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Übersicht
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Es geht um die Frage, ob der Kläger aufgrund eines Aufhebungsvertrags eine Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld hinnehmen muss.
- Der Kläger hatte durch einen Drei-Parteien-Vertrag sein Arbeitsverhältnis beendet und in eine Transfergesellschaft gewechselt.
- Schwierigkeit liegt in der Bewertung, ob der Abschluss des Aufhebungsvertrags einen wichtigen Grund darstellt oder als grob fahrlässig angesehen werden muss.
- Das Gericht entschied, dass die Sperrzeit teilweise auf 21 Tage reduziert wird, aber die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Sperrzeit bestätigt wurde.
- Begründung des Gerichts war, dass der Kläger keine ausreichende Aussicht auf eine unbefristete Anschlussbeschäftigung hatte und die Arbeitslosigkeit daher selbst verursacht hat.
- Die Auswirkungen sind, dass der Kläger für 21 Tage kein Arbeitslosengeld erhält und seine Anspruchsdauer entsprechend verkürzt wird.
- Es wurde festgestellt, dass die Beratung durch die Transfergesellschaft nicht ausreichend war, um eine Sperrzeit vollständig zu vermeiden.
- Das Gericht erkannte an, dass betriebsbedingte Gründe eine Kündigung wahrscheinlich gemacht hätten, aber der Aufhebungsvertrag dennoch nicht als wichtiger Grund anerkannt wurde.
Aufhebungsvertrag führt zu Sperrzeit bei Arbeitslosengeld
Wenn ein Arbeitnehmer eine Stelle aufgibt, kann das unter bestimmten Umständen Folgen für den Bezug von Arbeitslosengeld haben.
Die gesetzlichen Regelungen dazu sind komplex und nicht immer einfach zu verstehen.
Der Bezug von Arbeitslosengeld ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Unter anderem muss der Arbeitslose grundsätzlich unverschuldet arbeitslos geworden sein. Wenn jemand seine Beschäftigung selbst beendet hat, etwa durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag, kann dies dazu führen, dass eine sogenannte „Sperrzeit“ bei der Arbeitslosengeldgewährung eintritt. In dieser Zeit wird das Arbeitslosengeld zunächst nicht oder nur eingeschränkt gezahlt. Um zu beurteilen, ob eine solche Sperrzeit gerechtfertigt ist, müssen die genauen Umstände des Beschäftigungsendes geprüft werden.
Dies ist nicht immer eindeutig und kann im Einzelfall zu Auseinandersetzungen mit den Behörden führen. Im Folgenden werden wir dazu ein aktuelles Gerichtsurteil analysieren und die wesentlichen Aspekte für Sie zusammenfassen.
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✔ Der Fall vor dem Sozialgericht Darmstadt
Abschluss eines Aufhebungsvertrages führt zu Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
Der Fall betrifft einen Arbeitnehmer, der von 2006 bis Oktober 2019 bei einer Firma beschäftigt war. Im Juni 2019 schloss er mit dem Arbeitgeber und einer Transfergesellschaft einen Vertrag, wonach er zum 31.10.2019 aus dem Unternehmen ausschied und ab 01.11.2019 für 10 Monate bei der Transfergesellschaft angestellt wurde. Ziel war die Förderung seiner Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Der Vertrag sah die Option vor, das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft für bis zu 6 Monate ruhen zu lassen, um befristete Zweitarbeitsverhältnisse eingehen zu können.
Von März bis Juni 2020 war der Kläger bei einer Personalagentur beschäftigt. Dieses unbefristete Arbeitsverhältnis wurde im Juni 2020 durch einen Aufhebungsvertrag beendet, woraufhin der Kläger wieder zurück zur Transfergesellschaft wechselte. Die Personalagentur gab an, ansonsten selbst nicht oder nicht zum selben Zeitpunkt gekündigt zu haben. Ab September 2020 meldete sich der Kläger dann arbeitslos.
Behörde verhängt Sperrzeit wegen versicherungswidrigem Verhalten
Die Arbeitsagentur bewilligte Arbeitslosengeld erst ab November 2020. Für September und Oktober verhängte sie eine Sperrzeit, da der Kläger durch den Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis selbst gelöst und damit die Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt habe. Einen wichtigen Grund sah die Behörde nicht. Durch die 12-wöchige Sperrzeit minderte sich auch die Anspruchsdauer um 90 Tage. Den Widerspruch des Klägers wies die Agentur zurück.
Der Kläger argumentierte, dass der Arbeitgeber ihm die Kündigung in der Probezeit angekündigt hatte, da er ihn wegen Corona nicht mehr an Kunden vermitteln konnte. Ohne den Aufhebungsvertrag wäre er genauso lange arbeitslos gewesen. Aufgrund der Rückkehroption zur Transfergesellschaft sei auch kein Zustand zulasten der Versichertengemeinschaft eingetreten. Es habe daher ein wichtiger Grund für die Vertragsauflösung vorgelegen.
Gericht: Sperrzeit gerechtfertigt, aber auf 3 Wochen zu verkürzen
Das Sozialgericht urteilte, dass die Arbeitsagentur zu Recht eine Sperrzeit verhängt hat. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages hat der Kläger das Arbeitsverhältnis selbst gelöst und damit die spätere Arbeitslosigkeit verursacht. Dies erfolgte grob fahrlässig, da keine konkrete Aussicht auf eine Anschlussbeschäftigung bestand.
Ein wichtiger Grund lag nicht vor, weil der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis verkürzt hat. Die vertraglich vereinbarte einwöchige Kündigungsfrist in der Probezeit wurde nicht eingehalten. Daher war zwar eine Sperrzeit gerechtfertigt, jedoch hätte diese auf 3 Wochen verkürzt werden müssen. Denn laut Arbeitgeber wäre das Arbeitsverhältnis auch ohne Aufhebung innerhalb von 6 Wochen durch Kündigung beendet worden.
Das Gericht sprach dem Kläger daher für 2 Wochen im September Arbeitslosengeld zu. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Kürzung der Anspruchsdauer wurde auf 21 Tage reduziert.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung zeigt, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages regelmäßig zu einer Sperrzeit führt, wenn dadurch die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt wird. Allerdings ist die Dauer der Sperrzeit auf das notwendige Maß zu begrenzen, wenn das Arbeitsverhältnis auch bei Einhaltung der Kündigungsfrist innerhalb von sechs Wochen geendet hätte. Der Fall mahnt Arbeitnehmer zur Vorsicht bei vorzeitiger einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da dies schnell als versicherungswidriges Verhalten gewertet werden kann.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Sperrzeit beim Arbeitslosengeld wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
Was ist eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld?
Eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld bedeutet, dass der Anspruch auf diese Leistung für einen bestimmten Zeitraum ruht, wenn der Arbeitslose seine Arbeitslosigkeit selbst zu verantworten hat. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich in § 159 SGB III. Danach tritt eine Sperrzeit ein, wenn sich der Arbeitslose versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.
Ein solch versicherungswidriges Verhalten liegt insbesondere vor, wenn der Arbeitslose sein Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst oder durch vertragswidriges Verhalten Anlass zur Kündigung gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet wird. Denn hier wirkt der Arbeitnehmer aktiv an der Beendigung mit, indem er dem Vertrag zustimmt.
Die Dauer der Sperrzeit beträgt bei einer solchen Arbeitsaufgabe grundsätzlich zwölf Wochen. In dieser Zeit erhält der Arbeitslose kein Arbeitslosengeld. Die Leistung fällt ersatzlos weg und wird auch nicht nachgezahlt. Bei längerem Anspruch kann sich die Bezugsdauer sogar um mehr als zwölf Wochen verringern.
Eine Sperrzeit tritt nur dann nicht ein, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrags hatte. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitgeber anderenfalls eine berechtigte personen- oder betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen hätte.
Welche Gründe führen zu einer Sperrzeit beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags?
Ein Aufhebungsvertrag führt in der Regel zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, weil der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung aktiv an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitwirkt. Dies gilt als versicherungswidriges Verhalten, da er freiwillig auf seinen Arbeitsplatz verzichtet und so vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeiführt.
Eine Sperrzeit tritt nur dann nicht ein, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrags hatte. Ein solcher Grund kann vorliegen, wenn der Arbeitgeber glaubhaft mit einer berechtigten Kündigung aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gedroht hat und der Arbeitnehmer dem durch den Aufhebungsvertrag nur zuvorgekommen ist. Dabei darf die im Vertrag vereinbarte Abfindung jedoch nicht zu hoch ausfallen, sonst prüft die Arbeitsagentur genau, ob die Kündigung tatsächlich rechtmäßig gewesen wäre.
Weitere mögliche wichtige Gründe sind Mobbing am Arbeitsplatz, die Notwendigkeit der Pflege von Angehörigen oder eine Vergütung weit unter Branchenniveau. Dagegen reicht allein das Interesse an einer Abfindung nicht aus, um eine Sperrzeit zu vermeiden. Auch besonderer Kündigungsschutz, z.B. wegen Schwerbehinderung oder Elternzeit, schließt einen wichtigen Grund aus.
Liegen die Voraussetzungen für eine Sperrzeit vor, beträgt diese in der Regel 12 Wochen. In dieser Zeit erhält der Arbeitslose kein Arbeitslosengeld. Zudem kann sich die Bezugsdauer insgesamt um ein Viertel verringern.
Wie kann ich eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld vermeiden?
Um eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld nach einem Aufhebungsvertrag zu vermeiden, gibt es zwei Hauptansätze:
Der erste Weg besteht darin, einen wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrags darzulegen. Ein solcher kann insbesondere dann vorliegen, wenn dem Arbeitnehmer ohnehin eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung gedroht hätte. Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber die Kündigung mit Bestimmtheit angekündigt hat und es sich nicht um eine verhaltensbedingte Kündigung handelt. Auch darf die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung nicht zu hoch ausfallen. Als Faustregel gelten maximal 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. Alle Absprachen mit dem Arbeitgeber sollten schriftlich festgehalten werden, um später die Gründe für den Aufhebungsvertrag belegen zu können.
Der zweite Weg besteht darin, den angebotenen Aufhebungsvertrag abzulehnen und es stattdessen auf eine Kündigung durch den Arbeitgeber ankommen zu lassen. Anschließend kann im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens ein gerichtlicher Vergleich mit Abfindungszahlung geschlossen werden. Bei dieser Vorgehensweise ist das Risiko einer Sperrzeit deutlich geringer, da der Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht selbst herbeigeführt hat.
In jedem Fall empfiehlt es sich, vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine individuelle Beratung durch einen spezialisierten Arbeitsrechtler in Anspruch zu nehmen. Dieser kann die Erfolgsaussichten der verschiedenen Handlungsoptionen bewerten und auf Fallstricke hinweisen. So lässt sich das Risiko einer Sperrzeit minimieren und der Arbeitslosengeldanspruch bestmöglich absichern.
Kann eine Sperrzeit rückwirkend aufgehoben oder verkürzt werden?
Eine bereits verhängte Sperrzeit beim Arbeitslosengeld kann unter bestimmten Voraussetzungen verkürzt werden. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn die Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen eine besondere Härte bedeuten würde. Dabei berücksichtigt die Arbeitsagentur auch die Umstände, die zur Sperrzeit geführt haben.
Bei einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe durch Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag kann die Dauer auf sechs Wochen verkürzt werden, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen ohnehin geendet hätte. Eine Verkürzung auf drei Wochen ist möglich, wenn die Beschäftigung in sechs Wochen geendet hätte.
Um eine Verkürzung der Sperrzeit zu erreichen, muss der Arbeitslose aktiv werden und bei der Arbeitsagentur einen Antrag stellen. Er sollte dabei glaubhaft darlegen, warum die volle Dauer der Sperrzeit für ihn eine außergewöhnliche Belastung darstellen würde. Auch wenn die Agentur zuvor eine falsche Auskunft erteilt hat, auf die sich der Arbeitslose verlassen hat, kann dies ein Grund für eine Verkürzung sein.
Gegen die Verhängung einer Sperrzeit kann der Betroffene Widerspruch einlegen und eine erneute Überprüfung der Entscheidung verlangen. Oft reicht es aus, die Arbeitsagentur auf die geltende Rechtslage hinzuweisen und eventuelle Fehler aufzuzeigen. Bleibt der Widerspruch erfolglos, ist eine Klage vor dem Sozialgericht möglich.
Eine rückwirkende Aufhebung der gesamten Sperrzeit ist dagegen nur schwer zu erreichen. Der Arbeitslose müsste nachweisen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen von Anfang an nicht vorlagen, er also ein wichtiger Grund für sein Verhalten hatte. Dies kann zum Beispiel eine drohende rechtmäßige Kündigung durch den Arbeitgeber sein, der er mit dem Aufhebungsvertrag zuvorkommen wollte.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 159 SGB III – Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe: Regelt die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitslose sein Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst beendet hat. Dies ist relevant, da der Kläger durch einen Aufhebungsvertrag sein Arbeitsverhältnis beendet hat und somit eine Sperrzeit verhängt wurde.
- § 2 Abs. 5 SGB III – Zumutbare Beschäftigung: Besagt, dass Arbeitnehmer zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortsetzen müssen. Dies ist im vorliegenden Fall wichtig, da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger als grob fahrlässig angesehen wurde, weil er keine Aussicht auf eine neue unbefristete Beschäftigung hatte.
- § 159 Abs. 3 SGB III – Verkürzung der Sperrzeit: Ermöglicht unter bestimmten Bedingungen die Verkürzung der Sperrzeit. Das Sozialgericht hat die Sperrzeit des Klägers aufgrund der speziellen Umstände von 12 auf 3 Wochen verkürzt.
- Kündigungsfristen (Tarifvertrag): Die im Arbeitsvertrag des Klägers vereinbarten Kündigungsfristen sind relevant, da sie bestimmen, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ordnungsgemäß erfolgt ist. Im vorliegenden Fall wurden die Kündigungsfristen nicht eingehalten, was zur Sperrzeit beitrug.
- Interessenausgleich und Sozialplan: Diese Regelungen waren Bestandteil des Transfervertrags des Klägers und beeinflussten seine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Dies ist wichtig, um die Rahmenbedingungen der Beschäftigungsbeendigung und die Absicherung des Klägers zu verstehen.
- Transferkurzarbeitergeld: Der Kläger erhielt Transferkurzarbeitergeld, eine Leistung zur Unterstützung von Arbeitnehmern, die in eine Transfergesellschaft wechseln. Diese finanzielle Unterstützung ist im Kontext des Aufhebungsvertrags und der Sperrzeit relevant.
- Betriebsbedingte Kündigung: Der Kläger argumentierte, dass eine betriebsbedingte Kündigung aufgrund der Corona-Pandemie unvermeidbar gewesen wäre. Dies ist wichtig, um zu beurteilen, ob die Selbstbeendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt war.
- Wichtiger Grund (§ 159 SGB III): Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unvermeidlich oder zumutbar war. Im vorliegenden Fall wurde kein solcher Grund anerkannt, was zur Verhängung der Sperrzeit führte.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Sozialgericht Darmstadt
SG Darmstadt – Az.: S 8 AL 277/20 – Urteil vom 30.01.2023
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter teilweiser Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 11.09.2020 und teilweiser Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 11.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2020 in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 22.09.2020 bis zum 05.10.2020 zu gewähren und die Minderung der Anspruchsdauer auf 21 Tage zu beschränken.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 40 % seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung einer Sperrzeit.
Der 1975 geborene Kläger war vom 01.10.2006 bis zum 31.10.2019 bei der Firma D. beschäftigt gewesen. Er schloss mit seinem Arbeitgeber sowie der G. GmbH (im Weiteren G.) am 21.06.2019 einen Drei-Parteien-Vertrag (Transfervertrag, im Weiteren TV). Nach § 1 TV war dem Kläger der zwischen seinem Arbeitgeber und dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich vom 08.05.2019 und der Sozialplan vom 26.04.2019 bekannt. Bestandteil dieses Interessenausgleiches und Sozialplanes sei, den betroffenen Arbeitnehmern den Übertritt in eine Transfergesellschaft zu ermöglichen. Die betriebsorganisatorische Einheit werde durch G. eingerichtet werden, in welcher Qualifizierungsmaßnahmen für die betroffenen Arbeitnehmer durchgeführt werden. Wesentliche Vertragsgrundlage sei, dass G. Transfer-Kurzarbeitergeld bei der Beklagten beantrage und erhalte. Der Arbeitgeber habe die Treuhandgesellschaft vollumfänglich zu finanzieren. Nach § 2 TV beendete der Kläger gegen eine Abfindung i. H. v. 63.469,80 € zum 31.10.2019 seine Beschäftigung bei seinem Arbeitgeber und begründete mit G. ein vom 01.11.2019 bis zum 31.08.2020 befristetes Arbeitsverhältnis. Dieser werde mit dem Arbeitnehmer eine strukturierte Outplacement-Beratung durchführen und dem Arbeitnehmer eine bestmögliche Betreuung anbieten, um dessen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern (§ 3 TV). Als Vergütung erhielt der Kläger Transferkurzarbeitergeld sowie eine Aufstockungszahlung. Nach § 10 Ziffer 1 TV kann das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft zum Zwecke der Aufnahme einer neuen Tätigkeit des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmen bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten ruhendgestellt werden. Solche Ruhendstellungen können insbesondere zur Aufnahme eines sogenannten befristeten Zweitarbeitsverhältnisses und für wechselnde neue Arbeitgeber gewährt werden. Auf den restlichen Inhalt dieses Vertrages wird Bezug genommen.
Der Kläger war in der Zeit vom 01.11.2019 bis zum 15.03.2020 bei G. beschäftigt gewesen. Er war im Anschluss vom 16.03.2020 bis zum 07.06.2020 bei der Firma K. Personaldienste beschäftigt gewesen. Im Anschluss war er vom 08.06.2020 bis zum 31.08.2020 wieder bei der Firma G. beschäftigt gewesen. Nach dem Arbeitsvertrag mit der Firma K. galten für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB. Das Arbeitsverhältnis als Elektroniker war unbefristet und begann am 16.03.2020 (§ 3 lit. a) des Vertrages). Nach § 7 dieses Vertrages betrug bei Neueinstellungen die Kündigungsfrist in der Probezeit während der ersten zwei Wochen des Arbeitsverhältnisses einen Tag. Im Übrigen verweist der Arbeitsvertrag darauf, dass das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit den manteltarifvertraglichen Kündigungsfristen gemäß § 9.3 und § 9.4 MTV BAP / DGB gekündigt werden kann.
Er meldete sich am 05.06.2020 persönlich arbeitslos mit Wirkung zum 01.09.2020. Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma K. Personaldienste endete das dortige Arbeitsverhältnis mit Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum 07.06.2020. Der Arbeitgeber hätte ansonsten nicht oder nicht zum selben Zeitpunkt gekündigt. Die maßgebliche Kündigungsfrist hätte 1 Woche ohne festes Ende betragen.
Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma G. sei das Arbeitsverhältnis vom Kläger zum 15.03.2020 gekündigt worden.
Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma D. war der Kläger zuletzt als Elektriker beschäftigt gewesen. Danach sei dieses Arbeitsverhältnis am 28.05.2019 zum 31.10.2019 gekündigt worden. Dagegen habe der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Es seien zusätzliche Vereinbarungen nach dem Ausspruch der Kündigung getroffen worden. Eine Sozialauswahl sei getroffen worden. Die Kündigungsfrist betrug drei Monate zum Quartalsende.
Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 25.08.2020 mit, dass sie über den Antrag auf Arbeitslosengeld nur vorläufig entscheiden könne. Es würden noch Nachweise fehlen. Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom gleichen Tag wurde dem Kläger ab dem 24.11.2020 bis zum 23.08.2021 Arbeitslosengeld i. H. v. 59,49 € kalendertäglich gewährt. Eine Gewährung für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 23.11.2020 erfolgte nicht. Dazu könne noch nicht entschieden werden.
In seiner Stellungnahme gab der Kläger an, dass er den Vertrag mit der Firma G. ruhend gestellt habe um eine Arbeit zu finden. Nach Abschluss des Aufhebungsvertrages sei diese Ruhendstellung beendet worden und der Vertrag weitergeführt worden. Die Firma G. habe ihn dahingehend beraten, dass durch die Ruhendstellung und die folgende Wiederaufnahme der Arbeit keine Sperrzeit eintrete.
Ausweislich des Aufhebungsvertrages wurde das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Klägers beendet. Die Firma K. wies auf die Möglichkeit hin, dass die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit bis zu 12 Wochen verhängen könnte. Zudem wies sie den Kläger auf die Verpflichtung hin, sich arbeitssuchend zu melden.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 11.09.2020 fest, dass im Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 23.11.2020 eine Sperrzeit eingetreten sei, da der Kläger das Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst habe. Seine Arbeitsaufgabe sei für den Eintritt der erst später eingetretenen Arbeitslosigkeit ursächlich geblieben, denn das Anschlussarbeitsverhältnis sei von vorneherein befristet gewesen. Der Kläger hätte erkennen können, dass er danach arbeitslos werde. Ein wichtiger Grund liege nicht vor. Die Sperrzeit dauere zwölf Wochen und mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage. Mit Änderungsbescheid vom gleichen Tag gewährte die Beklagte dem Kläger endgültig Arbeitslosengeld ab dem 24.11.2020 bis zum 23.08.2021 i. H. v. 59,49 € kalendertäglich und lehnte die Gewährung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 23.11.2020 ab.
Die Beklagte erläuterte noch mit Schreiben vom 24.09.2020 den Sachstand; auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen.
Der Kläger legte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29.09.2020 Widerspruch gegen die beiden Bescheide ein. Der Kläger nahm am 06.10.2020 eine Tätigkeit bei der Firma K. auf, sodass die Beklagte mit Bescheid vom 06.10.2020 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 06.10.2020 aufhob. Der Arbeitgeber übersandte eine korrigierte Arbeitsbescheinigung, in der er mitteilte, dass er das Arbeitsverhältnis ansonsten zum 07.06.2020 gekündigt hätte.
Der Kläger war der Ansicht, dass der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht verkürzt hätte. Der Arbeitgeber habe ihm mitgeteilt, dass sie ihm in der Probezeit kündigen wollte. Infolge des coronabedingten Lockdowns hätte sein Arbeitgeber keine Kunden gehabt, an denen sie den Kläger hätte vermitteln können. Sie teilte ihm mit, dass sie ihn kündigen wolle und legte ihm einen Aufhebungsvertrag vor, welche beide Seiten unterschrieben. Der Arbeitgeber habe den Abschluss eines Aufhebungsvertrages wegen des Drei-Parteienverhältnisses bevorzugt. Die Probezeit hätte erst im September 2020 geendet. Der Arbeitgeber habe zwar die zweiwöchige Kündigungsfrist in der Probezeit nicht eingehalten, jedoch habe sich hierdurch die Arbeitslosigkeit des Klägers nicht verlängert, da dieser nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder Arbeitnehmer der Transfergesellschaft wurde. Es liege somit ein wichtiger Grund vor.
Die Beklagte stellte bei dem Arbeitgeber Nachfragen an. Der Arbeitgeber teilte mit, dass aufgrund des Corona-Shutdown sei ihr Kunde „E.“ gezwungen gewesen einen Einstellungsstopp zu verhängen, Kurzarbeit zu verhängen und alle externen Mitarbeiter entsprechend abzumelden. Der Kunde sei mit dem Kläger zufrieden gewesen und hätte ihm sogar bereits eine rasche Übernahme in Aussicht gestellt. Das sei durch den Lockdown nicht möglich gewesen. Eine direkte Anschlussbeschäftigung in einem anderen Betrieb sei ebenfalls nicht möglich gewesen. Sie habe dem Kläger eine betriebsbedingte Kündigung auch mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt. Der Ansprechpartner der Transfergesellschaft habe mitgeteilt, dass eine Aufhebungsvereinbarung für den Kläger keinen Nachteil mit sich bringe und er wieder problemlos in der Transfergesellschaft betreut werden könne. Eine ordentliche fristgerechte Kündigung wäre ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages erfolgt. Das Arbeitsverhältnis wäre zum gleichen Zeitpunkt beendet worden. Auch wäre die Kündigungsfrist eingehalten worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2020 zurück. Der Kläger habe keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt. Die Arbeitslosigkeit sei daher grob fahrlässig herbeigeführt worden. Zudem sei auch kein wichtiger Grund erkennbar. Nach den vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 5 SGB III festgelegten Grundsätzen hätten Arbeitnehmer zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Ein wichtiger Grund liege deshalb schon nicht vor, weil das Arbeitsverhältnis durch Abschluss des Aufhebungsvertrages ohne Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist beendet wurde. Auch sei die Dauer, der Beginn sowie das Ende der Sperrzeit zutreffend festgestellt worden. Es bleibe zudem bei der im Sperrzeitbescheid mitgeteilten Minderung der Anspruchsdauer.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 04.12.2020 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen.
Der Kläger sei kein Jahr bei der Firma K. beschäftigt gewesen. Es fehle zudem an der Kausalität zwischen dem Abschluss des Aufhebungsvertrages sowie dem Eintritt der Arbeitslosigkeit, da der Kläger bei Ausspruch einer Kündigung das befristete Arbeitsverhältnis mit der Firma G. fortgesetzt hätte, sodass das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2020 geendet hätte. Zwar sei der Kläger durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages von einem unbefristeten in ein befristetes Arbeitsverhältnis gewechselt. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass er eine rechtmäßige Kündigung erhalten hätte. Infolge der Probezeit sei auch eine Kündigung ohne Angabe von Gründen möglich gewesen. Insofern hätte ein wichtiger Grund zum Abschluss des Aufhebungsvertrages vorgelegen. Durch die Möglichkeit der Rückkehr des Klägers zu der Transfergesellschaft sei auch kein Zustand der Arbeitslosigkeit zulasten der Versichertengemeinschaft eingetreten. Auch bei der gedachten rechtmäßigen Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist wäre die Arbeitslosigkeit des Klägers eingetreten.
Er ist weiterhin der Ansicht, dass es an der Kausalität zwischen dem Verhalten des Klägers und der eingetretenen Arbeitslosigkeit fehlen. Das Verhalten des Klägers habe seine Arbeitslosigkeit nicht herbeigeführt. Nach der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei der Kläger nicht arbeitslos gewesen, sondern bei der G. beschäftigt gewesen. Das befristete Arbeitsverhältnis habe sich durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages auch nicht verkürzt. Die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses sei nicht die Ursache für die Beschäftigungslosigkeit.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 11.09.2020 und Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 11.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2020 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 05.10.2020 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der angefochtenen Bescheide. Es liege kein wichtiger Grund vor, da die Kündigung nicht zum gleichen Zeitpunkt ausgesprochen worden sei. Im Falle des Klägers sei eine Kündigung gemäß den Angaben in der Arbeitsbescheinigung erst zum 11.06.2020 möglich gewesen. Nach § 622 Abs. 3 BGB sei eine Kündigung erst zum 18.06.2020 möglich gewesen. Vorliegend sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zugunsten eines befristeten Arbeitsverhältnisses aufgegeben worden, sodass auch in einem solchen Fall Kausalität vorliege. Der Kläger habe durch den Aufhebungsvertrag den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit zum 01.09.2020 verursacht. Ohne den Aufhebungsvertrag wäre das Arbeitsverhältnis mit der K. GmbH nicht beendet gewesen. Zwar sei eine Kündigung durch diesen Arbeitgeber beabsichtigt gewesen, sei aber tatsächlich nicht ausgesprochen worden. Die Berücksichtigung einer lediglich beabsichtigten Kündigung würde nach Auffassung der Beklagten zur unzulässigen Annahme einer hypothetischen Kausalität führen. Es bestehe damit kein wesentlicher Unterschied zu Konstellationen, in denen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zugunsten eines befristeten Arbeitsverhältnisses aufgegeben wurde.
Auch für die Frage einer Verkürzung nach § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III sei zu berücksichtigen, dass eine Kündigung durch den Arbeitgeber tatsächlich nicht ausgesprochen wurde. Diese Vorschrift sei so zu verstehen, dass das Arbeitsverhältnis auch ohne den Beitrag des Arbeitslosen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geendet habe. Davon würden nur Fallgestaltungen erfasst, in denen beispielsweise bereits eine rechtmäßige arbeitgeberseitige Kündigung ausgesprochen worden sei oder das Arbeitsverhältnis befristet gewesen sei. Bei Wegdenken des Aufhebungsvertrages hätte es zunächst des Eintritts einer weiteren Bedingung (einer Kündigung durch den Arbeitgeber) bedurft, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Diese Fälle würden nicht von § 159 Abs. 3 Satz 2 SGB III erfasst. Der in dieser Vorschrift verwendete Konjunktiv würde sich nur darauf beziehen, wie das Arbeitsverhältnis geendet hätte, wenn es nicht durch den Arbeitslosen beendet worden wäre. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei eine Sperrzeitverkürzung nur diskutiert worden, in denen ein alternativer Beendigungstatbestand tatsächlich vorgelegen habe.
Entscheidungsgründe
A. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist die Frage, ob die Beklagte zu Recht eine zwölfwöchige Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe gegenüber dem Kläger verhängt hat. Gegenstand des Verfahrens sind der Sperrzeitbescheid vom 11.09.2020 und der Bewilligungsbescheid vom 11.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2020. Beide Bescheide bilden eine rechtlich miteinander verbundene Einheit (vgl. BSG, Urteil vom 14. September 2010, Az.: B 7 AL 33/09 R – juris – Rn. 10). Dies gilt auch, soweit im Sperrzeitbescheid als eigenständige Verfügung die Minderung der Dauer des Arbeitslosengeldes nach § 148 Sozialgesetzbuch III (SGB III) enthalten ist, da die Rechtmäßigkeit der Minderung des Arbeitslosengeldes von der Rechtmäßigkeit des Ruhens des Anspruches auf Arbeitslosengeld zwingend abhängt.
B. Die Klage ist form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
C. Die Klage ist auch größtenteils begründet. Die Beklagte hat zwar zu Recht festgestellt, dass eine Sperrzeit zu verhängen war. Zu Unrecht hat sie jedoch angenommen, dass die Sperrzeit nicht zu verkürzen gewesen sei, sodass der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Ihm steht nach dem Ablauf einer Sperrzeit von drei Wochen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu.
I. Der Kläger hat aufgrund seiner durchgehenden Beschäftigung ab dem 01.10.2006 bis zum 31.08.2020 die Anwartschaftszeit erfüllt. Er hat sich zudem am 05.06.2020 mit Wirkung zum 01.09.2020 persönlich arbeitslos gemeldet. Weiterhin war er bis zu der Aufnahme der Beschäftigung beschäftigungslos, bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung.
II. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhte jedoch in der Zeit vom 01.09.2020 bis zum 21.09.2020 wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhält, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Ein versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht jedoch nicht über dem 21.09.2020 hinaus.
1. Der Kläger hat sich unstreitig versicherungswidrig verhalten. Er hat durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 04.06.2020 sein Beschäftigungsverhältnis gelöst.
2. Er hat auch dadurch die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. § 159 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1 SGB III setzt insoweit voraus, dass die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses für den Eintritt der Arbeitslosigkeit ursächlich geworden ist. Entscheidend ist daher, ob der Arbeitslose nach dem tatsächlichen Geschehensablauf im Einzelfall die zur Arbeitslosigkeit führende Kündigung (wesentlich) mit verursacht hat. Die Kausalitätsprüfung im Einzelfall erfolgt anhand der sozialrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlich mitwirkenden Bedingung. Diese gewichtet mehrere Einzelbedingungen nach ihrer Bedeutung für den Eintritt des Erfolges – d. h. im vorliegenden Zusammenhang den Eintritt der Arbeitslosigkeit – und stellt hierbei auch Billigkeitserwägungen an. Ursächlich im Sinne der sozialrechtlichen Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung ist eine Bedingung, wenn sie alleine zum Erfolg beigetragen hat oder – im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen – wegen ihrer besonderen Bedeutung zum Erfolg und dessen Eintritt jedenfalls wesentlich mitgewirkt hat. Die Kausalität ist nach dem tatsächlichen Lebenssachverhalt zu beurteilen und nicht nach hypothetischen Geschehensabläufen. Es ist daher für den Eintritt einer Sperrzeit bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unerheblich, dass das Arbeitsverhältnis möglicherweise zum selben oder sogar zu einem früheren Zeitpunkt durch eine Kündigung des Arbeitgebers gelöst worden wäre (Heinz/ Schmidt-De Caluwe/Scholz, Sozialgesetzbuch III – Arbeitsförderung, SGB III § 159 Rn. 41-43, beck-online). Die Kausalität ist dabei nach dem tatsächlichen Geschehensablauf und nicht etwa hypothetischen Geschehensabläufen, zu denen die angedrohte betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers gehörte, zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 25. April 2002, Az.: B 11 AL 65/01 R – juris – Rn. 19).
Somit ist vorliegend der Abschluss des Aufhebungsvertrages jedenfalls wesentlich ursächlich für die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, da der Kläger ohne dessen Abschluss nicht arbeitslos geworden wäre, sondern zunächst in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis geblieben wäre. Zutreffend hat die Beklagte ausgeführt, dass eine hypothetische Berücksichtigung des Ausspruches einer auszusprechenden Probezeitkündigung bei der Beurteilung der Kausalität nicht zu berücksichtigen ist. Dies steht auch im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Damit ist die Kausalität im Sinne einer wesentlichen Herbeiführung der Arbeitslosigkeit zu bejahen.
3. Die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit erfolgte auch grob fahrlässig, da der Kläger keine begründete und verlässliche Aussicht auf einen Anschluss-Arbeitsplatz hatte. Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass der Kläger das Beschäftigungsverhältnis versicherungswidrig gelöst hat.
4. Dieses versicherungswidriges Verhalten ist nicht durch einen wichtigen Grund gedeckt. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn die Arbeitslose unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden können. Grundgedanke der Sperrzeitregelung ist es, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Eine Sperrzeit tritt deshalb nur dann ein, wenn der Arbeitnehmerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung ihrer Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Insoweit muss der wichtige Grund nicht nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses überhaupt, sondern zusätzlich den konkreten Zeitpunkt der Auflösung decken. Es ist deshalb auch zu prüfen, ob der Arbeitslosen die Aufgabe seiner Beschäftigung zu einem späteren Zeitpunkt zumutbar war.
Vorliegend ergibt sich jedoch das Problem, dass nach dem Arbeitsvertrag in Verbindung § 9.3 des Manteltarifvertrages das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden kann. Der Aufhebungsvertrag wurde am 04.06.2020 abgeschlossen; danach endete das Arbeitsverhältnis am 07.06.2020. Folglich ist die maßgebende Wochenfrist durch diese Beendigung nicht eingehalten worden, sodass der konkrete Zeitpunkt der Auflösung nicht von dem wichtigen Grund gedeckt wird. Damit hat die Beklagte zu Recht festgestellt, dass der Kläger sich ohne wichtigen Grund versicherungswidrig verhalten, sodass eine Sperrzeit eingetreten ist.
5. Die Sperrzeit beginnt nach § 159 Abs. 2 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Bei einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 2 Nr. 1 SGB III ist das maßgebliche Ereignis die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Die Sperrzeit beginnt dann mit dem der tatsächlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses folgenden Tag (Leandro Valgolio in: Hauck/Noftz SGB III, § 159 Ruhen bei Sperrzeit, Rn. 432). Da der Kläger ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Firma G. nicht unwiderruflich freigestellt wurde, beginnt die Sperrzeit somit am 01.09.2020.
6. Die Beklagte hat die Dauer der Sperrzeit allerdings unzutreffend festgestellt. Nach § 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III beträgt die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe grundsätzlich zwölf Wochen. Sie verkürzt sich nach § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III auf drei Wochen, sofern das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte.
a) Die Firma K. hat gegenüber der Beklagten mit E-Mail vom 14.10.2020 ausdrücklich bestätigt, dass sie dem Kläger erstens eine betriebsbedingte Kündigung in Aussicht gestellt hat und sie zweitens das Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche fristgerechte Kündigung beendet hätte. Aufgrund der tarifvertraglichen Kündigungsfrist von einer Woche wäre somit das Arbeitsverhältnis auch innerhalb von sechs Wochen nach dem sperrzeitbegründenden Ereignis beendet worden.
b) Die Beklagten wendet insoweit dagegen ein, dass die Vorschrift nur auf Fälle anwendbar sei, in denen – anders als im vorliegenden Fall das Arbeitsverhältnis aufgrund ausgesprochener Kündigung oder bestehender Befristung sowieso geendet hätte. Damit kann sie nicht überzeugen.
aa) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut der Regelung den Konjunktiv – „hätte“ – verwendet. Dies weist darauf hin, dass eine Kündigung nicht zwingend ausgesprochen werden musste. Ausreichend ist vielmehr, dass dem Arbeitnehmer eine Kündigung gedroht hätte. Dies war vorliegend – wie unter a) festgestellt – der Fall.
bb) Diese Auslegung stimmt auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift überein. Nur eine einengende Auslegung wird insoweit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes gerecht, die sich als übergreifende Leitregel allen staatlichen Handels aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs. 3 Grundgesetz) ableiten und Verfassungsrang haben. Danach müssen das gewählte Mittel und der gewollte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zueinanderstehen. Ein Eingriff muss zur Erreichung des vom Gesetzgeber erstrebten Zieles geeignet und erforderlich sein. Letzteres bedeutet, dass das vom Gesetzgeber erstrebte Ziel nicht auf andere, den Einzelnen weniger belastende Weise ebenso gut erreich werden kann und schließlich das Maß der den Einzelnen treffende Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den ihm und der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht (zitiert nach BSG, Urteil vom 9. Februar 1995, Az.: 7 RAr 34/94 – juris – Rn. 20).
Vorliegend ist das Gericht davon überzeugt, dass dem Kläger auch ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages gekündigt worden wäre. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes scheitert vorliegend ausschließlich daran, dass die Kündigungsfrist im Hinblick auf den tatsächlichen Beendigungszeitpunkt nicht eingehalten wurde. Vor diesem Hintergrund verstößt es gegen das Übermaßgebot sowie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, bei einem solchen Sachverhalt eine 12-wöchige Sperrzeit zu verhängen. Deswegen ist allgemein – und nicht nur auf den Fall des Klägers bezogen – die Regelung des § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund dahingehend auszulegen, dass es ausreicht, dass das Arbeitsverhältnis ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages geendet hätte, ohne dass diese Beendigung durch den Ausspruch einer Kündigung sich auch manifestiert haben muss.
III. Da die Sperrzeit zu Unrecht anstatt auf drei Wochen auf zwölf Wochen festgelegt wurde, musste in der Folge auch die seitens der Beklagte verfügte Minderung der Anspruchsdauer nach § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III auf 21 Tage begrenzt werden.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Die Berufung ist für beide Beteiligte nach §§ 143, 144 SGG zulässig, da der Kläger im Hinblick auf die Gewährung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 21.09.2020 unterlegen ist; dies macht einen Wert des Beschwerdegegenstandes von 1.249,29 € (21*59,49 €) aus. Die Beklagte ist mit einem Betrag i. H. v. 832,86 € (14*59,49 €) für den Zeitraum vom 22.09.2020 bis zum 05.10.2020 unterlegen. In beiden Fällen wird maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,-€ überschritten, sodass für beide Beteiligte die Berufung statthaft ist.