbeitsplatz im Jahr 2008 geschildert habe. Dann habe sie über einen Vorfall am 01.06.2011 mit einem psychisch kranken Antragsteller berichtet. Etwa ein halbes Jahr danach habe sie – so die Klägerin – Unruhezustände erlebt, sich nicht sicher gefühlt, obwohl der Kunde Hausverbot erteilt bekommen habe, und leide „seitdem“ unter Durchfällen, Schwindel und einem Mangel an „Stressregulation“. 2012 sei dann auch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit festgestellt worden. Die weiteren lebensgeschichtlichen Ereignisse (z.B. neue Partnerschaft 2014, wobei der Partner dann nach etwa einem Jahr unerwartet verstorben sei) stünden, so die Klägerin, nicht im Zusammenhang mit dem Unfall. Nach Freistellung bis Ende Januar 2020 arbeite die Klägerin im Übrigen seit Anfang Februar 2020 wieder vollschichtig in einer anderen Zweigstelle des JC.

In seinem Abschlussbericht vom 01.07.2020 (S. 52 f. VerwA) diagnostizierte R3 eine Somatisierungsstörung und führte aus, dass die Klägerin eine komplexe Lebensgeschichte mit erheblichen Belastungen und längeren Phasen von Instabilität hinter sich habe. Die Beschwerdesymptomatik mit Schwindelzuständen und Durchfällen sei nicht typisch für eine Posttraumatische Belastungssituation (PTBS), sondern eher für eine Angstsymptomatik. Eine sichere Differenzierung danach, ob die von der Klägerin angegebene spezifische Symptomatik mit Schwindel und Durchfällen monokausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sei, sei nicht möglich (Hinweis auf die vorbestehenden psychischen Schwierigkeiten, derentwegen die Klägerin von R3 bereits erstmals am 15.01.2008 behandelt worden war).

Der die Klägerin behandelnde S3 teilte in seinen Auskünften vom 24.07. und 06.09.2020 (S. 71, 85 VerwA) der Beklagten mit, die Klägerin erstmals nach einem Suizidversuch am 15.11.2001 und dann – nach dem angeschuldigten Ereignis – erst wieder am 04.06.2012 wegen Durchfallbeschwerden behandelt zu haben. Ein Bedrohungsereignis habe sie seinerzeit ihm gegenüber nicht erwähnt.

Am 20.11.2020 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit (s. Aktenvermerk S. 115 VerwA), dass sie erfahren habe, dass der Mann, der sie damals bedroht habe, zwischenzeitlich seinen Bruder ermordet habe und im Gefängnis sitze; außerdem habe sie auf der Arbeit immer wieder mit „Mobbing“ zu kämpfen.

Mit Unfallanzeige vom 19.11.2020 (S. 116 VerwA) gab das JC zur Klägerin mit Unfallzeitpunkt 19.11.2020, 11.30 Uhr, Bezirksrathaus, „lt. Herrn F1, Mitarbeiterunterstützungsteam“, gegenüber der Beklagten Folgendes an: „Retraumatisierung aus Bedrohung vor 8 Jahren (habe soeben erfahren, dass der Bedroher von damals mittlerweile wegen Mord im Gefängnis sitzt) bei erhöhtem Druck: Konflikt mit Kollegin Schikane im August 2020 und beschlossenem Wechsel des Arbeitszimmers“. Wiederum wurde als „verletzte Körperteile“ Psyche und als Art der Verletzung „Trauma/Schock“ angegeben.

Die Beklagte holte bei H1 die beratungsärztliche Stellungnahme vom 25.11.2020 (S. 117 ff. VerwA) ein. Dieser führte aus, dass er einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem, auch schon unfallvorbestehend vorhandenen komplexen Beschwerdebild der Klägerin und dem geschilderten Bedrohungsereignis vom 08.06.2011 schon nicht für möglich erachte, zumal die Klägerin das Ereignis – auch falsch datiert – erstmals am 19.09.2019 gegenüber R3 erwähnt habe, nicht jedoch gegenüber S3 und auch nicht während der gesamten Reha-Maßnahme in G2. Dokumentiert seien hingegen vielfältige Arbeitsplatzkonflikte und lebensgeschichtliche Ereignisse. Ohnehin lägen weder die diagnostischen Kriterien für eine relevante psychoreaktive Störung nach dem Ereignis vom 08.06.2011 vor, noch die für eine PTBS oder eine (unfallbedingte) Anpassungsstörung. Zusammenfassend gäbe es überhaupt keinerlei Hinweis dafür, dass die acht Jahre nach dem Ereignis von der Klägerin vorgebrachten vielfältigen Befindlichkeitsstörungen auch nur in irgendeinem Zusammenhang mit dem Ereignis stehen könnten.

Im Anschluss daran übersandte K1 ihren Kurzbericht vom 10.02.2021 (S. 147 VerwA) über sechs therapeutische Sitzungen mit der Klägerin zwischen Ende Juni und Anfang Dezember 2020. Die Klägerin habe ihr gegenüber „auch“ eine „bedrohliche Situation 2011 am Arbeitsplatz“ erwähnt. Als Diagnose hat die Psychotherapeutin eine Anpassungsstörung genannt (F43.2 nach ICD-10).

Mit Bescheid vom 17.02.2021 (S. 148 ff. VerwA) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 08.06.2011 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie insbesondere auf der Grundlage der beratungsärztlichen Stellungnahme aus, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den bei der Klägerin – auch schon vor dem Ereignis – bestehenden vielfältigen Befindlichkeitsstörungen und dem Ereignis vom 08.06.2011 nicht mit der in der gesetzlichen Unfallversicherung notwendigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden könne; deswegen komme auch die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht in Betracht.

Mit ihrem Widerspruch vom 04.03.2021 (S. 162 f. VerwA) machte die Klägerin u.a. geltend, dass sie den Vorfall „tatsächlich nicht ernstgenommen“ und versucht habe, ihn zu vergessen und zu verdrängen. Erst als ihre Tochter ihr „im Sommer 2019“ gesagt habe, dass sie sich „seit der Bedrohung so verändert habe“, habe sie (die Klägerin) „endlich den Schlüssel“ gehabt. Nach und nach habe sich dann nach der Unfallanzeige ihr Gesundheitszustand wieder verbessert. Am 19.11.2020 habe sie dann erfahren, dass der Mann, der sie bedroht hatte, wegen Mordes verurteilt worden sei (Hinweis auf einen Artikel in den Stuttgarter Nachrichten vom 22.05.2014), was bei ihr zu einer „Retraumatisierung“ geführt habe. Wegen „Durchfall und diesem Schwindel“ sei sie vor dem Ereignis am 08.06.2011 „nie krankgeschrieben“ gewesen und habe auch nicht darunter gelitten, erst einige Zeit nach dem Ereignis hätten diesen Erkrankungen begonnen und wiederum einige Zeit später, etwa 2012, habe sie sich dann ihrem behandelnden Internisten anvertraut.

Im Laufe des Widerspruchsverfahrens ergänzte die Klägerin ihr Vorbringen dahingehend (s. S. 170 VerwA), dass sie die sich später (nach dem Ereignis) entwickelnden Durchfallbeschwerden und den Schwindel nicht direkt mit dem Ereignis in Verbindung gebracht habe. Sie sei der Überzeugung, dass eine PTBS auch nach 30 Jahren noch entstehen und es nicht zu ihren Lasten gehen könne, dass sie das Ereignis verdrängt habe und deshalb natürlich nichts dokumentiert sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2021 (S. 171 ff. VerwA) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Ein (psychischer) Gesundheitserstschaden durch das Ereignis vom 08.06.2011 sei schon nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Auch fehle es an jeglicher Brückensymptomatik zwischen dem Ereignis und der erst acht Jahre später erstmals geltend gemachten Beschwerden. Das Ereignis vom 08.06.2011 sei mithin kein Arbeitsunfall.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.05.2021 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 08.06.2011 als Arbeitsunfall sowie zur „Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung“ begehrt hat. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass die Retraumatisierung (im November 2020) zeige, dass eine „Ersttraumatisierung“ stattgefunden habe. Die Klägerseite hat außerdem ein an sie gerichtetes Schreiben des H2 (Chefarzt der S4 Klinik S1) vom 10.06.2021 (S. 35 ff. SG-Akte; psychosomatische Sprechstunde am 09.06.2020, u.a.: „Sie selbst hatten ja diagnostisch eine ‚Posttraumatische Belastungsstörung‘ favorisiert“) und den ärztlichen/psychotherapeutischen Entlassungsbericht des Psychotherapeutischen Zentrums K2 Kliniken vom 11.02.2022 (S. 48 ff. SG-Akte, stationäre Behandlung der Klägerin dort vom 06.10. bis 10.11.2021, Diagnose u.a. PTBS) vorgelegt.

R3 hat dem SG Karteikartenauszüge übersandt (S. 21 ff. SG-Akte; daraus u.a. ersichtlich: Behandlungen der Klägerin am 15.10.2008, 15.01.2009 und 22.07.2013 wegen Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik – differentialdiagnostisch Fibromyalgiesyndrom -, am 17.04.2020 wegen PTBS und ab 19.06.2020 [wieder] wegen Dysthymia, S. 25 f. SG-Akte).

Das SG hat von Amts wegen bei S5 das Sachverständigengutachten vom 08.04.2022 (S. 55 ff. SG-Akte) eingeholt. S5 hat bei der Klägerin nach Untersuchung (21.03.2022) von psychiatrischer Seite eine Somatisierungsstörung (F45.0 ICD-10) diagnostiziert. Sämtliche diagnostische Kriterien einer PTBS (F43.1 ICD-10) nach den einschlägigen Klassifikationssystemen lägen nicht vor. Auch ansonsten lasse sich eine irgendwie geartete Reaktionsbildung respektive Anpassungsstörung (F43.0 und F43.2 ICD-10) durch das Ereignis vom 08.06.2011 bei der schon davor psychisch und lebensgeschichtlich vorgeschädigten Klägerin auf der Grundlage der aktenkundigen Unterlagen weder feststellen noch überhaupt herleiten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass das Ereignis die vorbestehende psychische Störung mit Somatisierung in irgendeiner Form (auch nur zeitweise) verschlimmert habe, zumal entsprechende ereignisnahe ärztliche Befunde gänzlich fehlten. Soweit in der K2 Klinik mehr als zehn Jahre nach dem Ereignis eine PTBS diagnostiziert worden sei, stehe die Diagnose in Ansehung der Ausführungen im Entlassungsbericht „frei im Raum“ und sei klinisch-diagnostisch schlechterdings nicht nachvollziehbar; möglicherweise handele es sich um ein bloßes „abrechnungstechnisches Artefakt“. Mit der Beurteilung des H1 bestehe Übereinstimmung. Das angeschuldigte Ereignis habe zu keinem psychischen Primärschaden geführt und die vorbestehenden psychischen Störungen mit Somatisierung auch nicht verschlimmert.

Die Klägerseite ist der Beurteilung des S5 entgegengetreten (S. 83 f. SG-Akte). Die Klägerin habe sechs Kinder zur Welt gebracht und aufgezogen sowie in der Sozialarbeit gearbeitet, sie sei „total hart im Nehmen“. Die Auffassung des Gutachters zur Diagnostik in der K2-Klinik aus Abrechnungsgründen und der Vorwurf einer „inflationär anzutreffenden“ Diagnose begründeten Zweifel an der Neutralität und Objektivität.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.12.2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich des (pauschalen) Begehrens auf Leistungen bereits unzulässig sei, da die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht über konkrete Leistungen entschieden habe, sondern allein über die Ablehnung der Anerkennung des Ereignisses vom 08.06.2011 als Arbeitsunfall. Insoweit sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin durch die telefonische Drohung überhaupt einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) ausgesetzt gewesen sei. Eine entsprechende (psychische) Schock- oder Stresseinwirkung sei schon nicht nachgewiesen. Selbst wenn man das Ereignis als Unfall ansehe, mangele es aber jedenfalls am Nachweis eines Gesundheitserstschadens. Dies habe der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar in seinem Gutachten dargelegt und insbesondere auch überzeugend und im Einklang mit der aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis im Einzelnen begründet, dass und warum bei der Klägerin keine PTBS, auch nicht mit verspätetem Beginn, vorliege. Das Sachverständigengutachten sei verwertbar, die anwaltlich vertretene Klägerin habe kein Ablehnungsgesuch angebracht und ohnehin bestünden keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Objektivität des S5. Die Diagnose einer PTBS im ärztlichen/psychotherapeutischen Entlassungsbericht der K2 Kliniken sei nicht nachvollziehbar, enthalte keine weitergehende Begründung, beruhe auf den unkritisch übernommenen Angaben der Klägerin und stehe auch mit den zeitlich zuvor dokumentierten ärztlichen Befunden nicht in Einklang. Auch ansonsten lasse sich ein psychischer Erstschaden im Rahmen des angeschuldigten Ereignisses nicht begründen, worauf S5 ebenfalls hingewiesen habe. Eine zeitnahe ärztliche Behandlung der Klägerin aufgrund der Bedrohung habe nicht stattgefunden. Auch habe sie über mehrere Jahre hinweg das Ereignis nicht einmal nur erwähnt. Obwohl sie vor dem Ereignis bereits in psychiatrischer Behandlung bei R3 gewesen sei, habe sie diesen erst über zwei Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis wieder aufgesucht. Damit sei zeitnah nach dem Ereignis vom 08.06.2011 keine (psychiatrische) Gesundheitsstörung, namentlich auch keine Anpassungsstörung oder eine depressive Erkrankung, ärztlich diagnostiziert worden.

Ferner sei auch eine Verschlechterung der vorbestehenden psychischen Beschwerden nicht eingetreten. Bei der Klägerin habe bereits im Jahr 2008 u.a. eine behandlungsbedürftige psychische Störung vorgelegen und sie sei – entsprechend der Ausführungen des S5 auf der Grundlage der klägerischen Angaben – über Jahre hinweg weiteren seelischen Belastungen ausgesetzt gewesen (Pflege und Tod der Mutter, neue Partnerschaft mit Heiratsabsicht und überraschendem Tod des Partners, Tätigkeit als Jugendschöffin in einem Rockerprozess mit Sorge davor, von Prozessbeteiligten angegangen zu werden). Wegen der (somatoformen) Leiden, die die Klägerin mit dem Ereignis vom 08.06.2011 in Verbindung bringe, habe sie erstmals im Juni 2012, also ein Jahr nach dem Ereignis, S3 aufgesucht (Durchfall), gegenüber dem sie das Bedrohungsereignis freilich ebenfalls nicht erwähnt habe, ebenso wenig wie noch gegenüber den Reha-Ärzten in G2 im Sommer 2019. Wegen des Schwindels sei erstmals im Januar 2014 eine Arbeitsunfähigkeit dokumentiert und wegen Schmerzen/fibromyalgetischen Beschwerden gar erst (wieder) im Sommer 2014, mithin drei Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis. Schon in zeitlicher Hinsicht lasse sich somit ein Ursachenzusammenhang zwischen den von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden und dem Ereignis vom 08.06.2011 nicht herstellen.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 08.12.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 05.01.2023 beim SG Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren zunächst uneingeschränkt weiterverfolgt hat; in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie an ihrem (pauschalen) Leistungsbegehren nicht mehr festgehalten. Zur Begründung ihres Begehrens auf Anerkennung des Ereignisses vom 08.06.2011 als Arbeitsunfall hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das Gutachten des S5 sei mangels Objektivität und „sachlicher Auseinandersetzung mit dem Reha-Bericht“ nicht verwertbar. Nicht ausreichend berücksichtigt habe der Sachverständige, dass die Klägerin sofort nach dem Ereignis „offenbar“ einen starken Schutzmechanismus entwickelt habe, um ihrem Leistungsdenken gerecht zu werden und um die Arbeitstätigkeit fortzuführen. Sie habe einen Schutzwall gebildet und erst später hätten sich dann die tatsächlich entstandenen Beeinträchtigungen gezeigt. Selbst wenn eine „gewisse Vorprägung“ vorgelegen haben möge, so sei das Ereignis für die Klägerin jedoch so einschneidend und im Erleben schwerwiegend gewesen, dass eine eigenständige psychiatrische Erkrankung entstanden sei. Wäre S5 objektiv gewesen, so hätte er festgestellt, dass die Klägerin am besagten Tag extrem vom Antragsteller beim JC bedrängt worden sei. Schließlich habe sie dann diese Traumatisierung nach Kenntnis vom Mord des seinerzeitigen Antragstellers erneut durchlebt. Es liege eine PTBS vor und es müsse ein neues Gutachten von jemandem eingeholt werden, der fachlich qualifiziert sei, eine PTBS festzustellen. Die Klägerseite hat zudem den Arztbrief der Ärzte der Traumaambulanz des Zentrums für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums H3 vom 09.05.2023 (S. 49 ff. Senats-Akte) vorgelegt, auf den hier verwiesen wird.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.12.2022 abzuändern sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2021 zu verpflichten, das Ereignis vom 08.06.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 17.02.2021 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2021, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, das angeschuldigte Ereignis vom 08.06.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft und auch im Übrigen zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und § 56 SGG; dazu statt vieler nur Bundessozialgericht – BSG – 15.05.2012, B 2 U 8/11 R, in juris; vgl. auch BSG 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, in juris, mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage). Ihr (pauschales) Begehren auf „Leistungen“ hat sie im Rechtsmittelverfahren ausweislich ihres zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Berufungsantrags (zu Recht) nicht mehr aufrechterhalten, sodass der Senat darüber nicht zu entscheiden hat.

Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 17.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Ereignis vom 08.06.2011 ist kein Arbeitsunfall.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforderlich (s. nur BSG 26.11.2019, B 2 U 8/18 R, in juris, Rn. 12; 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, in juris, Rn. 10, beide m.w.N.), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist dagegen keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.

Ein einwirkendes Ereignis im oben genannten Sinne setzt ein objektives, tatsächliches und dynamisches Geschehen in der realen Außenwelt voraus, wobei bloße Wahrnehmungen (Sehen, Hören, Schmecken, Ertasten, Riechen) ausreichen können, wenn diese auf Grundlage eines äußeren Anknüpfungspunkts (Umweltreiz) zu einem Sinneseindruck führen und „von außen“ auf den Körper bzw. die Psyche dergestalt einwirken, dass durch einen solchen Vorgang eine Änderung des physiologischen Körperzustands ausgelöst wird (BSG 24.07.2012, B 2 U 9/11 R, in juris, Rn. 42; darauf hinweisend auch BSG 06.05.2021, B 2 U 15/19 R, in juris, Rn. 18; 26.11.2019, B 2 U 8/18 R, in juris, Rn. 18); rein mentale oder nur „eingebildete“ Vorgänge ohne jedes Korrelat in der Außenwelt infolge ausgeprägter Phantasie, Sinnestäuschung oder Überängstlichkeit genügen nicht, ebenso wenig eine mit dem Gefühl der Hilflosigkeit verbundene und durch einen vermeintlichen Kontrollverlust erzwungene Passivität oder eine subjektive (Fehl-)Vorstellung bzw. -einschätzung allein im geistig-seelischen, inneren Bereich des Versicherten (zu allem BSG 26.11.2019, B 2 U 8/18 R, in juris, Rn. 17 f.).

Liegt ein derartiges äußeres Einwirkungsereignis vor, muss dieses zu einem konkreten Gesundheitserstschaden (sog. Primärschaden), also einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde, geführt haben, wobei im Bereich psychischer Störungen der Gesundheits(erst)schaden genau zu definieren und in eines der gängigen Diagnosesysteme einzuordnen unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen exakt zu beschreiben ist. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 SGB VII als Versicherungsfall zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist – wie schon oben dargelegt – keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls (zu allem statt vieler nur BSG 15.05.2012, B 2 U 16/11 R, in juris, Rn. 19; 26.11.2019, B 2 U 8/18 R, a.a.O. Rn. 19, beide m.w.N.).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (s. nur BSG 06.05.2021, B 2 U 15/19 R, in juris, Rn. 20; 30.04.1985, 2 RU 43/84 in juris, Rn. 16, beide m.w.N.). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG 06.05.2021, B 2 U 15/19 R, a.a.O. Rn. 13 m.w.N., st. Rspr.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG a.a.O.; 06.09.2018, B 2 U 10/17 R, in juris, Rn. 13, beide m.w.N., st. Rspr.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (s. nur BSG 05.08.1993, 2 RU 34/92, in juris, Rn. 16 m.w.N.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG 20.12.2016, B 2 U 16/15 R, in juris, Rn. 23 m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt es sich bei dem angeschuldigten Ereignis vom 08.06.2011 nicht um einen Arbeitsunfall. Der Senat vermag bereits ein – vom SG noch offengelassenes – Einwirkungsereignis i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nicht vollbeweislich festzustellen, was entsprechend der obigen Ausführungen zu Lasten der Klägerin geht.

Die Klägerin selbst führt ihre gesundheitlichen Beschwerden von seelischer Seite mit Somatisierung (s. dazu noch später) auf den (letzten) Telefonanruf des (psychisch kranken) Antragstellers am 08.06.2011 zurück. Insoweit stellt der Senat auf der Grundlage der – Jahre nach dem Ereignis – von der Klägerin gemachten Angaben, maßgeblich der auf diesen Angaben sachlich-inhaltlich beruhenden Unfallanzeige vom 27.08.2019 (s. dazu die obige Darstellung im Tatbestand) sowie der Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen (s. S. 65 SG-Akte; zum Sachverständigengutachten ebenfalls noch später), Folgendes fest: Im Anschluss an das Verlassen des Antragstellers der JC-Räumlichkeiten und seiner in Folge wiederholten Telefonanrufe bei der Klägerin, drohte er ihr im letzten Telefonat an, ihr „das Leben zu nehmen“. Nach Beendigung dieses Gesprächs informierte die Klägerin den Gemeindepsychiatrischen Dienst der Landeshauptstadt und eine Kollegin im JC, diese mit der Bitte um „dringende Bearbeitung“. Rund eine halbe Stunde nach dem Anruf beendete die Klägerin regulär ihren („anstrengenden“, S. 65 SG-Akte) Arbeitstag und nahm am Folgetag, einem Donnerstag, ihre berufliche Tätigkeit – „normal“ (a.a.O.) – wieder auf.

Auf der Grundlage dessen ist für den Senat schon nicht im Ansatz erkennbar, dass und welche Änderung des physiologischen Körperzustands (s. dazu erneut BSG 24.07.2012, B 2 U 9/11 R, a.a.O. Rn. 42) der Klägerin durch den Telefonanruf in Gestalt der auditiven Wahrnehmung des telefonisch Gehörten mit den Hörzellen des Ohres und der entsprechenden Verarbeitung im Gehirn (vgl. dazu BSG 06.05.2021, B 2 U 15/19 R, a.a.O. Rn. 18; zur entsprechenden visuellen Verarbeitung BSG 26.11.2019, B 2 U 8/18 R, a.a.O. Rn. 18) ausgelöst worden sein soll. Sie hat Derartiges respektive einen irgendwie gearteten psychischen Schock- oder Erregungszustand oder auch überhaupt irgendwelche körperlich-seelische Reaktionen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis nicht einmal auch nur behauptet, sondern im Gegenteil angegeben, „normal weiter gearbeitet“ (s. erneut S. 65 SG-Akte) zu haben. Diesbezüglich hat auch der Sachverständige für den Senat in jeder Hinsicht überzeugend ausgeführt (S. 75 f. SG-Akte), dass das unmittelbare Verhalten der Klägerin nach dem Telefonat namentlich keinerlei seelische Erschütterung hat erkennen lassen, sondern vielmehr eine völlig adäquate – der Senat ergänzt: nachgerade professionelle – Reaktion (Information weiterer Stellen, die in Folge zur Einweisung des Antragstellers in eine psychiatrische Einrichtung geführt hat).

Soweit die Klägerin (Jahre nach dem Ereignis) gemeint hat, die „ein halbes Jahr später“ bei ihr eigesetzten Durchfälle und Schwindelsymptome bzw. – so noch ihre Angaben bei R3 im Februar 2020 (S. 40 VerwA), die sie freilich bei S5 nicht wiederholt hat – „Unruhezustände“ mit dem „Gefühl“ eines „nicht sicher Seins“ sowie ihre „dann hinzugekommenen“ Schulterbeschwerden (S. 65 SG-Akte) seien Folge des Ereignisses, ändert dies schon nichts daran, dass eine unmittelbare Änderung ihres physiologischen Körperzustands (s.o.) im Zuge des angeschuldigten Ereignisses bzw. unmittelbar danach gerade nicht dokumentiert ist. Daran ändert wiederum auch die (pauschale) Behauptung der Klägerin mehr als acht Jahre nach dem Ereignis, sie habe dieses Ereignis „verdrängt“, nichts, denn damit ist eine irgendwie geartete Einwirkung auf den Körper im Zuge des Ereignisses am 08.06.2011 gerade nicht – nicht einmal ansatzweise – belegt, geschweige denn überhaupt dargetan. Ungeachtet dessen ist dieses Vorbringen auch deshalb für den Senat nicht nachvollziehbar, auch darauf hat S5 zutreffend hingewiesen, weil die Klägerin das Ereignis weder ein Jahr später gegenüber S3, noch in der Reha-Maßnahme in G2 im Sommer 2019 – nach dortiger ausführlicher beruflicher Anamnese und Befragung nach der Arbeitsplatzsituation beim JC – überhaupt nur erwähnte.

Ohnehin ist die Behauptung der Klägerin, (erst ein halbes Jahr) nach dem angeschuldigten Ereignis erstmals (S. 163 VerwA) an Durchfällen mit Schwindel gelitten und „vermehrt massiv krank“ gewesen zu sein, widerlegt und unwahr. So wurde bei ihr namentlich eine behandlungsbedürftige und zu Arbeitsunfähigkeit führende Magen-Darmerkrankung (nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis) bereits im November 2010 dokumentiert, ebenso wie eine Anpassungsstörung/Fibromyalgie im Jahr 2008/2009 mit Arbeitsunfähigkeit von über sieben (sic!) Monaten (demgegenüber die Klägerin: „Wegen Durchfall und diesem Schwindel war ich vor dem Arbeitsunfall noch nie krankgeschrieben und litt auch nicht darunter“, S. 163 VerwA). Zudem berichtete S3 in seiner Auskunft gegenüber der Beklagten vom 06.09.2020 über einen Suizidversuch der Klägerin Ende des Jahres 2001.

Unwahr ist auch die weitere Behauptung der Klägerin, sie habe sich im Jahr 2012 gegenüber S3 (wegen der durch das Ereignis angeblich ausgelösten Durchfall- und Schwindelbeschwerden) „anvertraut“ (S. 163 VerwA). Dieser hat vielmehr mitgeteilt, dass ihm über ein berufliches Bedrohungsereignis überhaupt nichts bekannt ist; dem hat die Klägerin nichts entgegengehalten.

Unwahr ist schließlich auch die Behauptung der Klägerin in ihrem Widerspruch von Anfang März 2021 (S. 162 VerwA), ihr Gesundheitszustand habe sich nach der Unfallanzeige von Ende August 2019 „nach und nach wieder verbessert“. Tatsächlich ist die Klägerin vom 23.09. bis 06.12.2019 (erneut) arbeitsunfähig erkrankt gewesen (S. 68 VerwA), ab Anfang des Jahres 2020 durchgehend bis Juli 2021 von R3 (s. S. 26 SG-Akte) sowie im Zeitraum von Juni bis Dezember 2020 von der K1 wegen ihrer psychisch-somatischen Leiden behandelt worden und suchte am 09.06.2020 H2 auf, bei dem sie u.a. ein Scheitern der beruflichen Wiedereingliederung im Anschluss an die Reha-Maßnahme in G2 und Arbeitsplatzkonflikte schilderte.

Unabhängig davon, dass damit zur Überzeugung des Senats bereits eine Einwirkung des angeschuldigten Ereignisses vom 08.06.2011 auf den Körper der Klägerin nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vollbeweislich nicht gesichert ist, ist auch ein Gesundheitserstschaden i.S.d. Norm (s.o.) nicht nachgewiesen.

Das SG hat dies in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids im Einzelnen zutreffend auf der Grundlage insbesondere des Sachverständigengutachtens des S5 – der die Beurteilung des H1 in dessen urkundsbeweislich verwertbarer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 25.11.2020 bestätigt hat – dargelegt und begründet, dass schon ein (psychischer) Primärschaden bei der Klägerin durch das Ereignis vom 08.06.2011 nicht eingetreten ist, insbesondere – weder im zeitlichen Zusammenhang, noch Anfang des Jahres 2020 und später – keine PTBS und dass die bei ihr schon in den Jahren 2008 und 2009 und dann wieder im Juli 2013 diagnostizierte Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik und Somatisierung (Fibromyalgie) mit dem angeschuldigten Ereignis nicht in einem ursächlichen Zusammenhang steht sowie dass diese (vorbestehenden) Gesundheitsstörungen durch das Ereignis auch nicht verschlimmert worden sind. Dabei hat es zu Recht die Ausführungen des Sachverständigen, der namentlich auf dem Boden der aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse und unter Zugrundelegung der einschlägigen internationalen Klassifikationssysteme psychischer Krankheiten (s. im Einzelnen S. 72 ff. SG-Akte) ausführlich und befundgestützt sowie unter näherer Auseinandersetzung mit den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen und dem dort dokumentierten Krankheitsverlauf begründet hat, dass das Ereignis vom 08.06.2011 bei der Klägerin zu keiner Gesundheitsstörung, insbesondere zu keiner PTBS, geführt hat und dass eine solche Erkrankung bei der Klägerin auch nicht zu diagnostizieren ist, als überzeugend erachtet, die pauschalen, abstrakt-generellen und allein auf den Angaben der Klägerin beruhenden Behauptungen der Therapeuten der K2 Kliniken zum Vorliegen einer PTBS bei der Klägerin hingegen nicht. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den oben zusammengefassten Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Das Sachverständigengutachten des S5 ist entgegen dem Vorbringen der Klägerseite verwertbar. Wie schon dargelegt, hat der Sachverständige sachlich-inhaltlich überzeugend begründet, dass und warum bei der Klägerin insbesondere keine PTBS vorliegt. Er hat dabei namentlich auch den Entlassungsbericht der Therapeuten der K2 Kliniken vom 11.02.2021 ausgewertet und sich mit ihm klinisch-methodisch auseinandergesetzt sowie ihn in Ansehung der aktenkundigen ärztlichen Vorbefunde und der Angaben der Klägerin, soweit diesen gefolgt werden kann und sie in den aktenkundigen Befundunterlagen eine Stütze finden, kritisch gewürdigt. Dies ist gerade Aufgabe eines gerichtlichen Sachverständigen. Soweit er im Anschluss daran gemeint hat, die im Entlassungsbericht genannte – nach S5 klinisch unzutreffende – Diagnose einer PTBS sei wohl ein „abrechnungstechnisches Artefakt“ und werde (allgemein) in der heutigen Zeit inflationär verwendet, relativiert dies seine zuvor im Einzelnen dargelegte schlüssige und nachvollziehbare Begründung, dass und warum bei der Klägerin eine derartige Erkrankung nicht vorliegt, in keiner Weise. Die abschließende Bemerkung des Sachverständigen („abrechnungstechnisches Artefakt“, „inflationär“) ist auch nicht mit einer irgendwie gearteten Unsachlichkeit oder Unparteilichkeit gerade gegenüber der Klägerin verbunden oder auch nur in einem solchen Sinne verständig aufzufassen. Denn aus dem Gesamtzusammenhang seiner vorherigen, in jeder Hinsicht sachlichen Ausführungen ergibt sich unschwer, dass er die diagnostische Annahme einer PTBS im Entlassungsbericht vom 11.02.2021 klinisch für schlechterdings nicht nachvollziehbar erachtet. Dass er sodann zur Erklärung des Umstands, dass die Therapeuten der K2 Kliniken gleichwohl diese Diagnose stellten, über dortige sachfremde Erwägungen spekuliert hat, mag überflüssig sein, begründet aber nicht auch nur den Eindruck einer Unsachlichkeit gerade gegenüber der Klägerin.

Soweit die Klägerseite gemeint hat, S5 habe sich „mit dem Reha-Bericht“ nicht sachlich auseinandergesetzt (S. 20 Senats-Akte), erschließt sich dies dem Senat schon im Ansatz nicht. Aus dem Reha-Entlassungsbericht der Ärzte in G2 ergibt sich gerade nichts, was auf einen Gesundheitserstschaden im Zuge des angeschuldigten Ereignisses auch nur hindeutet – darauf hat S5 aufmerksam gemacht und bereits H1 legte dies zutreffend dar -, insbesondere auch nicht die Diagnose einer PTBS. Falls der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stattdessen den Entlassungsbericht der Therapeuten der K2 Kliniken gemeint haben sollte, hat sich S5 mit diesem sehr wohl sachlich-inhaltlich auseinandergesetzt (s.o.).

Soweit die Klägerseite ferner pauschal gemeint hat, der Umstand, dass S5 eine Tonbandaufzeichnung des Explorationsgesprächs durch die Klägerin verwehrt hat (s. dazu die Erläuterung des Sachverständigen in seinem Gutachten S. 60 SG-Akte), spreche für seine mangelnde Objektivität, folgt auch dem der Senat nicht. Ihr Begehren auf eine solche technische Aufzeichnung hat die Klägerin gegenüber S5 lediglich damit begründet, dass sie „ein Recht am eigenen Wort“ habe. Sie hat im Anschluss an die Vorlage des schriftlichen Gutachtens nicht einmal nur behauptet, dass der Sachverständige ihre Angaben im Rahmen der Begutachtung unzutreffend oder unvollständig wiedergegeben hat. Warum die Verweigerung des S5 Ausdruck „mangelnder Objektivität“ sein soll, erschließt sich dem Senat schon im Ansatz nicht.

Ebenfalls erschließt sich dem Senat der (ebenfalls nur pauschale) Vorwurf der Klägerseite nicht, der Sachverständige sei fachlich nicht qualifiziert, eine PTBS festzustellen. An der fachlichen Qualifikation des S5 als langjähriger, auch vom Senat in einer Vielzahl von Verfahren herangezogener gerichtlicher Sachverständiger besteht nicht der geringste Zweifel.

Ohnehin ändern diese Vorwürfe gegen den Sachverständigen nichts an dem von ihm erhobenen klinisch-psychopathologischen Befund – dem die Klägerseite nichts entgegengesetzt hat -, nichts daran, dass bereits H1 eine unfallbedingte psychische Störung nicht zu erkennen vermochte, nichts daran, dass auch der behandelnde R3 zuletzt die zunächst am 17.04.2020 ohne weitere Begründung gestellte Diagnose einer PTBS ausdrücklich nicht mehr stellte (sondern nur noch eine Dysthymia, s. S. 26 SG-Akte) und sowieso einen (hinreichend) wahrscheinlichen Unfallursachenzusammenhang nicht herzustellen vermochte (vgl. S. 52 VerwA), nichts daran, dass sich auch H2 nicht in der Lage sah, eine PTBS zu diagnostizieren und schließlich auch nichts daran, dass die Klägerin weder im zeitlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis, noch ein Jahr danach gegenüber S3 und auch noch weitere sieben Jahre später in der Rehaklinik G1 das Ereignis vom 08.06.2011 als initialen Auslöser einer (angeblichen) PTBS oder einer sonstigen psychischen Reaktion nicht einmal auch nur erwähnte.

Soweit die Klägerin versucht, Letzteres wegzudiskutieren, indem sie auf eine „Verdrängung“ und ein „Augenöffnen“ („endlich den Schlüssel gehabt“, S. 162 VerwA) „im Sommer 2019“ bzw. „zum Zeitpunkt der Unfallanzeige“ (S. 162 VerwA), also Ende August 2019, respektive „am letzten Abend der Reha“ (s. Angabe in der Unfallanzeige, S. 1 VerwA), also am 22.07.2019, – allein diese Angaben sind widersprüchlich und nicht nachvollziehbar – durch Bemerkungen ihrer Tochter, sie habe sich durch das Bedrohungsereignis „verändert“, hingewiesen hat, ersetzt dies schon keinen entsprechenden objektiv-klinischen ärztlichen Befund, der für die Annahme eines gesundheitlichen Erstschadens unabdingbar ist. Dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrem prozessualen Begehren bestrebt ist, eine PTBS „anerkannt“ zu bekommen und dass ihr Vorbringen sowie ihre subjektiven Beschwerdeangaben im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren darauf ausgerichtet sind, lässt sich im Übrigen – auch darauf hat der Sachverständige zutreffend aufmerksam gemacht – hinreichend dem Schreiben des H2 vom 10.06.2021 entnehmen. Dabei verkennt die Klägerin indes, dass ein Gesundheitserstschaden i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gerade nicht allein oder maßgeblich mit Beschwerde- und Unfallhergangsangaben des Versicherten begründet (vgl. statt vieler nur Senatsurteile vom 23.03.2023, L 10 U 3877/21, in juris, Rn. 34 und vom 13.12.2012, L 10 U 714/11, n.v.) und dass aus der (potentiellen) Eignung eines konkreten Ereignisablaufs, eine bestimmte Schädigung zu verursachen, nicht geschlossen werden kann, dass ein möglicher Schaden auch tatsächlich eingetreten ist (s. dazu nur Senatsurteile vom 20.04.2023, L 10 U 3956/20, in juris, Rn. 40 und vom 21.02.2013, L 10 U 176/11, in juris, Rn. 31). Deswegen geht auch der Vortrag der Klägerseite, eine PTBS könne (allgemein) auch noch „nach 30 Jahren“ entstehen, ins Leere, denn dies sagt nichts darüber aus, dass eine PTBS tatsächlich eingetreten ist.

Ebenso geht der Vorwurf der Klägerin ins Leere, es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass sie das Ereignis „verdrängt“ habe und deshalb nichts dokumentiert sei. Zum einen führt ein – aus welchen Gründen auch immer – nicht dokumentierter Befund nicht dazu, dass ein auffälliger unterstellt werden kann. Zum anderen erschließt sich nicht, was die Klägerin daran gehindert haben soll, noch in der Reha-Maßnahme in G2 das Ereignis zu erwähnen, wenn ihr doch – so ihre Angaben in der Unfallanzeige – am Vorabend der Beendigung der Maßnahme bewusstgeworden sein soll, dass ihre psychischen Erkrankungen mit Somatisierung (angeblich) auf dem Ereignis beruhen. Unabhängig davon hat die Klägerin freilich auch zunächst behauptet, sich S3 schon im Jahr 2012 „anvertraut“ zu haben, was – wie schon oben dargelegt – widerlegt ist und dem Vortrag der Klägerin, sie habe das Ereignis jedenfalls bis „Sommer 2019“ verdrängt, den Boden entzieht.

Aus dem Entlassungsbericht der Ärzte der Traumaambulanz des Zentrums für Psychosoziale Medizin vom 09.05.2023 ergibt sich nichts, was eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Diesem Bericht mit der (Haupt-)Diagnose einer subsyndromalen PTBS nach einmaliger Untersuchung der Klägerin am 09.05.2023 lässt sich wiederum nichts entnehmen, was auf einen psychischen Gesundheitserstschaden in Folge des Ereignisses vom 08.06.2011 hindeutet. Auch dieser Bericht beruht im Wesentlichen auf den subjektiven Angaben der Klägerin (ihr Suizidversuch wird freilich hier auf das Jahr 2003 datiert, außerdem: „Reha/Rente: kein laufender Renten- oder Rehaantrag“) und ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil dort u.a. ausgeführt wird, „die Symptomatik“ sei psychodynamisch „verstehbar vor dem Hintergrund einer akuten Bedrohungssituation am Arbeitsplatz“; vor einer „akuten“ Bedrohung kann im Hinblick auf das angeschuldigte Ereignis vom 08.06.2011 schlechterdings nicht die Rede sein. Auch die weitere Behauptung, erst „mehrere Jahre später“ hätten sich bei der Klägerin „psychosomatische Beschwerden“ entwickelt, die als Reaktion auf die „traumatische Erfahrung“ am Arbeitsplatz anzusehen seien, entbehrt nicht nur jeglicher Grundlage, sondern ist in Ansehung der vielfältigen psychosomatischen Leiden der Klägerin schon vor dem Ereignis schlicht unzutreffend.

Was die angebliche „Retraumatisierung“ der Klägerin während des laufenden Verwaltungsverfahrens über die Anerkennung des Ereignisses vom 08.06.2011 als Arbeitsunfall im November 2020 anbelangt, hat der Senat nicht zu überprüfen, ob dieses (vermeintliche) Ereignis für sich gesehen einen Arbeitsunfall darstellen könnte, denn darüber hat die Beklagte in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen nicht entschieden. Eine „Retraumatisierung“ setzt im Übrigen denklogisch ein initiales Ersttrauma voraus, was vorliegend – wie dargelegt – nicht nachgewiesen ist. Ohnehin ist auch der Unfallanzeige vom 19.11.2020, die ersichtlich auf der kritiklosen und bloßen Übernahme von Äußerungen der Klägerin gegenüber einem Dritten („lt. Herrn F1 Mitarbeiterunterstützungsteam“) beruht, keinerlei Einwirkung von außen auf den Körper der Klägerin i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (s. dazu schon oben) zu entnehmen, wobei sich aus der Anzeige ohnehin (weiterhin) erhebliche, von dem angeschuldigten Ereignis unabhängige Arbeitsplatzkonflikte („Mobbing“) der Klägerin ergeben.

Der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt ist geklärt. Die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, insbesondere das Sachverständigengutachten des S5 und die beratungsärztliche Stellungnahme des H1 haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt. Eine Veranlassung insbesondere zur Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen (einen Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Anschluss an die Ladung zur mündlichen Verhandlung lediglich – „gegebenenfalls“ – in den Raum gestellt, s. S. 58 Senats-Akte) hat nicht bestanden, insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen; ins Blaue hinein muss der Senat ohnehin nicht ermitteln (dazu statt vieler nur BSG 24.02.2021, B 13 R 79/20 B, in juris, Rn. 14 m.w.N., auch zur Rspr. des Bundesverfassungsgerichts).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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