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Arbeitsunfall – Anforderungen an haftungsbegründende Kausalität

Ein Kopftremor nach stundenlanger Schreibtischarbeit – Arbeitsunfall oder nicht? Eine Frau kämpft vor Gericht um die Anerkennung ihres Leidens, doch Gutachter und Richter sehen keinen klaren Zusammenhang. War es wirklich nur eine „Gelegenheitsursache“ oder steckt mehr dahinter? Ein Fall, der die Grenzen der Beweisbarkeit im Arbeitsrecht aufzeigt.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Die Klägerin beantragte die Anerkennung eines Kopftremors als Arbeitsunfall, verursacht durch Überlastung am Arbeitsplatz.
  • Der Streit entstand über den Zusammenhang zwischen der einseitigen Belastung im Job und dem aufgetretenen Gesundheitsschaden.
  • Die Beklagte hatte den Unfall nicht anerkannt, da kein klarer ursächlicher Zusammenhang ermittelt werden konnte.
  • Die medizinische Expertise war unklar, da keine organische Ursache für den Kopftremor festgestellt wurde.
  • Der Gerichtshof wies die Berufung zurück und bestätigte die Entscheidung der Beklagten.
  • Die Entscheidung basierte darauf, dass die Klägerin durch eine bereits bestehende Erkrankung möglicherweise eine erhöhte Anfälligkeit für den Tremor hatte.
  • Der zeitliche Rahmen zwischen der beruflichen Belastung und dem Eintreten des Tremors ließ keinen eindeutigen Nachweis für einen Arbeitsunfall zu.
  • Die Nicht-Anerkennung des Ereignisses führte zur Verantwortung der Beklagten für die Mitteilung der Ursachen und deren Zusammenhänge.
  • Diese Entscheidung kann Auswirkungen auf ähnliche Fälle haben, in denen die Ursache von Beschwerden schwerer nachweisbar ist.
  • Der Sachverhalt verdeutlicht die Komplexität der Ursachenforschung im Zusammenhang mit psychischen und physischen Belastungen am Arbeitsplatz.

Arbeitsunfall: Haftung, Kausalität und Schadensersatz im konkreten Fall analysiert

Ein Arbeitsunfall stellt einen betrieblichen Vorfall dar, der während einer beruflichen Tätigkeit geschieht und oft zu ernsthaften Verletzungen oder Erkrankungen führen kann. Die rechtlichen Aspekte solcher Unfälle sind äußerst komplex, da sie nicht nur Arbeitnehmerrechte, sondern auch Haftungsfragen und Ansprüche auf Schadensersatz betreffen. Um die Verantwortlichkeit eines Arbeitgebers zu bestimmen, sind die Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität entscheidend. Diese Kausalität beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem entstandenen Schaden.

Im Kontext von Arbeitsunfällen sind sowohl die Unfallversicherung als auch die medizinische Dokumentation von zentraler Bedeutung. Ein ordnungsgemäß eingereichter Unfallbericht und die Beweislast des Geschädigten können den Weg zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ebnen. Darüber hinaus gewinnen Präventionsmaßnahmen zunehmend an Bedeutung, um das Risiko von Arbeitsunfällen zu minimieren und die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die relevanten rechtlichen Regelungen zu verstehen und sich im Falle eines Unfalls juristisch beraten zu lassen.

Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität näher beleuchtet und die rechtlichen Konsequenzen eines Arbeitsunfalls analysiert.

Der Fall vor Gericht


Gericht lehnt Klage auf Anerkennung eines Kopftremors als Arbeitsunfall ab

Nicht-Anerkennung eines Kopftremors als Arbeitsunfall
Ein Landessozialgericht hat die Klage einer Frau abgewiesen, die einen Kopftremor als Arbeitsunfall anerkannt haben wollte, da ein kausaler Zusammenhang zwischen ihrer Bürotätigkeit und dem Tremor nicht nachweisbar war. (Symbolfoto: Ideogram gen.)

Ein Landessozialgericht hat die Berufung einer Klägerin zurückgewiesen, die die Anerkennung eines Kopftremors als Arbeitsunfall forderte. Die Klägerin, geboren 1968, hatte behauptet, der Tremor sei durch eine Überbelastung an ihrem Arbeitsplatz entstanden.

Vorgeschichte und Unfallanzeige

Die Klägerin hatte bereits 2016 einen anerkannten Arbeitsunfall erlitten, bei dem sie sich eine Schulterverletzung zugezogen hatte. Nach längerer Arbeitsunfähigkeit nahm sie im September 2017 die Arbeit wieder auf. In einer Unfallanzeige gab sie an, bei einer zwei- bis dreistündigen Bürotätigkeit einen „extrem schmerzhaften und immer stärker werdenden Tremor“ entwickelt zu haben.

Ablehnung durch Versicherungsträger und erste Instanz

Die Berufsgenossenschaft erkannte das Ereignis nicht als Arbeitsunfall an. Sie argumentierte, es fehle ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Gesundheitsschaden. Das Sozialgericht wies die Klage der Frau ab und stellte fest, dass weder die äußere Einwirkung ein adäquates Ereignis zur Entwicklung eines Tremors darstelle, noch ein medizinischer Zusammenhang nachgewiesen werden konnte.

Berufungsverfahren und neurologisches Gutachten

Im Berufungsverfahren holte das Gericht ein Sachverständigengutachten ein. Der Neurologe Prof. Dr. R1 kam zu dem Schluss, dass die geschilderte Tätigkeit wahrscheinlich nicht als Ursache der festgestellten Gesundheitsstörungen anzusehen sei. Er diagnostizierte bei der Klägerin eine zervikale Dystonie, bei der es sich eher um eine funktionelle (psychogene) als eine organische Störung handele.

Urteilsbegründung des Landessozialgerichts

Das Gericht folgte der Einschätzung des Sachverständigen und urteilte, dass das Ereignis vom 4. September 2017 den Gesundheitsschaden nicht wesentlich mitverursacht hat. Es handele sich vielmehr um eine „Gelegenheitsursache“, die nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht geeignet sei, die diagnostizierte Störung hervorzurufen.

Rechtliche Einordnung und Schlussfolgerung

Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis zu einem Gesundheitsschaden führen. Zudem muss dieses Ereignis den Schaden „objektiv und rechtlich wesentlich verursacht“ haben. Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt waren, wies das Gericht die Berufung zurück und verneinte einen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil verdeutlicht, dass für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ein klarer kausaler Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Gesundheitsschaden nachgewiesen werden muss. Eine bloße zeitliche Koinzidenz oder eine Gelegenheitsursache reichen nicht aus. Bei psychogenen Störungen wie der hier diagnostizierten zervikalen Dystonie ist besondere Sorgfalt bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs geboten, da komplexe psychische Faktoren eine Rolle spielen können, die nicht unmittelbar der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Personen, die unter einem Kopftremor oder ähnlichen Symptomen leiden und diese auf ihre Arbeit zurückführen, hat dieses Urteil wichtige Konsequenzen. Es zeigt, dass für die Anerkennung als Arbeitsunfall ein klarer, wissenschaftlich nachweisbarer Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Gesundheitsschaden bestehen muss. Alltägliche Bürotätigkeiten wie das Scannen von Barcodes werden in der Regel nicht als ausreichend angesehen, um einen Tremor zu verursachen. Bei psychisch bedingten oder funktionellen Störungen ist die Anerkennung als Arbeitsunfall besonders schwierig. Betroffene sollten daher frühzeitig umfassende medizinische Untersuchungen durchführen lassen und alle möglichen Ursachen, auch psychische Belastungen, berücksichtigen.


FAQ – Häufige Fragen

Kopftremor – kein Arbeitsunfall? Häufig stellt sich die Frage, ob ein Kopftremor als Arbeitsunfall anerkannt wird. Diese FAQ-Rubrik bietet dir fundierte Antworten und Orientierung im komplexen Rechtsbereich des Arbeitsunfalls.

 

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls erfüllt sein?

Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls müssen mehrere rechtliche Voraussetzungen gemäß § 8 SGB VII erfüllt sein:

Versicherte Person

Der Unfall muss einer versicherten Person widerfahren sein. Hierzu zählen in der Regel alle Arbeitnehmer, aber auch bestimmte Selbstständige, Schüler, Studenten und ehrenamtlich Tätige.

Versicherte Tätigkeit

Zum Unfallzeitpunkt muss eine versicherte Tätigkeit ausgeübt worden sein. Dies umfasst nicht nur die eigentliche Arbeitsleistung, sondern auch Tätigkeiten, die mit der Arbeit in einem inneren Zusammenhang stehen. Wenn Sie beispielsweise auf dem Weg zur Kantine stürzen, kann dies als versicherte Tätigkeit gelten.

Unfallereignis

Es muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorliegen. Stellen Sie sich vor, Sie verletzen sich beim Heben einer schweren Kiste. Dies wäre ein typisches Unfallereignis. Langsam entstehende Gesundheitsschäden, wie etwa ein Bandscheibenvorfall durch jahrelange Fehlhaltung, gelten hingegen nicht als Unfall.

Gesundheitsschaden

Der Unfall muss zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod geführt haben. Dabei ist es unerheblich, ob der Schaden dauerhaft oder vorübergehend ist.

Haftungsbegründende Kausalität

Zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dies bedeutet, dass die versicherte Tätigkeit den Unfall wesentlich verursacht haben muss. Wenn Sie beispielsweise während der Arbeit aufgrund einer privaten Unachtsamkeit stolpern, könnte die haftungsbegründende Kausalität fehlen.

Haftungsausfüllende Kausalität

Zusätzlich muss zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Gesundheitsschaden ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Der Gesundheitsschaden muss also eine direkte Folge des Unfalls sein.

Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls müssen all diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. In der Praxis kann die Beurteilung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, durchaus komplex sein. Jeder Fall wird individuell geprüft, wobei die konkreten Umstände des Einzelfalls entscheidend sind.


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Wie wird der ursächliche Zusammenhang zwischen Arbeitstätigkeit und Gesundheitsschaden nachgewiesen?

Der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitstätigkeit und Gesundheitsschaden erfolgt in der gesetzlichen Unfallversicherung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Hierbei wird in zwei Schritten vorgegangen:

Naturwissenschaftlicher Ursachenzusammenhang

Zunächst muss ein naturwissenschaftlicher Ursachenzusammenhang zwischen der Arbeitstätigkeit und dem Gesundheitsschaden festgestellt werden. Dies bedeutet, dass der Gesundheitsschaden ohne die Arbeitstätigkeit nicht eingetreten wäre. Hierfür sind medizinische Gutachten von großer Bedeutung. Ein Gutachter muss anhand der vorliegenden Befunde und unter Berücksichtigung des aktuellen medizinischen Kenntnisstands beurteilen, ob die Arbeitstätigkeit den Gesundheitsschaden verursacht haben kann.

Die zeitliche Nähe zwischen der Arbeitstätigkeit und dem Auftreten des Gesundheitsschadens spielt dabei eine wichtige Rolle. Je kürzer der zeitliche Abstand, desto wahrscheinlicher ist ein Zusammenhang. Wenn Sie beispielsweise unmittelbar nach dem Heben einer schweren Last Rückenschmerzen verspüren, spricht dies für einen Zusammenhang.

Rechtliche Wesentlichkeit

In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob die Arbeitstätigkeit eine rechtlich wesentliche Bedingung für den Gesundheitsschaden war. Hierbei geht es um eine wertende Betrachtung. Die Arbeitstätigkeit muss nicht die alleinige oder überwiegende Ursache sein, sie muss aber wesentlich zur Entstehung des Gesundheitsschadens beigetragen haben.

Für den Nachweis der rechtlichen Wesentlichkeit gilt der Grundsatz der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Das bedeutet, dass nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang sprechen muss. Eine absolute Sicherheit ist nicht erforderlich.

Beweismittel

Für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs sind folgende Beweismittel besonders relevant:

  • Ärztliche Berichte und Gutachten: Diese müssen den Gesundheitszustand vor und nach dem Unfallereignis dokumentieren.
  • Zeugenaussagen: Kollegen oder Vorgesetzte können den Unfallhergang bestätigen.
  • Unfallberichte: Eine zeitnahe und detaillierte Dokumentation des Unfallgeschehens ist wichtig.
  • Bildgebende Verfahren: Röntgenaufnahmen oder MRT-Bilder können Verletzungen objektivieren.

Wenn Sie einen Arbeitsunfall erleiden, ist es daher wichtig, dass Sie diesen umgehend melden und sich zeitnah in ärztliche Behandlung begeben. Je lückenloser die Dokumentation, desto einfacher ist der Nachweis des Ursachenzusammenhangs.

Bei komplexen Fällen, insbesondere wenn mehrere Ursachen für den Gesundheitsschaden in Frage kommen, kann die Beurteilung schwierig sein. In solchen Fällen werden oft mehrere Gutachten eingeholt, um den Sachverhalt umfassend zu klären.


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Was bedeutet der Begriff „Gelegenheitsursache“ im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen?

Eine Gelegenheitsursache im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen bezeichnet ein Ereignis, das zwar den Gesundheitsschaden ausgelöst hat, aber rechtlich nicht als wesentliche Ursache angesehen wird. Dies ist besonders relevant, wenn Sie einen Arbeitsunfall erlitten haben und die Anerkennung als Versicherungsfall in Frage steht.

Abgrenzung zur wesentlichen Ursache

Wenn Sie einen Unfall bei der Arbeit erleiden, prüft die Berufsgenossenschaft, ob das Unfallereignis die rechtlich wesentliche Bedingung für den eingetretenen Gesundheitsschaden war. Eine Gelegenheitsursache liegt vor, wenn der Unfall lediglich den Zeitpunkt bestimmt hat, zu dem eine bereits bestehende Erkrankung oder Veranlagung in Erscheinung getreten ist.

Bedeutung für die Anerkennung als Arbeitsunfall

Wird ein Ereignis als Gelegenheitsursache eingestuft, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die rechtliche Bewertung:

  • Der Unfall wird in der Regel nicht als Arbeitsunfall anerkannt.
  • Die gesetzliche Unfallversicherung muss keine Leistungen erbringen.
  • Die Verantwortung für die Behandlung und eventuelle finanzielle Folgen liegt bei Ihnen oder Ihrer Krankenversicherung.

Beispiele für Gelegenheitsursachen

Stellen Sie sich vor, Sie heben bei der Arbeit eine schwere Kiste und verspüren plötzlich starke Rückenschmerzen. Bei der ärztlichen Untersuchung stellt sich heraus, dass Sie bereits vor dem Unfall einen fortgeschrittenen Bandscheibenvorfall hatten. In diesem Fall könnte das Heben der Kiste als Gelegenheitsursache gewertet werden, da die Schmerzen wahrscheinlich auch bei einer anderen alltäglichen Belastung aufgetreten wären.

Beweislast und Kausalitätsprüfung

Bei der Beurteilung, ob eine Gelegenheitsursache vorliegt, wird eine zweistufige Kausalitätsprüfung durchgeführt:

  1. Es wird geprüft, ob das Unfallereignis den Gesundheitsschaden verursacht hat.
  2. Es wird bewertet, ob der Zusammenhang rechtlich wesentlich ist.

Die Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls liegt bei Ihnen als Versichertem. Daher ist es wichtig, dass Sie nach einem Unfall am Arbeitsplatz alle relevanten Informationen und Beweise sorgfältig dokumentieren.

Bedeutung von Vorschädigungen

Vorschädigungen spielen bei der Beurteilung eine wichtige Rolle. Wenn Sie eine Vorerkrankung haben, die durch den Unfall lediglich „aktiviert“ wurde, kann dies als Gelegenheitsursache gewertet werden. Allerdings bedeutet nicht jede Vorschädigung automatisch, dass ein Unfall zur Gelegenheitsursache wird. Es kommt auf den Einzelfall und die Schwere der Vorschädigung an.


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Welche Rolle spielen psychische Faktoren bei der Anerkennung eines Arbeitsunfalls?

Psychische Faktoren spielen eine bedeutende Rolle bei der Anerkennung eines Arbeitsunfalls, wobei ihre Bewertung oft komplexer ist als bei rein körperlichen Verletzungen. Grundsätzlich können auch psychische Gesundheitsschäden als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Anerkennung psychischer Störungen als Arbeitsunfallfolge

Für die Anerkennung einer psychischen Störung als Arbeitsunfallfolge muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf die Psyche einwirkendes Ereignis vorliegen. Dies bedeutet, dass das auslösende Ereignis in der Regel auf höchstens eine Arbeitsschicht begrenzt sein muss. Stellen Sie sich vor, Sie erleben als Lokführer einen Personenunfall oder als Bankangestellter einen Raubüberfall – solche Extremereignisse können als Auslöser für eine psychische Störung anerkannt werden.

Abgrenzung zu dauerhaften Belastungen

Es ist wichtig zu verstehen, dass psychische Störungen aufgrund dauerhafter Belastungen am Arbeitsplatz, wie beispielsweise Mobbing über einen längeren Zeitraum, in der Regel nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden können. In solchen Fällen fehlt das für einen Arbeitsunfall charakteristische singuläre Ereignis.

Kausalitätsprüfung bei psychischen Schäden

Bei der Prüfung der Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der psychischen Störung gelten besondere Anforderungen:

  1. Seelischer Erstschaden: Es muss ein unmittelbarer seelischer Schaden durch das Unfallereignis nachgewiesen werden.
  2. Abwägung mit Vorschäden: Bestehende psychische Vorbelastungen werden bei der Beurteilung berücksichtigt. Eine Abwägung zwischen dem unfallbedingten Schaden und vorbestehenden psychischen Problemen ist erforderlich.
  3. Intensität des Unfallereignisses: Die Schwere des Unfalls wird in Relation zur entstandenen psychischen Störung gesetzt.

Herausforderungen bei der Anerkennung

Die Anerkennung psychischer Faktoren als Arbeitsunfallfolge ist oft mit Herausforderungen verbunden:

  • Zeitlicher Verlauf: Psychische Störungen können sich verzögert entwickeln, was die Kausalitätsfeststellung erschwert.
  • Dokumentation: Ein psychisch auffälliges Verhalten muss zeitnah nach dem Unfallereignis dokumentiert sein.
  • Komplexität der Ursachen: Die Abgrenzung zwischen unfallbedingten und anderen Ursachen für psychische Störungen kann schwierig sein.

Wenn Sie einen Arbeitsunfall erlitten haben und psychische Folgen bemerken, ist es wichtig, diese frühzeitig ärztlich dokumentieren zu lassen. Die gesetzliche Unfallversicherung hat spezielle Verfahren entwickelt, um Betroffenen schnell zu helfen, ähnlich wie bei der Versorgung körperlicher Verletzungen.


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Welche Rechtsmittel stehen Betroffenen zur Verfügung, wenn ein Arbeitsunfall nicht anerkannt wird?

Wenn Ihr Arbeitsunfall nicht anerkannt wird, stehen Ihnen im Sozialrecht mehrere Rechtsmittel zur Verfügung:

Widerspruch

Der erste Schritt ist die Einlegung eines Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid. Hierfür haben Sie eine Frist von einem Monat nach Zugang des Bescheids. Der Widerspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde eingelegt werden, die den Bescheid erlassen hat. In dieser Phase überprüft die Behörde ihre Entscheidung nochmals.

Klage vor dem Sozialgericht

Wird Ihr Widerspruch abgelehnt, können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang des Widerspruchsbescheids Klage beim zuständigen Sozialgericht erheben. Die Klage kann schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. In diesem Stadium ist es oft ratsam, Sachverständigengutachten einzuholen, um den Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und Ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachzuweisen.

Berufung und Revision

Sollte das Urteil des Sozialgerichts nicht zu Ihren Gunsten ausfallen, haben Sie die Möglichkeit, Berufung beim Landessozialgericht einzulegen. Die Berufungsfrist beträgt ebenfalls einen Monat nach Zustellung des Urteils. In Ausnahmefällen kann gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts Revision beim Bundessozialgericht eingelegt werden, sofern diese zugelassen wurde.

Überprüfungsantrag

Sollten Sie die Widerspruchs- oder Klagefrist versäumt haben, können Sie einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X stellen. Dieser ermöglicht eine erneute Prüfung des Falls, allerdings mit eingeschränkter Rückwirkung der Leistungen.

Bei der Durchsetzung Ihrer Rechte ist es wichtig, die haftungsbegründende Kausalität nachzuweisen. Dies bedeutet, dass Sie darlegen müssen, wie der Unfall zu Ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hat. Hierbei spielen medizinische Gutachten eine entscheidende Rolle. Sie sollten alle relevanten medizinischen Unterlagen sorgfältig sammeln und dem Gericht vorlegen.

Beachten Sie, dass im sozialgerichtlichen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Das Gericht muss also von sich aus den Sachverhalt aufklären. Dennoch ist es ratsam, aktiv an der Beweisführung mitzuwirken und alle relevanten Informationen und Unterlagen bereitzustellen.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Arbeitsunfall: Ein Arbeitsunfall ist ein Vorfall, der sich während der beruflichen Tätigkeit ereignet und zu einer Verletzung oder Erkrankung führt. Dabei muss der Unfall im Zusammenhang mit der Arbeit stehen, also während der Ausübung der Tätigkeit passieren oder durch diese verursacht werden. Ein Beispiel wäre das Stolpern über ein Kabel im Büro, was zu einem Sturz und einer Verletzung führt. Nicht jeder Vorfall ist automatisch ein Arbeitsunfall; es müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, wie die „versicherte Tätigkeit“.
  • Versicherte Tätigkeit: Der Begriff bezieht sich auf Handlungen, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit ausgeführt werden und somit durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt sind. Dies umfasst sowohl die eigentliche Arbeitsleistung als auch Tätigkeiten, die damit in direktem Zusammenhang stehen, wie zum Beispiel der Weg zur Arbeit. Ein Unfall, der während der Mittagspause im Büro passiert, könnte als versicherte Tätigkeit gelten, je nachdem, was genau man zu diesem Zeitpunkt getan hat.
  • Haftungsbegründende Kausalität: Dieser Begriff beschreibt den notwendigen Zusammenhang zwischen einem Unfallereignis und dem daraus resultierenden Gesundheitsschaden, der für die Haftung entscheidend ist. Es muss bewiesen werden, dass der Unfall ursächlich für die Verletzung oder Erkrankung war. Im Beispiel einer Schulterverletzung nach einem Sturz bedeutet dies, dass nachgewiesen werden muss, dass der Sturz (Unfallereignis) tatsächlich die Schulterverletzung (Schaden) verursacht hat.
  • Beweislast: Die Beweislast liegt oft bei der Person, die Ansprüche geltend machen möchte, zum Beispiel bei einer Verletzung durch einen Arbeitsunfall. Das bedeutet, dass die betroffene Person nachweisen muss, dass der Vorfall während einer versicherten Tätigkeit passiert ist und dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Unfall und der erlittenen Verletzung besteht. Hierzu können medizinische Gutachten und andere Beweismittel herangezogen werden.
  • Gelegenheitsursache: Eine Gelegenheitsursache ist ein Ereignis, das in zeitlichem Zusammenhang mit einer Erkrankung steht, jedoch nicht ursächlich dafür verantwortlich gemacht werden kann. Es handelt sich also um einen zufälligen oder nebensächlichen Zusammenhang, der keine anerkannte Ursache für die gesundheitlichen Probleme darstellt. Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der zufällig während der Ausübung seiner Tätigkeit einen Tremor entwickelt, ohne dass die Tätigkeit selbst wissenschaftlich als Ursache feststellbar ist.
  • Psychogene Störung: Diese beschreibt gesundheitliche Probleme, die auf psychischen Ursachen beruhen und nicht auf körperlich klar feststellbaren organischen Veränderungen. Beispiele hierfür sind funktionelle Störungen wie die „zervikale Dystonie“. Bei der Anerkennung solcher Störungen als Arbeitsunfall ist besonders schwer nachzuweisen, dass die psychischen Belastungen direkt aus der beruflichen Tätigkeit resultieren und diese Erkrankungen verursachen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 8 SGB VII (Arbeitsunfall): Dieser Paragraf definiert den Arbeitsunfall als ein plötzliches, von außen kommendes, schädigendes Ereignis, das bei der Berufstätigkeit eingetreten ist. Ein Arbeitsunfall umfasst auch Berufskrankheiten, also Krankheiten, die durch die Merkmale der Arbeitsbedingungen verursacht werden. Der Fall der Klägerin betrifft die Frage, ob der Kopftremor als Arbeitsunfall oder als Berufskrankheit anerkannt werden kann.
  • § 9 SGB VII (Berufskrankheit): Dieser Paragraf regelt die Berufskrankheiten. Eine Berufskrankheit liegt vor, wenn eine Krankheit in der Anlage zu diesem Paragrafen aufgeführt ist und die Merkmale der Arbeitsbedingungen als wesentliche Ursache der Krankheit nachgewiesen werden können. Die Liste der Berufskrankheiten umfasst eine Vielzahl von Krankheiten, die im Zusammenhang mit bestimmten Arbeitsbedingungen auftreten. Im Fall der Klägerin könnte es sich um eine Berufskrankheit handeln, wenn der Kopftremor auf die Überlastung am Arbeitsplatz zurückzuführen ist.
  • § 10 SGB VII (Kausalzusammenhang): Dieser Paragraf beschäftigt sich mit dem Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Gesundheitsschaden. Dies betrifft im Fall der Klägerin die Frage, ob der Kopftremor tatsächlich durch die Überlastung am Arbeitsplatz entstanden ist oder ob andere Ursachen dafür verantwortlich sind.
  • § 11 SGB VII (Ausschluss von Arbeitsunfällen): Dieser Paragraf regelt die Fälle, die ausdrücklich nicht als Arbeitsunfälle gelten. Der Paragraf enthält eine Reihe von Ausnahmen, die im Sachverhalt der Klägerin nicht direkt relevant sind.
  • § 106 SGB VII (Beweislast): Dieser Paragraph regelt die Beweislast im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen. Der Arbeitnehmer muss im Rahmen der Beweislast beweisen, dass er ein schädigendes Ereignis erleidet hat, das zu seinem Arbeitsunfall geführt hat. In diesem Fall muss die Klägerin nachweisen, dass der Kopftremor durch die Überlastung am Arbeitsplatz entstanden ist, da die Beklagte den Zusammenhang bezweifelt.

Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 16/23 D – Urteil vom 21.02.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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