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Anerkennung posttraumatischer Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 15 U 433/18 – Urteil vom 21.01.2020

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 02.07.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X um Gewährung einer Verletztenrente über den 21.12.2008 hinaus.

Die am 00.00.1950 geborene Klägerin arbeitete als selbständige Spediteurin, als sie am 21.01.2007 aus ca. 2m Höhe aus dem Führerhaus ihres LKW auf den Rücken fiel. Nachdem sie einige Zeit bewusstlos war, kehrte sie zunächst nach Hause zurück, zog sich um und suchte gegen 2:00 Uhr das Klinikum L auf.

Der Durchgangsarzt Prof. Dr. H führte in seinem Bericht vom 26.01.2007 aus, bei der körperlichen Untersuchung habe man keine äußeren Verletzungszeichen festgestellt. Durchblutung, Motorik und Sensibilität im Bereich der Arme und Beine seien intakt gewesen. Blutungen aus Mund, Nase oder Ohren seien nicht feststellbar gewesen, Übelkeit und Erbrechen habe die Klägerin verneint. Die im Rahmen der stationären Behandlung durchgeführte röntgenologische und szintigraphische Untersuchung der Wirbelsäule ergab zunächst keine Hinweise auf eine frische Fraktur. Der Durchgangsarzt stellte die Diagnosen: Gehirnerschütterung, Zerrung der Halswirbelsäule, Prellung der Brustwirbelsäule, Prellung der Lendenwirbelsäule.

Die wegen therapieresistenten Beschwerden veranlasste MRT-Untersuchung der Wirbelsäule vom 08.02.2007 bestätigte sodann eine Brustwirbelkörper(BWK)-11-Fraktur im Sinne einer Deckplattenimpressionsfraktur, die am 20.02.2007 mittels Kyphoplastie operativ behandelt wurde.

In der Folgezeit berichtete die Klägerin über einen seit dem Unfallereignis bestehenden Tinnitus sowie Schwindelerscheinungen. Eine von Prof. Dr. H veranlasste konsiliarische neurologische Untersuchung mit Langzeitblutdruckmessung und Computertomographie des Schädels ergab ausweislich des Berichtes vom 26.06.2007 einen unauffälligen Befund.

Zur weiteren Abklärung der Beschwerden wurde die Klägerin vom 28.06.2007 bis zum 06.07.2007 in der HNO-Klinik L stationär behandelt. Dr. E führte hierzu in einem Arztbrief vom 10.10.2007 aus, im CT des Schädels habe sich ein älterer lakunärer Defekt in der Capsula interna rechts gezeigt, im Schädel MRT vom 05.07.2007 sei ein altersentsprechender regelrechter Befund erhoben und ein Acusticneurinom ausgeschlossen worden. Nach einer Infusionstherapie sei die Klägerin mit rückläufigen Beschwerden entlassen werden. Eine am 19.07.2007 durch Dr. C durchgeführte gefäßmedizinische Untersuchung ergab einen altersentsprechenden Befund.

Am 14.12.2007 berichteten die Ärzte der BGU D, es zeige sich in der radiologischen Fremddiagnostik eine regelrecht knöchern konsolidierte BWK-11-Fraktur bei Z.n. Kyphoplastie. Zur Klärung der Frage, ob ein Nervenengpasssyndrom aufgrund einer spinalen Einengung oder Einengung der Neuroforamina evtl. Zementaustritt bestehe, sei eine kernspintomographische Diagnostik durchgeführt worden. Es zeige sich kein Anhalt für die beschriebene Beschwerdesymptomatik der Klägerin. Zusammenfassend fände sich keine Ursache für die beschriebenen Beschwerden.

Die Beklagte holte anschließend nach entsprechender Auswahl durch die Klägerin am 24.11.2008 ein Gutachten bei Dr. I vom 22.12.2008 ein, welcher als Unfallfolgen einen Zustand nach BWK-11-Fraktur und Stabilisierung durch eine Ballonkyphoplastie feststellte. Es bestünden eine Bewegungseinschränkung bzw. Funktionseinschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit sowie belastungsabhängige Schmerzen. Er schätzte die MdE auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet bis zum 21.12.2008 mit 20 v.H., für die Zeit danach bis zum 22.12.2009 mit 10 v.H. und danach auf voraussichtlich noch unter 10 v.H. ein.

Außerdem holte die Beklagte nach entsprechender Auswahl durch die Klägerin vom 24.11.2008 ein Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater Dr. D ein, der am 16.01.2009 zu dem Ergebnis gelangte, das Unfallereignis habe zu einer Commotio cerebri geführt, Folgen seien nicht verblieben. Eine Somatisierungsstörung sei nicht auf den Unfall zurückzuführen.

Er schätzte die MdE auf seinem Fachgebiet mit 0 v.H. ein.

Der nach entsprechender Auswahl vom 02.04.2009 durch die Klägerin gehörte HNO-Arzt Prof. Dr. E1 kam in seinem Gutachten vom 29.06.2009 zu dem Ergebnis, eine messbare unfallbedingte MdE auf HNO-ärztlichem Gebiet sei nicht festzustellen. Eine unfallbedingte Erklärung für das geschilderte Ohrgeräusch lasse sich nicht finden.

Nach Beendigung der Verletztengeldzahlung zum 30.10.2008 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 27.08.2009 der Klägerin für die Zeit vom 31.10.2008 bis zum 21.12.2008 eine Rente nach einer MdE von 20, darüber hinaus lehnte sie einen Rentenanspruch ab, da die Klägerin nach diesem Zeitpunkt nicht mehr in rentenberechtigendem Grad in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sei. Der Unfall habe zur vorübergehenden Funktionseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule nach Fraktur des 11. Brustwirbelkörpers geführt.

Nicht Folgen des Unfalls seien eine arterielle Hypertonie, eine Somatisierungsstörung, eine Innenohrschwerhörigkeit und ein Ohrgeräusch links.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte zur Begründung aus, es sei nicht zutreffend, dass die Funktionseinschränkungen vorübergehend gewesen seien, zudem seien die Ohrgeräusche unfallinduziert. Außerdem machte sie geltend, die bestehenden Schmerzen seien nicht allein somatischer Natur, von den Physiotherapeuten sei geäußert worden, dass eine Muskelverhärtung um die OP-Wunde vorliege, welche die Schmerzen verursachten.

Nach Beiziehung einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19.03.2010 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 zurück.

Mit Schreiben vom 15.09.2010 beantragte die Klägerin die Überprüfung dieser Bescheide. Es seien wichtige ärztliche Unterlagen nicht berücksichtigt worden.

Mit Bescheid vom 05.11.2010 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 27.08.2009 ab. Nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergäben sich keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2011 als unbegründet zurück. Die Überprüfung der Sach- und Rechtslage habe ergeben, dass mit dem Antrag gem. § 44 SGB X keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien, welche auf eine unrichtige Rechtsanwendung bzw. auf die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhaltes im Zusammenhang mit der Erteilung des Bescheides vom 27.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 schließen ließen.

Hiergegen hat die Klägerin am 31.01.2011 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Die Klägerin hat vorgetragen, die gesundheitlichen Beschwerden seien bis heute nicht abgeklungen und schränkten sie nach wie vor in erheblichem Umfang ein. Sie leide noch heute an Schmerzzuständen und Taubheitsgefühlen am Rücken und sei auf die tägliche Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen. Hierzu hat sie ein Attest der Psychiaterin Dr. P vom 26.05.2011 zu den Akten gereicht, in der über eine am 23.07.2010 begonnene Behandlung wegen mittelgradiger depressiver Störung, Angst und depressive Störung gemischt, chronisches Schmerzsyndrom nach Arbeitsunfall berichtet wird.

Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 07.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.07.2010 wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 21.01.2007 auch über den 21.12.2008 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagten hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts zunächst ein Gutachten bei dem Unfallchirurgen Dr. J sowie ein Zusatzgutachten auf HNO-ärztlichem Fachgebiet bei Prof. Dr. C1 eingeholt.

Dr. J hat in seinem Gutachten vom 06.06.2011 ausgeführt: Als Unfallfolgen seien noch feststellbar eine Bewegungseinschränkung des BWS-LWS-Komplexes und anteilig ein Rücken-Beinschmerz.

Die MdE sei mit unter 10 v. H. einzuschätzen.

Der Sohn der Klägerin hat am 14.07.2011 der Beklagten telefonisch mitgeteilt, die Klägerin habe sich am 04.07.2011 bei dieser Begutachtung einen weiteren Bruch im Bereich der Wirbelsäule zugezogen.

Prof. Dr. C1 ist in seinem Gutachten vom 18.10.2011 zu dem Ergebnis gelangt: Es liege bei der Klägerin beiderseits eine altersentsprechende Normalhörigkeit sowie ein linksseitiges Hochtongeräusch vor. Ein Zusammenhang des Ohrgeräusches, des Wechselhörens und der unklaren Schwindelbeschwerden mit dem Unfallereignis sei nicht wahrscheinlich zu machen. Bei einer Innenohrerschütterung könne es zu einer Innenohrschwerhörigkeit kommen. Diese zeige das gleiche tonaudiometrische Bild wie ein Knalltrauma, nämlich eine Senke im Hochtonbereich. Ein solcher Befund sei nicht zu erkennen, insbesondere nicht auf der linken Seite. Vielmehr finde sich ein leichter altersentsprechender Hochtonschrägabfall. Da tonaudiometrisch jedoch auf dem linken Ohr kein Innenohrschaden feststellbar sei, könne es sich nicht um einen Begleittinnitus einer Commotio labyrinthi handeln. Ein isolierter Tinnitus als Folge eines Schädeltraumas entspreche jedoch nicht den wissenschaftlichen Vorstellungen in der HNO-Heilkunde. Für einen solchen Befund gäbe es kein pathognomisches Schädigungsmodell.

Prof. C1 hat in sein Gutachten außerdem mitgeteilt, die Klägerin habe ihm berichtet, auf dem Weg zu seiner Begutachtung einen passiven Auffahrunfall erlitten zu haben. Als Beifahrerin sei ihr an einer roten Ampel ein Wagen von hinten aufgefahren. Der Ehemann sei Fahrer gewesen, sie selber sei angeschnallt gewesen und habe das Unfallereignis nicht bemerkt. Beschwerden aufgrund dieses Unfallereignisses seien bei der gutachterlichen Untersuchung nicht berichtet worden.

Zudem habe die Klägerin darauf gedrungen, ihm von einem weiteren Ereignis zu berichten. Sie sei am 03.07.2011 von einem Orthopäden in B in einer Praxis begutachtet worden. Er habe ihr den Kopf bzw. den Rumpf gebeugt, bis der Kopf am Boden gewesen sei. Das habe bei ihr erhebliche Schmerzen verursacht. Am nächsten Morgen habe sie nicht aufstehen können, man habe sie dann ins Krankenhaus gebracht, dort sei bei einer Untersuchung festgestellt worden, dass der 12. Wirbel durch die Maßnahme des Gutachters gebrochen worden sei.

Die Klägerin hat am 13.12.2011 u.a. einen Durchgangsarztbericht des Dr. H über eine Untersuchung der Klägerin vom 19.10.2011 zu den Akten gereicht, wonach dieser die Diagnose einer Schulterprellung links und einer LWS-Prellung gestellt hat.

Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht ein Gutachten nach § 109 SGG bei dem Neurologen und Psychiater Dr. A eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 21.01.2017 zu dem Ergebnis gelangt:

Folgende heute noch feststellbare Gesundheitsstörungen seien mit einfacher Wahrscheinlichkeit (mehr spreche dafür als dagegen) durch den Sinterungsbruch BWK 11 verursacht worden:

1. anhaltende somatoforme Schmerzstörung,

2. Posttraumatische Belastungsstörung

3. Anpassungsstörung mit emotionellen Symptomen

4. Schwere chronifizierte Depression mit somatischem Syndrom

5. Chronischer Hochtontinnitus Grad III links

Die bei der Klägerin bestehenden Schmerzbeschwerden könnten durch einen physiologischen Prozess oder durch eine körperliche Störung nicht hinreichend geklärt werden. Es bestehe eine Verbindung zu emotionellen Konflikten, psychosozialen Belastungen, denen die Hauptrolle für den Beginn, den Schweregrad, die Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen zukomme.

Bei der Klägerin sei ab dem 31.10.2008 eine MdE von 30 v.H. anzunehmen.

Der ebenfalls nach § 109 SGG auf Antrag der Klägerin gehörte Orthopäde Dr. M hat in seinem Gutachten vom 15.10.2009 ausgeführt: Bei dem Unfall vom 21.01.2007 habe sich die Klägerin eine BWK-11-Fraktion ohne Beteiligung der Hinterkante und ohne neurologische Ausfälle, eine HWS-Distorsion, eine Prellung der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie des rechten oberen Sprunggelenkes zugezogen.

Als Folgen hiervon seien noch ein Teil der intermittierenden Schmerzen im Bereich des thorako-lumbalen Überganges mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung desselben ohne neurologische Ausfälle feststellbar.

An unfallunabhängigen Diagnosen bestünden:

– Rezidivierende Cephalgien mit endgradiger Bewegungseinschränkung der HWS in allen Bewegungsebenen ohne neurologische Ausfälle

– Ein Teil der rezidivierenden Beschwerden im Bereich des thorako-lumbalen Überganges bei unfallunabhängiger Keilwirbelbildung BWK 12 und Kyphoplastik dieses Wirbelkörpers. Unfallunabhängig schon zum Unfallzeitpunkt bestehende Kyphosierung (Hohlrückenbildung) der Brustwirbelsäule.

– Ein Teil der geklagten Beschwerden und insbesondere die subjektiv erhöhte Schmerzsymptomatik erkläre sich aus seiner Sicht aus der ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung.

Die MdE auf orthopädisch-traumatologischem Fachgebiet sei seit dem 31.10. bzw. 22.12.2008 bis zum 22.12.2009 mit 10 v. H. ab dem 22.12.2009 liege sie unter 10 v. H, da eine bedeutsame funktionelle Einschränkung von Seiten der stabilen BWK-11-Fraktur aus der Aktenlage nicht hervorgehe.

Die Beklagte ist dem Gutachten von Dr. A entgegengetreten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb plötzlich eine posttraumatische Belastungsstörung bei der Klägerin vorliegen solle.

Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. A vom 24.08.2016 angefordert, der bei seiner Einschätzung verblieben ist.

Das Gericht hat anschließend von Amts wegen ein Gutachten bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie C2 eingeholt, die am 28.02.2018 zu dem Ergebnis gelangt ist: Die Klägerin komme, ohne ein Vermeidungsverhalten zu zeigen, auf das Unfallereignis, seine Folgen und den Unfallhergang ebenso zu sprechen wie auf ihre Beschwerden. Es hätten sich keine Veränderungen des Pupillenspiels, der Atmung, der Psychomotorik während der Schilderung des Unfallherganges gezeigt.

Die Klägerin habe bei der Exploration durchgängig in ihrem Sprechzimmer 1 1/2 Stunden sitzen können, ohne zwischendurch aufzustehen und umherzugehen.

Bei der Klägerin bestünde unter Einbeziehung des Gutachtens von Dr. M eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, des Weiteren bestünden körperliche Symptome aus psychischen Gründen. Beide Gesundheitsstörungen seien unfallunabhängig.

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) liege nicht vor.

Das Eingangskriterium einer PTBS sei gekennzeichnet durch ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung, das bei fast jedem einen Zustand tiefer Verzweiflung hervorrufen würde. Es hätten keine Lebensbedrohung und besonderen traumakompensatorischen Umstände bestanden, welche die Symptomatik einer PTBS nur verzögert zu Tage habe treten lassen.

Es gelte insbesondere für eine Anpassungsstörung oder die Diagnose einer PTBS, dass sie zeitnah auftreten und mit zunehmender zeitlichem Abstand zum Ereignis auch wieder abklängen. Hier fände sich ein völlig paradoxer Verlauf mit zunehmender Fixierung der Klägerin bei zunehmender Beschwerdeintensität.

Sie habe bei der Klägerin auch keine schwere chronifizierte Depression mit somatischem Syndrom feststellen können. Es liege keine MdE auf ihrem Fachgebiet vor.

Mit Urteil vom 02.07.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt:

„Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Denn der angefochtene Bescheid vom 05.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2011 beschwert die Klägerin nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Denn der Bescheid ist rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 21.01.2007 Verletztenrente über den 21.12.2008 hinaus zu gewähren.

Gemäß § 44 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die Beklagte hat den Sachverhalt erneut geprüft und ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass das Recht weder unrichtig angewandt worden noch ein Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist, der sich als unrichtig erwiesen hätte. Auch aus dem weiteren Verlauf ergibt sich kein über den 21.12.2008 hinausgehender Rentenanspruch der Klägerin.

Nach § 56 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert (v.H.) gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus den Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Gemäß Absatz 3 der vorgenannten Vorschrift wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Vollrente, ansonsten eine Rente nach dem Vomhundertsatz gewährt, der dem Grad der MdE entspricht.

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Unfälle sind dabei zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tode führen.

Unstreitig erlitt die Klägerin am 21.01.2007 einen Arbeitsunfall. Als Folge dieses Arbeitsunfalls hat die Beklagte eine vorübergehende Funktionseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule nach Fraktur des 11. Brustwirbelkörpers anerkannt. Weitere gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin, welche eine MdE von 20 v.H. erreichen, können nicht auf den Unfall zurückgeführt werden.

Gesundheits- oder Körperschäden sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs ist erst dann gegeben, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 32, 303, 309; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG Breithaupt 1963, 60, 61). Die für den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen danach die gegenteiligen deutlich überwiegen; nicht ausreichend ist es, wenn die Schlussfolgerung lediglich möglich ist (BSG, Urt. v. 14.05.1968).

Auf unfallchirurgischem/orthopädischem Fachgebiet wird allein wegen der BWK-11-Fraktur keine messbare MdE erreicht, hier ist eine Bewegungseinschränkung des BWS-LWS-Komplexes sowie anteilig der Rücken- und Beinschmerz (bei pseudoradikulär geprägtem Dorso-Lumbalgiesyndrom) verblieben, welche mit einer MdE von kleiner als 10 zu bewerten sind, so dass sie nicht berücksichtigt werden können, § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII.

Hinsichtlich der Bewertung folgt die Kammer insoweit nach eigener Prüfung den Darlegungen des erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen Dr. J. Die Darstellungen des gerichtlichen Gutachters lassen Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Dabei hat sich der Mediziner mit den erhobenen Befunden, den aktenkundigen Befunden und dem Vorbringen der Beteiligten auseinandergesetzt. Die Kammer hatte daher keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln.

Das Ergebnis wird zudem getragen von dem Sachverständigengutachten des Dr. I, welches die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat und welches hier im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird.

Selbst der Sachverständige gem. § 109 SGG, Dr. M hat, ohne dass es darauf noch ankam, keine weitergehenden Unfallfolgen auf seinem Fachgebiet feststellen können und die zuletzt verbleibende MdE auf kleiner als 10 v.H. eingeschätzt.

Das Ergebnis ist auch mit den Erfahrungswerten in der Literatur vereinbar, wonach ein stabil verheilter Wirbelbruch, keine oder nur geringe Fehlstatik (Keilwirbel mit (als 10 Grad), ggf Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe ohne wesentliche segmentbezogene Funktionsstörung mit einer MdE von unter 10 v.H. und erst ein stabil verheilter Wirbelbruch mit statisch wirksamem Achsenknick (Keilwirbel von ) 25 Grad.) oder eine Versteifung von zwei Segmenten der LWS zu einer Bewertung mit einer MdE von 20 v.H. führen würde (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 465 f).

Es lagen auch keine auf den Unfall zurückführbaren Folgen auf hno-ärztlichem Fachgebiet vor. Weder eine Schwerhörigkeit noch ein Tinnitus oder die Schwindelbeschwerden lassen sich auf die Unfallfolgen zurückführen.

Hinsichtlich der Bewertung folgt die Kammer insoweit nach eigener Prüfung den Darlegungen des erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. C1. Die Darstellungen des gerichtlichen Gutachters lassen Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Dabei hat sich der Mediziner mit den erhobenen Befunden, den aktenkundigen Befunden und dem Vorbringen der Beteiligten auseinandergesetzt. Die Kammer hatte daher keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln.

Für eine Unfallursächlichkeit sprach, dass in einer der von der Klägerin geschilderten Unfallvarianten sie mit dem Kopf aufgeschlagen ist. Diesen Hergang als richtig unterstellt, war die Möglichkeit der Verletzung des Hörapparates durch eine Innenohrerschütterung gegeben. Gegen eine Unfallursächlichkeit sprach, dass zunächst trotz expliziter Prüfung der Durchgangsarzt keinen primären Schaden am Ohr festgestellt hat („keine Blutung aus Ohren“).

Zudem konnte der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. C1 keine für eine Innenohrerschütterung typische Innenohrschwerhörigkeit feststellen, sondern lediglich einen leichten altersentsprechenden Hochtonabfall, so dass in Ermangelung eines geeigneten Schädigungsmodells ein dann allenfalls möglicher isoliert auftretender Tinnitus nicht auf den Unfall zurückgeführt werden kann.

Auch die seelischen Erkrankungen und Beschwerden der Klägerin lassen sich nicht auf den Unfall und seine Folgen zurückführen.

Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener Prüfung den Darlegungen der erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen C2 an. Die Darstellungen der gerichtlichen Gutachterin lassen Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Dabei hat sich die Medizinerin mit den erhobenen Befunden, den aktenkundigen Befunden, insbesondere dem Sachverständigengutachten des Dr. A und dem Vorbringen der Beteiligten differenziert auseinandergesetzt.

Die gerichtliche Sachverständige hat keine Gesundheitsstörung auf ihrem Fachgebiet als unfallabhängig eingeschätzt und ausdrücklich mitgeteilt, eine PTBS liege nicht vor. Es bestehe bei der Klägerin jedoch ein Wunsch nach Anerkennung dieser Unfallabhängigkeit.

Gegen das Vorliegen einer PTBS sprach schon tragend der Umstand, dass die Klägerin von sich aus auf das Unfallereignis zu sprechen kam und dabei keinerlei Vermeidungsverhalten gezeigt hat und ohne dass sich eine Veränderung des Pupillenspiels, der Atmung oder der Psychomotorik gezeigt hätte in der Untersuchungssituation über das Unfallereignis gesprochen hat. Diese Anzeichen wären jedoch bei einer PTBS zu erwarten gewesen (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 153). Hinzu kam, dass der Verlauf von der Sachverständigen als atypisch beschrieben wurde.

Dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. A konnte die Kammer hingegen nicht folgen. Hinsichtlich der Schmerzstörung hat er selbst ausgeführt, es bestehe eine Verbindung zu emotionellen Konflikten, psychosozialen Belastungen, denen die Hauptrolle für den Beginn, den Schweregrad, die Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen zukomme, was dagegen spricht, die Ursache in dem Unfall und seinen Folgen zu suchen.

Hinsichtlich der PTBS wird auf die obige Ausführung verwiesen.

Anerkennung posttraumatischer Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls
(Symbolfoto: Von Photographee.eu/Shutterstock.com)

Die Diagnose einer Anpassungsstörung erscheint schon nicht schlüssig, da diese lediglich für einen Zeitraum von maximal 2 Jahren angenommen werden kann und die Diagnose einer schweren chronifizierten Depression mit somatischem Syndrom konnte von der gerichtlichen Sachverständigen schon nach dem klinischen Eindruck von der Klägerin nicht gestellt werden.

Hinsichtlich der als unfallabhängig von Dr. A dargestellten Diagnose des chronischen Hochtontinnitus wird auf die obige Ausführung verwiesen.

Eine MdE von mindestens 20 v.H. wird auch nicht durch weitere Ereignisse im Nachgang zum Unfall vom 21.01.2007 begründet.

Hier hat sich die Klägerin auf eine weitere Verletzung der Wirbelsäule berufen, welche während der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. J eingetreten sei und hat zudem mitgeteilt, in einen Auffahrunfall auf der Fahrt zum gerichtlichen Sachverständigen Dr. C1 verwickelt gewesen zu sein.

Das Gericht lässt ausdrücklich dahinstehen, ob beide Ereignisse als Folgeunfall rechtlich zu werten sind und unterstellt den jeweils von der Klägerin dargestellten Unfallhergang als wahr, ohne diesen Sachverhalt festzustellen.

Hinsichtlich der von der Klägerin in ihrem per Fax am 02.07.2018 dem Gericht geschilderten Ablauf der Untersuchung lässt sich weder in der Vorbeugung der Oberkörpers noch im reflexhaften „Nach-hinten-Schnappen“ ein geeigneter Unfallhergang feststellen, einen weiteren Wirbelbruch herbeizuführen.

Schon nach den entsprechenden Fundstellen in der Literatur ist für einen geeigneten Unfallmechanismus ein Sturz aus großer Höhe, Auftreffen schwerer Kräfte auf Nacken oder Brustwirbelsäule, Herausschleudern oder Überschlagen von Fahrzeugen, Verschüttungen im Bergbau und bei ähnlichen Tätigkeiten oder ein ruckartiges Anheben eines schweren Gegenstandes durch große Kraftanstrengung notwendig (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. Seite 454). Mit einer derartigen Gewalteinwirkung und Kraftanstrengung ist der von der Klägerin geschilderte Hergang, selbst ein geführtes Vorbeugen, nicht im Ansatz vergleichbar, so dass die Kammer keine Veranlassung gesehen hat, hierzu weiter zu ermitteln.

Desgleichen zu dem von der Klägerin berichteten Auffahrunfall vom 18.10.2011. Hierzu hat der Klägerbevollmächtigte dem Gericht den Durchgangsarztbericht vom 19.10.2011 übersandt, in welchem der Durchgangsarzt die Diagnose einer Schulterprellung links sowie einer LWS-Prellung gestellt hat sowie nach Röntgen der Schulter keine Fraktur und keine Fehlstellung.

Bleibende Schäden hieraus werden weder geltend gemacht, noch sind solche in Ansehung des geringen Primärschäden ersichtlich, so dass die Kammer auch diesbezüglich keine Veranlassung gesehen hat weiter zu ermitteln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG“

Gegen das am 27.07.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.08.2018 Berufung eingelegt und diese am 30.04.2019 begründet.

Die Klägerin vertritt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens die Auffassung, den Unfallfolgen sei nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Sie habe eine Gehirnerschütterung erlitten, aus der sich zeitnah ein Tinnitus und Schwindelerscheinungen entwickelt hätten. Dies sei bislang gutachterlich nicht gewürdigt worden. Hinsichtlich der psychiatrischen Unfallfolgen stütze sie sich auf das Gutachten von Dr. A, dem das Sozialgericht zu Unrecht nicht gefolgt sei. Hierzu hat sie erneut ihre Stellungnahme vom 02.07.2018 zu den Akten gereicht, die bereits aus Anlass des Termins vor dem Sozialgericht vorgelegt worden war. In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2020 hat sie eine weitere schriftliche Stellungnahme vorgelegt; wegen der Einzelheiten dieses Vortrags wird auf Blatt 524 -531 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Dortmund vom 02.07.2018 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2011 zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 27.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 21.01.2007 über den 21.12.2008 hinaus Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143,144 SGG statthafte und gemäß § 151 form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die statthafte und auch im Übrigen zulässige kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs-und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1, Abs. 4, 56 SGG), mit der die Klägerin eine Rücknahme des bindenden, die Gewährung einer Rente ablehnenden Bescheides vom 27.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X erstrebt, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 05.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Dabei verhält sich dieser Bescheid ausschließlich zu der Frage einer Rücknahme des Bescheides vom 27.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 im Kontext des § 44 Abs. 1 SGB X und enthält keine erneute Ablehnung einer Rente im Sinne eines Zweitbescheides und insbesondere auch keine Regelung bezüglich weiterer Unfallfolgen oder einer „Verschlimmerung“ der anerkannten Unfallfolgen ab einem späteren Zeitpunkt im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X, denn ein Ablehnungsbescheid ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Vielmehr hat sich die Beklagte, die lediglich die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X verneint hat, in dem angefochtenen Bescheid vom 05.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2011 nicht damit befasst, ob ein Rentenanspruch eventuell nach Erlass des Bescheids vom 27.08.2009 entstanden ist. Dies bedeutet auch, dass das Vorbringen der Klägerin in Bezug auf die von ihr behaupteten Folgeunfälle, die sie im Zusammenhang mit den gerichtlich angeordneten Begutachtungen erlitten haben will – unabhängig von ihrer tatsächlichen, rechtlichen und medizinischen Bewertung – nicht Gegenstand der vorliegenden gerichtlichen Überprüfung sind.

Dies vorausschickend schließt sich der Senat bezogen auf den hier zu betrachtenden Streitgegenstand den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Berufungsbegründung und insbesondere der Inhalt des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schriftsatzes vom 21.01.2020 rechtfertigt keine andere Bewertung.

Hinsichtlich des Bruchs des BWK 11 sind sämtliche mit der Angelegenheit gutachterlich befassten Ärzte und insbesondere der von der Klägerin nach § 109 SGG benannte Sachverständige Dr. M übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass hier ein vollständiges Heilungsergebnis vorliegt und bedeutsame funktionelle Einschränkungen der Wirbelsäule nicht erkennbar sind. Soweit die Klägerin hier den nach § 106 SGG vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen Dr. J „wegen Befangenheit“ ablehnt, braucht der Senat hierauf nicht einzugehen. Ein solches Ablehnungsgesuch hätte unverzüglich nach Zugang des Gutachtens beim dem Sozialgericht gestellt werden müssen (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 406 Abs.2 S.2 ZPO) und ist mithin verspätet und deshalb nicht zu würdigen.

Den Ausführungen zu einer weiteren Verletzung an der Wirbelsäule, welche die Klägerin infolge der manuellen Untersuchung durch Dr. J erlitten haben soll, ist aus den bereits dargestellten Gründen nicht weiter nachzugehen. Mit der Tatsache, dass auch das Gutachten von Dr. M ihr Vorbringen hinsichtlich der anerkannten Unfallfolgen auf orthopädischem Gebiet nicht stützt, setzt sich die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 21.01.2020 bezeichnender Weise nicht auseinander. Damit verschließt sie sich offenbar der Erkenntnis, dass die objektiven Befunde und das Ausmaß ihres Beschwerdevortrags nicht in Einklang zu bringen sind.

Soweit die Klägerin meint, sie leide unfallbedingt an einer Hörstörung, Schwindel und einem Tinnitus, welche auf eine Gehirnerschütterung zurückzuführen seien, stützt sich der Senat – wie auch das Sozialgericht – ausschließlich auf das nach § 106 SGG eingeholte Gutachten von Prof. Dr. C1, bei dem es sich um den Mitherausgeber der Königsteiner Empfehlungen und um einen ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet traumatischer oder berufsbedingter HNO-Erkrankungen handelt und der sämtliche Vermutungen der Klägerin, sie habe bei dem Unfallereignis eine Verletzung des Hörapparates erlitten, vollständig ausgeräumt hat. Der Vortrag der Klägerin, der Sachverständige Prof. Dr. C1 verfüge nicht über eine ausreichende wissenschaftliche Kompetenz zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes, ist abwegig und entbehrt jeder Grundlage. Es sind nach den bildgebenden Befunden keine strukturellen (gefäßbedingte oder knöcherne) Verletzungen im Bereich des Schädels, insbesondere des Felsenbeins objektivierbar, die auch nur ansatzweise Auswirkungen auf das Hör- und Gleichgewichtssystem haben könnten, so dass die Ausführungen des Sachverständigen bereits unter diesem Aspekt unmittelbar einleuchten. Die Klägerin ist medizinsicher Laie. Die von ihr zusammengetragenen und zitierten „wissenschaftlichen Argumente und Studien“ bieten daher keinen Anlass, weitere Ermittlungen einzuleiten. Die insoweit ohnehin fachfremd von Dr. A gestellte Diagnose eines chronischen (unfallbedingten) Hochtontinnitus Grad III ist daher nicht haltbar.

Die leichte Gehirnerschütterung ist erwartungsgemäß vollständig ausgeheilt, was schon der im Verwaltungsverfahren gehörte Neurologe und Psychiater Dr. D dargelegt hat, dessen Ausführungen den Anforderungen an ein wissenschaftliches Gutachten genügen und die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden können.

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 21.01.2020 erstmals behauptet, im Verwaltungsverfahren habe nicht der von ihr ausgewählte Dr. D die Untersuchung durchgeführt und das Gutachten erstellt, sondern vielmehr sei dies von Dr. Q erarbeitet worden (Ziffer 2 und 3 des Schreibens vom 21.01.2020), ist dieses Vorbringen für den Senat nicht nachvollziehbar. Das Gutachten von Dr. D trägt ausschließlich die Unterschrift dieses Arztes, der die Klägerin nach seiner Mitteilung vom 10.03.2009 am 16.01.2009 untersucht hat. Einen Bezug zu Dr. Q kann der Senat nicht herstellen. Eine ausdrückliche und substantiierte Rüge bezogen auf Prof. Dr. E1, dessen Gutachten auch die Unterschrift von Dr. Q trägt, auf den sich der Senat wie auch das Sozialgericht allerdings nicht stützt, hat die rechtskundig vertretene Klägerin nicht erhoben.

Ebenso wenig überzeugen die Argumente der Klägerin hinsichtlich ihrer angeblichen psychiatrischen Unfallfolgen.

Der Senat folgt vielmehr ebenfalls den plausiblen Ausführungen der Sachverständigen C. Für eine PTBS fehlt es nach ihren nachvollziehbaren Ausführungen bereits an dem A- Kriterium der heranzuziehenden Diagnosemanuale (ICD-10/DSM-5) bzw. der Ereignis-Qualität, d. h der Sturz aus dem LKW Führerhaus auf den Rücken war nicht geeignet, traumatogen wirken zu können. Eine in zeitlicher Nähe zu dem Ereignis auftretende Störung oder Angstreaktion oder sonstige psychische Auffälligkeit war ebenfalls nicht zu objektivieren und ist den aktenkundigen Befunden nicht zu entnehmen. Auch hat sich die Klägerin offenbar erst im Juli 2010 in psychiatrische Behandlung begeben. Die hiervon abweichenden Beurteilungen von Dr. A rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Dieser Sachverständige hat sich mit den genannten Kriterien nicht auseinandergesetzt und die von ihm gestellte Diagnose einer PTBS nicht näher erläutert. Seine gesamte Beurteilung ist offenkundig geprägt durch die subjektive Einschätzung der Klägerin und lässt eine nach wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Diskussion konkreter Befunde und Sachverhalte vermissen.

Die Sachverständige C2 hat hier insbesondere auf eine Ausweitung des Beschwerdevortrags im zeitlichen Verlauf hingewiesen, der mit der tatsächlichen Lebensgestaltung nicht in Einklang zu bringen ist und mit einer trauma-induzierten psychischen Erkrankung, bei der die Beschwerden üblicherweise im Laufe der Zeit zurückgehen, nicht vereinbart werden kann. Eine Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis vermochte sie nicht festzustellen. Die jetzt wohl vorliegende chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ICD 10 F 45.41 sowie das Bestehen körperlicher Symptome aus psychischen Gründen ICD F 68.0 sind nach den Ausführungen der Sachverständigen unfallunabhängiger Ausdruck eines Wunsches nach Kompensation und Anerkennung und sind damit nach Überzeugung des Senats letztlich in Konstitution, Prägung und Lebensgeschichte der Klägerin begründet.

Gutachten und Untersuchungsbefunde von Dr. I2 oder Dr. T, welche die Klägerin in ihrer Stellungnahme thematisiert, liegen dem Senat nicht vor. Ausführungen hierzu erübrigen sich daher.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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