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Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei fehlender Wegefähigkeit

LSG NRW – Az.: L 18 R 99/08 – Urteil vom 20.12.2011

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.5.2008 geändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1.3.2010 bis zum 28.2.2013 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ¾ der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die 1953 geborene Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau und war in diesem Beruf bis 1976 versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der Kindererziehung war sie seit dem 30.7.1990 als Briefzustellerin bei der E AG beschäftigt. Am 13.1.2006 erkrankte sie wegen eines Knieleidens arbeitsunfähig und bezog nach Ende der Entgeltfortzahlung vom 24.2.2006 bis zum 23.6.2006 Krankengeld. Postbetriebsarzt Dr. E stellte am 6.3.2006 Postbeschäftigungsunfähigkeit fest. Am 23.3.2006 beantragte die Klägerin auf Veranlassung ihres Arbeitgebers bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Das Beschäftigungsverhältnis bei der E AG endete zum 30.4.2006. Seit dem 1.5.2006 bezieht die Klägerin von der Versorgungsanstalt der E AG (VAP) eine Postbetriebsrente und erhält von dort zusätzlich Darlehen auf die erwartete Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die E AG informierte die Beklagte am 6.4.2006 darüber, dass die Klägerin ihr zur Sicherung entstehender Rückzahlungsansprüche die „sich aus dem Stammrecht ergebenden Rentenleistungen“ abgetreten hat. Die Klägerin ist im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis, besitzt jedoch – anders als ihr Ehemann – keinen eigenen PKW.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei fehlender Wegefähigkeit
Symbolfoto: Von Bildagentur Zoonar GmbH/Shutterstock.com

Die von der Beklagten eingeschalteten Gutachter Arzt für Allgemeinmedizin Dr. N (Gutachten vom 20.4.2006) und Orthopäde Dr. H (Gutachten vom 2.6.2006) hielten die Klägerin trotz Kniegelenksverschleißes beidseits, wiederkehrender Reizzustände der Ellenbogengelenke beidseits, eines chronisch wiederkehrenden Lumbalsyndroms bei Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule sowie funktioneller Schulter-Nacken-Beschwerden noch für in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig zu verrichten. Die Tätigkeit als Briefzustellerin sei der Klägerin nicht mehr zumutbar. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig erwerbstätig zu sein, und – entgegen ihrem Widerspruchsvorbringen – auch noch wegefähig sei. Als ungelernte bzw. angelernte Arbeiterin sei sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar (Bescheid vom 13.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 27.2.2007).

Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Vorlage von Attesten des Orthopäden Dr. B vorgetragen, sie könne maximal leichte Arbeiten mit einer Dauer von arbeitstäglich nur noch unter 6 Stunden verrichten, Wegstrecken etwas über 500 Metern könne sie nur noch mit unzumutbaren Schmerzen zurückzulegen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2007 zu verurteilen, ihr ab dem 01.04.2006 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.

Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Orthopäde Dr. B (vom 19.7.2007), Allgemeinmediziner Dr. F (vom 25.7.2007) und Chirurg Dr. M (vom 2.8.2007) eingeholt und als Sachverständigen den Orthopäden Dr. W aus E eingeschaltet, der die Leistungsbeurteilung der Beklagten im Ergebnis bestätigt hat. Trotz der mit einer fortgeschrittenen Verschleißkrankheit des rechten Kniegelenks, einer deutlichen knöchernen Verschleißkrankheit der unteren Lendenwirbelsäule, einer gering ausgeprägten Verschleißkrankheit der Halswirbelsäule, und einer wiederkehrenden Sehnenansatzreizung an beiden Ellenbogengelenken einhergehenden Funktionsstörungen sei die Klägerin noch in der Lage, ohne Schaden für ihre Gesundheit und ohne unzumutbare Schmerzen vollschichtig körperlich leichte Arbeiten zu verrichten. Eine Wegstrecke, die geringfügig über 500 Metern liege, sei von ihr 4 mal täglich innerhalb von jeweils 15 Minuten zurückzulegen, ohne dass dabei erhebliche Schmerzen auftraten oder die Gesundheit in besonderer Weise gefährdet sei (nach Untersuchung der Klägerin am 23.11.2007 erstelltes Gutachten vom 19.12.2007). Das SG hat die Klage auf dieser Grundlage abgewiesen (Urteil vom 21.5.2008).

Mit ihrer Berufung wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen, sie sei insbesondere wegen ihres Knieleidens auf Dauer nicht mehr in der Lage, eine Wegstrecke von etwas mehr als 500 Meter in etwas weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Auch leichte Tätigkeiten seien ihr nicht mehr für mindestens 6 Stunden arbeitstäglich zumutbar. Da der Sachverständige Dr. W sie nur einmalig untersucht habe, sei der ihr Vorbringen bestätigenden Aussage ihres behandelnden Orthopäden Dr. B der Vorzug zu geben. Ihr Ehemann sei Eigentümer eines PKWs, der ihr nicht regelmäßig zur Verfügung stehe. Solange er noch selbst erwerbstätig gewesen sei, habe sie ihn morgens zwischen 6:15 Uhr und 6:45 Uhr mit seinem PKW zur Arbeit gebracht und nachmittags von dort wieder abgeholt. Nur in der Zwischenzeit habe ihr der PKW zur Verfügung gestanden. Seit dem 1.2.2010 nutze ihr Ehemann den PKW selbst.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 21.5.2008 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 13.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 zu verurteilen, ihr ab dem 1.4.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, auch wenn man dem Sachverständigen im Berufungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen Dr. B1 folge und für den Zeitraum ab August 2009 (Zeitpunkt der Untersuchung) volle Erwerbsminderung annehme, bestehe der streitige Rentenanspruch nicht. Nach dem 24.6.2006 seien im Versicherungskonto der Klägerin keine rentenrechtlichen Zeiten mehr vorhanden; die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien deshalb letztmalig bei einem Leistungsfall im Juli 2008 erfüllt. Außerdem sei der Ehemann im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft verpflichtet, der Klägerin seinen PKW zur Verfügung zu stellen. Er könne – sollte er das Fahrzeug tagsüber selbst benötigen – die Klägern zur Arbeit fahren und wieder abholen; das werde auch in anderen Ehen so praktiziert. Der maßgebliche Fünfjahreszeitraum verlängere sich auch nicht durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nach dem 30.4.2006. Denn während des Bezugs einer VAP-Rente liege Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vor.

Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung sei vorliegend auch nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ ausgeschlossen, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt werden könnten. Da sich die Gewährung solcher Leistungen auf Fälle beschränke, in denen konkrete Arbeitsplätze vorhanden seien oder die Begründung eines Arbeitsverhältnisses unmittelbar bevorstehe, bestehe noch keine Notwendigkeit, die Übernahme notwendiger Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen oder nach Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses zuzusichern. Falls der Senat jedoch zum Ausdruck bringe, dass der PKW des Ehemanns der Klägerin nicht zur Verfügung stehe, werde sie noch während des laufenden Berufungsverfahrens eine entsprechende Rehabilitationsbewilligung/-zusicherung abgeben.

Das Gericht hat als Sachverständigen Arzt für Orthopädie, spezielle Schmerztherapie und Psychotherapie Dr. B1 aus S gehört, der folgende Diagnosen gestellt hat: Halswirbelsäulensyndrom, Brustwirbelsäulensyndrom mit inkonsistenten Druckschmerzen im Liegen, Lendenwirbelsäulensyndrom, schmerzhafter Umgebungsreizzustand beider Schultergelenke mit Schultergelenksarthrose, daumen- und kleinfingerseitiger Muskelansatzreiz beider Ellenbogengelenke, neurologisch gesichertes Karpaltunnelsyndrom beidseits, Einengung des inneren Ellennerven, schmerzhafter Umgebungsreizzustand der rechten Hüfte, fortschreitender Kniegelenksverschleiß beidseits mit Verschmälerung vor allem des inneren Gelenkspalts und Nachweis eines fortgeschrittenen randzackenbildenden Kniescheibenrückflächenverschleißes, Spreizfuß beidseits mit Mittelfußwurzelverschleißveränderungen, chronifizierte Schmerzerkrankung Grad 2 nach Gerbershagen, Schilddrüsenunterfunktion, Blutfetterhöhung, Allergien gegen verschiedene Substanzen und Übergewicht. Die Befunde im Bereich der Kniegelenke dokumentierten eine wesentliche Verschlechterung im Vergleich zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. W. Die Kniegelenke seien geschwollen und ihre Beweglichkeit bei Verschmälerung der Kniegelenksspalten weitergehend eingeschränkt. Spätestens seit August 2009 sei die Klägerin nicht mehr im Stande, regelmäßig Wegstrecken von viermal etwa 500 Metern arbeitstäglich in einer Zeit von jeweils etwa 20 Minuten zurückzulegen. Die Klägerin könne einen Arbeitsplatz noch mit dem PKW aufsuchen. Sie sei im Übrigen noch in der Lage, arbeitstäglich vollschichtig leichte körperliche Arbeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung ohne Exposition gegenüber Kälte, Nässe und Zugluft, ausschließlich in geschlossenen Räumen, ohne besonderen Zeitdruck (kein Akkord, keine Fließbandarbeit), ohne Nachtschichten, ohne Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule oder der Kniegelenke, ohne Besteigen von Gerüsten oder Leitern, jedoch mit gelegentlichem Besteigen niedriger Haushaltsleitern, ohne besondere Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht und Aufmerksamkeit zu verrichten (Gutachten vom 10.8.2009; ergänzende Stellungnahme vom 21.6.2010).

Nach Mitteilung durch den behandelnden Arzt Dr. S, dass bei der Klägerin inzwischen eine Arthritis in einem frühen Stadium vorliege (Befundbericht vom 17.11.2010), hat Dr. B1 ergänzt, dass mit der neuen Diagnose einer chronischen Polyarthritis die Funktion der Hände gegenüber dem Zeitpunkt der Begutachtung im August 2009 wegen der nun dokumentierten Schwellungen über den Daumengelenken sowie den Beugungsknoten in beiden Handflächen etwas schlechter geworden sein könne. Bewegungseinschränkungen lägen jedoch noch nicht vor, insbesondere sei der Faustschluss beidseits noch möglich. Aufgrund der zwischenzeitlich notwendigen Einnahme eines Rheumamedikaments solle die Klägerin auch keine infektgefährdeten Tätigkeiten mehr verrichten. Der Nachweis für fortschreitende, umformende Veränderungen der Wirbelsäule oder sonstiger Gelenke sei bisher nicht erbracht, so dass es im Übrigen bei der früheren Beurteilung verbleibe (2. ergänzende Stellungnahme vom 2.5.2011).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist teilweise begründet. Abgestellt auf den – maßgeblichen – Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat das SG im Urteil vom 21.5.2008 die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin ist mittlerweile durch den die Rente ablehnenden Bescheid vom 13.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2007 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) beschwert, weil dieser Bescheid während des Berufungsverfahrens rechtswidrig geworden ist, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Sie hat nämlich Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1.3.2010 bis zum 28.2.2013, §§ 43 Abs 2, 102 Abs 2 Sätze 1 und 2, 101 Abs 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI).

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zulässig. Die Klägerin ist berechtigt, den Rentenanspruch im eigenen Namen geltend zu machen und damit klage- und prozessführungsbefugt, obwohl sie der E AG die „Rentenleistungen“ zur Sicherung von Rückzahlungsansprüchen aus einem Darlehen abgetreten hat. Dabei kann offen bleiben, ob die Abtretung nach § 53 Abs 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ohne eine entsprechende Feststellung der Beklagten durch Verwaltungsakt rechtswirksam ist. Denn nach dem Willen der Vertragsparteien sind nur die als Rechtsfrüchte aus dem Stammrecht auf Rente erwachsenden monatlichen Zahlungsansprüche (bzw. der „Nachzahlungsbetrag“), nicht aber das Rentenstammrecht selbst abgetreten (vgl BSG, Urteil vom 22.08.2002, Aktenzeichen (Az) B 13 RJ 19/02 R, juris-Rdnr 14; BSGE 48, 15ff = SozR 2200 § 119 Nr 1). Vorliegend streitet die Klägerin aber gerade um dieses Stammrecht auf Rente, den Rentenanspruch „dem Grunde nach“.

Die Klägerin kann von der Beklagten aufgrund eines im August 2009 eingetretenen Leistungsfalls Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen, die ab dem 1.3.2010 zu zahlen ist. Für den vorangehenden Zeitraum hat sie keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Gemäß § 43 Abs 2 S 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin ist seit August 2009 (Untersuchung durch Dr. B1) nachweislich voll erwerbsgemindert; für den vorangehenden Zeitraum ist volle Erwerbsminderung (noch) nicht erwiesen.

Voll erwerbsgemindert sind nach dem Gesetz Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs 2 S 2 SGB VI.

Voll erwerbsgemindert ist außerdem, wer (nur) teilweise erwerbsgemindert ist, wenn ihm ein Teilzeitarbeitsplatz nicht zur Verfügung steht und vom Rentenversicherungsträger auch nicht angeboten werden kann. Teilweise erwerbsgemindert ist, wer aus den oben zur vollen Erwerbsminderung angeführten Gründe außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs 1 S 2 SGB VI. Das BSG hat nämlich die gesetzlichen Vorgaben durch Richterrecht zum Teil ergänzt (BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13). Diese Rechtsprechung betrifft Versicherte, die gesundheitsbedingt in einem zumutbaren Beruf nicht mehr mindestens 6 Stunden einsetzbar, also nur zu entsprechender Teilzeitarbeit fähig sind. Für diesen Personenkreis hat das BSG den Versicherungsschutz der gesetzlichen Rentenversicherung erweitert und neben das gesetzlich versicherte Gut der Berufsfähigkeit (Erwerbsfähigkeit) dasjenige der Berufsmöglichkeit (Erwerbsmöglichkeit) gestellt und damit die gesetzlich versicherten Risiken der Krankheit und Behinderung um dasjenige der Unvermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt im jeweiligen Antragszeitraum (sog jeweilige Arbeitsmarktlage) ergänzt; außerdem hat es die Anspruchsschwelle dadurch gesenkt, dass sie auch schon dann überschritten sein kann, wenn der Versicherte einen zumutbaren Beruf in zeitlicher Hinsicht nur unter 6 Stunden arbeitstäglich verrichten kann; diese Anspruchsschwelle ist überschritten, falls dem Versicherten binnen eines Jahres kein geeigneter und freier (Teilzeit-)Arbeitsplatz in einem zumutbaren Beruf angeboten wird; dann ist eine Arbeitsmarktrente in der Form und (im Übrigen) nach den Regeln einer Rente wegen Erwerbsminderung zu bewilligen (BSGE 78, 207ff = SozR 3-2600 § 43 Nr 13; BSG SozR 3-2200 § 1276 Nr 3).

Erwerbsgemindert ist dagegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, § 43 Abs 3 1. Halbsatz SGB VI.

Auf dieser Grundlage besteht der streitige Rentenanspruch nicht, weil bei der Klägerin im gesamten zu beurteilenden Zeitraum von der Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren auch unter Berücksichtigung der im Laufe des Verfahrens eingetretenen Zunahme der Funktionsstörungen (noch) nicht einmal teilweise Erwerbsminderung vorliegt.

Die Fähigkeit der Klägerin, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, wird durch die Auswirkungen zahlreicher von Dr. B1 bezeichneter und umschriebener Krankheiten erheblich eingeschränkt. Im Vordergrund stehen dabei Verschleißerkrankungen des gesamtem Skelettsystems, insbesondere ein fortschreitender Kniegelenksverschleiß beidseits mit Verschmälerung vor allem des inneren Gelenkspalts und Nachweis eines fortgeschrittenen randzackenbildenden Kniescheibenrückflächenverschleißes. Das steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Gutachten der Sachverständigen Dr. B1 und Dr. W und der im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten von Dr. N und Dr. H fest. Die Gutachten wurden auf Basis aller in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen erstellt, sie sind in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Weitergehende die Erwerbsfähigkeit einschränkende Krankheiten haben auch die Klägerin und ihre behandelnden Ärzte nicht bezeichnet.

Trotz dieser ihre Leistungsfähigkeit einschränkenden Gesundheitsstörungen ist die Klägerin nach dem übereinstimmenden Urteil aller gehörten Gutachter noch im Stande, regelmäßig mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte Arbeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung mit gelegentlichen Haltungswechseln, in geschlossenen Räumen, ohne besonderen Zeitdruck (z.B. nicht Akkord oder Fließbandarbeit), ohne Nachtschichten, ohne Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule oder der Kniegelenke, ohne Besteigen von Gerüsten und Leitern (jedoch mit gelegentlichem Besteigen niedriger Haushaltsleitern mit der Möglichkeit sich festzuhalten), ohne besondere Anforderungen an Reaktion, Übersicht und Aufmerksamkeit sowie an den Einsatz der Hände zu verrichten. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des alle Beeinträchtigungen zusammenfassenden Gutachtens von Dr. B1 und seiner beiden ergänzenden Stellungnahmen fest. Der Sachverständige hat alle Leistungseinschränkungen nachvollziehbar aus den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen abgeleitet. Er hat im Rahmen einer Längsschnittbeurteilung schlüssig dargelegt, dass die Kniegelenksarthrose beidseits fortschreitet und zwischenzeitlich eine chronische Polyarthritis hinzugetreten ist, und nachvollziehbar begründet, dass gleichwohl die Erwerbsfähigkeit noch nicht so erheblich beeinträchtigt ist, dass nicht zumindest leichte Tätigkeiten noch regelmäßig für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können, ohne dass die Klägerin dabei auf Kosten ihrer Gesundheit arbeitet. Stichhaltige Einwendungen gegen diese Beurteilung werden auch von der Klägerin nicht (mehr) erhoben.

Mit ihrem verbleibenden Restleistungsvermögen kann die Klägerin grundsätzlich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Eine Verpflichtung der Beklagten, zur Vermeidung voller Erwerbsminderung einen zumutbaren Verweisungsberuf zu bezeichnen, besteht nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt insbesondere keine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen vor, die die der Klägerin verbliebene Fähigkeit zu leichten Tätigkeiten so weitgehend (weiter) einschränkt, dass Zweifel aufkommen, ob es tatsächlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sie noch ausreichend viele Tätigkeiten gibt (vgl dazu BSG, Urteil vom 19.10.2011, Az B 13 R 78/09 R mwN). Vielmehr liegen bei ihr die für eine Beschränkung auf leichte Arbeiten typischen Funktionseinschränkungen (überwiegend sitzende Körperhaltung mit der Möglichkeit zu gelegentlichen Haltungswechseln, Tätigkeiten in geschlossenen Räumen zur Vermeidung von Expositionen gegenüber Nässe, Kälte, kein besonderer Stress etc.) vor. Insbesondere sind die Beweglichkeit und die Belastbarkeit der Hände der Klägerin durch die beginnende Polyarthritis (noch) nicht erheblich eingeschränkt.

Gleichwohl ist die Klägerin aufgrund einer zwischen der Untersuchung durch Dr. W im November 2007 und derjenigen durch Dr. B1 im August 2009 nachweislich eingetretenen Verschlechterung ihrer Gehfähigkeit ab dem 5.8.2009 allein deshalb voll erwerbsgemindert, weil ihr Kniegelenksleiden ihr seither nicht mehr erlaubt, regelmäßig viermal arbeitstäglich eine Fußstrecke von etwa 500 Metern in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen.

Nach der Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch die ausreichende Fähigkeit, Arbeitsplätze aufzusuchen; demzufolge kann trotz eines noch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ausreichenden Leistungsvermögens volle Erwerbsminderung vorliegen, wenn Versicherte zwar an sich noch eine Beschäftigung von mindestens 6 Stunden arbeitstäglich ausüben können, ihnen aber der Arbeitsmarkt dadurch praktisch verschlossen ist, dass sie entsprechende Arbeitsplätze aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen können (vgl BSG SozR Nr 101 zu § 1246 RVO; BSGE 44, 39, 40 = SozR 2200 § 1246 Nr 19; SozR 2200 § 1246 Nrn 22, 47, 50, 53, 56; SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 und Urteil vom 19. August 1997, Az 13 RJ 89/96; Großer Senat in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Diese Tatsache stellt nach dem anzuwendenden generalisierenden Maßstab eine derart erhebliche Einschränkung der Teilnahme am Erwerbsleben dar, dass der Arbeitsmarkt trotz des ansonsten noch ausreichenden Leistungsvermögens für die Klägerin als verschlossen anzusehen ist (Großer Senat in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8; BSG, Urteil vom 21.3.2006, Az B 5 RJ 51/04 R, juris-Rdnr 15 ; BSG, Urteil vom 19.10.2011, Az B 13 R 78/09 R mwN) und deshalb kraft Richterrechts ein Zustand voller Erwerbsminderung besteht. Etwas anderes gälte nur, wenn die Klägerin über einen Arbeitsplatz verfügte, der in ihr noch zumutbarer (Geh-)Entfernung läge oder die Beklagte ihr einen solchen Arbeitsplatz anböte (BSG, Urteil vom 21.3.2006, Az B 5 RJ 51/04 R, juris-Rdnr 15). Beides ist offensichtlich nicht der Fall.

Diese Unfähigkeit der Klägerin, einen möglichen (künftigen) Arbeitsplatz regelmäßig aufzusuchen (sog. Wegeunfähigkeit), wurde und wird auch nicht dadurch beseitigt, dass sie im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis und noch in der Lage ist, einen PKW zu führen. Denn ein solcher PKW steht ihr nicht zur Verfügung. Sie nutzt lediglich gelegentlich den PKW ihres Ehemanns. Ist in einer Ehe – wie hier – ein Ehegatte Eigentümer eines PKW, wird dieser nicht dem gemeinsamen Hausrat zugeordnet (BGH, NJW 1991, 1547, 1552). Das Eigentum berechtigt im Gegenteil den einen Ehegatten – hier den Ehemann – , den anderen Ehegatten – vorliegend die Klägerin – von der Nutzung auszuschließen. Zwar besteht nach § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Pflicht der Ehegatten zur gegenseitigen Verantwortung und Rücksichtnahme; das bedeutet aber nicht, dass ein Ehegatte zugunsten des anderen weitgehend auf die Nutzung seines Eigentums verzichten muss, um ihm zu ermöglichen, (s)einen Arbeitsplatz zu erreichen; insoweit fehlt es bereits an der Gegenseitigkeit der Rücksichtnahme. Zudem dient die Herstellung der Wegefähigkeit im rentenrechtlichen Sinne nicht unmittelbar der in § 1353 BGB allein geregelten ehelichen Lebensgemeinschaft. Überdies wäre ein Anspruch aus § 1353 BGB – wenn er denn bestünde – nicht vollstreckbar (§ 888 Abs. 3 ZPO, vgl Roth in: Münchener Kommentar, 5. Aufl. 2010, BGB, § 1353 Rdnr 54).

Der PKW stand und steht der Klägerin auch nicht aufgrund (stillschweigender) Übereinkunft zwischen den Eheleuten faktisch für das Erreichen eines Arbeitsplatzes zur Verfügung. Die Klägerin hat ihren Ehemann bis zu seiner Pensionierung im Februar 2010 mit seinem PKW morgens zwischen 6:15 und 6:45 Uhr zur Arbeit gebracht und zwischen 13:00 und 15:00 Uhr wieder abgeholt. Der PKW stand ihr deshalb bereits damals nicht so umfänglich zur Verfügung, dass sie damit regelmäßig einen Arbeitsplatz hätte erreichen und verlassen können. Seit seiner Pensionierung Ende Januar 2010 nutzt der Ehemann seinen PKW auch tagsüber; der Klägerin steht er nur ausnahmsweise zur Verfügung.

Ist der Arbeitsmarkt für die Klägerin wegen fehlender Wegefähigkeit verschlossen, muss sie so lange als voll erwerbsgemindert angesehen werden, wie ihre Wegeunfähigkeit nicht behoben ist. Neben einer Änderung der persönlichen Situation der Versicherten könnte dies durch die erfolgreiche Durchführung einer vom Rentenversicherungsträger bewilligten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation und/oder zur Teilhabe am Arbeitsleben geschehen (BSG, Urteil vom 17.5.1972, SozR Nr 101 zu § 1246 RVO; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 47; SozR 2200 § 1247 Nr 53; BSG, Urteil vom 21.3.2006, Az B 5 RJ 51/04 R, juris-Rdnr 16). Die den Versicherungsfall begründende fehlende Mobilität der Klägerin wird nicht schon durch das Angebot einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern erst mit deren erfolgreicher Durchführung wieder hergestellt. Die Wegeunfähigkeit des Versicherten wird weder dadurch behoben, dass ihm eine medizinische Maßnahme angeboten wird, die ihn in die Lage versetzen soll, wieder vollschichtig zu arbeiten, noch dadurch, dass ihm eine finanzielle Unterstützung bei der Beschaffung eines Kfz zugesagt wird (BSG, Urteil vom 21.3.2006, Az B 5 RJ 51/04 R, juris-Rdnr 16). Die Beklagte hat trotz Hinweises des Gerichts auf die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Problematik (BSG, Urteile vom 13.12.11, Az B 13 R 21/10 R und B 13 R 79/11 R) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung entgegen ihrer schriftsätzlichen Ankündigungen keine Leistungen zur Teilhabe am Erwerbsleben (insbesondere keine Wegeunfähigkeit ausschließenden Leistungen nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV)) bewilligt, sondern solche nur (schriftsätzlich) in Aussicht gestellt.

Der Eintritt des Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung ist erst ab dem Zeitpunkt der persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. B1 am 5. August 2009 erwiesen. Zu einem früheren Zeitpunkt lässt sich Wegeunfähigkeit nicht sicher feststellen. Zwar handelt es sich bei der Kniegelenksarthrose der Klägerin um ein chronisch progredientes Leiden, das sich mit der Zeit verschlimmert, so dass zu vermuten ist, dass die daraus resultierende Einschränkung der Wegefähigkeit nicht erst just am Untersuchungstag eingetreten ist. Es lässt sich jedoch nicht mit hinreichender, an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, ob und ggf. wann zuvor Wegeunfähigkeit eingetreten ist. Denn der Sachverständige Dr. W hat bei seiner Untersuchung im Dezember 2007 (noch) keine derart gravierenden Beeinträchtigungen der Gehfähigkeit festgestellt, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt von einer Wegeunfähigkeit im rentenrechtlichen Sinne ausgegangen werden konnte. Und zwischen den beiden Untersuchungen sind keine weiteren Stadien/Stufen der zunehmenden Einschränkung der Gehfähigkeit (ärztlich) dokumentiert.

Die Klägerin erfüllt auch die persönlichen Zugangsvoraussetzungen zur Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil sie im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum 36 Monate mit Pflichtbeiträgen hat, § 43 Abs. 2 Nr 2 SGB VI. Zwar hat sie im unmittelbar dem Versicherungsfall vorausgehenden Fünfjahreszeitraum 5.8.2004 bis 4.8.2009 nur 23 Monate mit Pflichtbeiträgen. Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich jedoch wegen Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit über den 30.4.2006 hinaus um 31 Monate (Juli 2006 bis Januar 2009), so dass die Klägerin im dann maßgeblichen Zeitraum vom 5.2.2002 bis 4.8.2009 weit mehr als 36 (nämlich 54) Monate mit Pflichtbeiträgen hat.

Der Zeitraum von 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um (nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegte) Anrechnungszeiten, § 43 Abs 4 Nr 1 SGB VI. Anrechnungszeiten sind (auch) solche Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind, § 58 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für eine Anrechnungszeit hat denselben Inhalt wie in der Gesetzlichen Krankenversicherung (noch zum Recht der RVO: Großer Senat, Urteile vom 16.12.1981, Az GS 3/78 und GS 4/78; zum heutigen Recht: BSG, Urteil vom 17.2.2005, Az B 13 RJ 1/04). Arbeitsunfähigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, die auch in § 2 Abs 1 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) idF vom 1.12.2003 (BAnz 2004, Nr 61, S 6501) ihren Niederschlag gefunden hat, vor, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann. Eine Anrechnungszeit wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit endet dabei allerdings selbst bei fortbestehendem, aber ruhendem Arbeitsverhältnis spätestens drei Jahre nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (BSG, Urteil vom 25.2.2010, Az B 13 R 116/08 R in Fortführung von BSG, Urteil vom 25.2.2004, Az B 5 RJ 30/02 R = BSGE 92, 199ff = SozR 4-2600 § 43 Nr 2; BSG, Urteil vom 17.2.2005, Az B 13 RJ 1/04, juris-Rdnr 14). Nach diesen Grundsätzen lag bei der Klägerin vom 13.1.2006 an für drei Jahre, nämlich bis zum 12.1.2009, Arbeitsunfähigkeit vor, so dass sich der Fünfjahreszeitraum um 31 nicht mit Pflichtbeiträgen belegte Monate dieses Zeitraums verlängert.

Die Klägerin war ab dem 13.1.2006 wegen ihres Knieleidens arbeitsunfähig krank und bezog deshalb (nach Auslaufen der Entgeltfortzahlung) vom 24.2. bis zum 23.6.2006 Krankengeld. Der die Arbeitsunfähigkeit begründende Krankheitszustand lag auch nach Einstellung der Krankengeldzahlungen durch die Krankenkasse (vgl zu deren Rechtmäßigkeit einerseits LSG NRW, Urteil vom 4.4.2002, Az L 16 KR 70/01, andererseits LSG für das Saarland Urteil vom 28.11.2001, Az L 2 KR 18/00) weiter und zwar durchgängig bis Januar 2009 vor. Das steht zur Überzeugung des Senats nach den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten fest. Keiner der Gutachter oder Sachverständigen hat die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt für imstande gehalten, ihre frühere Tätigkeit als Briefzustellerin noch bzw wieder (zeitweise) auszuüben. Vielmehr bestätigt Dr. B1 im August 2009 eine signifikante Verschlimmerung des Knieleidens im Vergleich zu Dezember 2007. Daraus ergibt sich, dass der Zustand, der Postbetriebsarzt Dr. E veranlasst hat, am 6.3.2006 Postbeschäftigungsunfähigkeit festzustellen, und der zum Ausscheiden der Klägerin aus ihrem Beschäftigungsverhältnis bei der E AG führte, sich zu keinem späteren Zeitpunkt auch nur ansatzweise dahingehend verändert hat, dass an eine Wiederaufnahme der zuletzt verrichteten Tätigkeit als Postzustellerin gedacht werden konnte. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Senat berechtigt und verpflichtet, das (Fort-)Bestehen dieser Arbeitsunfähigkeit selbst festzustellen; einer erneuten ärztlichen Feststellung oder einer Feststellung durch die Krankenkasse bedarf es daneben nicht (BSG, Urteil vom 25.2.2010, Az B 13 R 116/08 R, juris-Rdnr 13 mwN; BSG, Urteil vom 25.2.2004, Az B 5 RJ 30/02 R, juris-Rdnr 18 ff).

Anders als die Beklagte annimmt, steht auch der Bezug der VAP-Rente nicht der Annahme durchgängiger Arbeitsunfähigkeit entgegen; woraus sich dies ergeben soll, hat die Beklagte nicht vorgetragen; es ist auch nicht ersichtlich. Die E AG hat sich vielmehr ähnlich einer gesetzliche Krankenkasse verhalten, indem sie Leistungen wegen Postdienstunfähigkeit erbracht (bzw. erbringen ließ) und gleichzeitig die Klägerin aufgefordert hat, einen Rentenantrag zu stellen (vgl § 51 SGB V). Die Gewährung der VAP-Rente beruht (auch) auf dem Vorliegen von Postdienstunfähigkeit, also einem Zustand, der unmittelbar an die zuletzt verrichtete Tätigkeit anknüpft und dokumentiert, dass diese wegen Krankheit nicht (weiter) ausgeübt werden kann. Damit besteht keine Veranlassung, den insoweit nach der Systematik des SGB V für 3 Jahre bestehenden Berufsschutz bei Bezug einer VAP-Rente zu relativieren (auch im Fall des BSG, Urteil vom 22.08.2002, Az B 13 RJ 19/02 R, bezog der Kläger unschädlich eine VAP-Rente). Insbesondere ist ohne Belang, dass das (frühere) Beschäftigungsverhältnis während der Arbeitsunfähigkeit nicht als Rumpfarbeitsverhältnis fortbesteht (wie in der der Entscheidung des BSG SozR 4-2600 § 58 Nr 11 zugrundeliegenden Fallgestaltung), sondern die Klägerin einer Beendigung zugestimmt hat. Denn die Vertragsgestaltung zwischen der E AG und dem Versicherten allein ist kein taugliches Unterscheidungskriterium.

Die Klägerin erfüllt auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren, da in ihrem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf insoweit 306 anrechenbare Monate gespeichert sind, §§ 43 Abs 2 Nr 3, 50 Abs 1 Nr 2 SGB VI.

Der Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht für die Zeit vom 1.3.2010 bis zum 28.3.2013. Renten wegen voller Erwerbsminderung werden auf Zeit geleistet (Regelfall), es sei denn, es ist unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit beseitigt werden kann (Ausnahme), § 102 Abs 2 Sätze 1 und 5 SGB VI. Die Rente der Klägerin ist nach dem Regelfall zeitlich zu befristen, weil nicht unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung der Klägerin behoben werden kann – beispielsweise durch Erwerb eines eigenen PKWs oder Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach der KfzHV durch die Beklagte. Da eine befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet wird, § 101 Abs 1 SGB VI, also die monatliche Zahlung der sich aus dem Stammrecht auf Rente ergebenden Rechtsfrüchte erst ab dem 7. Monat nach Erwerb des Stammrechts einsetzt, beginnt die Leistung der Rente erst mit dem 1.3.2010. Die Befristung erfolgt für drei Jahre, weil eine frühere Beseitigung der Erwerbsminderung nicht wahrscheinlich ist (entsprechend dem alten Recht, vgl BSGSozR 2200 § 1276 Nr 7, juris-Rdnr 16).

Für den vorangehenden Zeitraum steht der Klägerin neben dem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung kein (zeitlich unbefristeter) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu, § 240 Abs 1 SGB VI. Sie ist zwar vor dem 2.1.1961 geboren, jedoch nicht berufsunfähig, weil sie zuletzt (von Juli 1990 bis Januar 2006) als Briefzustellerin gearbeitet und damit keine Tätigkeit verrichtet hat, die einen qualifizierten Berufsschutz vermittelt. Dass sie für die Tätigkeit als Briefzustellerin eine Ausbildung oder zumindest eine mehr als einjährige Anlernzeit durchlaufen hat, hat die Klägerin selbst nicht behauptet; es ist auch weder nahe liegend noch sonst ersichtlich. Der Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit bedarf es daher nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des BSG zur (Behebung von) Wegeunfähigkeit und Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit als Streckungstatbestände ab, sondern stützt seine Entscheidung auf diese Rechtsprechung.

 

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