Landessozialgericht NRW – Az.: L 4 U 288/10 – Urteil vom 11.05.2017
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.03.2010 teilweise aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.03.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist noch die Gewährung von Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.12.2001.
Wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 24.02.1999 (Kapseleinriss des rechten Daumengrundgelenkes) gewährte die Beklagte dem 1951 geborenen Kläger Rente als vorläufige Entschädigung in Form einer Gesamtvergütung vom 14.06.1999 bis 31.12.2000 nach einer MdE um 20 v.H. (Bescheid vom 09.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000) und lehnte in der Folgezeit die Weitergewährung von Rente ab (Bescheid vom 26.07.2001). Im nachfolgenden Klageverfahren – S 6 U 267/00 – schloss sich der Handchirurg Dr. X der MdE-Bewertung der Beklagten an (Gutachten vom 07.05.2001). Prof. Dr. N vermochte neurologischerseits keine Unfallfolgen festzustellen (Gutachten vom 02.07.2001) und verwies unter anderem auf eine neurologische Untersuchung des Neurologen und Psychiaters Dr. C vom 25.05.1999 mit Hinweisen auf eine Wurzelreizung C4/5 und C6 sowie sensible Störungen bezogen auf die Etagen C7 und C8. Auch der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Dr. L schätzte die unfallbedingte MdE wegen einer Kapselbandinstabilität mit 10 v.H. ein (Gutachten vom 08.05.2002 und ergänzende Stellungnahme vom 09.12.2002). Mit Urteil vom 29.04.2003 wies das SG sodann die Klage ab. Im anschließenden Berufungsverfahren – L 15 U 254/03 – verpflichtete sich die Beklagte im Rahmen eines Vergleichs vom 27.04.2004, einen Stützrententatbestand sowie eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlimmerung zu prüfen.
Zwischenzeitlich lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen der Folgen eines weiteren Arbeitsunfalls vom 27.03.2001, bei dem es zu einem Teilriss des speichenwärtigen Zeigefingergrundgelenkbandes links gekommen war, bei Fehlen rentenberechtigender Funktionseinbußen ab (Bescheid vom 13.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2003). Im nachfolgenden Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf – S 6 U 27/03 – vermochte der Handchirurg Dr. T Unfallfolgen und eine unfallbedingte MdE nicht festzustellen (Gutachten vom 31.03.2003), der gemäß § 109 SGG gehörte Orthopäde Dr. E N schloss sich dieser Beurteilung an (Gutachten vom 07.10.2003). In einem von Amts wegen erstatteten Gutachten vertrat der Handchirurg Dr. T u.a. die Auffassung, die geringen Unfallfolgen aus den Unfällen vom 11.03.2001 und 27.03.2001 ergäben keine messbare MdE (Gutachten vom 06.12.2008). Daraufhin nahm der Kläger die Klage zurück (Sitzungsniederschrift vom 30.03.2010). Wegen der Folgen eines Berufsschulunfalls vom 25.10.1967 beantragte der Kläger beim zuständigen Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverband die Gewährung von Rente (Mitteilung vom 09.12.2002).
Am 17.12.2001 (um 21:55 Uhr) erlitt der im Wagen angeschnallte Kläger einen Wegeunfall, als auf dem Rückweg von der Arbeit nach Hause von hinten ein Fahrzeug auf sein an der Ampel stehendes und mit Kopfstützen ausgestattetes Fahrzeug auffuhr. Nach polizeilicher Unfallaufnahme begab er sich noch in derselben Nacht in durchgangsärztliche Behandlung. Prof. Dr. I diagnostizierte nach klinischer und radiologischer Untersuchung, die unter anderem den Nachweis einer deutlichen Degeneration der Halswirbelsäule (HWS) zwischen C5 und C6 ergab, eine HWS-Distorsion (Durchgangsarztbericht vom 27.12.2001). Arbeitsunfähigkeit nahm dieser Arzt bis zum 21.12.2001 an (Bescheinigung vom 17.12.2001); der Internist Dr. L attestierte Arbeitsunfähigkeit bis zum 04.01.2001 (Bericht vom 27.02 2002). Demgegenüber gingen die Durchgangsärzte Dres. T und E N davon aus, der Kläger sei auf „unabsehbare Zeit arbeitsunfähig“ (Nachschaubericht vom 19.01.2002) bzw. „noch Wochen“ arbeitsunfähig (Bericht vom 17.03.2002). Der Neurologe Dr. I schloss neurologische Ausfälle bei Zustand nach Zerrung der HWS aus und diagnostizierte eine depressive Episode (Bericht vom 01.02.2002). Eine magnetresonanztomographische Untersuchung (MRT) am 22.01.2002 erbrachte keinen Anhalt für frische oder ältere knöcherne Verletzungen, einen zervikalen Bandscheibenprolaps, eine Luxation oder Subluxationsstellung bei Streckfehlhaltung der HWS mit schwerer Osteoporose HWK 5/6 mit Verdacht auf beginnender zervikaler Myelopathie (Bericht des Radiologen B vom 22.01.2002).
Die Papiermacher-BG (nunmehr Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, im Folgenden: Beklagte) forderte die Vorerkrankungsverzeichnisse der Krankenkassen an. Nach Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft Düsseldorf – 901 Js 356/02 – vertrat der beratende Arzt der Beklagten Dr. T die Auffassung, eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei überhaupt nicht nachvollziehbar, unfallbedingte Schäden lägen bei erheblichen degenerativen Veränderungen nicht vor, das Heilverfahren sei zum 22.01.2002 abzubrechen (Stellungnahme vom 07.05.2002). Mit Schreiben vom 15.05.2002 forderte die Beklagte die behandelnden Ärzte zum Abbruch der Behandlung zu ihren Lasten mit sofortiger Wirkung auf. Die Krankenkasse zahlte gleichwohl Verletztengeld bis zum 19.07.2002.
Anwaltlich vertreten beantragte der Kläger die Weitergewährung von Verletztengeld und die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides.
Der Neurologe und Psychiater Dr. C berichtete über Behandlungen seit September 2002 wegen bandförmiger Kopfschmerzen und Beschwerden im psychopathologischen Bereich. Die somatoforme Schmerzstörung könne durchaus im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 17.12.2001 stehen (Berichte vom 23.09.2002 und 22.11.2002).
Prof. Dr. I wies in seinem chirurgischen Sachverständigengutachten vom 25.03.2003 auf eine stationäre Krankenhausbehandlung vom 10. bis 19.07.2002 wegen anhaltender Wirbelsäulenbeschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und HWS sowie ein klinisch psychologisches Konsil am 18.07.2002 hin, in dem die erhebliche Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der angegebenen Schmerzen und der Befundlage aufgefallen sei. Das unfallbedingte Halswirbelsäulenschleudertrauma sei auf eine bildgebend nachgewiesene bereits erheblich vorgeschädigte HWS getroffen, so dass von einer verzögerten Ausheilung auszugehen sei. Zum Untersuchungszeitpunkt hätten sich Folgen des Unfalls nicht mehr nachweisen lassen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei bis zum 31.01.2002 anzunehmen, die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei nachfolgend bis zum 15.03.2002 mit 30 v.H. und bis zum 30.04.2002 mit 20 v.H. zu bewerten. Anschließend bestehe eine MdE um 0 v.H. Die weiteren Gesundheitsstörungen bestünden unfallunabhängig, jedoch neige der Kläger dazu, alle in der Folgezeit aufgetretenen Beschwerden mit dem Unfall in Zusammenhang zu bringen.
Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.04.2003 die Gewährung von Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.12.2001 ab. Durch den Unfall sei es zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der bereits vorbestehenden Beschwerden im Bereich der HWS gekommen. Aufgrund des durch den Vorschaden bedingten verzögerten Heilverlaufs sei unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 31.01.2002 anzunehmen, danach seien die Unfallfolgen vollständig ausgeheilt. Ursächlich für die weiterhin bestehenden Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS seien ausschließlich die anlagebedingten, unfallunabhängigen Vorschäden. Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs gab der Kläger an, vor dem Unfall an der HWS nahezu beschwerdefrei gewesen zu sein. Gestützt auf die gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. I wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 24.07.2003).
Der Kläger hat am 20.08.2003 Klage erhoben und unter Hinweis auf die völlige Beschwerdefreiheit bis zum Zeitpunkt des Unfalls sein Begehren auf Gewährung von Rente weiterverfolgt. Die Beklagte habe zudem seinen Widerspruch gegen die Einstellung der Verletztengeldzahlung nicht beschieden, so dass insoweit Untätigkeitsklage erhoben werde (Schriftsatz vom 15.12.2003). Ferner liege bezogen auf die Stellungnahmen des beratenden Arztes Dr. T vom 07.05.2002 und 31.08.2009 ein Verstoß gegen § 200 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) vor, so dass eine Entfernung aus den Akten beantragt werde (Schriftsatz vom 03.11.2009). Dazu hat der Kläger ein Schreiben des Bundesversicherungsamtes vom 27.05.2005 zu den Akten gereicht. Zur Stützung seines Vorbringens hat er ferner Berichte u.a. des Chirurgen Dr. F (22.04.2004), der unter anderem eine Instabilität der oberen HWS nach Unfall vom 17.12.2001 diagnostiziert hat, des HNO-Arztes Dr. N (22.06.2004), der Hirnstammfunktionsschäden diagnostiziert und einen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen bejaht hat, des Radiologen Dr. G über eine Funktions-Computertomographie vom 12.08.2004, eine Bescheinigung des Schmerzmediziners Dr.K (13.06.2006), der eine posttraumatische Störung im Bereich der oberen HWS angenommen und den Kläger zu 100 % für arbeits- und erwerbsunfähig angesehen hat, sowie ein Gutachten zur Unfallrekonstruktion des Diplom-Ingenieurs T (12.07.2006) und des Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. H (16.12.2009) vorgelegt. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Prof. Dr. P sei kein Neurochirurg und gehöre zudem dem Initiativkreis medizinische Begutachtung (IMB), der für seine versicherungsfreundliche Begutachtung bekannt sei, an. Auch sei die vorgeschriebene Diagnostik in Form der HNO-ärztlichen/neurologischen Diagnostik nicht durchgeführt worden. Mehrere MRT-Befunde belegten schwerste Unfallverletzungen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte – unter Abänderung des Bescheides vom 25.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2003 – zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.12.2001 Rente nach einer MdE von 100 v.H. zu zahlen.
Außerdem hat der Kläger beantragt, die Beklagte – auf die mit Schriftsatz vom 15.12.2003 am 18.12.2003 erhobene Untätigkeitsklage hin – zu verurteilen, dem Kläger weiter Verletztengeld zu zahlen, und die Stellungnahme des Dr. T vom 31.08.2009 ebenso wie die Stellungnahme dieses Arztes vom 07.05.2002 aus den Akten wegen Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage sowie die Untätigkeitsklage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass im angefochtenen Bescheid ausdrücklich eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.01.2002 festgestellt worden sei, die Erteilung eines gesonderten Bescheides über die Einstellung des Verletztengeldes erübrige sich daher. Mit Dr. T bestehe seit Januar 1997 ein Beratervertrag.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Orthopäden Prof. Dr. P (02.10.2003). Unter Berücksichtigung der vom Kläger mitgebrachten Untersuchungsbefunde einer Computertomographie (CT) der HWS vom 26.05.1999 und Kernspintomographie vom 15.07.2003 sowie der Angaben des Klägers, er sei 1999 wegen häufiger Schmerzen im Kopf sowie Problemen mit den Schultern und Armen in Behandlung gewesen, hat der Sachverständige keine Unfallschäden feststellen können. Das gesamte Schadensbild an der HWS sei vorbestehend und lasse sich durch die angegebenen Nebenwirkungen der vom Kläger eingenommenen Medikamente erklären. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe normalerweise 6 Wochen betragen, wegen der Vorschädigung deutlich länger, eine unfallbedingte MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus liege keinesfalls vor.
Das SG hat nach Beiziehung der Akten in der Schwerbehindertenrechtsangelegenheit des Klägers ferner ein Gutachten des Chirurgen Dr. T (06.12.2008) eingeholt, der einen Teil der Gesundheitsschädigungen im HWS-Kopfbereich in Form der erheblichen Bewegungseinschränkungen der HWS, der Empfindlichkeit und der Lockerung der gesamten Kopf-Hals-Region als Folge des vorliegenden Arbeitsunfalls angesehen hat. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe wegen der komplexen Verletzung für ca. 3 Monate bestanden, die unfallbedingte MdE sei mit 20 v.H. – entsprechend einem Wirbelkörperbruch ohne Nervenbeteiligung – einzuschätzen. Soweit die letzten Gutachten aus dem Jahre 2003 einen Zusammenhang abgelehnt hätten, seien in der Folgezeit intensive und spezifische weitere Untersuchungen der HWS und des Kopfes durchgeführt worden, die die Einschätzung stützten.
Die Beklagte hat auf die vorbestehenden unfallunabhängigen Veränderungen und dazu unter anderem auf ein im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 24.02.1999 von Prof. Dr. N erstattetes Gutachten (23.05.2001) verwiesen. Des Weiteren hat sie nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen eine Stellungnahme des fachärztlichen Beraters Dr. T (31.08.2009) vorgelegt, der auf ein seit 1990 bestehendes Beschwerdebild mit umfangreichen Behandlungen im Bereich der HWS verwiesen und die Ablehnung einer Rente und Begrenzung der unfallbedingten Heilbehandlung auf den 31.01.2002 für gerechtfertigt erachtet hat.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.11.2009 ist Dr. T im Hinblick auf die durch spezifische Untersuchungen 2004 und 2005 gesicherten posttraumatischen Strukturveränderungen bei seiner Beurteilung verblieben.
Durch Urteil vom 30.03.2010 hat das SG die Beklagte unter Abweisung der Klagen im Übrigen verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom „17.12.2010“ Rente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem Tag nach Ende der Verletztengeldzahlung auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Zur Begründung hat sich das SG auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. T gestützt. Soweit der Kläger erstmalig die Zahlung von Verletztengeld beantragt habe, sei dies in der Antragsschrift vom 15.12.2003 ausdrücklich nicht beantragt worden. Die danach allein erhobene Untätigkeitsklage sei unbegründet, da die Beklagte keine Verpflichtung treffe, über das Verletztengeld durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein Anspruch auf Entfernung der beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. T bestehe nicht, da es sich hierbei nicht um Gutachten im Sinne von § 200 Abs. 2 S. 2 SGB VII, sondern um beratungsärztliche Stellungnahmen gehandelt habe.
Die Beklagte hat am 27.04.2010, der Kläger am 30.04.2010 Berufung eingelegt.
Der Kläger hat mit der Berufung zunächst sein Begehren auf Gewährung von Verletztengeld unbefristet, hilfsweise befristet jedenfalls bis zum 25.04.2003, hilfsweise auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H. sowie auf Heilbehandlung und die Entfernung der Stellungnahmen von Dr. T und der Gutachten von Prof. Dr. P (02.10.2003) sowie Prof. Dr. I (25.03.2003) weiterverfolgt. Die Stellungnahmen des Dr. T seien wegen des Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 1.Hs SGB VII aus der Akte zu entfernen und zögen nach der Rechtsprechung des BSG ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Da die gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. P und Prof. Dr. I auf den Ausführungen des Dr. T basierten, seien auch diese aus den Akten zu entfernen.
Nach Berichtigung des Tenors (Beschluss des SG vom 10.02.2012) und Erklärung der Beklagten, über einen Anspruch auf Weitergewährung von Verletztengeld sowie von Heilbehandlung und der Frage der Löschung der gutachterlichen Äußerungen bescheidmäßig zu entscheiden, hat diese mit Bescheiden vom 29.03.2012 den Antrag auf Löschung der beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. T sowie Gewährung von Verletztengeld und Leistungen der Heilbehandlung über den 31.01.2002 hinaus abgelehnt und zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. I vom 25.03.2003 verwiesen.
Der Kläger beantragt nunmehr (noch), das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.03.2010 teilweise aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2003 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.12.2001 ab 20.07.2002 Rente nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.03.2010 teilweise aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass ein Anspruch auf Gewährung von Rente aufgrund der bestehenden Vorschäden auch unter Berücksichtigung der zweitinstanzlichen Beweiserhebungen nicht begründet sei.
Der Senat hat dem Kläger gemäß § 106a i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG eine Frist zur Benennung der ihn behandelnden Ärzte seit Mitte der Neunzigerjahre gesetzt und auf die Rechtsfolgen nach § 106 Abs. 3 SGG hingewiesen (Richterbrief vom 15.08.2012, dem Kläger zugestellt am 21.08.2012).
Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Orthopäden Dr. W, das dieser nach mehrfach verschobenem Untersuchungstermin am 27.08.2013 schriftlich erstattet hat. Darin hat der Sachverständige zusammenfassend ausgeführt, die im Rahmen der Erstuntersuchung dokumentierte Diagnose einer HWS-Distorsion sei zwanglos nachvollziehbar, bei fehlenden bildmorphologisch-korrespondierenden Befunden könne diese Diagnose nicht weiter bestätigt und auch nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinausgehende strukturelle Verletzungen seien – auch auf neurologischem Fachgebiet – nicht gesichert. Im Rahmen der weitergehenden bildgebenden Diagnostik habe der Radiologe Dr. G im Rahmen eines Funktions- Computertomogrammes – entgegen anderweitiger Diagnosen – eine strukturelle Verletzung mit Instabilität nicht sichern können. Auch eine Verletzung der Ligamenta alaria sei nur möglich, wenn – wofür sich im konkreten Fall keine Anhaltspunkte ergäben – die diese schützenden Strukturen zerstört seien. Gleichermaßen sei auch eine Ruptur des Ligamentum transversum zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden. Soweit Dr. N eine Hirnstammfunktionsschädigung vermute, werde von neurologischer Seite grundsätzlich infrage gestellt, ob derartige Beschwerden auf einen Schädigungsmechanismus im Sinne einer HWS-Distorsion zurückzuführen seien. Darüber hinaus seien beim Kläger bereits vor dem Ereignis computertomographisch degenerative Veränderungen der HWS bekannt gewesen und behandelt worden. Die von der Beklagten angenommene unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 31.01.2002 erscheine unter Berücksichtigung der hohen einwirkenden Gewalt und des bestehenden Vorschadens zu kurz. Er schätze die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mit 3 Monaten und die Behandlungsbedürftigkeit mit 6 Monaten ein. Nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei eine MdE um 20 v.H. bis zum Ende des ersten Unfalljahrs und eine MdE um 10 v.H. bis zum Ende des zweiten Unfalljahrs angemessen.
Dr. W ist auch in Kenntnis der Einwendungen des Klägers und der Beklagten bei seiner Beurteilung verblieben (ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2014). Seine Überlegungen zur Höhe und Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit/MdE gründeten einerseits auf der von ihm als wahrscheinlich angenommenen Distorsion in Kombination mit den zum Zeitpunkt des Unfalles bereits vorbestehenden degenerativen bandscheibenbedingten Veränderungen, die eine Verlängerung der Beschwerdesymptomatik wahrscheinlich machten. Für den von ihm angenommene Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit bzw. MdE um 20 v.H. seien aus seiner Sicht ausreichend wahrscheinliche konkurrierende Ursachen, die unter Hinwegdenken der Distorsion der HWS eine ähnlich ausgeprägte und ähnlich lange Beschwerdesymptomatik begründen würden, nicht erkennbar. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten habe er im Rahmen seiner Beurteilung die jüngere Literatur berücksichtigt. Die vom Kläger beklagten Symptome seien auch nicht spezifisch für eine bestimmte Ursache und ließen auch keine Differenzierung im Hinblick auf eine mögliche Verletzung/körpereigene Ursache zu.
Nachdem der Kläger den Vorschlag der Beklagten, auf der Grundlage der Vorschläge des Dr. W einen gerichtlichen Vergleich abzuschließen (Schriftsatz vom 05.05.2014), abgelehnt hat, ist auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG Beweis erhoben worden durch Einholung eines Gutachtens des Neurochirurgen Prof. Dr. N (26.03.2015). In seinem nach Angaben aufgrund eingehender Untersuchung am 12.01.2015 erstatteten Gutachten hat der Sachverständige auszugsweise den medizinischen Akteninhalt referiert und sodann dargelegt, der rekonstruierte Energieeintrag des Unfallereignisses sei kalkulatorisch in ausreichender Höhe dargestellt worden, um tatsächlich eine gewerbliche Strukturschädigung der menschlichen HWS zu verursachen. Als Maßstab der unfallabhängigen Verschlimmerung könne die Schmerzchronifizierung dienen und damit auch einhergehend eine Reduktion der Lebensqualität. Diese komplexen Parameter entzögen der Beurteilung des Krankheitsverlaufs allerdings ein einfaches Messkriterium und machten eine komplexe Einschätzung erforderlich. Ausgehend von der Kenntnis sogenannter asymptomatischer zervikalen Stenosen, bei denen eher zufälligerweise radiologische Nachweise er-bracht würden, wären alle posttraumatischen Folgezustände also dem Unfallereignis zuzuordnen. Dies sei allerdings nicht so einfach anzunehmen, weil der Kläger bereits prätraumatisch offensichtlich wegen der Beschwerden in Behandlung bestanden habe. Nur bei vollständiger Zurückbildung der früheren Symptomatik könne dieses Verlaufsmodell akzeptiert werden. Alternativ käme eine Reduktion des posttraumatischen Zustandsbildes durch Abzug der prätraumatischen Residualbeschwerden in Betracht. Da die traumatische Verschlimmerung richtungsweisend sei, müsse entschieden werden, ob eine 65/35 oder 80/20-Relation angemessen sei. Zum Zeitverlauf – wie beispielsweise bei der HWS-Subluxation etwa analog der Skala nach Erdmann – nach der ein geringgradiges HWS-Trauma in etwa hätte abgeheilt sein müssen, könnten in diesem Zusammenhang keinerlei verlässliche Angaben gemacht werden. Äußerungen dazu seien rein spekulativ.
Mit Richterbrief vom 29.04.2015 ist der Sachverständige darauf hingewiesen worden, dass er sich mit den Beweisfragen nicht auseinandergesetzt und seine erhobenen Befunde nicht angegeben habe. Der Senat hat nach Ablauf der dafür gesetzten Frist unter Frist- und Nachfristsetzung mit Beschlüssen vom 04.12.2015 und 07.01.2016 dem Sachverständigen Prof. Dr. N Ordnungsgelder auferlegt und den Sachverständigen zur Vervollständigung seines Gutachtens geladen (Termin vom 26.02.2016). Daraufhin hat der Sachverständige unter dem 15.02.2016 betont, die Fragestellungen des Gerichts in seinem Gutachten bereits beantwortet zu haben. An Vorerkrankungen hätten bei dem Kläger eine „degenerative Erkrankung der Halswirbelsäule mit Bandscheibenextrusion und spondylotischen Randleisten, erfolgreiche, konservative Behandlung mit weitgehender Rückbildung der Beschwerden und der Defizite, Bewertung (MdE): 20 %“ vorgelegen. An Unfallschäden sei ein „mittel- bis hochgradiges HWS-Schleudertrauma mit vorübergehender Myelo-Radikulopathie und erheblichem, vertebragenen chronischen Schmerzsyndrom und psychosomatischen Folgen mit Beeinträchtigung der Alltagskompetenz, Bewertung (MdE): 100 %“ aufgetreten. Zum gegenwärtigen Zustandsbild und der zukünftigen Entwicklung hat der Sachverständige angegeben: „Der Patient ist vom Leistungsbild her für die Alltagsverrichtungen hilfebedürftig, die Partizipation ist erheblich eingeschränkt. Bewertung (MdE): 100 %“. Durch die Gewalteinwirkung sei es zu einer bleibenden Verschlechterung des neurologischen Befundbildes und des Beschwerdemusters gekommen. Die Gewalteinwirkung sei ausreichend hoch; sie hätte auch ausgereicht, um einer „altersentsprechend normal ausgebildeter Halswirbelsäule“ einen gleichwertigen Schaden zu verursachen, so dass der Vorschaden eigentlich nicht ins Gewicht falle und damit unberücksichtigt habe bleiben können.
Mit Richterbrief vom 24.02.2016 ist der Sachverständige erneut darauf hingewiesen worden, dass er weder die im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung erhobenen Befunde mitgeteilt noch die Fragen der Beweisanordnung beantwortet habe. Dass der Sachverständige in seinen schriftlich niedergelegten Überlegungen die herrschende medizinische Lehrmeinung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zugrundelegt habe, sei ebenfalls nicht ersichtlich. Der Sachverständige hat in der Folgezeit mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, auf weitere Anfrage hat er unter Übersendung seines Literaturverzeichnisses mitgeteilt, er habe zu seinem Gutachten keinen neuen Beitrag zu leisten (Eingang bei Gericht: 23.05.2016).
Auf weiteren Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat schließlich Prof. Dr. N ein Sachverständigengutachten erstattet (26.10.2016). Darin hat dieser zusammenfassend ausgeführt, ein Vorschaden der HWS mit erheblichen degenerativen Veränderungen und Beschwerden sei nachgewiesen. Das nachgewiesene Unfallereignis sei geeignet gewesen, eine nicht vorgeschädigte und erst recht eine vorgeschädigte HWS zu verletzen. Die mitgeteilten Erstkörperbefunde ließen nicht hinreichend klären, ob die Beschwerden hauptsächlich unfallbedingt oder hauptsächlich durch den Vorschaden bedingt seien. Bei fehlenden neurologischen Ausfällen unmittelbar nach dem Unfall sei eine im Vollbeweis nachweisbarer Halswirbelsäulenzerrung mit neurologischen Ausfällen nicht nachzuweisen, Frakturen an der HWS seien gleichermaßen nicht gesichert. In der unfallnahen Kernspintomographie vom 22.01.2002 seien schließlich auch keine Verrenkungen im Sinne von Luxationen oder Subluxation an der HWS entsprechend einer Halswirbelsäulendistorsion vom Typ III nach der Quebec-Klassifikation nachweisbar. Bei fehlendem Bone bruise sei auch bewiesen, dass der Unfall zu keiner wesentlichen Gewalteinwirkung auf die knöchernen Strukturen der HWS im Sinne einer erheblichen Prellung oder Quetschung geführt habe. Schließlich sei auch eine Zerrung von Bandstrukturen an der HWS nicht im Vollbeweis gesichert, die Diagnosestellung gründe sich allein auf die subjektiven Klagen des Klägers. Die kernspintomographisch beschriebene Signalveränderung am Rückenmark als Hinweis auf eine beginnende zervikale Myelopathie spreche für langsam entstandene Veränderungen, da zusätzliche Begleitbefunde beim Kläger – unter anderem sofortige neurologische Störungen – gerade nicht nachweisbar seien. Als einziger Erstgesundheitsschaden sei mithin eine leichte Zerrung der HWS ohne strukturelle Schäden im Sinne einer Halswirbelsäulendistorsion Grad I zwar nicht im Vollbeweis nachweisbar, aber doch überwiegend wahrscheinlich zu machen. Nach der Literatur heilten solche Verletzungen innerhalb von wenigen Tagen bis wenigen Wochen folgenlos aus, die unfallbedingte MdE ab der 26. Woche nach dem Unfall betrage 0 v.H. Zwar sei die Verletzlichkeit der Wirbelsäule beim Kläger durch den Vorschaden grundsätzlich erhöht, bei fehlender Verletzung an der HWS oder in Form von neurologischen Schäden könne dieses erhöhte Risiko nicht nachweisbar verifiziert werden. Es könne lediglich sein, dass aufgrund des Vorschadens die Beschwerden im Rahmen der Heilung intensiver seien und bis zu ihrem Abklingen länger benötigten. Die Ausheilung sei jedoch mit wenigen Tagen bis wenigen Wochen bis zu max. 6 Wochen die gleiche. Soweit im Rahmen einer Bildwandleruntersuchung mehr als 2 Jahre nach dem Unfall eine Instabilität an der Wirbelsäule festgestellt worden sei, könne er dies nicht überprüfen. Eine Instabilität an der HWS hätte aber bereits in der Kernspintomographie vom 22.01.2002 dargestellt sein müssen, so dass sie jedenfalls nicht unfallbedingt sei. Gleiches gelte auch für die im Rahmen der Funktions-Computertomographie vom 17.08.2004 festgestellte Kopfgelenksstörung und die nach der Aktenlage sekundär noch als mögliche Unfallfolgen diskutierten Befunde. Der Einschätzung des Dr. W zur unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und MdE könne er nicht folgen, da in der maßgeblichen Literatur (Schönberger/Mertens/Valentin) in derartigen Fällen auch unter Berücksichtigung der Vorschädigung eine Arbeitsunfähigkeit von 6 Wochen zu begründen sei. Auch ein Beleg für eine 6-monatige unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit lasse sich nicht finden. Eine MdE um 20 v.H. für 3 (bis 6) Monate sei bei einem Grad II einer Halswirbelsäulendistorsion anzunehmen, die beim Kläger gerade definitionsgemäß nicht nachweisbar sei. Eine erneute gutachterliche Untersuchung durch ihn sei nicht mehr nötig gewesen, da die vorliegenden Unterlagen hinreichend den Erstgesundheitsschaden durch den Unfall erkennen ließen, der grundsätzlich innerhalb von 4 Wochen folgenlos ausgeheilt sein müsse und nie eine unfallbedingte MdE ergebe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Archivakten des SG Düsseldorf – S 6 U 267/00 -, S 6 U 27/03 – und – S 22 SB 31/99 – sowie der Verwaltungsakten in der Schwerbehindertenrechtsangelegenheit verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn das SG hat in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht die Beklagte verurteilt, Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.12.2001 zu zahlen. Entsprechend ist die Berufung des Klägers unbegründet, denn der allein noch streitgegenständliche Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente ab dem 20.07.2002 ist insgesamt nicht begründet.
Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (S. 2 und 3). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögen ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII). Um das Vorliegen einer MdE beurteilen zu können, ist zunächst eine eventuelle Beeinträchtigung des aktuellen körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens und sodann zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden.
Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10 R – juris Rn. 15 f m.w.N.).
Der von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 25.04.2003 insoweit bindend anerkannte Versicherungsfall des Arbeitsunfalls vom 17.12.2001 ruft unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe nach Einstellung der Verletztengeldzahlung der Beklagten mit Ablauf des 19.07.2002 (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) – entgegen der Auffassung des SG – keine messbare MdE hervor, so dass auch kein Stützrententatbestand im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII zu prüfen war.
Der Kläger hat bei diesem Arbeitsunfall – außer der von der Beklagten bindend anerkannten Unfallfolge einer Zerrung der HWS – keine weiteren Unfallfolgen erlitten, die im Rahmen der Feststellung der unfallbedingten MdE zu berücksichtigen wären. Dabei stützt der Senat seine Überzeugungsbildung hinsichtlich der Unfallfolgen insbesondere auf die Gutachten des im ersten Rechtszug gehörten Sachverständigen Prof. Dr. P sowie der im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. W und Prof. Dr. N, die letztlich die Beurteilung des im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. I bestätigt haben.
Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid eine Zerrung der HWS bei bereits erheblicher Vorschädigung als Unfallfolge anerkannt hat, war dies, auch für den Senat, bindend, da der Bescheid insoweit nicht angefochten wurde. Damit bedurfte es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den durchaus beachtlichen Argumenten von Dr. W und Prof. Dr. N, wonach sich die Diagnosestellung allein auf die subjektiven Klagen des Klägers gründet.
Weitere Unfallfolgen sind – auch auf neurologischem Fachgebiet – hingegen nach übereinstimmender Auffassung der zuvor genannten Ärzte nicht im erforderlichen Vollbeweis gesichert. So hat das unfallnah am 22.01.2002 erstellte MRT keinen Anhalt für frische oder ältere knöcherne Verletzungen, einen zervikalen Bandscheibenprolaps, eine Luxation oder Subluxationsstellung der HWS erbracht. Der im Rahmen dieser Untersuchung geäußerte Verdacht auf eine beginnende zervikale Myelopathie spricht mit Prof. Dr. N – bei Fehlen zusätzlicher Begleitbefunde, unter anderem sofortiger neurologischer Störungen – für langsam entstandene Veränderungen im Sinne der von allen gutachterlich gehörten Ärzten bestätigten nachgewiesenen erheblichen Vorschäden im Bereich der HWS. Ferner waren nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. W und Prof. Dr. N die durch den Radiologen Dr. G im Rahmen des Funktions-Computertomogrammes (17.08.2004) sowie einer Bildwandleruntersuchung mehr als 2 Jahre nach dem Unfall beschriebenen strukturellen Verletzungen mit einer Instabilität, einer Verletzung der Ligamenta alaria oder einer Ruptur des Ligamentum transversum zu keinem Zeitpunkt als Folge des vorliegenden Arbeitsunfalls sicher feststellbar. Vielmehr hätten Instabilitäten an der HWS bereits in dem MRT vom 22.01.2002 als bedeutendste diagnostische Methode in Fällen der vorliegenden Art (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 487) dargestellt sein müssen. Auch konnten neurologische Ausfälle durch Dr. I (Bericht vom 01.02.2002) kurze Zeit nach dem Unfallgeschehen ausgeschlossen werden.
Damit sind aber die gutachterlichen Feststellungen des im ersten Rechtszug gehörten Sachverständigen Dr. T sicher widerlegt. Dies gilt gleichermaßen für die Ausführungen des gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. N, dessen gutachterliche Feststellungen zur Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts unbrauchbar sind. Das von ihm diagnostizierte „mittel- bis hochgradige HWS-Schleudertrauma mit vorübergehender Myelo-Radikulopathie“ konnte gerade nicht gesichert werden, so dass auch die weitergehenden Unfallfolgen in Form eines „erheblichem, vertebragenen chronischen Schmerzsyndrom und psychosomatischen Folgen mit Beeinträchtigung der Alltagskompetenz“ – ebenso wie die als mögliche Unfallfolge von dem Neurologen und Psychiater diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung – schon deshalb nicht als Unfallfolgen berücksichtigt werden können. Der Sachverständige verkennt auch, dass nicht der Energieeintrag für die Beurteilung von Unfallfolgen in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich ist, sondern die tatsächlich nachgewiesenen Unfallfolgen.
Soweit Dr. N eine Hirnstammfunktionsschädigung beschrieben hat, ist diese Gesundheitsstörung bereits nicht im Vollbeweis gesichert, da kein anderer Arzt die Diagnose bestätigt hat. Überdies ist mit Dr. W nach Maßgabe der zu beachtenden herrschenden medizinischen Lehrmeinung bereits problematisch, ob derartige Beschwerden auf einen Schädigungsmechanismus im Sinne einer HWS-Distorsion zurückzuführen sind.
Ist danach aber allein die von der Beklagten anerkannte Zerrung der HWS zu berücksichtigen, die nach übereinstimmender Auffassung der gutachterlich gehörten Ärzte keine bleibenden Funktionseinschränkungen hervorrufen kann, hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Gewährung von Rente abgelehnt. Soweit das SG auf der Grundlage der Ausführungen des Dr. T einen Rentenanspruch angenommen hat, war dem nicht zu folgen, denn der Sachverständige differenziert in keiner Weise zwischen vorbestehenden Schäden und nachgewiesenen Unfallfolgen. Auch der Einschätzung des Dr. W vermochte der Senat nicht zu folgen, da diese nicht im Einklang mit den MdE-Erfahrungswerten steht. Dies hat Prof. Dr. N überzeugend herausgearbeitet. Danach ist eine MdE um 20 v.H. für 3 (bis 6) Monate entsprechend den insoweit anzuwendenden MdE-Erfahrungswerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 471f; vgl. auch 9. Aufl. 2017, S. 497f) bei einem Grad II einer Halswirbelsäulendistorsion anzunehmen, die beim Kläger aber nicht nachweisbar ist. Der MdE-Bewertung des auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. N war bereits deshalb nicht zu folgen, da dem Sachverständigen erkennbar die erforderlichen Kriterien zur Beurteilung von Unfallfolgen im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung unbekannt sind.
Der Senat war nicht gehindert, die gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. P und Prof. Dr. I zu berücksichtigen. Das gegen die Gutachten dieser Ärzte gerichtete Löschungsbegehren, über das das SG bislang nicht entschieden hat, war schon nicht vorgreiflich (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2010 – B 2 U 17/09 R -, juris Rn. 12). Überdies ist auch aus sonstigen Gründen ein Beweisverwertungsverbot nicht ersichtlich. Ihre gutachterlichen Feststellungen basieren erkennbar auf der Grundlage der herrschenden unfallmedizinischen Lehrmeinung und sind hinsichtlich der zu berücksichtigenden Unfallfolgen bestätigt worden durch die im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. W und Prof. Dr. N.
Der Senat hat auch keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gesehen, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt nach umfangreichen Ermittlungen hinreichend geklärt war und – jedenfalls nach Zugang des gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. N – vom Kläger keine weitergehenden klärungsbedürftigen Fragenkomplexe aufgezeigt worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.