Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Anspruch auf elektrischen Rollstuhl mit Zuggerät: Ein Urteil, das Mobilität neu definiert
- Der Fall: Chronische Erkrankung und der Kampf um barrierefreie Mobilität
- Antrag auf elektrisches Zuggerät für Rollstuhl abgelehnt
- Der Weg vor Gericht: Klage gegen die Krankenkasse
- Die Entscheidung des Sozialgerichts Köln: Anspruch auf Hilfsmittelversorgung
- Entscheidungsgründe: Verbesserung der Mobilität und Teilhabe
- Wesentliche Rechtsnormen: Grundlage für den Anspruch auf Rollstuhlversorgung
- Konsequenzen des Urteils: Auswirkungen auf die Hilfsmittelversorgung
- Wichtige Punkte des Urteils in Kürze:
- Praktische Hinweise für Betroffene: Antrag auf elektrischen Rollstuhl und Zuggerät
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Voraussetzungen müssen für die Bewilligung eines elektrischen Rollstuhls mit Zuggerät erfüllt sein?
- Wie läuft das Antragsverfahren bei der Krankenkasse konkret ab?
- Was kann ich tun, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnt?
- Welche Kosten muss die Krankenkasse übernehmen?
- Welche Unterstützung können Beratungsstellen und Verbände bei der Antragstellung leisten?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: SG Köln
- Datum: 16.11.2023
- Aktenzeichen: S 36 KR 622/21
- Verfahrensart: Sozialrechtliches Verfahren zur Kostenübernahme von Hilfsmitteln
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Gesundheitsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, geboren am 00.00.1981, die aufgrund chronischer Polyarthritis und Rheumatismus dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Er beantragte erstmals am 06.01.2020 und erneut am 05.05.2020 die Kostenübernahme für das Rollstuhl-Zuggerät „NJ1 e-assistant Neodrives“ unter Vorlage entsprechender medizinischer Unterlagen.
- Beklagte: Die zuständige Behörde, die den Antrag auf Kostenübernahme zunächst ablehnte (Bescheid vom 17.01.2020) und später den Bescheid vom 08.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2021 aufhob. Sie wurde verurteilt, den Kläger mit dem beantragten Hilfsmittel zu versorgen und trägt zudem die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger, der auf eine spezielle Ausstattung seines Rollstuhls angewiesen ist, beantragte die Übernahme der Kosten für ein elektrifizertes Rollstuhl-Zuggerät („NJ1 e-assistant Neodrives“). Nach der Ablehnung des ersten Antrags wurde ein erneuter Antrag gestellt, um die notwendige Mobilitätshilfe zu erhalten.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für das erforderliche Rollstuhl-Zuggerät zu übernehmen und den Kläger damit zu versorgen.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beklagte wurde verurteilt, den Kläger mit dem „NJ1 e-assistant Neodrives“ zu versorgen und die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu übernehmen.
- Folgen: Das Urteil verpflichtet die Beklagte zur Versorgung des Klägers mit dem beantragten Hilfsmittel sowie zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten, wodurch die erfolgte Ablehnung des Antrags rückgängig gemacht wurde.
Der Fall vor Gericht
Anspruch auf elektrischen Rollstuhl mit Zuggerät: Ein Urteil, das Mobilität neu definiert

Das Sozialgericht Köln (SG Köln) fällte am 16. November 2023 ein Urteil (Az.: S 36 KR 622/21), das für Menschen mit Behinderungen von großer Bedeutung ist. Im Kern ging es um den Anspruch auf Versorgung mit einem elektrischen Rollstuhl, der mit einem elektrischen Zuggerät ausgestattet ist. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe des Falls, die Argumentation des Gerichts und die potenziellen Auswirkungen auf Betroffene.
Der Fall: Chronische Erkrankung und der Kampf um barrierefreie Mobilität
Der Kläger, geboren 1981, leidet unter anderem an chronischer Polyarthritis und Rheumatismus. Aufgrund dieser gesundheitlichen Einschränkungen ist er dauerhaft auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen. Er war bereits mit einem Aktivrollstuhl ausgestattet, der über spezielle Anpassungen wie Federung und eine angepasste Rücken- und Sitzeinheit verfügte.
Um seine Mobilität weiter zu verbessern und seinen Aktionsradius zu erweitern, beantragte der Kläger am 6. Januar 2020 bei seiner Krankenkasse (der Beklagten) die Kostenübernahme für ein elektrisches Zuggerät vom Typ „NJ1 e-assistant Neodrives“. Er legte dem Antrag einen Kostenvoranschlag, einen Erprobungsbericht und eine ärztliche Verordnung bei. Ein vorheriger Antrag auf Kostenübernahme war bereits abgelehnt worden.
Antrag auf elektrisches Zuggerät für Rollstuhl abgelehnt
Die Krankenkasse lehnte den Antrag jedoch ab. Die Ablehnung basierte vermutlich auf der Einschätzung, dass das begehrte Hilfsmittel nicht notwendig sei, um die Grundbedürfnisse des Klägers zu befriedigen oder dass es wirtschaftlichere Alternativen gebe.
Der Weg vor Gericht: Klage gegen die Krankenkasse
Der Kläger akzeptierte die Entscheidung der Krankenkasse nicht und zog vor das Sozialgericht Köln. Er argumentierte, dass das elektrische Zuggerät ihm eine deutliche Verbesserung seiner Mobilität und Lebensqualität ermöglichen würde. Er betonte, dass er trotz seines Aktivrollstuhls in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt sei und das Zuggerät ihm helfen würde, längere Strecken selbstständig zurückzulegen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Die Entscheidung des Sozialgerichts Köln: Anspruch auf Hilfsmittelversorgung
Das Sozialgericht Köln gab dem Kläger Recht und verurteilte die Krankenkasse, den Kläger mit dem „NJ1 e-assistant Neodrives“ zu versorgen. Das Gericht hob den ablehnenden Bescheid der Krankenkasse auf und verpflichtete diese zur Kostenübernahme.
Entscheidungsgründe: Verbesserung der Mobilität und Teilhabe
Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das elektrische Zuggerät notwendig sei, um dem Kläger eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und seine Mobilität deutlich zu verbessern. Es berücksichtigte die individuellen Umstände des Klägers, insbesondere seine chronische Erkrankung und die daraus resultierenden Einschränkungen.
Wesentliche Rechtsnormen: Grundlage für den Anspruch auf Rollstuhlversorgung
Obwohl im verkürzten Urteil keine konkreten Paragraphen genannt werden, stützt sich ein solcher Anspruch in der Regel auf folgende Rechtsgrundlagen:
- § 33 SGB V (Sozialgesetzbuch V): Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Hilfsmittel, die notwendig sind, um eine Behinderung auszugleichen oder deren Verschlimmerung zu verhindern.
- § 27 SGB V: Dieser Paragraph legt fest, dass die Krankenkassen die notwendigen medizinischen Leistungen zu erbringen haben.
Das Gericht argumentierte wahrscheinlich, dass das elektrische Zuggerät ein notwendiges Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V ist, da es dem Kläger ermöglicht, trotz seiner Behinderung ein aktives und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Konsequenzen des Urteils: Auswirkungen auf die Hilfsmittelversorgung
Dieses Urteil ist ein wichtiger Erfolg für Menschen mit Behinderungen, insbesondere für Rollstuhlfahrer. Es stärkt ihren Anspruch auf Hilfsmittel, die ihre Mobilität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern.
Wichtige Punkte des Urteils in Kürze:
- Der Kläger hat Anspruch auf ein elektrisches Zuggerät für seinen Rollstuhl.
- Die Krankenkasse muss die Kosten für das Zuggerät übernehmen.
- Das Gericht betonte die Bedeutung der Mobilität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behinderungen.
Praktische Hinweise für Betroffene: Antrag auf elektrischen Rollstuhl und Zuggerät
Für Menschen mit ähnlichen gesundheitlichen Einschränkungen, die ebenfalls ein elektrisches Zuggerät oder einen elektrischen Rollstuhl benötigen, ist dieses Urteil von großer Bedeutung. Es zeigt, dass es sich lohnt, für seine Rechte zu kämpfen und notfalls auch den Klageweg zu beschreiten.
Folgende Schritte sind empfehlenswert:
- Ärztliche Verordnung einholen: Lassen Sie sich von Ihrem Arzt eine detaillierte Verordnung für das benötigte Hilfsmittel ausstellen. Die Verordnung sollte die medizinische Notwendigkeit und die Vorteile für Ihre individuelle Situation klar darlegen.
- Kostenvoranschläge einholen: Holen Sie mehrere Kostenvoranschläge von verschiedenen Anbietern ein, um die Kosten zu vergleichen und der Krankenkasse eine fundierte Grundlage für ihre Entscheidung zu liefern.
- Antrag bei der Krankenkasse stellen: Stellen Sie einen formellen Antrag auf Kostenübernahme bei Ihrer Krankenkasse. Fügen Sie dem Antrag die ärztliche Verordnung, die Kostenvoranschläge und gegebenenfalls weitere relevante Unterlagen bei (z.B. einen Erprobungsbericht).
- Widerspruch einlegen: Sollte die Krankenkasse Ihren Antrag ablehnen, legen Sie innerhalb der vorgegebenen Frist Widerspruch ein. Begründen Sie Ihren Widerspruch ausführlich und beziehen Sie sich auf ähnliche Gerichtsurteile.
- Klage einreichen: Wenn auch der Widerspruch abgelehnt wird, bleibt Ihnen der Weg zur Klage vor dem Sozialgericht. Lassen Sie sich hierbei von einem Rechtsanwalt oder einer Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen unterstützen.
Dieses Urteil des Sozialgerichts Köln ist ein ermutigendes Beispiel dafür, wie Menschen mit Behinderungen ihre Rechte durchsetzen und ihre Lebensqualität verbessern können. Es zeigt, dass der Kampf um barrierefreie Mobilität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sich lohnt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderungen bei der Versorgung mit spezifischen Hilfsmitteln. Es zeigt, dass die Krankenkasse nicht pauschal die Kostenübernahme für ein Rollstuhl-Zuggerät ablehnen kann, nur weil der Versicherte bereits mit einem Standardrollstuhl versorgt ist. Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass die individuelle Situation und der tatsächliche Bedarf des Betroffenen maßgeblich sind – nicht pauschale Ablehnungsgründe oder alternative Versorgungsvorschläge der Krankenkasse.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie auf einen Rollstuhl angewiesen sind und ein spezielles Hilfsmittel wie ein Rollstuhl-Zuggerät benötigen, haben Sie bessere Chancen auf eine Kostenübernahme durch Ihre Krankenkasse. Sie können sich bei der Antragstellung auf dieses Urteil berufen und müssen sich nicht mit Standardlösungen zufriedengeben, wenn diese Ihren individuellen Bedürfnissen nicht gerecht werden. Wichtig ist, dass Sie Ihren persönlichen Bedarf gut dokumentieren und medizinisch begründen lassen. Auch wenn die Krankenkasse zunächst alternative Hilfsmittel vorschlägt, haben Sie das Recht, auf dem für Sie am besten geeigneten Hilfsmittel zu bestehen.
Benötigen Sie Hilfe?
Mobilität und Ihr Recht auf Unterstützung
In Fällen, in denen der Anspruch auf Hilfsmittel zur Sicherung barrierefreier Mobilität im Mittelpunkt steht, können sich rechtliche Fragestellungen schnell als komplex erweisen. Insbesondere wenn es um den Zugang zu technischen Hilfsmitteln geht, ist oft eine präzise Prüfung der individuellen Situation erforderlich, die sowohl die medizinische Notwendigkeit als auch geltende rechtliche Rahmenbedingungen umfasst. Die Durchsetzung Ihrer Ansprüche kann hier zu einer echten Herausforderung werden.
Wir begleiten Sie dabei, Ihren Fall sachlich und fundiert zu analysieren. Mit einer klar strukturierten Herangehensweise und durch den gezielten Einsatz juristischer Expertise bieten wir Ihnen Unterstützung, um den bestmöglichen Weg in Richtung einer Lösung zu finden. Sollten Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, können Sie darauf vertrauen, dass wir Ihre Anliegen zielgerichtet prüfen und Sie kompetent beraten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Voraussetzungen müssen für die Bewilligung eines elektrischen Rollstuhls mit Zuggerät erfüllt sein?
Medizinische Notwendigkeit
Die medizinische Notwendigkeit muss durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen werden. Ein Elektro-Rollstuhl mit Zuggerät wird bewilligt, wenn er benötigt wird, um:
- eine vorhandene Behinderung auszugleichen
- den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern
- einer drohenden Behinderung vorzubeugen
Nachweis der Erforderlichkeit
Der behandelnde Arzt muss detailliert und plausibel begründen, warum ein manueller Standardrollstuhl nicht ausreichend ist. Die Verordnung muss konkret darlegen:
- Art und Schwere der Mobilitätseinschränkung
- Warum alternative Hilfsmittel nicht ausreichen
- Welchen Beitrag das Gerät zur Sicherung der Mobilität und selbstbestimmten Lebensweise leistet
Technische Anforderungen
Für die Nutzung im öffentlichen Verkehrsraum gelten folgende Vorschriften:
- Bei Geschwindigkeiten über 6 km/h ist eine Betriebserlaubnis erforderlich
- Das Gerät muss eine Hilfsmittelnummer besitzen und im Hilfsmittelverzeichnis eingetragen sein
- Eine Kfz-Haftpflichtversicherung ist bei Geschwindigkeiten über 6 km/h vorgeschrieben
- Das Gerät muss mit vorgeschriebenen lichttechnischen Einrichtungen ausgestattet sein
Individuelle Bedarfsprüfung
Die Krankenkasse prüft den Einzelfall unter Berücksichtigung:
- Der konkreten Behinderung und ihrer Auswirkungen
- Des tatsächlichen Mobilitätsbedarfs
- Der Wirtschaftlichkeit der Versorgung
Die Bewilligung erfolgt, wenn das Zuggerät notwendig ist, um den Nahbereich selbstständig zu erschließen und eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Verhältnismäßigkeit der Versorgung im Vergleich zu alternativen Hilfsmitteln.
Wie läuft das Antragsverfahren bei der Krankenkasse konkret ab?
Ärztliche Verordnung
Die Antragstellung beginnt mit einem Arztbesuch. Der behandelnde Arzt muss eine detaillierte ärztliche Verordnung ausstellen, die die medizinische Notwendigkeit eines elektrischen Rollstuhls eindeutig begründet. Die Verordnung sollte präzise darlegen, warum ein manueller Rollstuhl nicht ausreicht und welche spezifischen Vorteile ein Elektrorollstuhl bietet.
Sanitätshaus und Kostenvoranschlag
Nach Erhalt der ärztlichen Verordnung erfolgt die Beratung in einem Sanitätshaus. Dort können verschiedene Modelle getestet werden. Das Sanitätshaus erstellt einen detaillierten Kostenvoranschlag für das ausgewählte Modell. Wichtig ist dabei die Angabe der Hilfsmittelnummer des gewünschten Elektrorollstuhls.
Einreichung bei der Krankenkasse
Die vollständigen Antragsunterlagen werden bei der Krankenkasse eingereicht. Dazu gehören:
- Die ärztliche Verordnung mit ausführlicher Begründung
- Der Kostenvoranschlag des Sanitätshauses
- Eventuell erforderliche Zusatzdokumente wie Erprobungsberichte
Prüfung durch die Krankenkasse
Die Krankenkasse prüft den Antrag auf Vollständigkeit und medizinische Notwendigkeit. In vielen Fällen wird der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) eingeschaltet, der eine zusätzliche Begutachtung vornimmt. Die Krankenkasse prüft auch, ob ein geeigneter gebrauchter Rollstuhl verfügbar ist.
Entscheidung und weitere Schritte
Nach erfolgreicher Prüfung erfolgt die Genehmigung durch die Krankenkasse. Bei einer Ablehnung besteht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Ein Beispiel zeigt ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, das die Kostenübernahme für ein elektrisches Zuggerät bestätigte, nachdem die Krankenkasse dies zunächst abgelehnt hatte.
Was kann ich tun, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnt?
Wenn Sie einen ablehnenden Bescheid von der Krankenkasse erhalten, können Sie innerhalb einer Monatsfrist Widerspruch einlegen. Diese Frist beginnt mit dem Zugang des Ablehnungsbescheids.
Wichtig bei mündlicher Ablehnung
Bei einer telefonischen Mitteilung der Ablehnung läuft die Widerspruchsfrist bereits ab diesem Zeitpunkt. Verlangen Sie in diesem Fall umgehend eine schriftliche Bestätigung der Ablehnung. Die Krankenkassen sind zwar nicht zu einer schriftlichen Ablehnung verpflichtet, müssen diese aber auf Wunsch ausstellen.
Einlegung des Widerspruchs
Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und sollte folgende Elemente enthalten:
- Name und Anschrift
- Versicherungsnummer
- Aktenzeichen des Ablehnungsbescheids
- Eindeutiger Betreff „Widerspruch“
- Ihre Unterschrift
Sie müssen den Widerspruch nicht sofort begründen. Ein Vermerk, dass die Begründung nachgereicht wird, ist ausreichend. Senden Sie den Widerspruch per Einschreiben oder geben Sie ihn persönlich bei der Geschäftsstelle ab – lassen Sie sich den Eingang bestätigen.
Nach dem Widerspruch
Die Krankenkasse hat drei Monate Zeit, über Ihren Widerspruch zu entscheiden. Erfolgt keine Entscheidung, können Sie eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht einreichen.
Bei einer erneuten Ablehnung durch einen Widerspruchsbescheid haben Sie die Möglichkeit, innerhalb von sechs Wochen Klage beim Sozialgericht einzureichen. Das Gerichtsverfahren ist für Sie kostenfrei.
Fehlt im Ablehnungsbescheid eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.
Welche Kosten muss die Krankenkasse übernehmen?
Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt grundsätzlich die vollständigen Kosten für einen medizinisch notwendigen Elektrorollstuhl oder ein motorunterstütztes Rollstuhlzuggerät. Sie müssen lediglich eine gesetzliche Zuzahlung zwischen 5 und maximal 10 Euro leisten.
Umfang der Kostenübernahme
Die Kostenübernahme erstreckt sich auf:
- Die Anschaffungskosten des Hilfsmittels
- Notwendige Wartungs- und Reparaturkosten
- Eventuell erforderliche Anpassungen
- Unter Umständen auch die entstehenden Stromkosten
Besonderheiten bei der Versorgung
Wenn Sie ein spezielles Modell oder eine Zusatzausstattung benötigen, prüft die Krankenkasse zunächst, ob ein geeigneter gebrauchter Rollstuhl im Sanitätshaus verfügbar ist. Die Krankenkasse ist dabei verpflichtet, eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen.
Wartung und Reparatur
Wurde der Elektrorollstuhl von der Krankenkasse zur Verfügung gestellt, übernimmt diese auch die Kosten für Wartung und Reparatur. Dies gilt allerdings nicht bei Schäden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit – in diesen Fällen müssen Sie selbst für die Kosten aufkommen.
Rechtliche Entwicklung
Nach aktueller Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen Krankenkassen auch leistungsfähigere und teurere Hilfsmittel bezahlen, wenn diese für die Mobilität erforderlich sind. Die Versorgung darf nicht auf das kostengünstigste Hilfsmittel beschränkt werden, wenn dieses den individuellen Bedürfnissen nicht gerecht wird.
Welche Unterstützung können Beratungsstellen und Verbände bei der Antragstellung leisten?
Bei der Beantragung eines elektrischen Rollstuhls oder Zuggeräts stehen Ihnen verschiedene professionelle Anlaufstellen zur Seite. Sanitätshäuser übernehmen häufig die komplette Antragstellung bei der Krankenkasse für Sie. Sie erhalten dort eine umfassende Beratung und können verschiedene Modelle testen.
Fachliche Unterstützung
Spezialisierte Beratungsstellen wie Reharaum bieten kostenlose Beratung zur Antragstellung und unterstützen beim Widerspruchsverfahren. Die Experten helfen bei der Auswahl des passenden Modells und vermitteln Sie an geeignete Sanitätshäuser in Ihrer Nähe.
Verbände als starke Partner
Der Sozialverband VdK setzt sich aktiv für die Rechte von Rollstuhlfahrern ein und hat durch erfolgreiche Musterklagen wichtige Verbesserungen bei der Hilfsmittelversorgung erreicht. Der Verband unterstützt seine Mitglieder bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber den Krankenkassen.
Praktische Hilfestellung
Die Beratungsstellen helfen Ihnen konkret bei:
- Der Formulierung der ärztlichen Verordnung, damit diese alle notwendigen Informationen enthält
- Der Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen für den Antrag
- Der Kommunikation mit der Krankenkasse, wenn diese zusätzliche Informationen anfordert
- Der Begründung eines Widerspruchs, falls Ihr Antrag zunächst abgelehnt wird
Die Berater kennen die aktuellen Gerichtsurteile und wissen, worauf es bei der Antragstellung ankommt. Sie können Ihnen helfen, Ihre Argumentation überzeugend zu formulieren und Ihre Chancen auf eine Bewilligung zu erhöhen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Hilfsmittel
Ein Hilfsmittel ist ein medizinisches Produkt, das körperliche Beeinträchtigungen ausgleicht oder lindert. Es dient dazu, eine Behinderung zu kompensieren, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Krankenbehandlung zu unterstützen. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 33 SGB V.
Beispiel: Ein elektrischer Rollstuhl mit Zuggerät ist ein Hilfsmittel, das die eingeschränkte Mobilität ausgleicht und dem Betroffenen ermöglicht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Widerspruchsbescheid
Ein Widerspruchsbescheid ist die schriftliche Entscheidung einer Behörde über einen eingelegten Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt. Er beendet das Vorverfahren und eröffnet den Weg zur Klage, falls der Widerspruch zurückgewiesen wird. Geregelt ist das Widerspruchsverfahren in den §§ 68-73 VwGO.
Beispiel: Nach Ablehnung des Antrags auf ein Hilfsmittel kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Die Behörde prüft dann den Fall erneut und erlässt einen Widerspruchsbescheid.
Außergerichtliche Kosten
Außergerichtliche Kosten sind Aufwendungen, die einer Partei im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit entstehen, aber keine Gerichtskosten sind. Dazu gehören insbesondere Anwaltskosten, Gutachterkosten oder Reisekosten. Die Erstattung richtet sich nach dem § 91 ZPO.
Beispiel: Wenn ein Kläger einen Anwalt mit der Vertretung im Widerspruchsverfahren beauftragt, fallen Anwaltskosten als außergerichtliche Kosten an.
Sozialrechtliches Verfahren
Ein sozialrechtliches Verfahren ist ein gerichtliches Verfahren vor den Sozialgerichten, in dem Streitigkeiten aus dem Bereich der Sozialversicherung und der Sozialhilfe verhandelt werden. Es ist im Sozialgerichtsgesetz (SGG) geregelt und zeichnet sich durch besondere Verfahrensgrundsätze wie den Amtsermittlungsgrundsatz aus.
Beispiel: Die Klage auf Kostenübernahme eines Hilfsmittels durch die Krankenkasse wird im sozialrechtlichen Verfahren verhandelt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 33 SGB V (Sozialgesetzbuch V): Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Hilfsmittel müssen notwendig, geeignet und wirtschaftlich sein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hier geht es um die grundsätzliche Frage, ob das beantragte Rollstuhl-Zuggerät ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V ist, um die Behinderung des Klägers auszugleichen und ihm die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
- § 13 Abs. 3 SGB V: Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens aber nach Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen zu entscheiden. Andernfalls gilt die Leistung als genehmigt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Auch wenn im Urteil nicht explizit erwähnt, ist die Einhaltung der Fristen relevant, da bei Überschreitung die Leistung als genehmigt gelten könnte, sofern der Kläger die Krankenkasse zuvor auf die Fristüberschreitung hingewiesen hat.
- Hilfsmittelverzeichnis (HMV): Das Hilfsmittelverzeichnis listet Produkte auf, die als Hilfsmittel von den Krankenkassen übernommen werden können. Es dient als Orientierungshilfe, ist aber nicht abschließend. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Auch wenn ein Rollstuhl-Zuggerät nicht explizit im HMV gelistet ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass kein Anspruch besteht. Entscheidend ist, ob es im konkreten Fall notwendig ist, um die Behinderung auszugleichen und ob es keine kostengünstigere Alternative gibt.
- BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az. B 3 KR 6/09 R (zur Abgrenzung von Hilfsmittel und Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens): Ein Hilfsmittel dient primär dem Ausgleich einer behinderungsbedingten Funktionseinschränkung, während ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens vorrangig dem allgemeinen Lebensbedarf dient. Die Abgrenzung ist im Einzelfall anhand der konkreten Funktion und Zweckbestimmung zu treffen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hier geht es darum, ob das Rollstuhl-Zuggerät primär dazu dient, die Mobilitätseinschränkung des Klägers aufgrund seiner chronischen Polyarthritis und seines Rheumatismus auszugleichen (Hilfsmittel) oder ob es primär der Freizeitgestaltung dient (Gebrauchsgegenstand), was die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ausschließen würde.
- § 27 SGB V (Krankenbehandlung): Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Versorgung mit Hilfsmitteln. Sie muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versorgung des Klägers mit dem Rollstuhl-Zuggerät muss notwendig sein, um seine Mobilität zu verbessern und ihm die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Die Krankenkasse muss prüfen, ob es keine kostengünstigere Alternative gibt, die den gleichen Zweck erfüllt.
Das vorliegende Urteil
SG Köln – Az.: S 36 KR 622/21 – Urteil vom 16.11.2023
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