Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Unfallbedingte Erwerbsminderung: Urteil beleuchtet soziale Entschädigungsfragen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und wie wird sie berechnet?
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Verletztenrente zu erhalten?
- Wie wird die berufliche Situation bei der Berechnung der MdE berücksichtigt?
- Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, wenn mein Antrag auf Verletztenrente abgelehnt wird?
- Wie beeinflussen spätere Verletzungen oder gesundheitliche Verschlechterungen die MdE?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Kläger wollte eine Verletztenrente wegen einer dauerhaften Erwerbsminderung durch Schulterverletzungen.
- Während seiner Karriere als Eishockeyspieler erlitt der Kläger mehrere Schulterluxationen.
- Die Verletzungen führten zu Operationen und längeren Ausfallzeiten, jedoch nicht zu einer dauerhaften erheblichen Einschränkung.
- Ein Gutachter stellte eine anfängliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20% fest, revidierte diese aber auf 10% nach erneuter Überprüfung.
- Die Beklagte lehnte die Verletztenrente ab, da die MdE nicht mindestens 20% betrug.
- Der Kläger argumentierte, dass die Beklagte den Gutachter beeinflusst habe, was die objektive Einschätzung verfälscht hätte.
- Das Gericht stützte sich auf medizinische Berichte und Gutachten, die keine ausreichenden Funktionsbeeinträchtigungen feststellten.
- Die Klage wurde abgewiesen, weil die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verletztenrente nicht erfüllt waren.
- Das Gericht bestätigte, dass eine MdE von 20% nicht nachgewiesen werden konnte, da die Funktionsfähigkeit der Schulter als sehr gut beurteilt wurde.
- Die Auswirkungen für den Kläger sind, dass er keine Verletztenrente erhält und seine beruflichen Einschränkungen nicht als ausreichend schwerwiegend anerkannt wurden.
Unfallbedingte Erwerbsminderung: Urteil beleuchtet soziale Entschädigungsfragen
Unfallbedingte dauerhafte Erwerbsminderungen (MdE) sind ein zentrales Thema im deutschen Sozialrecht, besonders wenn es um die Frage geht, wie solche Einschränkungen im beruflichen Kontext bewertet werden. Bei einem Unfall kann die körperliche oder psychische Gesundheit eines Menschen erheblich beeinträchtigt werden, was nicht nur das tägliche Leben, sondern auch die berufliche Leistungsfähigkeit stark beeinflussen kann. Eine angemessene Entschädigung für Betroffene hängt oft von der exakten Einstufung des Ausmaßes der Behinderung ab, wobei die Berücksichtigung individueller beruflicher Belange einen wesentlichen Aspekt darstellt.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen rund um die Anhebung der MdE sind komplex und erfordern eine differenzierte Betrachtung. Insbesondere die Frage, ob und inwiefern eine besondere berufliche Betroffenheit bei der Bewertung der MdE Einfluss nehmen sollte, ist von erheblicher Bedeutung. Diese Überlegungen können entscheidend dafür sein, wie Betroffene entlohnt werden und welche Unterstützung sie erhalten. Um ein besseres Verständnis für diese Thematik zu entwickeln, wird im Folgenden ein konkreter Fall vorgestellt und analysiert, der die genannten Fragen aufgreift und beleuchtet.
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Der Fall vor Gericht
Der Fall: Schulterluxationen eines Eishockeyspielers
Ein professioneller Eishockeyspieler erlitt während seiner Karriere mehrere Schulterverletzungen. Der erste dokumentierte Vorfall ereignete sich am …2004 während eines Trainings in Deutschland, als der Spieler nach einem Check mit der rechten Schulter auf das Eis fiel. Es kam zu einer Schulterluxation (Ausrenkung), die unter Narkose wieder eingerenkt werden musste. In der Folge traten zwei weitere Luxationen im Dezember 2004 und …2006 auf, jeweils während Spielen in Deutschland.
Medizinische Behandlung und weitere Karriere
Nach der dritten Luxation wurde der Spieler im April 2006 in München operiert. Die Operation verlief erfolgreich und der Spieler konnte seine Karriere fortsetzen. Er wechselte anschließend zu Vereinen in Slowenien, Österreich und Kroatien. Nach eigenen Angaben erlitt er 2007 bei einer privaten Bootsfahrt eine erneute Subluxation (teilweise Ausrenkung) der Schulter, die er jedoch aus Angst vor Vertragsauflösung nicht behandeln ließ. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Instabilitäten des Schultergelenks.
Antrag auf Verletztenrente und Rechtsstreit
Der Spieler beantragte bei der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung die Gewährung einer Verletztenrente. Diese wird gewährt, wenn die Erwerbsfähigkeit durch einen Arbeitsunfall um mindestens 20% gemindert ist. Die Versicherung lehnte den Antrag ab, da sie die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf nur 10% schätzte. Dagegen klagte der Spieler vor dem Sozialgericht.
Gerichtliche Beurteilung der Schulterverletzungen
Das Gericht folgte in seiner Entscheidung weitgehend der Einschätzung der Unfallversicherung. Es bewertete nur die drei in Deutschland aufgetretenen Luxationen als relevante Arbeitsunfälle. Die Operation 2006 hatte zu einer deutlichen Verbesserung geführt. Spätere Instabilitäten wurden nicht als Folge der ursprünglichen Verletzungen gewertet, sondern auf neue Ereignisse wie die private Bootsfahrt zurückgeführt.
Rechtliche Aspekte der grenzüberschreitenden Tätigkeit
Das Gericht musste zudem die komplexe Rechtslage bei grenzüberschreitender Tätigkeit innerhalb der EU berücksichtigen. Grundsätzlich ist bei Arbeitsunfällen das Recht des Beschäftigungsstaates anwendbar. Mit dem Wechsel ins Ausland unterlag der Spieler nicht mehr der deutschen Sozialversicherung. Spätere Verletzungen im Ausland konnten daher für die Rentenbewertung in Deutschland nicht herangezogen werden.
Urteil: Keine Verletztenrente
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Folgen der in Deutschland erlittenen Schulterverletzungen keine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20% oder mehr rechtfertigen. Die Klage auf Gewährung einer Verletztenrente wurde daher abgewiesen. Das Gericht betonte, dass für die Beurteilung nicht die Auswirkungen auf die spezielle Tätigkeit als Eishockeyspieler, sondern die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt maßgeblich sei.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung verdeutlicht, dass für die Bewertung einer Verletztenrente in der gesetzlichen Unfallversicherung die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht in der speziellen Tätigkeit maßgeblich ist. Zudem zeigt der Fall die Komplexität bei grenzüberschreitender Berufstätigkeit: Nach einem Wechsel ins Ausland können spätere Verletzungen für die Rentenbewertung in Deutschland nicht mehr berücksichtigt werden. Dies unterstreicht die Bedeutung des Beschäftigungsstaatsprinzips im europäischen Sozialversicherungsrecht.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil verdeutlicht wichtige Aspekte für Personen mit unfallbedingter Erwerbsminderung: Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wird nicht nur anhand Ihrer speziellen Berufstätigkeit bewertet, sondern in Bezug auf den gesamten Arbeitsmarkt. Eine MdE unter 20% führt nicht zu einer Verletztenrente, selbst wenn Sie in Ihrem Beruf stark eingeschränkt sind. Bei Arbeit im Ausland gelten oft andere Versicherungsregeln, was Ihre Ansprüche in Deutschland beeinflussen kann. Für eine Rentengewährung müssen Sie nachweisen, dass Ihre aktuellen Beschwerden direkt auf den ursprünglichen Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Spätere private Unfälle oder normale Verschleißerscheinungen werden dabei nicht berücksichtigt. Es ist ratsam, alle Verletzungen und Behandlungen sorgfältig zu dokumentieren, um Ihre Ansprüche besser belegen zu können.
FAQ – Häufige Fragen
Sie haben einen unfallbedingten Erwerbsminderung erlitten und fragen sich, welche Rechte und Möglichkeiten Sie haben? Unsere FAQ bietet Ihnen unabhängige Informationen und hilfreiche Antworten zu Ihren Fragen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und wie wird sie berechnet?
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Verletztenrente zu erhalten?
- Wie wird die berufliche Situation bei der Berechnung der MdE berücksichtigt?
- Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, wenn mein Antrag auf Verletztenrente abgelehnt wird?
- Wie beeinflussen spätere Verletzungen oder gesundheitliche Verschlechterungen die MdE?
Was ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und wie wird sie berechnet?
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist ein zentrales Konzept in der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie beschreibt, wie stark die Fähigkeit einer Person, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein, durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit beeinträchtigt wurde. Die MdE wird in Prozent ausgedrückt und ist maßgeblich für die Höhe einer möglichen Verletztenrente.
Bei der Berechnung der MdE wird das körperliche und geistige Leistungsvermögen einer Person vor und nach dem Versicherungsfall verglichen. Entscheidend ist dabei nicht die konkrete berufliche Tätigkeit des Versicherten, sondern seine Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Die Einschätzung erfolgt abstrakt und berücksichtigt nicht den tatsächlichen Einkommensverlust im Einzelfall.
Zur Ermittlung der MdE werden ärztliche Gutachten herangezogen. Fachärzte beurteilen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Dabei orientieren sie sich an sogenannten MdE-Tabellen, die auf langjährigen medizinischen Erfahrungswerten basieren. Diese Tabellen geben für verschiedene Gesundheitsschäden Richtwerte vor, die als Orientierung dienen.
Die MdE wird in Stufen von 10 Prozent festgesetzt. Eine Verletztenrente wird in der Regel erst ab einer MdE von 20 Prozent gewährt. Bei mehreren Unfällen oder Berufskrankheiten werden die einzelnen MdE-Grade grundsätzlich getrennt bewertet und können sich zu einer Gesamt-MdE addieren.
Bei der Berechnung der MdE fließen verschiedene Faktoren ein:
- Art und Schwere der Verletzung oder Erkrankung
- Funktionelle Einschränkungen
- Notwendigkeit von Hilfsmitteln
- Schmerzen und psychische Belastungen
- Alter und Geschlecht des Versicherten
Es ist wichtig zu betonen, dass die MdE nicht starr ist, sondern sich im Laufe der Zeit ändern kann. Bei Verbesserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann eine Neubewertung erfolgen, die zu einer Anpassung der MdE und damit der Rentenhöhe führt.
In bestimmten Fällen kann auch die besondere berufliche Betroffenheit eines Versicherten berücksichtigt werden. Dies geschieht, wenn die unfallbedingte Beeinträchtigung sich besonders gravierend auf die spezifische berufliche Tätigkeit auswirkt. In solchen Situationen kann die MdE angehoben werden, um der individuellen Situation des Versicherten gerecht zu werden.
Die Berechnung der MdE ist ein komplexer Prozess, der medizinisches Fachwissen und juristische Kenntnisse erfordert. Sie bildet die Grundlage für die Entschädigung von Unfallfolgen und soll einen fairen Ausgleich für die erlittenen Beeinträchtigungen schaffen.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Verletztenrente zu erhalten?
Für den Erhalt einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein:
Versicherungsfall
Zunächst muss ein anerkannter Versicherungsfall vorliegen. Dies kann ein Arbeitsunfall, ein Wegeunfall oder eine Berufskrankheit sein. Der Unfall oder die Erkrankung muss in einem direkten Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen.
Minderung der Erwerbsfähigkeit
Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten muss durch den Versicherungsfall um mindestens 20 Prozent gemindert sein. Diese Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wird in Prozent ausgedrückt und spiegelt wider, wie stark die Fähigkeit des Versicherten beeinträchtigt ist, seine Arbeitskraft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verwerten.
Dauer der Minderung
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit muss über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus andauern. Diese Frist beginnt mit dem Tag nach dem Unfall oder der Feststellung der Berufskrankheit.
Kausalität
Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Versicherungsfall und der Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen müssen also nachweislich auf den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit zurückzuführen sein.
Besonderheit bei mehreren Versicherungsfällen
Wenn ein Versicherter mehrere Unfälle erlitten hat, können die MdE-Grade zusammengerechnet werden. Erreichen die einzelnen MdE-Grade jeweils mindestens 10 Prozent und in der Summe wenigstens 20 Prozent, besteht ein Anspruch auf Verletztenrente für jeden Versicherungsfall.
Berücksichtigung besonderer beruflicher Betroffenheit
Bei der Feststellung der MdE kann auch die besondere berufliche Betroffenheit des Versicherten berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass nicht nur die allgemeine Erwerbsfähigkeit, sondern auch die spezifischen Anforderungen des ausgeübten Berufs in die Bewertung einfließen können.
Antragstellung
Der Versicherte muss in der Regel einen Antrag auf Verletztenrente stellen. In manchen Fällen leitet der Unfallversicherungsträger das Verfahren auch von Amts wegen ein.
Ärztliche Begutachtung
Zur Feststellung der MdE und zur Prüfung der Kausalität wird in der Regel eine ärztliche Begutachtung durchgeführt. Diese dient als Grundlage für die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers.
Die Erfüllung dieser Voraussetzungen wird vom zuständigen Unfallversicherungsträger geprüft. Erst wenn alle Bedingungen erfüllt sind, besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente.
Wie wird die berufliche Situation bei der Berechnung der MdE berücksichtigt?
Bei der Berechnung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wird die berufliche Situation des Versicherten grundsätzlich berücksichtigt, allerdings in einem begrenzten Rahmen. Die MdE bemisst sich primär nach dem Grad der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Dies bedeutet, dass nicht allein die Auswirkungen auf den konkreten Beruf des Versicherten maßgeblich sind.
Dennoch sieht das Gesetz eine Möglichkeit vor, besondere berufliche Nachteile zu berücksichtigen. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII sind bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die der Versicherte dadurch erleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann. Diese Regelung zielt darauf ab, eine unbillige Härte zu vermeiden, die entstehen könnte, wenn die spezifische berufliche Situation des Versicherten völlig außer Acht gelassen würde.
Die Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit erfolgt jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen:
Die Rechtsprechung hat Kriterien entwickelt, anhand derer beurteilt wird, ob eine Erhöhung der MdE aufgrund besonderer beruflicher Betroffenheit gerechtfertigt ist. Zu diesen Kriterien gehören insbesondere ein hohes Lebensalter des Versicherten, eine lange Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit. Auch der Umstand, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete, kann eine Rolle spielen.
Ein wichtiger Aspekt ist die Frage der Zumutbarkeit: Eine Erhöhung der MdE kommt in Betracht, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann. Es geht also nicht nur um die reine Unfähigkeit, den bisherigen Beruf auszuüben, sondern um die Gesamtsituation des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt.
Die Anwendung dieser Regelung bildet in der Praxis die Ausnahme. Sie kommt nur dann zum Tragen, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Allein die Tatsache, dass nur bei Anwendung dieser Bestimmung ein Rentenanspruch bestehen würde, reicht für sich genommen noch nicht aus, um eine unbillige Härte zu begründen.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Ein 55-jähriger Konzertpianist erleidet einen Arbeitsunfall, der zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Feinmotorik seiner rechten Hand führt. Die rein medizinische Bewertung der MdE würde möglicherweise unter 20% liegen und damit keinen Rentenanspruch begründen. Aufgrund seiner hochspezialisierten Ausbildung, der langen Berufserfahrung und der Tatsache, dass er seine besonderen Fähigkeiten nun nicht mehr nutzen kann, könnte in diesem Fall eine Erhöhung der MdE in Betracht kommen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Berücksichtigung der beruflichen Situation bei der MdE-Berechnung eine Einzelfallentscheidung darstellt. Die zuständigen Stellen und gegebenenfalls die Gerichte müssen sorgfältig abwägen, ob die spezifischen Umstände des Falles eine Abweichung von der standardmäßigen MdE-Bewertung rechtfertigen. Dabei wird stets das Ziel verfolgt, eine gerechte und angemessene Entschädigung für die unfallbedingten Nachteile zu gewährleisten, ohne den Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung zu verlassen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, wenn mein Antrag auf Verletztenrente abgelehnt wird?
Bei Ablehnung eines Antrags auf Verletztenrente durch die Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse stehen dem Antragsteller mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um gegen diese Entscheidung vorzugehen.
Der erste Schritt ist die Einlegung eines Widerspruchs gegen den Ablehnungsbescheid. Hierfür gilt eine Frist von einem Monat nach Zugang des Bescheids. Der Widerspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde eingelegt werden, die den Bescheid erlassen hat. Eine Begründung des Widerspruchs ist zunächst nicht erforderlich, kann aber die Erfolgsaussichten erhöhen. Im Widerspruchsverfahren überprüft die Behörde ihre Entscheidung nochmals umfassend auf Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit.
Wird der Widerspruch zurückgewiesen, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Eine Begründung ist auch hier zunächst nicht zwingend erforderlich, aber empfehlenswert. Vor dem Sozialgericht besteht kein Anwaltszwang, die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands kann jedoch sinnvoll sein.
Sollte das Sozialgericht die Klage abweisen, besteht die Möglichkeit, Berufung beim Landessozialgericht einzulegen. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht eingehen. Sie ist nur zulässig, wenn der Streitwert 750 Euro übersteigt oder das Sozialgericht die Berufung zugelassen hat.
In letzter Instanz kann unter bestimmten Voraussetzungen Revision beim Bundessozialgericht eingelegt werden. Dies ist nur möglich, wenn das Landessozialgericht die Revision zugelassen hat oder wenn ein Verfahrensmangel gerügt wird.
Während des gesamten Verfahrens ist es wichtig, neue Beweise oder Argumente vorzubringen, die die eigene Position stützen. Dies können beispielsweise zusätzliche ärztliche Gutachten sein, die eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) belegen. Auch die besondere berufliche Betroffenheit durch den Unfall oder die Berufskrankheit kann ein relevanter Faktor sein, der bei der Beurteilung der MdE berücksichtigt werden muss.
Es ist zu beachten, dass für Verfahren vor den Sozialgerichten keine Gerichtskosten anfallen. Anwaltskosten müssen jedoch selbst getragen werden, sofern keine Prozesskostenhilfe bewilligt wird oder man den Prozess nicht gewinnt.
Neben dem formellen Rechtsweg kann es in manchen Fällen auch sinnvoll sein, das persönliche Gespräch mit der Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse zu suchen. Manchmal lassen sich Missverständnisse oder Unklarheiten auf diesem Weg ausräumen.
Bei komplexen Fällen oder wenn die eigenen rechtlichen Kenntnisse nicht ausreichen, ist die Konsultation eines Fachanwalts für Sozialrecht ratsam. Dieser kann die Erfolgsaussichten besser einschätzen und bei der Durchsetzung der Ansprüche unterstützen.
Wie beeinflussen spätere Verletzungen oder gesundheitliche Verschlechterungen die MdE?
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) kann durch spätere Verletzungen oder gesundheitliche Verschlechterungen beeinflusst werden. Grundsätzlich wird die MdE für jeden Versicherungsfall separat festgestellt. Treten nach der ursprünglichen MdE-Feststellung neue Gesundheitsschäden auf, die in direktem Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stehen, kann dies zu einer Neubewertung der MdE führen.
Bei einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands, die auf den ursprünglichen Versicherungsfall zurückzuführen ist, besteht die Möglichkeit einer Erhöhung der MdE. Als wesentlich gilt eine Veränderung, wenn sie zu einer Steigerung der MdE um mindestens 5 Prozentpunkte führt und länger als drei Monate andauert. In solchen Fällen kann der Versicherte einen Antrag auf Neufeststellung der MdE stellen.
Gesundheitliche Verschlechterungen, die nicht im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Versicherungsfall stehen, werden bei der MdE-Bewertung nicht berücksichtigt. Sie können jedoch Gegenstand eines neuen, eigenständigen Versicherungsfalls sein, für den eine separate MdE festgestellt wird.
Bei der Neubewertung der MdE werden nicht nur die körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen berücksichtigt, sondern auch deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit im gesamten Arbeitsleben. Besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen, die aufgrund der Gesundheitsschädigung nicht mehr oder nur eingeschränkt genutzt werden können, fließen in die Bewertung ein. Dies kann zu einer höheren MdE führen, wenn die berufliche Betroffenheit besonders ausgeprägt ist.
Die Neufeststellung der MdE erfolgt durch den zuständigen Unfallversicherungsträger. Hierfür werden in der Regel aktuelle medizinische Gutachten eingeholt, die den aktuellen Gesundheitszustand und dessen Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit beurteilen. Der Versicherte hat das Recht, diese Gutachten einzusehen und gegebenenfalls Einwände zu erheben.
Es ist zu beachten, dass eine Neufeststellung der MdE sowohl zu einer Erhöhung als auch zu einer Verringerung der Verletztenrente führen kann. Bei einer Verbesserung des Gesundheitszustands kann die MdE entsprechend herabgesetzt werden, was eine Reduzierung der Rentenzahlung zur Folge hätte.
Für Versicherte ist es wichtig, Veränderungen ihres Gesundheitszustands, die im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stehen, zeitnah dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen. Dies ermöglicht eine zeitnahe Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der MdE, um eine angemessene Entschädigung sicherzustellen.
Bei der Beurteilung späterer gesundheitlicher Verschlechterungen wird auch berücksichtigt, ob diese durch zumutbare medizinische oder berufliche Rehabilitationsmaßnahmen positiv beeinflusst werden können. Die Teilnahme an solchen Maßnahmen kann sich positiv auf die MdE-Bewertung auswirken.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Gesetzliche Unfallversicherung: Eine staatliche Versicherung, die Arbeitnehmer vor den finanziellen Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten schützt. Sie zahlt Leistungen wie Verletztengeld oder Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist. Im vorliegenden Fall hatte der Eishockeyspieler Ansprüche aus dieser Versicherung geltend gemacht.
- Verletztenrente: Eine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung, die gezahlt wird, wenn die Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls dauerhaft um mindestens 20% gemindert ist. Sie soll den Einkommensverlust ausgleichen, der durch die gesundheitlichen Einschränkungen entsteht. Der Eishockeyspieler beantragte diese Rente, erhielt sie aber nicht, da seine Erwerbsminderung unter 20% lag.
- Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE): Der Prozentsatz, um den die Fähigkeit einer Person, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, aufgrund einer Verletzung oder Krankheit eingeschränkt ist. Die MdE wird in der Regel von einem Arzt oder Gutachter festgestellt und ist entscheidend für die Höhe von Leistungen wie der Verletztenrente. Im Fall des Eishockeyspielers wurde die MdE auf 10% geschätzt, was nicht für eine Rente ausreichte.
- Arbeitsunfall: Ein Unfall, der sich während der beruflichen Tätigkeit oder auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit ereignet. Im vorliegenden Fall wurden die Schulterluxationen des Eishockeyspielers während des Trainings und der Spiele als Arbeitsunfälle anerkannt.
- Berufskrankheit: Eine Krankheit, die durch besondere Belastungen am Arbeitsplatz verursacht wird und in der Berufskrankheitenliste aufgeführt ist. Die Anerkennung einer Berufskrankheit kann zu Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Im vorliegenden Fall waren die Schulterprobleme des Eishockeyspielers jedoch nicht auf eine anerkannte Berufskrankheit zurückzuführen.
- Sozialgericht: Ein Gericht, das sich mit Streitigkeiten im Bereich des Sozialrechts befasst, wie z.B. Renten-, Kranken- oder Unfallversicherungsrecht. Wenn ein Versicherter mit einer Entscheidung der Unfallversicherung nicht einverstanden ist, kann er vor dem Sozialgericht klagen. Der Eishockeyspieler zog vor das Sozialgericht, um seine Ansprüche auf eine Verletztenrente durchzusetzen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 56 Abs. 1 SGB VII (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Verletztenrente. Eine solche Rente wird gewährt, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls (z.B. Arbeitsunfall) dauerhaft um mindestens 20 Prozent gemindert ist. Im vorliegenden Fall wurde die Klage abgewiesen, da das Gericht die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf unter 20 Prozent schätzte.
- § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII: Dieser Paragraph definiert den Begriff des Arbeitsunfalls. Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet. Im vorliegenden Fall erlitt der Kläger mehrere Schulterluxationen während seiner Tätigkeit als Eishockeyspieler, die als Arbeitsunfälle anerkannt wurden.
- § 8 Abs. 1 SGB VII: Dieser Paragraph regelt die Haftung des Unfallversicherungsträgers für die Folgen eines Arbeitsunfalls. Der Unfallversicherungsträger ist für alle Gesundheitsschäden verantwortlich, die auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Im vorliegenden Fall wurden jedoch nicht alle Schulterprobleme des Klägers als Folge der Arbeitsunfälle anerkannt.
- § 103 SGG (Sozialgerichtsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Beweislast im sozialgerichtlichen Verfahren. Grundsätzlich muss derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die Tatsachen beweisen, die seinen Anspruch begründen. Im vorliegenden Fall musste der Kläger beweisen, dass seine Erwerbsfähigkeit infolge der Arbeitsunfälle um mindestens 20 Prozent gemindert ist.
- Art. 13 Abs. 2 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 883/2004: Diese Verordnung regelt die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der Europäischen Union. Gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a ist für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und der Gewährung von Leistungen das Recht des Mitgliedstaates anzuwenden, in dem die versicherte Tätigkeit ausgeübt wird. Im vorliegenden Fall war dies Deutschland, da die relevanten Arbeitsunfälle dort stattfanden.
Das vorliegende Urteil
SG Hamburg – Az.: S 6 U 80/10 – Urteil vom 31.07.2015
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Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Gewährung von Verletztenrente.
Der am …1976 in den Vereinigten Staaten von Amerika geborene Kläger war im Zeitraum vom 1. August 2004 bis zum Ende der Saison 2006 Profi-Eishockeyspieler in der … Eishockey-Liga. Er spielte in der Saison 2005/2005 für den F. und während der Saison 2005/2006 für S. Für die Saison 2006/2007 wechselte der Kläger zur … Eishockeymannschaft A. und in den Jahren 2007 bis 2009 zur … Eishockeymannschaft V. Anschließend wechselte der Kläger für die Saison 2009/2010 zum Verein M. nach Z… In den Jahren 2010 bis 2013 spielte der Kläger in der zweiten … Eishockeyliga. Seit 1. Juni 2013 ist er Sportdirektor des Vereins M…
Am …2004 gegen … Uhr trainierte der Kläger im … Eisstadion F… Als er zwischen zwei gegnerischen Spielern hindurch fuhr, wurde er von einem der beiden mit der Hüfte „gecheckt“. Er versuchte auszuweichen, jedoch hebelte der Schwung des Gegners ihn aus und er fiel mit dem ganzen Körper auf rechte Schulter. Es kam zu einer rechtsseitigen Ausrenkung der Schulter (Schulterluxation). Im Durchgangsarztbericht (Bl. 1 Verwaltungsakte) wurde vermerkt, dass die Schulter des Klägers ca. 30 bis 40 Minuten nach dem Trauma in Narkose reponiert werden musste. Als Erstdiagnose wurde eine Schulterluxation rechts angegeben. Der Kläger wurde für 30 Tage mit einem Gilchrist-Verband versorgt und erhielt eine physiotherapeutische Behandlung. In der Folge wurde der Kläger mehrfach im Krankenhaus F. vorstellig. Dort wurde nach einer Kernspintomographie ein sog. „Hill Sachs-Defekt“ sowie ein Einriss der vorderen Knorpellippe am Schulterblatt (Labrum) bei sonst unauffälliger Rotatorenmanschettenruptur festgestellt und von einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 2. September 2004 ausgegangen. Eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde nicht erwartet. Am 3. September 2004 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf. Zu einer für den 13. Oktober 2004 vorgesehenen Nachuntersuchung erschien er nicht.
Am 10. Dezember 2004 kam es während eines Eishockeyspiels des F. in W. zu einer erneuten Schulterluxation rechts. Diese wurde vom Kläger selbst reponiert, wie im H-Arzt-Bericht vom 13.12.2004 (Bl. 80 Verwaltungsakte) ausgeführt wurde. Als Diagnose wurde dort angegeben: Rezidivierende traumatische Schulterluxationen rechts bei Zustand nach einmaliger Schulterluxation rechts. Der behandelnde Arzt im Krankenhaus F. Dr. S. ging anlässlich dieses Ereignisses nicht davon aus, dass dies zu einer Erhöhung der MdE führen würde (Bl. 28 Verwaltungsakte). Eine ihm vorgeschlagene Operation der rechten Schulter lehnte der Kläger ab.
Zu einer erneuten Schulterluxation kam es während eines Spieles des … S. in B. am …2006, die durch den Mannschaftsarzt reponiert wurde.
Am 27. April 2006 wurde der Kläger im Krankenhaus M. an der rechten Schulter operiert (Operationsbericht vom 25.5.2009, Bl. 208 Verwaltungsakte). Ergänzend wird auf den Befund- und Behandlungsbericht des Krankenhaus M. vom 5.1.2007 (Bl. 133 Verwaltungsakte) verwiesen. Anlässlich einer am 20.7.2006 durchgeführten Kontrolluntersuchung ergab sich eine nahezu freie aktive und passive Beweglichkeit des rechten Schultergelenks mit Ausnahme einer gewünschten endgradigen Bewegungseinschränkung für Elevation und Außenrotation, wobei die Schulter als stabil ohne Bewegungsschmerzen erachtet wurde (vgl. Bl. 120 f. Verwaltungsakte). Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 28. Juli 2006.
Auf Ersuchen der Beklagten wurde der Kläger am 26.3.2009 ärztlich untersucht. In seinem Gutachten vom 24.4.2009 (Bl. 194 Verwaltungsakte) befundete Prof. Dr. S., dass der Oberkörper des Klägers symmetrisch und ohne sichtbare Defizite bemuskelt sei. Insbesondere im Bereich der beiden Schultern bestünden gut trainierte Muskelverhältnisse. Es bestehe auch kein wesentliches Bewegungsdefizit der Schultern. Prof. Dr. S. ging davon aus, dass im Zeitraum 5.8.2004 bis 3.9.2004, 10.12.2004 bis 11.12.2004, 18.4.2006 bis 20.7.2006 sowie 26.4.2006 bis 15.8.2006 eine MdE von 100 vom Hundert sowie vom 20.7.2007 bis auf Weiteres eine MdE von 20 vom Hundert bestehe. Diese Einschätzung beruhe auf der positiven Apprehension und den positiven klinischen Instabilitätszeichen. Nachdem der beratende Facharzt der Beklagten das Gutachten hinsichtlich der Einschätzung der MdE für nicht ausreichend begründet hielt und die Beklagte sich daraufhin an den Gutachter wandte, änderte Prof. Dr. S. seine Einschätzung der MdE auf eine solche von 10 vom Hundert (Bl. 218 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 19. August 2009 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente ab. Die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch lägen beim Kläger nicht vor, weil seine Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 20 vom Hundert gemindert sei. Als Folgen des Versicherungsfalles anzuerkennen seien eine geringe Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der rechten Schulter nach operativ versorgter mehrfacher traumatischer Schulterverrenkung mit komplettem Abriss der vorderen Schulterpfanne (anteriore Bankartläsion) sowie ein Teilabriss der Knorpellippe am oberen Rand der Schulterpfanne (inkomplette SLAP-Läsion Typ III) rechts. Nicht anerkannt werde eine Distorsion des rechten Akromioclavikulargelenks.
Hiergegen erhob der Kläger am 12. September 2009 Widerspruch, zu dessen Begründung er ausführte, die Beklagte habe den unabhängigen Gutachter beeinflusst und dazu veranlasst, seine objektive Einschätzung der MdE von 20 vom Hundert zurückzunehmen. Das Gutachten sei daher nicht mehr verwertbar. Zugleich nehme die Beklagte ausschließlich auf die Verletzung vom … 2004 Bezug. Die weiteren Schulterverletzungen seien von der Beklagten nicht gewürdigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Gutachter habe bei der Begutachtung ein nahezu frei bewegliches Schultergelenk und keine Muskelminderung im Bereich des rechten Armes festgestellt. Angesichts dessen habe die Beklagte eine MdE von 20 vom Hundert nicht nachvollziehen können. Der Gutachter sei mit den Bedenken der Beklagten konfrontiert worden, habe daraufhin seine MdE-Einschätzung revidiert und auf 10 vom Hundert korrigiert. Maßgebend für die Feststellung der MdE seien Funktionsbeeinträchtigungen. Nachdem die Funktionsfähigkeit des betroffenen Schultergelenkes ärztlicherseits als sehr gut befunden worden sei, könne eine MdE von 20 vom Hundert nicht festgestellt werden. Die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Rechtebehelfsbelehrung wies auf eine Klagfrist von drei Monaten hin. Der Widerspruchsbescheid wurde sowohl an den Kläger als auch an den Korrespondenten des Klägers, Herrn D. am 17. Dezember 2009 abgesandt.
Am 19. März 2010 hat der zu diesem Zeitpunkt in Z. wohnhafte Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben.
Er trägt unter Beifügung eines Operationsberichtes vom 25.3.2010 sowie eines Befundberichts vom 28.9.2012 (Blatt 135 Gerichtsakte) ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vor, die Bewertung mit einer MdE von 20 vom Hundert, wie sie der von der Beklagten selbst ausgesuchte Gutachter zunächst ermittelt habe, überzeuge und entspreche den neuesten Bewertungskriterien. Er habe zudem weit häufiger Luxationen erlitten als die Beklagte es annehme. Im Jahr 2004 habe er 4-5, im Jahr 2005 ebenfalls 4-5 und im Jahr 2006 6-7 Dislozierungen erlitten. Nach der Operation in M. habe sich die Schulter gut und gesund angefühlt und er habe auf die bevorstehende Saison gewartet. Auch im Jahr 2007 habe sich die Schulter gut angefühlt, aber im Laufe seiner Vorbereitung auf die Spielsaison 2007/2008 bei den … habe er eine Subluxation erlitten, während er mit Freunden und seinem 5jährigen Cousin anlässlich einer Bootsfahrt („tube ride“) in Wellengang geraten sei. Dies habe er aus Angst vor einer Vertragslösung durch den Verein in W. dort nicht mitgeteilt und seine Schulter so gut wie möglich trainiert. Innerhalb eines Monats sei es aber wieder so schlecht gewesen wie vor der Operation. Die rechte Schulter sei im Jahr 2007 noch etwa 6-7 Mal und anfangs 2008 weitere 4-5 Male subluxiert. Im August 2008 sei er aber in „Topverfassung“ gewesen. Die Saison 2008/2009 habe er während der zehn von ihm abgeleisteten Spiele keine Schulterprobleme gehabt. Dies habe sich nach Vertragsunterzeichnung beim Verein in Z. verschlechtert. Allein in der Saison 2009/2010 sei es siebenmal zu Subluxationen gekommen (vgl. Bl. 169 Gerichtsakte), sodass im Jahr 2010 eine erneute Operation an der Schulter erforderlich geworden sei. Der Unterschied zwischen Schulterinstabilität und tatsächlicher Luxation sei ihm bekannt. Es bestehe aber ein enger Zusammenhang zwischen Luxation und Instabilität. Dies sei jedes Jahr und bei jedem Verein, bei dem er angeheuert habe, angesprochen worden. Seine Verträge hätten mehrfach auf der Kippe gestanden, da die Vereinsärzte Bedenken gehabt hätten. Aktuell habe er immer noch große Probleme in seiner Schulter und auch in der Nackenzone, so dass er nicht einmal einen Ball werfen könne. Die Beweglichkeit des betreffenden Armes sei stark eingeschränkt. Die Zahl der stattgehabten Luxationen rechtfertige eine Bewertung der MdE mit wenigstens 20 vom Hundert. Er könne aufgrund langjähriger Erfahrung als Eishockeyspieler zahlreiche Spieler benennen, die mit einer Unfallrente der Beklagten nach einer MdE von 20 oder 30 vom Hundert weiterhin auf höchstem Niveau Eishockey spielten oder gespielt hätten. Er sei seit der Operation in M. nicht mehr in der Lage, kräftigende und stabilisierende Übungen für den Schultergürtel und die rechte Schulter durchzuführen. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des Klägers wird insbesondere auf dessen Schriftsatz vom 21.11.2014 (Bl. 182 ff. Gerichtsakte) verwiesen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß, die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 19. August 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2009 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide. Die gutachterlichen Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Bemuskelung des Klägers als gut einzustufen sei. Ohne fortgeführtes Muskeltraining hätte die Muskulatur nicht in dieser Form beibehalten werden können. Gegen eine Schwächung der Muskulatur spreche zudem der Umstand, dass es dem Kläger trotz strenger sportärztlicher Untersuchungen gelungen sei, neue Verträge abzuschließen. Der Kläger selbst habe gegenüber Prof. Dr. S. angegeben, dass er regelmäßig Situationen erlebe, in denen er eine erneute Luxation der Schulter befürchte, es jedoch bisher nicht zu einer Re-Luxation gekommen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger versuche, sämtliche Instabilitäten als Luxationen darzustellen. Entscheidend sei die Zahl der stattgehabten Luxationen sowie, ob die Instabilität eine eingeschränkte Beweglichkeit der Schulter zur Folge habe.
Das Gericht hat Befund- und Behandlungsberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Darüber hinaus hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. N. auf orthopädischem Fachgebiet vom 30.3.2012 (Bl. 76 ff. Gerichtsakte), zu welchem der Sachverständige am 21.2.2014 schriftlich ergänzend Stellung genommen hat (Bl. 156 ff. Gerichtsakte).
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 22.6.2015 (Bl. 207 Gerichtsakte) und vom 25.6.2015 (Bl. 206 Gerichtsakte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig.
Das Sozialgericht Hamburg ist örtlich zuständig. Gemäß § 57 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat, falls der Kläger seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Ausland hat. Dies führt hier zur Zuständigkeit des Sozialgerichts Hamburg, da der Kläger seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Klagerhebung in K. hatte und die Beklagte ihren (Haupt-)Sitz in Hamburg (§ 1 Abs. 1 Satzung der Beklagten). Das Rubrum war entsprechend zu berichtigen, da es sich bei der dort zuvor angegebenen Adresse um die einer unselbstständigen Bezirksverwaltung der Beklagten handelte.
Auch im Übrigen ist die Klage zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden. Es kann offen bleiben, ob für sie gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG die einmonatige oder gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGG die dreimonatige Klagefrist galt. Einiges spricht hier für die Geltung der dreimonatigen Klagfrist. Der Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2009 dürfte im Ausland bekanntzugeben gewesen sein, denn der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides seinen Wohnsitz nicht im Bundesgebiet, sondern in K … Es ist zudem zweifelhaft, ob es sich bei dem in Köln ansässigen Herrn D., dessen Diensten sich der Kläger im Rahmen der Behördenkorrespondenz bediente und bedient, um den Bevollmächtigten des Klägers im Sinne des § 13 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) – fraglich wäre bereits, ob Herr D. nach den Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes bzw. Rechtsdienstleistungsgesetzes zur Vertretung befugt wäre – oder um einen Empfangsbevollmächtigten im Sinne von § 14 SGB X – eine Aufforderung zur Bestellung eines solchen durch die Behörde ist nicht erfolgt – handelt. Gälte die dreimonatige Klagfrist, wäre die am 19. März 2010 erhobene Klage innerhalb von drei Monaten und damit rechtzeitig bei Gericht eingegangen. Für die Geltung der einmonatigen Klagfrist könnte dagegen sprechen, dass der Kläger Herrn D. offensichtlich als seinen (Empfangs-)Bevollmächtigten angesehen (vgl. Bl. 231 Verwaltungsakte) und die Beklagte ihm sowohl den Bescheid als auch den Widerspruchsbescheid zugestellt hat (Bl. 227, 245 Verwaltungsakte). Eine Zurückweisung des Herrn D. als Bevollmächtigter seitens der Beklagten gemäß § 13 Abs. 5 SGB X ist ebenfalls nicht erfolgt. Sähe man Herrn D. deswegen als Bevollmächtigten des Klägers an, wäre von einer einmonatigen Klagfrist auszugehen. Diese Frist wäre aber gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG auf ein Jahr zu verlängern, denn die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid wäre unrichtig erteilt worden. Die Jahresfrist gilt auch dann, wenn in einer Rechtsbehelfsbelehrung eine zu lange Klagfrist angegeben wird (BSG, Urt. v. 28.5.1991 – 13/5 RJ 48/90, BSGE 69, 9; BSG, Beschl. v. 2.3.1995 – 7 Bar 196/94, SozR 3-1500 § 66 Nr. 3; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer [Hrsg.], SGG, 11. Aufl. 2014, § 66 Rn. 9a). Statt einer einmonatigen Klagfrist wies diese explizit eine dreimonatige Klagfrist aus. Die Jahresfrist wurde – ebenso wie die Dreimonatsfrist – durch Erhebung der Klage am 19. März 2010 gewahrt.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. August 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente.
Gemäß § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) gewährt der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) näher bezeichnete Leistungen, unter anderem Heilbehandlung oder Geldleistungen, zu denen die Verletztenrente zu zählen ist.
Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VII wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer MdE wird gemäß § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, die dem Grad der MdE entspricht.
Voraussetzung für eine Rentengewährung ist – wie aus dem Wortlaut des § 56 SGB VII („infolge eines Versicherungsfalls“) ersichtlich –, dass die zur Begründung der MdE geltend gemachten Gesundheitsstörungen in kausaler Art und Weise auf einen Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung zurückzuführen sind (Holtstraeter in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann [Hrsg.], Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, SGB VII, § 56 Rn. 2 f.).
Versicherungsfälle der gesetzlichen Rentenversicherung sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit – gesetzlich definiert als versicherte Tätigkeit. Der Begriff des Unfalls wird in § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII definiert als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt.
Ein Gesundheitsschaden im Sinne des § 8 SGB VII ist jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand (BSG, Urteil vom 18.12.1962 – 2 RU 189/59, BSGE 18, 173). Der Vorgang der Gesundheitsschädigung umfasst somit jedes Hervorrufen oder Steigern eines von den normalen körperlichen oder psychischen Funktionen nachteilig abweichenden Zustands, auch ohne damit verbundene Schmerzen. Eingeschlossen sind sowohl Schäden auf dem Gebiet des Körperlich-Organischen als auch Vorgänge im Bereich des Psychischen und Geistigen. Ein Ausprägungsgrad des Gesundheitsschadens bestimmter Art ist angesichts des Gesetzeswortlauts nicht erforderlich (Mehrtens in: Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 8 Rn. 11.5 [2015]).
Zur Begründung eines Arbeitsunfalls ist es von Gesetzes wegen erforderlich, dass zwischen einer nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit und dem Unfall, sowie zwischen dem Unfall und dem Körper- bzw. Gesundheitsschaden jeweils ein Ursachenzusammenhang besteht. Dies ergibt sich aus der Verwendung der Formulierung „die zu führen“ in § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Die gesetzliche Unfallversicherung soll ihrem Sinn und Zweck nach nur für solche Gesundheitsschäden Ersatz leisten, die eine Konkretisierung des versicherten Risikos darstellen und nicht dem privaten Lebensbereich zuzurechnen sind. Es ist das Vorliegen drei rechtlicher Kausalverbindungen notwendig:
– Zwischen derjenigen Tätigkeit, welche den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet (versicherte Tätigkeit) und der unfallbringenden Tätigkeit muss ein innerer Zusammenhang bestehen.
– Der Unfall muss infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten sein, sog. haftungsbegründende Kausalität,
– Der ursächliche Zusammenhang ist auch für die Frage nach den Folgen des Versicherungsfalls von Bedeutung. Ein Folgeschaden muss auf dem Erstschaden beruhen, sog. „haftungsausfüllende Kausalität“ (vgl. Preis in: Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 566). Eine Unfallkausalität geklagter gesundheitlicher Beschwerden kann nicht aus einem rein zeitlichen Zusammenhang abgeleitet werden. Der Satz „Vor dem Unfall bestanden keine Beschwerden; also muss Alles, was nach dem Unfall geschehen ist, auf dem Unfall beruhen“, ist zur Feststellung einer Unfallursächlichkeit ungeeignet. Statt einer Anknüpfung an die Begriffe „davor“/“danach“ ist zu fragen, ob die geklagten Gesundheitsstörungen „mit“ oder „ohne“ den Unfall eingetreten sind.
Die anspruchsbegründenden Tatsachen (u.a. versicherte Tätigkeit, äußeres Ereignis, Schaden) sind mit dem sog. Vollbeweis, d.h. zur Überzeugung des Gerichts, nachzuweisen. Allein für die vom Gesetz geforderten Ursachenzusammenhänge (Unfallkausalität, haftungsbegründende und -ausfüllende Kausalität) wird die sog. hinreichende Wahrscheinlichkeit als Maßstab für genügend erachtet (h.M., vgl. stellvertretend Ziegler in: Becker/Franke/Molkentin [Hrsg.], SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 18 f.).
Ausgehend hiervon, ist das Gericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Mitberücksichtigung des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten sowie aufgrund der Beweisaufnahme (§ 128 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) nicht davon überzeugt, dass die Folgen des von der Beklagten zu berücksichtigenden Arbeitsunfalls bzw. der Arbeitsunfälle des Klägers mit einer MdE von mehr als 10 vom Hundert zu bewerten sind.
Am …2004 erlitt der Kläger – während der Wahrnehmung vertraglich geschuldeter Trainingseinheiten und Spiele des Vereins nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes unfallversichert (vgl. BSG, Urt. v. 13.11.2012 – B 2 U 27/11 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 45) – eine Aus- bzw. Verrenkung der rechten Schulter (Schulterluxation), die unter Berücksichtigung der kernspintomographischen Befunde mit Nachweis einer Impressionsfraktur am rückseitigen Oberarmkopf (Bankart-Läsion) sowie Ablösung von Labrumanteilen als traumatisch entstanden aufzufassen ist. Dokumentiert sind darüber hinaus als aufgrund eines Anpralls entstanden zu qualifizierende Schulterluxationen am 10. Dezember 2004 sowie am …2006, für die ebenfalls Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bestand.
Das Gericht folgt hinsichtlich dieser medizinischen Feststellungen den in sich schlüssigen und für das Gericht nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.3.2012, zu welchem der Sachverständige am 21.2.2014 ergänzend Stellung genommen hat. Der Sachverständige ist dabei vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Für die Richtigkeit dieser Feststellungen spricht, dass er sich mit allen im Zeitpunkt der Begutachtung verfügbaren Befund-, Behandlungs- und Operationsberichten betreffend den Kläger ausführlich auseinandergesetzt und bei der Bewertung des Sachverhalts entsprechend medizinischer Üblichkeit zwischen echten Schulterluxationen – derer aktenkundig nur drei festzustellen sind – und Schultersubluxationen differenziert hat.
Für den Kläger ergibt sich hieraus hinsichtlich der Bewertung des Gesundheitsschadens unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte, wie sie in der medizinisch-juristischen Fachliteratur und Rechtsprechung wiedergespiegelt werden, keine zur Überzeugung des Gerichts feststellbare höhere MdE als die von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden festgelegte.
Die Rentenbegutachtung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Kern eine Begutachtung von Funktionseinschränkungen, die unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat (BSG, Urt. v. 17.1.1958 – 10 RV 102/56, BSGE 6, 267). Bei der Bemessung der MdE handelt es sich – entgegen der von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung – um eine Rechtsfrage (Pawlak in: Hennig [Hrsg.], SGG, § 118 Rn. 104; Roller in: Lüdtke [Hrsg.], SGG, 4. Aufl. 2012, § 118 Rn. 19; vgl. nochmals BSG, Urt. v. 17.1.1958 – 10 RV 102/56, BSGE 6, 267). Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wie auch die Gerichte sind nicht an die Schätzung eines Sachverständigen gebunden. Dies belässt einem Sachverständigen jedoch die Möglichkeit, dem Gericht Vorschläge zur Einschätzung der MdE unterbreiten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer [Hrsg.], SGG, 11. Aufl. 2014, § 118 Rn. 11a; Leopold in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 118 Rn. 80). Nicht maßgeblich bei der Bewertung der MdE ist, wie die Aussichten eines Verletzten sind, seine bisherige Tätigkeit weiter auszuüben. Vielmehr kommt es im Grundsatz nach dem Wortlaut des Gesetzes auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens, d.h. dem allgemeinen Arbeitsmarkt, an. Dieser umfasst sämtliche denkbaren Tätigkeiten (vgl. Kostorz, Die Verweisung im Recht der Sozialversicherung, 2002, S. 69).
Ausgehend hiervon wäre die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenkes im sich an die Operation im Klinikum Bogenhausen am 27. April 2006 anschließenden Zeitraum mit 0 vom Hundert, maximal aber mit 10 vom Hundert zu bewerten, denn im Bericht über eine dortige Vorstellung des Klägers am 20. Juli 2007 wird ausgeführt, es sei von einer Stabilität der rechten Schulter ohne Bewegungsschmerzen auszugehen. Berücksichtigt man zudem die seinerzeit weitgehend normalen Bewegungsverhältnisse der rechten Schulter, ist davon auszugehen, dass die rechte Schulter sich als belastbar gezeigt hat. Dies wird bestätigt durch die Schilderung des Klägers selbst, welche er zuletzt im gerichtlichen Verfahren zur Akte gereicht hat. Dort beschreibt der Kläger, dass er nach der Operation in M. bis zu einem privaten Ereignis während einer Bootsfahrt im Jahr 2007 keine Beschwerden in der rechten Schulter verspürt hat. Relevante Einschränkungen hätten sich nicht mehr gezeigt. Erst danach habe sich der Zustand wesentlich verschlechtert bis es – nach dem Empfinden des Klägers – so schlecht gewesen sei wie vor der Operation im Klinikum M …
Eine Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung der rechten Schulter des Klägers im gesamten Erwerbsleben mit maximal 10 vom Hundert findet sich auch in der Aussage des Sachverständigen Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.3.2012. Dieses Ergebnis hat der mit unfallversicherungsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen sehr vertraute Sachverständige selbst unter Berücksichtigung des Umstandes gefunden, dass die vordere Instabilität des rechten Schultergelenkes – ex post betrachtet – durch die Operation im Krankenhaus M. nicht vollständig beseitigt werden konnte. Der Sachverständige hat aber zutreffend berücksichtigt, dass weitere Schulterluxationen als die drei aktenkundigen nicht dokumentiert sind. Unter Zugrundelegung dessen ist eine Bewertung der Unfallfolgen mit einer MdE von mindestens 20 vom Hundert hier nicht zu rechtfertigen.
Für die hier streitgegenständliche Bewertung der MdE kann das Gutachten des von der Beklagten eingeschalteten Prof. Dr. S. nur eingeschränkt verwertet werden. Die von Prof. Dr. S. erhobenen Feststellungen zur Beweglichkeit sowie zur Stabilität des rechten Schultergelenkes erfolgten im Jahr 2009 und damit zu einem Zeitpunkt, in welchem die deutschen Rechtsvorschriften – wie noch ausgeführt wird – nicht mehr für den Kläger galten. Die von Prof. Dr. S. festgestellten Messergebnisse könnten durch spätere Ereignisse beeinflusst sein. Sie spiegeln nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis den Gesundheitszustand der rechten Schulter des Klägers wieder, in dem sie sich zum Wechsel des Klägers zum Verein A. in S. befunden hat. Allerdings wies die Bemuskelung des Klägers selbst im Jahre 2009 keine sichtbaren Defizite auf. Vielmehr zeigte sich eine gut trainierte Muskelpartie. Eine Impingementsymptomatik konnte selbst 2009 nicht festgestellt werden. Unabhängig davon spricht die – trotz der möglicherweise zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung – vom Gutachter letztlich befürwortete Bewertung der MdE mit 10 vom Hundert gegen die Annahme einer MdE von mindestens 20 vom Hundert im Zeitpunkt, in welchem der Kläger das Bundesgebiet zwecks Aufnahme der Beschäftigung in S. verlassen hat.
Diese Bewertung der MdE durch das Gericht unter Berücksichtigung der Sachverständigenaussage sowie des vorgerichtlich durch die Beklagte eingeholten Gutachtens wird bestätigt durch die in der medizinisch-juristischen Fachliteratur gefundenen Erfahrungswerte. Bewegungseinschränkungen einer Schulter werden dort zum Teil (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 523) für das Vorwärts-/Seitwärtsheben bis 90° mit einer MdE von 20 vom Hundert, für das Vorwärts-/Seitwärtsheben bis 120° mit einer MdE von 10 vom Hundert und eine konzentrische Bewegungseinschränkung um insgesamt die Hälfte mit einer MdE von 25 vom Hundert bewertet. Gewohnheitsmäßige Schulterverrenkungen sind je nach Häufigkeit der Rezidive mit einer MdE von 10-30 vom Hundert zu bewerten (diese typischen Ergebnisse vertritt auch Holtstraeter in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann [Hrsg.], Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, SGB VII, § 56 Rn. 20; vgl. Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Aufl. 2010, S 159: gewohnheitsmäßige Schulterluxationen – MdE: 20 v.H.). Von einer gewohnheitsmäßigen Schulterluxation kann mit Blick auf den hier zu beurteilenden Fall indes nicht ausgegangen werden, denn bis der Kläger das Bundesgebiet im Jahr 2006 verlassen hat, sind lediglich drei echte Luxationen aktenkundig geworden. Die von Prof. Dr. S. im Auftrag der Beklagten im Jahr 2009 erhobenen Messwerte können aufgrund der möglicherweise zwischen 2006 und 2009 eingetretenen privaten wie beruflichen Ereignisse nicht ohne Weiteres herangezogen werden. Vielmehr bedarf es der Heranziehung weiterer Faktoren.
Die vom Kläger zur Begründung einer MdE von 20 vom Hundert herangezogene Publikation (Mazzotti/Castro/Steinbeck in: Obere Extremität 2007, Heft 2, S. 168-173, Bl. 103 ff. Gerichtsakte) führt nicht zu einer anderen Bewertung der MdE. Danach setzt die Feststellung einer MdE von 20 vom Hundert in der gesetzlichen Unfallversicherung – entsprechend 2/10 bis 3/10 Armwert in der privaten Unfallversicherung – voraus, dass sich 2 bis 10 Luxationen pro Jahr ereignen, eine Apprehension bereits bei einer Flexion ab 60° vorliegt und eine Muskelminderung des Schultergürtels gegeben ist. Die MdE ist den Autoren des Aufsatzes zufolge mit 10 vom Hundert – entsprechend 1/10 Armwert – anzusetzen, falls nur 1 bis 2 Luxationsereignisse im Jahr, eine Apprehension bei Flexion über 90° sowie eine fehlende Muskelminderung vorliegen. Diese Voraussetzungen müssen bei der Bewertung der MdE kumulativ vorliegen; in anderen Worten: Der Nachweis einer erstgradigen ventrokaudalen Instabilität, ohne dass es nicht auch zu einer echten Schulterluxationen gekommen ist, oder einer Apprehension bei bestimmtem Flexionswinkel stellen je für sich betrachtet keine hinreichende Grundlage dar, um die Annahme einer MdE von 20 vom Hundert auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu rechtfertigen. An einem kumulativen Vorliegen der genannten Voraussetzungen fehlt es hier jedoch. Selbst unter Zugrundelegung der – wie dargestellt – möglicherweise zu Gunsten des Klägers ausgefallenen Messergebnisse im Rahmen der 2009 durchgeführten Untersuchung des Klägers durch Prof. Dr. S. lässt sich eine MdE von 20 vom Hundert unter Bezugnahme auf die Publikation von Mazzotti/Castro/Steinbeck nicht rechtfertigen, da es eventuell an einer Häufigkeit von mehr als ein bis zwei Luxationsereignissen pro Jahr, insbesondere aber am Nachweis einer Muskelminderung fehlt. Vielmehr hat sich die Muskulatur des Klägers selbst im Jahr 2009 beidseitig als kräftig und gut trainiert dargestellt. Für die Richtigkeit dieses Befundes spricht, dass es dem Kläger – wie von ihm selbst dargelegt – trotz intensiver sportärztlicher Untersuchungen vor jedem neuen Vertragsabschluss mehrfach gelungen ist, neue Beschäftigungsverhältnisse bei verschiedenen Eishockeyvereinen eingehen zu können. Die Bewertung der MdE mit 10 vom Hundert wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass dem Kläger nach eigenen Angaben Überkopfbelastungen aufgrund eines Instabilitätsgefühls beidseits nicht möglich seien. Das bloße Gefühl einer Instabilität belegt nicht das Vorliegen einer echten Schulterluxation. Dies weiß der Kläger aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Eishockeyspieler selbst.
Eine Erhöhung der so gefundenen MdE gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII ist nicht vorzunehmen. Nach dieser Vorschrift werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die Versicherte dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzen ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Diese Norm wird in der ständigen Praxis der Behörden und Gerichte, welcher sich das erkennende Gericht nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage anschließt, restriktiv ausgelegt. So reicht es nicht aus, dass der Versicherte seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann (st. Rspr. seit BSG, Urt. v. 25.8.1965 – 2 RU 52/64, BSGE 23, 253). Nachteile im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII liegen vielmehr erst dann vor, wenn sich die Verletzung derart auswirkt, dass einem sehr spezifischen Lebensberuf nicht mehr nachgegangen werden kann, dessen Ausübung dem Versicherten aufgrund seiner Dauer und Intensität oder aber aufgrund besonderer Begabung nicht nur spezielles Fachwissen, sondern auch besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt hat, und der Verletzte dadurch Einbußen in finanzieller und sozialer Hinsicht hinnehmen muss. Ferner muss dem Versicherten ein Ausgleich dieser Nachteile durch die Nutzung anderweitiger – unter Umständen zu erwerbender – beruflicher Qualifikationen unzumutbar sein (vgl. BSG, Urt. v. 4.12.1991 – 2 RU 47/90, BSGE 70, 47; Ricke in: Körner/Leitherer/Mutschler [Hrsg.], Kasseler Kommentar Sozialversicherung, SGB VII, § 56 Rn. 29 [2014]; Kostorz, Die Verweisung im Recht der Sozialversicherung, 2002, S. 70 f.). Davon ist im hier zu beurteilenden Fall nicht auszugehen. Dem Kläger war es trotz seiner Schulterluxation(en) möglich, im Anschluss an sie und an die Schulteroperation in M. noch mehrere Saisons als Profi-Eishockeyspieler tätig zu sein. Ein finanzieller Abstieg nach den in Deutschland stattgehabten Unfällen ist nicht zu erkennen. Auch ein sozialer Abstieg ist nicht ersichtlich, denn letztlich ist es dem Kläger zumutbar gelungen, aus der Position eines Spielers in die eines Sportdirektors bei seinem aktuellen Verein in Z. zu wechseln, in welcher er seine während der Spielerzeit gesammelten Erfahrungen und Fähigkeiten einsetzen kann, z.B. bei der Rekrutierung neuer Spieler für den Verein (vgl. Bl. 198 Gerichtsakte).
Weitere Ereignisse als die bis zum Verlassen des Bundesgebiets nach Beendigung der Spielsaison 2005/2006 und nach Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis außerhalb des Bundesgebiets anlässlich des Wechsels zur … Eishockeymannschaft A. in S. im Jahr 2006 eingetretenen sind nicht mehr im Rahmen der deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zu berücksichtigen, denn ab diesem Zeitpunkt fehlt es zum einen an einer Anwendbarkeit deutscher Rechtsvorschriften und zum anderen im Ergebnis an einer Entschädigungspflicht der deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung für spätere relevante Ereignisse, da diese nicht nachgewiesen sind.
Das auf einen Sachverhalt mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Europäischen Union anwendbare Sachrecht ist gemäß den Vorschriften der nach Art. 87 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens am … 2004 und damit der Entstehung eines eventuellen Anspruchs bis zum 30. April 2010 zeitlich anwendbaren VO (EWG) Nr. 1408/71 zu ermitteln (vgl. EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – C-522/10 [Reichel-Albert], ZESAR 2012, 483). Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung (Art. 4 VO [EWG] Nr. 1408/71) ist hier eröffnet, denn die Beteiligten streiten über Leistungen wegen Arbeitsunfällen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. e VO (EWG) Nr. 1408/71. Auch der persönliche Anwendungsbereich der Wanderarbeitnehmerverordnung (Art. 2 VO [EWG] Nr. 1408/71) ist vorliegend eröffnet, denn der Kläger ist als Arbeitnehmer anzusehen. Arbeitnehmer ist gemäß der in Art. 1 lit. a) i) VO (EWG) Nr. 1408/71 enthaltenen Definition jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems sozialer Sicherheit für Arbeitnehmer erfasst ist, pflichtversichert ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wie sich aus der aufgrund partieller Zirkelschlüssigkeit der Definition vorzunehmenden hypothetischen Prüfung (dazu Eichenhofer in: Fuchs [Hrsg.], Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl. 2005, VO 1407/71, Art. 1 Rn. 11) aus der Beschäftigung als Eishockeyspieler ergibt. Die in Art. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 enthaltene Einschränkung, die Verordnung gelte nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, steht dem nicht entgegen. Der Kläger ist zwar – soweit ersichtlich – seit Geburt US-amerikanischer Staatsangehöriger kraft dort geltenden ius soli. Dies schließt ihn indes nicht von einer Einbeziehung in das koordinierende Sozialrecht der Europäischen Union aus, denn dieses findet gemäß Art. 1 der seit 1. Juni 2003 geltenden VO (EG) Nr. 859/2003 (seit dem 1.1.2011 inhaltlich übereinstimmend abgelöst durch Art. 1 VO [EU] Nr. 1231/2010) auch auf Drittstaatsangehörige Anwendung, sofern die betreffende Person über ein Aufenthaltsrecht in der Europäischen Union verfügt und ein grenzüberschreitender Sachverhalt innerhalb der Europäischen Union verwirklicht wird. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, weil der Kläger in der Europäischen Union offensichtlich einen rechtmäßigen Aufenthalt und eine „Wanderbewegung“ innerhalb der Europäischen Union vollzogen hat. Er hat seinen Beschäftigungsort von Deutschland aus zunächst nach S., von dort aus nach Ö., anschließend nach – in der Spielsaison 2009/2010 noch nicht EU-Mitgliedstaat –K., dem folgend wieder zurück in das Gebiet der Europäischen Union ( …) und schließlich wieder nach K. – seit 1.7.2013 EU-Mitgliedstaat – verlegt.
Die Feststellung eines Arbeitsunfalls sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen dafür richten sich gemäß der allgemeinen Regel in Art. 13 Abs. 2 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71 (mit Wirkung vom 1.5.2010 für die zu diesem Datum der EU angehörenden Mitgliedstaaten inhaltlich identisch in Art. 11 Abs. 3 lit. a VO [EG] Nr. 883/2004 geregelt, seit dem 1.7.2013 auch in K., siehe Bourauel/Nagel/Petersen, Soziale Sicherheit in Europa – Rentenversicherung, 2. Aufl. 2013, S. 270) nach den Rechtsvorschriften desjenigen Mitgliedstaates, in dem die betroffene Person beschäftigt ist. Eine Person unterliegt damit in ein und demselben Zeitpunkt nur den Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaates (Art. 13 Abs. 1 VO [EWG] Nr. 1408/71, seit 1.5.2010 inhaltlich übereinstimmend geregelt in Art. 11 Abs. 1 VO [EG] Nr. 883/2004). Nach diesen Vorschriften richten sich sämtliche Rechtsverhältnisse mit Bezug zur Sozialversicherung einschließlich der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Leistungsberechtigung (vgl. Leopold in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching [Hrsg.], BeckOK-Sozialrecht, VO 883/2004, Art. 11 Rn. 20 [2015]; Schreiber in: Schreiber/Wunder/Dern [Hrsg.], VO 883/2004, 2012, Vor Art. 11 Rn. 2; Eichenhofer, Sozialrecht der Europäischen Union, 5. Aufl. 2013, Rn. 147). Mit dem Wechsel des Beschäftigungsortes/-staates tritt ein sogenannter „Statutenwechsel“ ein, d.h. das auf einen Sachverhalt anwendbare Rechtsregime ändert sich für die betroffene Person. Dem folgend besteht mit Blick auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt grundsätzlich keine Berücksichtigungsfähigkeit von auf ausländischem Territorium eingetretenen Ereignissen nach erfolgtem Statutenwechsel, denn in Anwendung der Vorschriften über das anwendbare Recht unterlag die Leistungsberechtigung des Klägers ab dem Wechsel zum Verein A. in S. nach der Saison 2005/2006 in S. und vor allem nach der weitgehend erfolgreichen Operation in M. nicht mehr den Rechtsvorschriften Deutschlands, sondern nacheinander denen S.s, Ö.s, nach einem Zeitraum der Nichtgeltung der VO (EWG) Nr. 1408/71 für den Kläger während der Saison 2009/2010 in Z. –K. war bis zum 30.6.2013 nicht Mitgliedstaat der EU – wieder denen … und schließlich erneut denen …, da er in diesen Staaten jeweils bei einem Eishockeyclub/-verein abhängig beschäftigt gewesen ist.
Für den Kläger ergibt sich aus der speziellen und ihm prinzipiell günstigen Zuordnungsregel in Art. 61 Abs. 6 VO (EWG) Nr. 1408/71 (mit Geltung ab dem 1.5.2010 als Tatbestandsgleichstellung allgemein in Art. 5 VO [EG] Nr. 883/2004 übernommen) kein anderes Ergebnis. Nach dieser Vorschrift hat der zuständige Träger eines Mitgliedstaates, in dessen Rechtsvorschriften ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehen ist, dass bei der Bemessung des Grades der Erwerbsminderung, der Begründung des Leistungsanspruchs oder der Festsetzung des Leistungsbetrags später eingetretene oder festgestellte Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten zu berücksichtigen sind, auch die später nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates eingetretenen oder festgestellten Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten zu berücksichtigen, als ob sie unter den für ihn geltenden Rechtsvorschriften eingetreten oder festgestellt worden wären. Dies wird allerdings unter zwei Voraussetzungen gestellt: – Nach den für den zuständigen Träger geltenden Rechtsvorschriften bestand für die früher eingetretenen Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten kein Leistungsanspruch – Es besteht für die später eingetretenen oder festgestellten Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten kein Leistungsanspruch gemäß den Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats, nach denen der Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit eingetreten oder festgestellt wurde.
Zuständiger Träger war und ist in Anwendung der Legaldefinition des Art. 1 lit. o VO (EWG) Nr. 1408/71 der Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland – hier: die Beklagte. Die für sie geltenden Rechtsvorschriften – hier: vorrangig die des SGB VII – sehen die Berücksichtigungsfähigkeit späterer Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten in §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 73 SGB VII vor. Erfüllt ist zudem die Voraussetzung, dass die früheren Arbeitsunfälle – hier: die Schulterluxationen am … 2004, 10. Dezember 2004 und … 2006 – zu keinem Leistungsanspruch geführt haben, da sie – wie oben anstehend aufgezeigt – nach der Operation im Klinikum M. bestenfalls mit einer MdE von 10 vom Hundert zu bewerten waren. Die Rechtsfolge des Art. 61 Abs. 6 VO (EWG) Nr. 1408/71 kann dennoch nicht eintreten, da es an dessen letzter Voraussetzung fehlt.
Dabei kann dahinstehen, ob der Eintritt oder die Feststellung eines „Arbeitsunfalls“ unter Geltung der … Rechtsordnung eventuell deswegen nicht festgestellt werden könnte, weil S. über kein eigenständiges System der gesetzlichen Unfallversicherung verfügt und „Arbeitsunfälle“ durch das staatliche System der Kranken- und Rentenversicherung abgedeckt werden (www.sozialkompass.eu unter: „S.“), denn hierüber würde die Anwendung des Art. 61 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 hinweghelfen. Es kann auch dahinstehen, dass sowohl das Versicherungssystem S. als auch das Ö. – letzteres entspricht weitgehend dem deutschen (vgl. die Länderdarstellung unter: www.sozialkompass.eu) und war spätestens mit Aufnahme der Beschäftigung beim Verein V. zuständig – gemäß Art. 61 Abs. 5 VO (EWG) Nr. 1408/71 gleichermaßen dazu berufen gewesen wären, bei Eintritt eines Arbeitsunfalls früher eingetretene oder festgestellte Arbeitsunfälle – hier: die in Deutschland stattgehabten – mit zu entschädigen, da Absatz 5 und Absatz 6 des Art. 61 VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht in einem Vorrang-/Nachrangverhältnis stehen. Doppelleistungen wäre durch eine – unionsrechtskonforme – Anwendung des § 98 SGB VII Rechnung zu tragen.
Die Beklagte hat aber deswegen keine aus Art. 61 Abs. 6 VO (EWG) Nr. 1408/71 folgende Entschädigungslast zu tragen, da nicht erwiesen ist, dass es unter Geltung der slowenischen oder österreichischen Rechtsvorschriften zu einem berücksichtigungsfähigen Arbeitsunfall an der rechten Schulter gekommen ist. Die Schulter des Klägers stellte sich sowohl nach dessen eigenen Schilderungen als auch nach den Befund- und Behandlungsberichten der den Kläger operierenden Ärzte nach der Operation in M. als beschwerdefrei und stabil, d.h. als belastbar dar. Die nachfolgend stattgehabten Episoden einer Schulterinstabilität können nicht mit Erfolg als Verschlimmerung eines in Deutschland geschehenen Arbeitsunfalls dargestellt werden. Der Kläger selbst hat angegeben, sich im Jahr 2008 in „Topverfassung“ befunden zu haben. Ihm war der Abschluss neuer Spielerverträge möglich. Die Bemuskelungsverhältnisse der Schulter haben sich selbst im Rahmen der Untersuchung durch Prof. Dr. S. im Jahr 2009 als gut erwiesen. Anderweitige Hinweise auf einen Arbeitsunfall an der rechten Schulter bestehen nicht. Die vom Kläger geschilderte Schulterluxation im Jahr 2007 hat sich anlässlich einer privaten Aktivität und ohne Zusammenhang mit der Arbeit als Eishockeyspieler ereignet. Zudem erfolgte – soweit ersichtlich – keine aufgrund Schriftform oder auf andere Weise nachvollziehbare ärztliche Feststellung dieses Ereignisses, da es dem Kläger nach eigenen Angaben gerade darum ging, diese Verletzung gegenüber dem Verein in W. nicht zu offenbaren, weil er anderenfalls mit einer Vertragsauflösung dort rechnete. Bei den vom Kläger für den nachfolgenden Zeitraum bis August 2008 behaupteten Dislozierungen der Schulter handelte es sich nach eigenen Angaben des Klägers lediglich um Subluxierungen – denen keine Bedeutung beizumessen wäre –, nicht hingegen um echte Schulterluxationen. Zudem liegen hierüber keine ärztlichen Feststellungen vor. Ein Zusammenhang mit der Arbeit des Klägers ist ebenfalls nicht nachgewiesen. Angesichts dessen fehlt es an für den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland verwertbaren Hinweisen oder medizinischen Feststellungen über stattgehabte Arbeitsunfälle in S. und Ö … Zugleich ist es aus Sicht des Gerichts nicht hinreichend wahrscheinlich, dass es sich um Arbeitsunfälle handelte, da schon nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass sich nachfolgende Ereignisse im Bereich der rechten Schulter noch in rechtlich wesentlicher Art und Weise auf die Arbeitsunfälle in Deutschland zurückführen lassen, denn der Kläger hat sich in M. weitgehend erfolgreich operieren lassen und erst ein etwa ein Jahr danach (2007) eingetretenes privates Ereignis ist Auslöser einer erneuten Schulterausrenkung gewesen.
Aus der Spielzeit des Klägers in der zweiten … Eishockey-Liga sind keine Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit der rechten Schulter bekannt oder vom Kläger selbst geschildert geworden. Der Kläger hat insoweit angegeben, während des Spielens „Kontakt“ mit anderen Spielern vermieden zu haben. Das Gericht musste sich angesichts dessen nicht gedrängt fühlen, Ermittlungen zu Arbeitsunfällen während des zweiten Aufenthalts in Ö. von Amts wegen einzuleiten. Zudem ist fraglich, ob nach dem zwischenzeitlichen Aufenthalt des Klägers außerhalb der EU die VO (EWG) Nr. 1408/71 überhaupt anwendbar ist.
Die Berücksichtigungsfähigkeit weiterer Unfallereignisse, insbesondere solcher während der Spielsaison 2009/2010 in Z., mit der Folge einer höheren Bewertung der MdE und ggf. daraus folgend einer Rentengewährung nach deutschen Rechtsvorschriften ergibt sich für den Kläger auch nicht aus zwischenstaatlichem Recht. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik K. über soziale Sicherheit vom 24.11.1997 (BGBl. II, S. 2034; im Folgenden: DKSVA), welches bis zum Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 883/2004 am 1. Juli 2013 im Verhältnis zwischen Deutschland und K. galt (vgl. Art. 8 VO [EG] Nr. 883/2004), hatte zwar die Anerkennung von Ereignissen und deren Gleichstellung auf dem Gebiet der Unfallversicherung zum Gegenstand (vgl. Art. 2 Abs. 1 DKSVA). Es bezog allgemein auch Drittstaatsangehörige, d.h. Staatsangehörige eines Nichtvertragsstaates (alle Staaten außer Deutschland und K.), in seinen persönlichen Anwendungsbereich mit ein (Art. 3 Nr. 3 DKSVA). Von der Gleichstellung der Hoheitsgebiete und damit der Möglichkeit zur Berücksichtigung von Ereignissen in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung, die nicht in Deutschland, sondern auf dem Hoheitsgebiet K.s stattgefunden hatten, wurde für Zwecke der Rentengewährung indes eine Ausnahme von der Einbeziehung Drittstaatsangehöriger vorgesehen (Art. 5 Satz 2 DKSVA). Auf den hier zu beurteilenden Fall übertragen, ergibt sich für den Kläger keine rechtliche Möglichkeit, in K. während der Saison 2009/2010 erlittene Verletzungen rentenerhöhend bei der Beklagten geltend machen zu können; in anderen Worten: Für den Kläger als Angehörigem eines Staates, der nicht Vertragsstaat des DKSVA war, finden Ereignisse in K. im Rahmen der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung keine Berücksichtigung, soweit ein Bezug zur Gewährung einer Verletztenrente nach den Vorschriften des SGB VII in Rede steht. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die vom Kläger während seiner Zeit als Spieler von M. Z. stattgehabten Sportverletzungen – angegeben werden zahlreiche Luxationen, welche vom Mannschaftsarzt reponiert werden mussten (Bl. 180 Gerichtsakte) – überhaupt in kausaler Art und Weise auf die in Deutschland stattgehabten Schulterluxation in den Jahren 2004-2006 zurückführen lassen sollten und nicht etwa auf das private Ereignis im Jahre 2007 in S. oder weitere eigenständige Sportverletzungen während der Zeit als Spieler in K. während der Saison 2009/2010.
Das Gericht konnte den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten schriftsätzlich ihr Einverständnis hiermit erklärt haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.