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Arbeitsunfall – Anerkennung und Entschädigung einer somatoformen Schmerzstörung

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 3 U 33/06 – Urteil vom 27.09.2011

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. September 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer somatoformen Schmerzstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 1999 streitig.

Der am XXX 1964 in Vietnam geborene und 1980 nach Deutschland gekommene Kläger ist von Beruf Diplom-Ingenieur für Informatik / Planung / Datentechnik / Elektroinstallation. Er erlitt am 29. Januar 1999 während seiner beruflichen Tätigkeit als Fahrer eines PKW einen Verkehrsunfall, bei welchem ein LKW auf das Fahrzeug des Klägers auffuhr. Der erstbehandelnde Chirurg Dr. L. stellte bei der klinischen Untersuchung keine Prellmarken, einen Druckschmerz im Bereich der Dornfortsätze C 4 / C 5 der Halswirbelsäule, keinen Druck- oder Klopfschmerz im Bereich der Brust-, Lendenwirbelsäule und Schädelkalotte sowie einen muskulären Hartspann paraventral beiderseits im Bereich der Halswirbelsäule mit endgradig schmerzhafter Reklination der Halswirbelsäule fest. Sensibilität, Motorik und Kraft der Extremitäten stellten sich beiderseits unauffällig dar. Es fand sich kein Hinweis auf eine neurologische Symptomatik. Röntgenologisch fand sich eine leichte Streckhaltung der Halswirbelsäule, jedoch kein Anhalt für eine Fraktur. Dr. L. diagnostizierte eine Halswirbelsäulendistorsion 1. Grades und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis 3. Februar 1999. Bei der weiteren Vorstellung bei Dr. L. im M. Krankenhaus am 3. Februar 1999 klagte der Kläger über zusätzlich aufgetretene Schmerzen bei Rotation des Kopfes und geringe Übelkeit. Der von ihm am 8. Februar 1999 aufgesuchte Chirurg Dr. T. stellte eine deutlich schmerzhaft eingeschränkte Rückneigung der Halswirbelsäule bei nur endgradig schmerzhaft eingeschränkter Vorneigung und Drehung fest. Bei der Vorstellung im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. am 12. März 1999 klagte der Kläger noch über Muskelverspannungen im linken Nacken-/Schulterbereich. Die behandelnden Ärzte Dr. P1/Dr. K. fanden einen insgesamt muskulär schwach entwickelten Patienten und empfahlen eine krankengymnastische Behandlung einschließlich Muskelaufbautraining bei gleichzeitiger Einleitung einer Arbeits- und Belastungserprobung. Am 7. April 1999 stellte sich der Kläger bei dem Chirurgen Dr. S. vor, der einen endgradigen Bewegungsschmerz im Bereich der Halswirbelsäule ohne Bewegungseinschränkung feststellte. Er veranlasste eine neurologische Untersuchung durch Dr. S1, die einen unauffälligen klinisch-neurologischen Befund und auch unauffällige Befunde im EMG beschrieb. Nachdem eine Kernspintomographie am 29. April 1999 keine Verletzungsfolgen aufgezeigt hatte und Dr. S. am 21. Mai 1999 keine Einschränkungen von Seiten der Beweglichkeit und der Konsistenz der Muskulatur im Bereich der Halswirbelsäule erkennen konnte, vermochte er aus unfallchirurgischer Sicht keinen Grund für das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit mehr erkennen.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1999 erkannte die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 24. Mai 1999 an, lehnte aber die Gewährung einer Verletztenrente mit der Begründung ab, dass die erlittene Halswirbelsäulendistorsion folgenlos ausgeheilt und die bestehende strukturelle muskuläre Minderbelastbarkeit der Halswirbelsäule nicht Folge des Arbeitsunfalls sei. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch ließ die Beklagte den Kläger durch den Orthopäden P. untersuchen und begutachten. Dieser Sachverständige gelangte in seinem aufgrund der am 21. September 1999 erfolgten Untersuchung erstellten Gutachten vom 22. September 1999 zu dem Ergebnis, bei dem Kläger bestehe eine psychosomatische Beschwerdesymptomatik im Bereich des Nackens und Schultergürtels, eine ausgeheilte Distorsion der Halswirbelsäule und eine Skoliose der oberen Brust- und der Halswirbelsäule. Für die noch geäußerten Beschwerden des Klägers gebe es kein medizinisches Korrelat. Die denkbare psychosomatische Schmerzauslösung stehe nicht im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe nur bis zum 19. Februar 1999 bestanden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nicht verblieben. Auf der Grundlage dieses Gutachtens wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1999 zurück.

Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte beigezogen und ihn anschließend durch den Chirurgen M1 untersuchen und begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 2. September 2002 bei dem Kläger eine leichte Skoliose der Hals- und Brustwirbelsäule mit geringer Fehlstellung der ersten beiden Halswirbelkörper sowie eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und unter Bezugnahme auf den vom Kläger überreichten Entlassungsbericht der Psychosomatischen Abteilung der E. Klinik B. über den dortigen stationären Aufenthalt vom 15. Mai bis 26. Juni 2001 dargelegt, dass bei den somatoformen Störungen körperlich nicht begründbare Organstörungen und psychosomatische Erkrankungen vorlägen, von denen angenommen werde, dass sie relevante psychische Bezüge bis in die frühe Kindheit hätten und psychotherapeutischer Behandlung bedürften. Selbst wenn der Kläger bei dem Unfall eine leichte Zerrung der Halswirbelsäule erlitten habe, könne diese nicht wesentliche Ursache für ein anhaltendes zunehmendes Beschwerdebild und insbesondere nicht wesentliche Ursache für eine somatoforme Schmerzstörung sein. Ein objektiver Verletzungsbefund sei von keinem der behandelnden oder begutachtenden Ärzte nachgewiesen worden. Ein solcher sei durch die durchgeführte Kernspintomographie vielmehr ausgeschlossen worden.

In dem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellten Gutachten vom 2. September 2004 ist der Orthopäde Dr. O. demgegenüber zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger liege eine chronifizierte Schmerzkrankheit im Rahmen eines so genannten Late whiplash Syndroms vor, die wesentlich ursächlich auf den Unfall zurückzuführen sei und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 vom Hundert bedinge. Für die von dem Vorgutachter M1 formulierte Annahme einer eigenständigen somatoformen Krankheitsform als Ursache der konkreten Beschwerden des Klägers fehle es nicht nur an einem Beweis oder Indiz, sondern auch schon an jeglichem Hinweis oder Verdacht. Durch die modernen Erkenntnisse über die Muskelphysiologie sei inzwischen bekannt, dass ein einmaliges Versagen der Muskulatur bei exzentrischer Belastung dazu führe, dass im betroffenen Muskel Reaktionen abliefen, wie sie bei untrainierten Muskeln unangepassten Belastungen in Form eines Muskelkaters allgemein bekannt seien. In diesem Sinne könnten die Beschwerden des Klägers als Folge einer primärreflektorischen Muskelverletzung im Rahmen des Schleudertraumas vom 21. Januar 1999 oder der sekundären Folgereaktion aufgrund der Versorgung mit einer Halskrause interpretiert werden. Bei Abwägung aller bekannten Informationen bestehe kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Biographie des Klägers ohne den Unfall mit der dadurch ausgelösten Unfallheilbehandlung nicht diesen katastrophalen Verlauf genommen hätte, der inzwischen aktenkundig sei.

Dieser Einschätzung hat der Chirurg M1 in seiner vom Sozialgericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 15. November 2004 widersprochen, in welcher er darauf hingewiesen hat, dass es das Wesen nichtstruktureller Verletzungen sei, folgenlos auszuheilen. Aus epidemiologischer Sicht sei das Auftreten eines Late-Whiplash-Syndroms abhängig vom Versicherungsstand. Die Häufigkeit und Chronifizierungsrate beim Schleudertrauma erkläre sich aus epidemiologischer Sicht aus der Tatsache des Versicherungsschutzes, nicht aus der Tatsache der erlittenen Verletzung. Demgegenüber hat Dr. O. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. März 2005 seine Einschätzung bekräftigt und ausgeführt, dass die bei dem Kläger nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden von allen Ärzten außer M1 ohne Zweifel als Folge eines unfallbedingten Cervikalsyndroms bewertet worden seien.

Der vom Sozialgericht zum weiteren Sachverständigen bestellte Nervenarzt Dr. N. ist in seinem nach Untersuchung des Klägers erstellten Gutachten vom 28. November 2005 zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger bestehe neben dem Zustand nach abgeheilter Halswirbelsäulendistorsion eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Unfall vom 29. Januar 1999 habe lediglich die Halswirbelsäulendistorsion leichten Grades verursacht. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung wäre wahrscheinlich auch ohne den Unfall eingetreten; entscheidend für sie sei eben nicht der Unfall, sondern die in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers liegende Disposition in Kombination mit seiner aktuellen Lebenssituation.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. September 2006 hat der Kläger sein ursprüngliches, auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 1999 gerichtetes Klagebegehren eingeschränkt auf Anerkennung und Entschädigung der somatoformen Schmerzstörung. Diese Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 11. September 2006 abgewiesen. Die beim Kläger festgestellte somatoforme Schmerzstörung sei nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit (teil-)ursächlich auf das Unfallereignis vom 29. Januar 1999 zurückzuführen. Dies stehe aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fest. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche vor allem das Fehlen eines strukturellen Schadens im Bereich der betroffenen Halswirbelsäule.

Gegen das am 26. September 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Oktober 2006 Berufung eingelegt, mit der er darauf verweist, dass ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang des Eintretens der Schmerzsymptomatik zum Unfallgeschehen bestehe. Da andere Ursachen für die Schmerzsymptomatik von den medizinischen Sachverständigen nicht plausibel benannt worden und nicht ersichtlich seien, spreche mehr dafür als dagegen, dass die Gesundheitsstörung des Klägers auf dem Unfall beruhe. Entsprechend der Auffassung des Sachverständigen Dr. O. sei daher die unstreitig vorliegende und bis heute andauernde somatoforme Schmerzstörung als Unfallfolge anzuerkennen. Dieser Sachverständige habe die Symptome und Grundlagen der beim Kläger festgestellten Krankheitsausprägungen im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung nach Halswirbelsäulendistorsion eingehend beschrieben und diagnostiziert. Es sei demgegenüber nicht vertretbar, die Ursache der Schmerzstörung in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu suchen. Grund für sie sei vielmehr die inadäquate Versorgung, die der Kläger nach dem Unfall erlitten habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. September 2006 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die somatoforme Schmerzstörung des Klägers im Bereich der Halswirbelsäule als Folge des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 1999 anzuerkennen und über den 24. Mai 1999 hinaus zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei es insbesondere bei seelischen Gesundheitsstörungen zur Feststellung einer wesentlichen Verursachung der Erkrankung nicht ausreichend, wenn andere Ursachen für die Erkrankung nicht feststellbar seien. Aus einem reinen zeitlichen Zusammenhang und der Abwesenheit konkurrierender Ursachen könne nicht automatisch der einen festgestellten naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache geschlossen werden.

Nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt hatten, ist der Orthopäde Dr. N1 in seinem Gutachten vom 27. September 2008 nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gelangt, das der Kläger sich bei dem Unfall lediglich eine Distorsion der Halswirbelsäule ohne Nachweis struktureller Verletzungen zugezogen habe, durch die Arbeitsunfähigkeit bestenfalls für einen Zeitraum von vier Wochen bedingt worden sei. Daneben habe sich ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne einer anhaltenden somatoformen Störung auf dem Boden einer depressiv-ängstlichen Persönlichkeit entwickelt. Da eine körperliche Ursache für die Chronifizierung der Schmerzen nicht benannt werden könne, müssten andere pathophysiologische Abläufe greifen, die jedoch von einem Nervenarzt zu beurteilen seien. Der Nervenarzt Dr. H1 führt in seinem nach Untersuchung des Klägers erstellten Gutachten vom 5. Januar 2011 darauf hin, dass die ihm gegenüber vom Kläger geklagte Kopfschmerzsymptomatik im Zusammenhang mit Lichtempfindlichkeit und Übelkeit daran denken lasse, dass der Kläger unter Migräneattacken leide, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit pharmakologisch gut behandelbar seien. Der überwiegende Teil der Schmerzsymptomatik sei aber in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern als Ausdruck einer somatoformen Schmerzstörung (ICD 10: F45.4) anzusehen. Der Begriff der Somatisierungsstörung beinhalte gerade, dass die Beschwerdesymptomatik nicht durch eine wie auch immer geartete Gesundheitsstörung erklärt werden könne. Die klinische Erfahrung lehre, dass somatoforme Störungen unterschiedlicher Art und Ausprägung ohne erkennbaren Anlass auftreten können. Es gebe keine Hinweise darauf, dass diese Art von Störungen vermehrt nach blanden Halswirbelsäulendistorsionen auftreten würde. Das Beschwerdebild des Klägers sei durch das Unfallereignis nicht erklärbar. Bei dem Unfall sei es lediglich zu der inzwischen ausgeheilten leichten Halswirbelsäulendistorsion gekommen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 27. September 2011 aufgeführten Akten und Unterlagen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Berichterstatter kann als Einzelrichter anstelle des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten einvernehmlich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ( §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG) des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten betreffend die Ablehnung der Gewährung von Leistungen über den 24. Mai 1999 wegen Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 1999 rechtmäßig sind. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nach entsprechender Einschränkung des ursprünglichen, alle in Betracht kommenden Unfallfolgen umfassenden Antrages auf Gewährung einer Verletztenrente im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 11. September 2006 nur noch die Frage, ob die von den medizinischen Sachverständigen P., M1, Dr. N., Dr. N1 und Dr. H1 diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung wesentlich (teil-)ursächlich auf das Unfallereignis vom 29. Januar 1999 zurückzuführen ist und deshalb dafür Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 24. Mai 1999 hinaus zu leisten sind. Aufgrund dieser Beschränkung ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig, ob eine andere Gesundheitsstörung, wie zum Beispiel die von dem nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. O. diagnostizierte chronifizierte Schmerzkrankheit im Rahmen eines so genannten Late whiplash Syndroms vorliegt, gegebenenfalls wesentlich (teil-) ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen und dementsprechend zu entschädigen ist. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkung des Streitgegenstandes hat das Sozialgericht zu Recht die Klage abgewiesen. Zutreffend ist es dabei davon ausgegangen, dass es nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen P., M1 und Dr. N. an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis und der bei dem Kläger festgestellten somatoformen Schmerzstörung fehlt und die mit den angefochtenen Bescheiden als Unfallfolge anerkannte leichte Distorsion der Halswirbelsäule spätestens bis zum 24. Mai 1999 folgenlos ausgeheilt war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit vollen Umfangs auf die zutreffenden Gründe des sozialgerichtlichen Urteils Bezug genommen ( § 153 Abs.2 SGG). Weder das Vorbringen des Klägers noch die während des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme in Form der Einholung des orthopädischen Gutachtens von Dr. N1 und des nervenärztlichen Gutachtens von Dr. H1 vermögen an dieser Beurteilung etwas zu ändern. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass andere Ursachen als das Unfallereignis für die bei ihm bestehende Schmerzsymptomatik von den medizinischen Sachverständigen nicht plausibel benannt und nicht ersichtlich seien, verkennt er – unabhängig davon, ob diese Aussage wirklich richtig ist – dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gerade keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch die wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (Vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, m.w.N., zitiert nach juris). Ebenso ist es entgegen der Auffassung des Klägers für die Anerkennung des Unfallereignisses als wesentliche Ursache für eine Gesundheitsstörung nicht ausreichend, wenn zwischen ihnen ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 26704 R –, zitiert nach juris). Gerade hinsichtlich seelischer Gesundheitsstörungen hat das Bundessozialgericht (vgl. BSG, a.a.O.) mehrfach gefordert, dass als Voraussetzung für die Anerkennung als Unfallfolge zunächst die konkret vorliegende Gesundheitsstörung anhand eines der üblichen Diagnosesysteme festgestellt werden muss. Dies ist im Fall des Klägers mittlerweile unstreitig die anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10: F 45.4). Entgegen den Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung kann er sich nicht mit Erfolg zum Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang dieser Gesundheitsstörung mit dem Unfallereignis auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. O. in dessen Gutachten vom 2. September 2004 beziehen. Dr. O. ist nämlich der einzige aller tätig gewordenen Sachverständigen, der das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung vehement verneint und stattdessen eine chronifizierte Schmerzkrankheit im Rahmen eines so genannten Late whiplash Syndroms diagnostiziert. Unabhängig davon, dass auch der während des Berufungsverfahrens gehörte orthopädische Sachverständige Dr. N1 dieser Diagnose mit beachtlicher Argumentation widerspricht, ist eine solche Gesundheitsstörung aufgrund der durch den Kläger erfolgten Beschränkung des Streitgegenstandes gar nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die von Dr. O. zur Begründung des Zusammenhanges zwischen dem Unfall und der von ihm angenommenen Gesundheitsstörung angeführten Argumente können aber nicht auf die Frage der Unfallabhängigkeit der somatoformen Schmerzstörung übertragen werden. Überzeugend hat der im Berufungsverfahren gehörte nervenärztliche Sachverständige Dr. H1 dargelegt, dass neben möglicherweise bestehenden Migräneattacken der überwiegende Teil der Schmerzsymptomatik des Klägers am ehesten als Ausdruck einer somatoformen Schmerzstörung anzusehen ist, da als vorherrschende Beschwerde ein andauernder schwerer und quälender Schmerz besteht, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht erklärt werden kann. Weiter hat dieser Sachverständige zutreffend dargelegt, dass der Begriff der Somatisierungsstörung gerade beinhaltet, dass die Beschwerdesymptomatik nicht durch eine wie auch immer geartete organische Gesundheitsstörung erklärt werden kann und zur Suche nach der ursächlichen oder teilursächlichen seelischen Störung auffordert. Diese Erläuterung steht im Einklang mit der Definition der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung im ICD 10 F 45.4, wonach der dort beschriebene Schmerz in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen auftritt, die schwerwiegend genug sein sollten, um als entscheidende ursächliche Faktoren gelten zu können. Das bedeutet, dass die somatoforme Schmerzstörung nach ihrer Definition gerade nicht Folge einer körperlichen Schädigung ist, sondern auf seelischen Belastungen beruht. Zutreffend führt Dr. H1 insoweit sexuellen Missbrauch, Kriege, Umweltkatastrophen, Flucht und Vertreibung als Beispiele an. Unabhängig davon, welche Ursache bei dem Kläger konkret in Betracht kommt, weist Dr. H1 zu Recht darauf hin, dass es jedenfalls keine Hinweise dafür gibt, dass somatoforme Störungen vermehrt nach blanden Halswirbelsäulendistorsionen auftreten. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der beim Kläger bestehenden somatoformen Schmerzstörung lässt sich deshalb nicht feststellen, so dass die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.

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