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Arbeitsunfall – Voraussetzungen für Heilbehandlung durch Unfallversicherungsträger

Hessisches Landessozialgericht – Az.: L 9 U 67/19 – Urteil vom 10.06.2021

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Haglundferse als Unfallfolge sowie die Kostenübernahme für eine podologische Behandlung nach einem von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall streitig.

Die 1955 geborene Klägerin war bei der C-Krankenkasse als Sozialversicherungsfachangestellte beschäftigt und befindet sich seit 1. Mai 2014 im Vorruhestand. Am 4. Januar 2013 blieb sie bei der Ankunft an ihrer Arbeitsstelle beim Aussteigen aus der Beifahrerseite ihres Autos mit dem linken Fuß hängen und fiel auf die Pflastersteine. Sie begab sich sofort in die Vitos Orthopädische Klinik Kassel. Im Durchgangsarztbericht vom Unfalltag wurde nach Röntgen des rechten Fußes eine nichtdislozierte Fraktur der Mittelfußknochen (MFK) II und III rechts diagnostiziert. Die Klägerin wurde mit Unterarmgehstützen sowie einem Vacopedes-Schuh versorgt. Sie befand sich weiterhin dort bei Dr. D. in Behandlung. In einem Zwischenbericht vom 14. März 2013 wurde dabei auch eine Fraktur des MFK IV als Diagnose aufgeführt.

Arbeitsunfall – Voraussetzungen für Heilbehandlung durch Unfallversicherungsträger
(Symbolfoto: irkus/Shutterstock.com)

In einem Nachschaubericht vom 15. April 2013 stellte Dr. D. fest, dass das Gangbild der Klägerin sich deutlich rechtshinkend zeige und eine posttraumatische Bewegungseinschränkung im rechten Fußgelenk bestehe. Am rechten Fuß bestehe eine Schwellneigung und Fußverbreiterung, das Fußgewölbe sei deutlich abgeflacht und es bestehe ein Druckschmerz über den Metatarsalia II bis IV.

In einem Durchgangsarztbericht von Dr. E. vom 23. Mai 2013 beschrieb dieser nach Röntgen des rechten Fußes einen Zustand nach knöchern konsolidierter subkapitaler Fraktur des 2. und 3. Strahls sowie eine beginnende Großzehengrundgelenksarthrose und nebenbefundlich einen Fersensporn. Als Diagnose wurde eine posttraumatische Metatarsalgie rechts bei Zustand nach Mittelfußfraktur 2. und 3. Strahl rechts benannt. Am 14. Juni 2013 wurde sodann ein MRT des rechten Fußes der Klägerin angefertigt. im dazugehörigen Befundbericht vom gleichen Tag hielt Dr. F. einen unauffälligen Befund der knöchern konsolidierten Frakturen der MFK fest. Daneben zeige sich eine Defektheilung einer mutmaßlichen intraartikulären Fraktur des Os navikulare und Os cuneiforme I mit 5 mm tiefer Gelenkstufe und deutlichem Reizzustand in diesem Gelenk mit beginnenden sekundärarthrotischen Veränderungen, passend zu einem Trauma vor etwa 6 Monaten.

Die Klägerin begab sich sodann zur weiteren Behandlung in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) Frankfurt. Im Arztbericht von Prof. Dr. G. vom 20. Juni 2013 wurde die MRT-Aufnahme vom 14. Juni 2013 befundet sowie eine aktuelle CT-Aufnahme angefertigt. Prof. Dr. H. stellte hinsichtlich des CTs als Befunde eine Vergrößerung des Intermetatarsalwinkels I – II und einen erweiterten Achsabstand fest. Darüber hinaus fänden sich zwischen den Basen MFK I und II kleine randsklerosierte Fragmente, am ehesten nach Lisfranc-Verletzung/Luxation mit begleitendem knöchernen Bandausriß. Es wurde eine Versteifungs-OP zwischen Fußkahnbein und medialem Keilbein, als auch zwischen 1. und 2. Keilbein empfohlen. Die Versteifungsoperation mit Spongiosaplastik vom rechten vorderen Beckenkamm wurde bei einem stationären Aufenthalt vom 8. bis 22. Juli 2013 in der BGU am 9. Juli 2013 durchgeführt.

Am 20. August 2013 wurde die Klägerin in der BGU Frankfurt erneut operiert, um eine überlange Schraube zu wechseln. Anschließend war sie wieder bei Dr. E. in Behandlung, der in einem Zwischenbericht vom 14. Oktober 2013 festhielt, dass die Klägerin den Fuß immer noch nicht gut belasten könne. In einem Befundbericht vom 23. November 2013 verneinte Dr. J. sodann nach Untersuchung der Klägerin ein vorderes oder hinteres Tarsaltunnelsyndrom.

Am 3. April 2014 stellte die Klägerin sich sodann in der BGU Murnau vor. Prof. Dr. K. hielt in dem Befundbericht vom gleichen Tag fest, u. a. dass die Klägerin aufgrund der Schmerzsymptomatik eine vermehrte Fußaußenrandbelastung vornehme. In der Zeit vom 14. bis zum 26. Juli 2014 befand sich die Klägerin sodann stationär in der BGU Murnau. Dort wurde das Metall entfernt und es wurde erneut eine Versteifungsoperation (Reposition und Arthrodese des TMT I und II-Gelenkes rechts) durchgeführt. Am 20.11.2014 wurde die Klägerin in der BG-Klinik Murnau untersucht und eine fast vollständige knöcherne Konsolidierung der Arthrodese mit regelrechter Lage des Osteosynthesematerials festgestellt. In der Zeit vom 11. September bis zum 9. Oktober 2014 absolvierte die Klägerin eine Reha-Maßnahme in der BGU Murnau. Im Abschlussbericht vom 8. Oktober 2014 hielt Prof. Dr. K. diesbezüglich fest, dass die Beschwerden der Klägerin sich deutlich gebessert hätten, sie die Zehen bewegen könne und Durchblutung, Motorik und Sensibilität intakt seien.

Mit Schreiben vom 28. April 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten sodann die Kostenerstattung für eine podologische Komplexbehandlung in Höhe von 29,15 €. Sie legte dem Schreiben eine Quittung der Podologie L. vom 23. April 2015 über den gezahlten Betrag und eine ärztliche Verordnung von Dr. E. vom 27. April 2015 über „medizinische Fußpflege“ mit der Diagnose „Zustand nach knöchern konsolidierter Arthrodese im Naviculare, cuneiforme Gelenk rechter Fuß“ bei.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2015 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die medizinische Fußpflege ab, weil diese Leistung keine Leistung des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) sei.

Die Klägerin nahm weiterhin in ca. monatlichem Rhythmus podologische Behandlungen in Anspruch. Dr. E. stellte in den folgenden Jahren ca. monatlich weitere Verordnungen für „medizinische Fußpflege“ aus. Diese Verordnungen wurden nicht bei der Beklagten eingereicht.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juni 2015 Widerspruch ein und führte aus, dass podologische Therapien verordnungsfähige Heilmittel zur Behandlung krankhafter Veränderung am Fuß seien. Eine solche Behandlung komme bei ihr in Betracht, da sie ohne die Behandlung unumkehrbare Folgeschäden der Füße wie Entzündungen erleiden würde. Desweiteren sei die ärztliche Notwendigkeit vom Durchgangsarzt durch das vorgelegte Rezept bestätigt worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führte ergänzend aus, dass die Verkürzung der Beugesehne der großen Zehe unfallbedingt sei und die podologische Komplexbehandlung erforderlich mache.

In einem Arztbericht vom 9. Juli 2015 teilte Prof. Dr. K. u. a. mit, dass ein knöcherner Ausheilungszustand erreicht und die periphere Sensomotorik allseits intakt sei. Das einliegende Osteosynthesematerial könne belassen werden, die Klägerin wünsche allerdings eine Entfernung. Während eines stationären Aufenthaltes in der BGU Murnau vom 6. bis 11. August 2015 wurde das Osteosynthesematerial sodann entfernt.

Hinsichtlich der begehrten podologischen Behandlung holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme ein. Dr. M. führte in seiner Stellungnahme vom 21. Oktober 2015 insoweit aus, dass sich die Unfallverletzung auf die Fußwurzel beziehe und nicht auf die Zehen, so dass dort auch keine Pflege von Unfallfolgen notwendig sei. Eine Verkürzung der Beugesehne der großen Zehe stelle für sich alleine keinen Grund für eine podologische Therapie dar. Unfallbedingte Durchblutungsstörungen oder neurologische Ausfallerscheinungen seien nirgendwo belegt. Ferner sei die Klägerin in der Lage, selbst ihren Fuß zu erreichen.

Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. N. unter dem 20. November 2015 ein Erstes Rentengutachten. Darin stellte er folgende wesentliche Unfallfolgen fest:

„1. Belastbarkeitseinschränkung des rechten Fußes bei achsgerecht fest knöchern überbauter Arthrodese im Bereich der medialen Lisfranclinie und der Fußwurzel (NC-Gelenk) am 1. und 2. Strahl, verminderte Zehenbeweglichkeit.

2. Achsgerecht fest verheilte subkapitale Frakturen des 2. und 3. Mittelfußknochens, Minderung des Kalksalzgehaltes“.

Im Gutachten führte Dr. N. zudem auf, dass die Sensibilität der Zehen sowie die Kapillardurchblutung des rechten Fußes jeweils ungestört sei. es bestehe im Bereich des rechten Vorfußes auch keine pathologische plantare Beschwielung.

In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19. Januar 2016 blieb Dr. L. bei seiner Einschätzung, dass es für eine podologische Behandlung der Klägerin keine medizinische Begründung gebe.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2016 erkannt die Beklagte sodann den Unfall der Klägerin vom 4. Januar 2013 als Arbeitsunfall an und gewährte der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 2014 bis 4. Januar 2016 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der begehrten podologischen Komplexbehandlung zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Ausführungen des Beratungsarztes Dr. L. in dessen Stellungnahmen vom 21. Oktober 2015 und 19. Januar 2016. Die Verordnung medizinischer Fußpflege sei nicht wesentlich ursächlich auf den anerkannten Arbeitsunfall und die daraus resultierenden Unfallfolgen zurückzuführen.

Am 20. Mai 2016 hat die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben (S 4 U 79/16) und die Kostenübernahme für bereits erfolgte podologische Behandlungen begehrt. Hierzu hat sie im Laufe des Verfahrens entsprechende Verordnungen, die von Dr. E. ca. monatlich ausgestellt wurden, beginnend mit dem 11. Mai 2015 und endend mit dem 17. August 2018 zu den Akten gereicht. Ebenso hat sie 40 Zahlungsbelege über Eigenzahlungen der Behandlungen beginnend mit dem 2. Juni 2015 und endend mit dem 17. Januar 2019, vorgelegt.

In einem Zwischenbericht vom 30. Mai 2016 hat Dr. E. darauf hingewiesen, dass mit der Klägerin eine Denervierung besprochen worden sei, da diese unter erheblichen Hyp- und Dysästhesien im Bereich der Fußsohle leide.

Der Beratungsarzt Dr. L. hat unter dem 26. Juli 2016 Stellung genommen und erneut darauf hingewiesen, dass an den Zehen keine Unfallverletzungen vorlägen, die einer fachgerechten podologischen Behandlung und Pflege bedürften. Das Rentengutachten vom 21. Oktober 2015 habe eine ungestörte Durchblutung der Füße und eine ungestörte Sensibilität der Zehen ergeben. Die Klägerin könne daher eigenständig ihre Fußpflege vornehmen.

In einem Befundbericht der Klinik für Schmerzmedizin des Roten Kreuz Krankenhauses Kassel vom 5. Oktober 2016 hat Dr. O. u. a. ausgeführt, dass bei der Klägerin Sensibilitätsstörungen am medialen Fußrücken rechts unter Einschluss der ersten drei Zehen sowie eine Allodynie im Bereich der medialen Fußsohle rechts bestünden.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Rentenbescheid hat die Beklagte von Prof. Dr. P. ein unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten vom 24. Oktober 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat darin u. a. ausgeführt, dass Kolorith, Trophik der Fußsohlen, Kapillarfüllung seitengleich und das Nagelbett auf beiden Seiten rosig ist. Es bestehe eine Steilstellung des ersten Strahls. Unfallunabhängig liege ein Fersensporn sowie angedeutet eine kleinere Haglundexostose vor. Die Zehenbeweglichkeit hat der Gutachter als uneingeschränkt dokumentiert.

In einem Zwischenbericht vom 28. November 2016 hat Dr. E. dann neben einem unveränderten klinischen Befund einen leichten tibial eingewachsenen Ungius incarnatus ohne akute Entzündungszeichen dokumentiert. Auf Anfrage des Sozialgerichts hat er zudem in einer Stellungnahme vom 23. März 2017 ausgeführt, dass es bei der Klägerin infolge der unfallbedingten Teileinsteifung des rechten Fußes sekundär zu einer erheblichen Belastung auch der Großzehen mit rezidivierenden Panaritien und Nagelverformungen gekommen sei, so dass deswegen die medizinische Fußpflege verordnet worden sei.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2016 hat Prof. Dr. P. gegenüber der Beklagten nochmals bekräftigt, dass unter anderem die Haglundexostose unfallunabhängiger Natur sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2017 hat die Beklagte den Bescheid von 23. Februar 2016 teilweise aufgehoben und die Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. auf unbestimmte Zeit weitergewährt. Ferner hat sie die MdE für in der Vergangenheit liegende Zeiträume bis zum 1. September 2015 erhöht. Daneben hat sie folgende Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt:

„Gestörtes Gangbild mit vermindertem Abrollverhalten am rechten Fuß; Teilversteifung und Gelenkverformung am rechten Fuß mit aufgehobenem Zehenstand und Einschränkung der Fähigkeit, in die Hocke zu gehen; Belastungsschmerzen und neuropathische Schmerzen am Fuß; Schwellneigung am rechten Fuß und Unterschenkel“.

Nicht als Unfallfolge anerkannt hat die Beklagte u. a. die Haglundferse rechts.

Dagegen hat die Klägerin am 6. Juni 2017 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben (S 4 U 94/17). Sie hat insoweit die Anerkennung einer am rechten Fuß bestehenden Haglundferse als weitere Unfallfolge begehrt. Die Beklagte hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme bei Dr. Q. eingeholt, welcher in seiner Stellungnahme vom 29. Juli 2017 darauf hingewiesen hat, dass ein Haglundsyndrom eine anlagebedingte Erkrankung sei, die überdurchschnittlich häufig zusammen mit einem Fersensporn (wie bei der Klägerin) vorkomme. Aus den unzähligen Röntgenaufnahmen und Schnittbildern aus dem Zeitraum Mai 2013 bis Oktober 2016 zeige sich zudem keinerlei Veränderung im oberen und hinteren Fersenbeinbereich bei der Klägerin, so dass eine unfallbedingte Entstehung der Haglundferse ausscheide. In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. September 2017 hat Dr. Q. unter Auswertung weiterer Bildaufnahmen aus den Jahren 2013 bis 2014 nochmals bekräftigt, dass eine traumatische Entstehung der Verformung des hinteren oberen Anteils des Fersenbeinkörpers ausgeschlossen sei.

Das Sozialgericht hat die beiden Klageverfahren S 4 U 94/17 und S 4 U 79/16 mit Beschluss vom 17. Oktober 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 4 U 79/16 verbunden.

Das Sozialgericht hat sodann Dr. R. mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 25. Mai 2018 ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Haglundferse bei der Klägerin nicht vorliege. Dies gelte nicht nur radiologisch, sondern auch klinisch, da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Fersenprobleme angegeben habe. Die Untersuchung der Füße habe ergeben, dass die rechte Großzehe minimal höher stehe als die linke. Im Barfußstand sei eine gravierende, seitendifferente Bedrängung der zweiten Zehe nicht erkennbar, dies auch ohne die zuvor getragene Silikonorthese. Die Fußsohlen seien seitengleich unauffällig beschwielt. Der orthopädische Maßschuh sei ausreichend breit und hoch gebaut, so dass kein Druck auf die Großzehe bestehe. Sensible oder motorische Störungen am rechten Fuß seien ausgeschlossen. Dem Reha-Entlassungsbericht der BG-Klinik Murnau vom Oktober 2014 sei ebenso wie dem Bericht der Klinik vom 9. Juli 2015 eine intakte Motorik und Sensibilität zu entnehmen. Die Notwendigkeit einer dauerhaften podologischen Behandlung könne nicht bestätigt werden. Dies könne nur dann bejaht werden, wenn ärztlich objektiviert und dokumentiert tatsächlich wiederholte Nagelbettentzündungen nur auf der rechten Seite aufgetreten wären. Dies sei aber nicht der Fall.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 14. August 2018 hat Dr. R. zudem ausgeführt, dass er eine typische Fehlverhornung durch eine Fehlbelastung des Fußes nicht habe feststellen können und diese in den letzten Jahren auch nicht dokumentiert worden sei. Die leichte Fehlstellung der Großzehe nach rechts sei nicht sehr ausgeprägt und unterscheide sich nicht wesentlich von der linken Seite, wo ebenfalls eine leichte Fehlstellung der Großzehe bestehe. Eine prophylaktische podologische Behandlung sei weder auf der unfallverletzten rechten noch auf den nicht verletzten linken Seite notwendig. Es gebe auch keine zwanglose Kausalkette zwischen einer fehlerhaften Abrollung des Fußes und einem eingewachsenen Zehennagel, zumal die bei der Klägerin fehlerhaft über den lateralen Fußrand erfolgende Abrollung beim Gehen durch den orthopädischen Maßschuh weitgehend kompensiert sei. Eine Fehlbelastung der Großzehe finden nicht nennenswert statt und eine gravierende Drucksituation, die zu einem nachvollziehbaren Einwachsen des Großzehennagels in den Nagelwall führe, habe nicht objektiviert werden können.

Mit Urteil vom 18. Januar 2019 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Hinsichtlich der podologischen Fußpflege lasse das Gericht die Frage offen, ob eine Kostenerstattung als gesetzlich mögliche Sozialleistung überhaupt unmittelbar in Betracht komme, da im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich das Sachleistungsprinzip gelte und eine Ausnahmeregelung für Kostenerstattung nur unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V analog möglich sei. Jedenfalls sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Notwendigkeit einer podologischen Behandlung wegen Unfallfolgen – bezüglich derer die Klägerin Kostenerstattung geltend mache – nicht nachgewiesen. Bei der Klägerin lägen zwar Gesundheitsschäden am rechten Fuß vor, die auch durch den Arbeitsunfall vom 4. Januar 2013 wesentlich verursacht worden seien. Diese Gesundheitsschäden bedürften nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch aus medizinischen Gründen keiner von der Beklagten zu übernehmenden podologischen Behandlung. Der gerichtliche Sachverständige Dr. R. habe als Unfallfolge die Funktionsstörung des rechten Fußes bei Zustand nach komplexer Fußfraktur genannt. Er habe ferner wiederkehrende Nagelbettentzündungen der rechten Großzehe diagnostiziert, diese jedoch nicht als Unfallfolge angesehen. Der Sachverständige setze sich in seinem Gutachten ausführlich mit der Frage der Notwendigkeit einer podologischen Behandlung am rechten Fuß auseinander und verneine diese nach ausführlicher Diskussion. Die Kammer folge diesem Gutachten, denn seine Argumentation sei schlüssig und nachvollziehbar. Hierbei sei zunächst festzuhalten, dass bei dem Unfall eine Verletzung der Zehen nicht stattgefunden habe. Eine pathologische Beschwielung des rechten Fußes habe der Sachverständige nicht feststellen können. Ebenso habe er dies unter Beachtung der vorliegenden medizinischen Unterlagen auch nicht für die zurückliegende Zeit feststellen können. Auch habe der Sachverständige keine verstärkten Druckverhältnisse im Zehenbereich vorgefunden, in deren Folge möglicherweise Nagelbettentzündungen/Panaritien entstehen könnten. Der Maßschuh sei gut angepasst und enthalte nach Einschätzung Dr. R. im Vorfußbereich ausreichend viel Platz – insbesondere in der Höhe. Zwar habe Dr. R. festgestellt, dass die rechte Großzehe geringfügig höher stehe als die linke, er sehe darin jedoch keine ungewöhnlichen Druckverhältnisse auf die zweite Zehe, da – wie zuvor schon erwähnt – der orthopädische Maßschuh ausreichend breit und hoch sei. Im Barfußstand habe der Sachverständige feststellen können, dass kein wesentlicher Kontakt zwischen der ersten und zweiten Zehe stattfinde, der aufgrund ständigen Drucks Panaritien erklären könne. Ferner seien ausweislich der Aktenlage wiederholte Nagelbettentzündungen nicht dokumentiert, so dass sich die Notwendigkeit der Verordnung von podologischen Behandlungen bereits deshalb nicht nachvollziehen lasse. Ergänzend werde angemerkt, dass im Gutachten von Prof. Dr. P. von Oktober 2016, kein pathologischer Zustand der Zehen beschrieben werde; ein dahingehender Vortrag der Klägerin zu ihren Beschwerden fehle. Ebenso finde sich im Gutachten von Dr. N. vom 20. November 2015 keine Aussage über pathologische Veränderungen des Nagelbettes. Auch hier sei dem Beschwerdevortrag der Klägerin nichts Entsprechendes zu entnehmen. Dr. R. habe ferner auch keine Durchblutungsstörungen oder neurologischen Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten Fußes erkennen können, aufgrund derer eine podologische Behandlung erforderlich sein könnte. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass eine bei ihr bestehende Haglundferse Folge des Arbeitsunfalls vom 4. Januar 2013 sei. Es fehle diesbezüglich bereits am Vorliegen des Gesundheitsschadens. Der gerichtliche Sachverständige Dr. R. habe in seinem Gutachten nämlich festgestellt, dass bei der Klägerin eine Haglundferse nicht vorliege. Die körperliche Untersuchung der Klägerin habe am Achillessehnenansatz rechts weder eine Rötung noch eine Schwellung noch eine seitendifferente Verknöcherung oder eine sonstige Fehlform ergeben. Eine Funktionsstörung in diesem Bereich habe sich nicht gefunden. Lediglich im Röntgenbild habe sich im Bereich des Achillessehnenansatzes rechts – wie im Übrigen auch links – eine winzige Verkalkungsstruktur im Sinne eines ganz kleinen dorsalen Fersensporns erkennen lassen. Auf weiteren Axialaufnahmen haben sich keine weitere Verkalkung oder knöcherne Apposition erkennen lassen, wie sie bei einer Haglundexostose hätten zu sehen sein müssen. Ferner habe Dr. R. festgestellt, dass auch am linken Fuß ein Fersensporn vorhanden sei. Einen Unfallzusammenhang schließe er auch hinsichtlich des Fersensporns aus. Darüber hinaus habe die Klägerin weder am linken noch am rechten Fersenbereich aktuell oder in der Vergangenheit an Schmerzen gelitten. Soweit im Gutachten von Prof. Dr. P. bei der Klägerin eine Haglundferse diagnostiziert worden sei, sei sie auch dort als unfallunabhängig angesehen worden.

Gegen die ihr am 25. März 2019 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 25. April 2019 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht angebracht. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Kosten für die medizinisch indizierte Fußpflege zu erstatten. Der Antrag auf Kostenübernahme sei zu Unrecht abgelehnt worden, es bestehe ausnahmsweise ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V analog. Die Notwendigkeit der Behandlung ergebe sich aus den Unfallfolgen, wobei die Behandlung die Verschlimmerung eines verursachten Gesundheitsschadens verhüte. Vor dem Arbeitsunfall vom 4. Januar 2013 habe keine Notwendigkeit für eine podologische Komplexbehandlung bestanden. Diese habe sich erst aus der komplexen Fraktur des rechten Fußes und den zahlreichen Operationen ergeben. Dem Gutachten von Dr. R. könne nicht gefolgt werden, denn die Notwendigkeit der podologischen Behandlung ergebe sich bereits aus der Verordnung des Durchgangsarztes Dr. E. Als Durchgangsarzt verordne Dr. E. nur solche Behandlungen, die der Versicherte im Rahmen des § 26 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGB VII in Anspruch nehmen dürfe. Dr. E. habe zudem die Notwendigkeit der podologischen Behandlung bejaht. Diese Einschätzung dürfe die Beklagte nicht infrage stellen. Durch den Unfall liege eine Fehlstellung des Fußes mit Krankheitswert vor, der die Behandlung des Fußes notwendig mache, damit keine pathologische Beschwielung und kein Einwachsen der Zehennägel stattfinde. Der Gutachter Dr. R. habe zudem eine übermäßige Beschwielung des rechten Fußes nur deshalb nicht feststellen können, weil die Klägerin sich regelmäßig in die podologische Behandlung begeben. Gleiches gelte für die vom Sachverständigen nicht festgestellten verstärkten Druckverhältnisse im Zehenbereich. Durch den Vorstand der rechten Großzehe komme es zu ungewöhnlichen Druckverhältnissen auf die Großzehe und die zweite Zehe, so dass es ohne die Durchführung der podologischen Behandlung zu Nagelbettentzündungen/Panaritien kommen würde. Ohne die besondere Pflege der Füße wäre deren Zustand desaströs. Dabei bestehe der Erstattungsanspruch auch schon dann, wenn durch die Behandlung eine Verschlimmerung des durch den Unfall verursachten Gesundheitszustandes vermieden werde. Schließlich verfüge weder der erstinstanzliche Gutachter Dr. R. noch der beratende Arzt der Beklagten über Erfahrungen auf dem Gebiet der Podologie, so dass mangels Fachkompetenz die Einlassungen der Ärzte nicht aussagekräftig seien. Darüber hinaus habe die Klägerin auch einen Anspruch auf die Feststellung der bei ihr bestehenden Haglundferse als Folge des Arbeitsunfalls vom 4. Januar 2013. Eine solche Funktionsstörung liege bei der Klägerin rechts vor, so dass dem Gutachten von Dr. R. nicht gefolgt werden könne. Prof. Dr. P. habe diese Diagnose in seinem Gutachten gestellt und die Veränderungen am Achillessehnenansatz seien auch unfallbedingt, da die Versteifung des Fußgewölbes zu einer Fehlbelastung des rechten Fußes führe, die wiederum zu einer Überlastung der beteiligten Sehnen-, Bänder- und Muskelansätze führen könne. Die Feststellung als Unfallfolge sei insoweit präventiv zu treffen, damit beim Auftreten späterer Probleme die Unfallfolge dokumentiert und entsprechend festgestellt sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. Januar 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die für ärztlich verordnete medizinische Fußpflege seit April 2015 entstandenen Kosten in Höhe von 1.188,26 € zu erstatten, ferner, den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2017 zu ändern und die bei ihr bestehende Haglundferse rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 4. Januar 2013 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach sei die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts nicht zu beanstanden. Ergänzend weist sie darauf hin, dass ein Arzt, der Heilbehandlungsmaßnahmen zulasten der Berufsgenossenschaft Verordnung, damit zwar seine Ansicht ausdrücke, dass diese Maßnahme wegen einer Unfallfolge erforderlich sei, er könne durch die Verordnung die Verwaltung jedoch nicht in ihrer Entscheidung binden. Die Frage der Kostenübernahme für die verordnete Maßnahme sei durch die Berufsgenossenschaft hiervon unabhängig zu entscheiden. Durch den Bescheid vom 11. Mai 2015 habe die Klägerin auch positive Kenntnis von der ablehnenden Entscheidung der Beklagten gehabt und hätte den Durchgangsarzt hinsichtlich der weiteren Ausstellung von Verordnungen über medizinische Fußpflege hiervon in Kenntnis setzen müssen.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der vorbefasste Senat von der podologischen Praxis Nachweise über die Behandlung der Klägerin angefordert. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin erstmals am 4. September 2014 und anschließend ab dem 23. April 2015 regelmäßig ca. monatlich dort in Behandlung war und jeweils an beiden Füßen die Nägel und die Hornhaut hat behandeln lassen.

Die Beklagte hat zu den von der Praxis vorgelegten Unterlagen eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme vorgelegt. In der Stellungnahme vom 23. Januar 2020 kommt Dr. Q. zu dem Ergebnis, dass sich aus den vorliegenden Dokumenten keine Anhaltspunkte für eine medizinische Indikation der podologischen Komplexbehandlung ergäben. Im gesamten ärztlichen und nichtärztlichen Dokumentenkonvolut ergäbe sich kein Anhalt für eine Beschreibung des Haut- und Zehennagelstatus, aus dem eine Indikation für eine podologische Behandlung hervorgehe.

Die Klägerin hat im Laufe des Berufungsverfahrens weitere Zahlungsbelege über die monatliche Inanspruchnahme einer podologischen Komplexbehandlung im Zeitraum Februar bis einschließlich Juni 2019 vorgelegt.

Die Beteiligten haben schriftlich übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§ 155 Abs. 3, 4, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), in der Sache aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erstattung der Kosten für die podologischen Komplexbehandlungen im Zeitraum April 2015 bis Juni 2019. Im Ergebnis zutreffend hat die Beklagte die Kostenübernahme mit dem Bescheid vom 11. Mai 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2016 abgelehnt.

In der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie in anderen Sozialversicherungsbereichen das Sachleistungsprinzip, d.h. der Unfallversicherungsträger hat die zur Heilbehandlung erforderlichen Maßnahmen grundsätzlich als Sachleistung bzw. Naturalleistung zu gewähren; ein unmittelbarer Kostenerstattungsanspruch gegen den Unfallversicherungsträger für eine selbst beschaffte Leistung ist i.d.R. nicht gegeben (BSG, Urteil vom 24. Februar 2000, B 2 U 12/99 R; Breith 2000, 741). Das Sachleistungsprinzip für die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zur Heilbehandlung und Rehabilitation wird dabei durch § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII eigens normiert; Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn dies im SGB VII ausdrücklich vorgesehen ist.

Eine Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen zur Heilbehandlung findet ansonsten allein unter den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V statt. Danach kommt eine Kostenerstattung in der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich einer selbstbeschafften Leistung nur dann in Betracht, wenn der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zusätzlich muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung begründenden Umstand, bei der ersten Alternative dem Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung und bei der zweiten Alternative der rechtswidrigen Ablehnung, und dem Nachteil des Versicherten, der Kostenlast, bestehen (BSG vom 24. Februar 2000, B 2 U 12/99 R; LSG Baden-Württemberg vom 21. Mai 2015, L 6 U 4698/14).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V liegen im Fall der Klägerin nicht vor.

Die erste Alternative einer unaufschiebbaren Leistung in der Gestalt, dass aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung der Klägerin notwendig war und eine vorherige Genehmigung durch die Beklagte nicht abgewartet werden konnte, lag bei der Antragstellung der Klägerin im April 2015 nicht vor. Denn weder aus der Verordnung von Dr. E. vom 27. April 2015 noch aus den vom Senat angeforderten Unterlagen der podologischen Praxis ergibt sich, dass bei der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt Entzündungszustände oder andere krankhafte Zustände am rechten Fuß vorgelegen hätten, die eine umgehende podologische Behandlung erforderlich gemacht haben. Die Notwendigkeit einer sofortigen Behandlung ergibt sich auch nicht aus der vom Sozialgericht eingeholten Stellungnahme von Dr. E. vom 23. März 2017. Darüber hinaus ergibt sich aus den von der Praxis angeforderten Behandlungsunterlagen, dass die Klägerin die podologische Behandlung im April 2015 bereits am 23. April 2015 hat durchführen lassen, die Verordnung von Dr. E. aber erst am 27. April 2015 ausgestellt wurde. Hinsichtlich dieser Behandlung hat die Klägerin somit den Beschaffungsweg nicht eingehalten, so dass eine Kostenerstattung bereits aus diesem Grund scheitert. Da alle weiteren zumeist monatlich durchgeführten Behandlungen sodann erst nach dem negativen Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2015 von der Klägerin in Kenntnis der Ablehnung in Anspruch genommen wurden, kommt eine Kostenerstattung insoweit nur nach der 2. Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V analog in Betracht.

Auch hinsichtlich dieser 2. Alternative scheitert jedoch ein Anspruch der Klägerin, da die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat.

Nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte u.a. Anspruch auf Heilbehandlung, die als Dienst- und Sachleistung zur Verfügung gestellt wird (§ 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII). Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung (§ 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII). Die Heilbehandlung erfasst gem. § 27 Abs. 1 SGB VII u.a. die ärztliche Behandlung und die Behandlung in Krankenhäusern sowie die Versorgung mit Hilfsmitteln. Die Unfallversicherungsträger gewähren Heilbehandlung einschließlich ärztlich verordneter Heilmittel dabei nur, um den durch den Versicherungsfall im Sinne des § 7 SGB VII verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1, § 30, § 34 SGB VII). Heilmittel sind dabei nach § 30 Satz 1 SGB VII alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Hierunter fallen auch Maßnahmen der podologischen Therapie (Köhler in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 05/19, § 30, Rn. 4).

Podologische Maßnahmen können damit zwar grundsätzlich als Heilmittel Bestandteil einer von dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu übernehmenden Heilbehandlung sein. Ein Anspruch auf Heilbehandlung besteht jedoch für den Versicherten nur hinsichtlich solcher Gesundheitsschäden, die kausal auf den anerkannten Arbeitsunfall zurückzuführen sind.

Im Fall der Klägerin fehlt es für den hier streitigen Zeitraum von April 2015 bis Juni 2019 zu einem Großteil bereits am Nachweis eines Gesundheitsschadens, der eine podologische Behandlung erforderlich gemacht hat. Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergibt sich insoweit für den Zeitraum April 2015 bis November 2016 zu keinem Zeitpunkt ein Entzündungszustand oder anderer krankhafter Zustand am rechten Fuß, welcher eine polologische Behandlung hätte erforderlich machen können. Vielmehr sind in den zahlreichen Untersuchungen und Begutachtungen, die die Klägerin in diesem Zeitraum hat durchführen lassen, weder unfallbedingte Durchblutungsstörungen noch neurologische Ausfallerscheinungen, wiederkehrende Nagelbettentzündungen oder andere, mittels podologischer Behandlung behebbare Gesundheitsschäden am rechten Fuß belegt.

Im Abschlussbericht Reha-Maßnahme in der BGU Murnau vom 8. Oktober 2014 hat Prof. Dr. K. etwa festgehalten, dass die Klägerin die Zehen bewegen könne und Durchblutung, Motorik und Sensibilität intakt seien. Im ersten Rentengutachten vom 20. November 2015 hat Dr. N. zudem ausgeführt, dass die Sensibilität der Zehen sowie die Kapillardurchblutung des rechten Fußes jeweils ungestört sei und im Bereich des rechten Vorfußes auch keine pathologische plantare Beschwielung bestehe. Prof. Dr. P. hat in seinem unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten vom 24. Oktober 2016 festgestellt, dass Kolorith, Trophik der Fußsohlen und Kapillarfüllung seitengleich und das Nagelbett auf beiden Seiten rosig sei. Es bestehe eine Steilstellung des ersten Strahls. Aus diesen ärztlichen Befunden ergibt sich somit kein Anhalt für eine Erkrankung des rechten Fußes, welche einer podologischen Behandlung bedurft hätte.

In einem Befundbericht der Klinik für Schmerzmedizin des Roten Kreuz Krankenhauses Kassel vom 5. Oktober 2016 hat Dr. O. zwar u. a. ausgeführt, dass bei der Klägerin Sensibilitätsstörungen am medialen Fußrücken rechts unter Einschluss der ersten drei Zehen sowie eine Allodynie im Bereich der medialen Fußsohle rechts bestünden. Diese Störungen erfordern jedoch keine podologische Behandlung oder könnten durch eine solche behoben oder gemindert werden.

Erst in einem Zwischenbericht vom 28. November 2016 hat Dr. E. dann erstmals und letztlich auch zum einzigen Mal bis zum Ablauf des hier streitigen Zeitraums im Juni 2019 neben einem unveränderten klinischen Befund einen leichten tibial eingewachsenen Ungius incarnatus ohne akute Entzündungszeichen dokumentiert. Diese einmalig dokumentierte Erkrankung kann jedoch die zu diesem Zeitpunkt bereits über anderthalb Jahre regelmäßig durchgeführte podologische Behandlung nicht rechtfertigen, zumal diesbezüglich ein Nachweis des Ursachenzusammenhangs mit dem Arbeitsunfall vom 4. Januar 2013 nicht gelingt.

Diesbezüglich verweist der Senat auf das erstinstanzlich eingeholte Gutachten des Dr. R., welcher in seinem Gutachten vom 25. Mai 2018 zu dem Ergebnis kommt, dass die rechte Großzehe bei der Klägerin zwar minimal höher stehe als die linke, im Barfußstand eine gravierende, seitendifferente Bedrängung der zweiten Zehe aber nicht erkennbar sei, dies auch ohne die zuvor getragene Silikonorthese. Die Beschwielung der Fußsohlen war bei der Untersuchung durch Dr. R. seitengleich unauffällig. Den orthopädische Maßschuh beschreibt Dr. R. als ausreichend breit und hoch gebaut, so dass kein Druck auf die Großzehe bestehe. Sensible oder motorische Störungen am rechten Fuß seien ausgeschlossen. Die Notwendigkeit einer dauerhaften podologischen Behandlung könne nicht bestätigt werden. Dies könne nur dann bejaht werden, wenn ärztlich objektiviert und dokumentiert tatsächlich wiederholte Nagelbettentzündungen nur auf der rechten Seite aufgetreten wären. Dies sei aber nicht der Fall.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 14. August 2018 hat Dr. R. zudem ausgeführt, dass er eine typische Fehlverhornung durch eine Fehlbelastung des Fußes nicht habe feststellen können und diese in den letzten Jahren auch nicht dokumentiert worden sei. Die leichte Fehlstellung der Großzehe nach rechts sei nicht sehr ausgeprägt und unterscheide sich nicht wesentlich von der linken Seite, wo ebenfalls eine leichte Fehlstellung der Großzehe bestehe. Eine prophylaktische podologische Behandlung sei weder auf der unfallverletzten rechten noch auf den nicht verletzten linken Seite notwendig. Es gebe auch keine zwanglose Kausalkette zwischen einer fehlerhaften Abrollung des Fußes und einem eingewachsenen Zehennagel, zumal die bei der Klägerin fehlerhaft über den lateralen Fußrand erfolgende Abrollung beim Gehen durch den orthopädischen Maßschuh weitgehend kompensiert sei. Eine Fehlbelastung der Großzehe finden nicht nennenswert statt und eine gravierende Drucksituation, die zu einem nachvollziehbaren Einwachsen des Großzehennagels in den Nagelwall führe, habe nicht objektiviert werden können.

Dieser überzeugenden und schlüssigen Einschätzung des Gutachters schließt der Senat sich vollumfänglich an. Soweit bei der Klägerin einmalig ein leicht eingewachsener Zehennagel rechts ohne Entzündungszeichen durch Dr. E. dokumentiert wurde, kann ein ursächlicher Zusammenhang mit dem streitigen Arbeitsunfall nicht wahrscheinlich gemacht werden. Denn Dr. R. hat den von der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits getragenen orthopädischen Maßschuh sowie die Füße der Klägerin untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass trotz der minimalen Fehlstellung der rechten Großzehe barfuß keine gravierende Bedrängung der zweiten Zehe stattfindet und auch der Maßschuh ausreichend hoch und breit gebaut ist, so dass kein Druck auf die Großzehe besteht. Außerdem hat er überzeugend ausgeführt, dass es keine zwanglose Kausalkette zwischen einer fehlerhaften Abrollung des Fußes und einem eingewachsenen Zehennagel gebe, zumal die bei der Klägerin fehlerhaft über den lateralen Fußrand erfolgende Abrollung beim Gehen durch den orthopädischen Maßschuh weitgehend kompensiert wird.

In Anbetracht der (oben aufgeführten) fehlenden Dokumentation von Gesundheitsschäden an den Zehen des rechten Fußes im Zeitraum April 2015 bis November 2016 sowie anschließend ab Dezember 2016 bis Juni 2019 sowie der Tatsache, dass der Maßschuh der Klägerin zu keiner Drucksituation im Bereich der Zehen führt, ist dieses Ergebnis schlüssig und überzeugend. Ein Ursachenzusammenhang zwischen der einmaligen Erkrankung der rechten Großzehe der Klägerin im November 2016 mit dem streitigen Arbeitsunfall vom Januar 2013 ist damit nicht hinreichend wahrscheinlich.

Soweit die Klägerin mehrfach darauf hingewiesen hat, dass sie die podologischen Behandlungen durchführen lasse, damit es nicht zu einem Gesundheitsschaden an ihren Zehen komme, wird darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin begehrte Heilbehandlung einschließlich ärztlich verordneter Heilmittel nur von der Beklagten zu übernehmen ist, wenn hierdurch ein durch den Versicherungsfall im Sinne des § 7 SGB VII verursachter Gesundheitsschaden beseitigen oder gebessert werden kann bzw. seine Verschlimmerung verhütet und seine Folgen gemildert werden (§ 26 Abs. 2 Nr. 1, § 30, § 34 SGB VII). Es bedarf somit eines nachweisbaren Gesundheitsschadens (hier an den Zehen des rechten Fußes der Klägerin), die rein prophylaktische Behandlung ohne Vorliegen einer Schädigung ist von der Vorschrift nicht erfasst.

Im Ergebnis hat die Beklagte somit die Leistung in Form der podologischen Komplexbehandlung nicht zu Unrecht abgelehnt, da es zum einen am Nachweis eines bestehenden Gesundheitsschadens mangelt bzw. hinsichtlich der einzigen dokumentierten Erkrankung der Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich ist. Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf die Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten für die Behandlung.

Darüber hinaus hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die Feststellung einer Haglundferse als Folge des Arbeitsunfalls vom 4. Januar 2013. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Senat kann insoweit offenlassen, ob bei der Klägerin überhaupt eine Haglundferse im Sinne der medizinischen Definition vorliegt, was von den verschiedenen Ärzten und Gutachtern uneinheitlich gesehen wird. Während Prof. Dr. P. in seinem unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten vom 24. Oktober 2016 einen Fersensporn sowie angedeutet eine kleinere Haglundexostose diagnostiziert hat und auch Dr. Q. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29. Juli 2017 von einer Haglundferse bei der Klägerin ausgeht, kommt Dr. R. in seinem erstinstanzlichen Gutachten vom 25. Mai 2018 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Haglundferse bei der Klägerin nicht vorliege. Dies gelte nicht nur radiologisch, sondern auch klinisch, da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Fersenprobleme angegeben habe.

Denn jedenfalls kommen alle Gutachter übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Haglundferse bei der Klägerin (sofern sie denn vorliegt) jedenfalls unfallunabhängiger Natur ist. Hierauf hat Prof. Dr. P. sowohl in seinem Gutachten als auch noch einmal explizit in einer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2016 hingewiesen. Dr. Q. hat in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29. Juli 2017 ausgeführt, dass ein Haglundsyndrom eine anlagebedingte Erkrankung sei, die überdurchschnittlich häufig zusammen mit einem Fersensporn (wie bei der Klägerin) vorkomme. Aus den unzähligen Röntgenaufnahmen und Schnittbildern aus dem Zeitraum Mai 2013 bis Oktober 2016 zeige sich zudem keinerlei Veränderung im oberen und hinteren Fersenbeinbereich bei der Klägerin, so dass eine unfallbedingte Entstehung der Haglundferse ausscheide. In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. September 2017 hat er unter Auswertung weiterer Bildaufnahmen aus den Jahren 2013 bis 2014 nochmals bekräftigt, dass eine traumatische Entstehung der Verformung des hinteren oberen Anteils des Fersenbeinkörpers ausgeschlossen sei. Der erstinstanzliche Gutachter Dr. R. hat schließlich das Vorliegen der Haglundferse verneint, bei der Klägerin aber im Bereich des Achillessehnenansatzes rechts, wie gleichartig auch auf der linken Seite, eine winzige Verkalkungsstruktur – die von Prof. Dr. P. und Dr. Q. als Haglundferse angesehen wird – als ganz kleinen dorsalen Fersensporn bezeichnet. Diesen dorsalen Fersensporn hat Dr. R. aufgrund der Beidseitigkeit und bei fehlendem strukturellen Erstschaden im Rückfußbereich als nicht unfallbedingt eingestuft.

Damit kommen alle drei Ärzte bzw. Gutachter zu dem gleichen Ergebnis, nämlich das die Verkalkungsstruktur am Ansatz der Achillessehne rechts bei der Klägerin unfallunabhängig besteht. Dieser Einschätzung schließt der Senat sich vollumfänglich an, da Dr. R. die gleiche Verkalkungsstruktur auch an der linken Ferse der Klägerin diagnostiziert hat und sich diese Struktur nach Auswertung der zahlreichen Röntgenaufnahmen und Schnittbilder durch Dr. Q. im Zeitraum 2013 bis 2016 nicht verändert hat. Dr. R. hat insoweit auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Fersenbereich keinen strukturellen Erstschaden durch den hier streitigen Arbeitsunfall vom 4. Januar 2013 erlitten hat. Auch dies spricht gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der röntgenologisch erkennbaren Verkalkungsstruktur und dem erlittenen Arbeitsunfall. Da die Klägerin schließlich auch nach eigener Auskunft gegenüber Dr. R. jedenfalls bisher aufgrund der Verkalkungsstruktur keinerlei Funktionseinschränkungen hat oder unter Schmerzen leidet, ist ein Schaden bei der Klägerin insoweit nicht ersichtlich. Auch aus diesem Grund kommt die begehrte Anerkennung eines „Gesundheitsschadens“ als Folge des anerkannten Arbeitsunfalls nicht in Betracht.

Im Ergebnis hat die Beklagte somit die Anerkennung einer Haglundferse rechts bei der Klägerin als Folge des Arbeitsunfalls vom 4. Januar 2013 zutreffend abgelehnt.

Die Berufung war nach alledem insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

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