SG Frankfurt – Az.: S 22 EG 31/13 – Urteil vom 30.01.2019
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Überprüfung der Elterngeldberechnung im Hinblick auf die begehrte Berücksichtigung des Gehalts für den Zeitraum vom 25.06.2012 bis 10.10.2012 auf der Grundlage der Gehaltsbescheinigungen des Insolvenzverwalters.
Die Klägerin ist die Mutter der 2012 geborenen Tochter C. Sie beantragte Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes unter Vorlage von Verdienstbescheinigungen für die letzten 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes sowie Mitteilungen des Insolvenzverwalters ihrer Arbeitgeberin, der D. Personal GmbH, hinsichtlich einer Kündigung des Arbeitsvertrages zum 30.11.2012.
Der Beklagte bewilligte Elterngeld antragsgemäß mit Bescheid vom 13.12.2012 in Höhe von 0,00 € € für den 1. und 2. Lebensmonat vom 09.11.2012 bis 08.01.2013, in Höhe von 481,63 € für den 3. Lebensmonat vom 09.01.2013 bis 08.02.2013 und in Höhe von 678,23 € für den 4. Bis 12. Lebensmonat vom 09.02.2013 bis 08.11.2013.
Am 08.05.2013 reichte die Klägerin bei dem Beklagten die Abrechnung des Insolvenzverwalters über den Gehaltszeitraum vom 25.06.2012 bis 10.10.2012 ein mit der Bitte, das Elterngeld entsprechend nachzuberechnen. Die Nachzahlung durch den Insolvenzverwalter sei nun nach eingereichter Kündigungsschutzklage im letzten Jahr erfolgt, daher könne die beigefügte Abrechnung erst jetzt nachgereicht werden.
Gemäß Schreiben des Insolvenzverwalters vom 12.04.2013 wurden die der Klägerin zustehenden Masseschulden gemäß § 55 Insolvenzordnung – InsO – für den Zeitraum 25.06.2012 bis 30.11.2012 zu 100 % abgerechnet mit einem Auszahlungsbetrag von 3.928,46 €. Die Klägerin legte weiter monatsgenaue Aufstellung der Bruttobeträge mit der Angabe, dass für die Besteuerung die im Ausschüttungsjahr maßgeblichen Steuermerkmale gelten würden.
Mit Bescheid vom 21.06.2013 lehnte der Beklagte die Rücknahme des Ausgangsbescheides und Neuberechnung des Elterngeldes gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, 10. Buch – SGB X – ab, da die nachträgliche Überprüfung nicht ergeben habe, dass bei Bescheiderteilung vom 13.12.2012 das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Bei Bescheiderteilung sei das Einkommen der Klägerin bis 24.06.2012 berücksichtigt worden. Im Jahr 2013 sei ihr im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Gehalt für die Zeit vom 25.06.2012 bis 10.10.2012 nachgezahlt worden. Zahlungen, die in einem Kalenderjahr für das Vorjahr nachgezahlt würden, seien steuerrechtlich als „sonstige Bezüge“ zu behandeln. Gemäß § 2c Satz 2 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit – Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG – würden jedoch Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt würden, bei der Einkommensermittlung für das Elterngeld nicht berücksichtigt.
Die Klägerin erhob am 03.07.2013 Widerspruch und verwies darauf, dass im Ausgangsbescheid nur Gehaltszahlungen bis 24.06.2012 berücksichtigt seien; das Gehalt sei nicht im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nachgezahlt worden, sondern im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens, in welchem man sich darauf geeinigt habe, das Arbeitsverhältnis bis zum 30.11.2012 fortzuführen und für diese Zeit den Lohn nachzuzahlen. Bei den Nachzahlungen handele es sich um den normalen Grundlohn und nicht um sonstige Bezüge. Mit der Gesetzesänderung von § 2c Satz 2 BEEG habe der Gesetzgeber bewusst auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – reagieren und eine einfache Handhabung für die Praxis erreichen wollen. Vorliegend gehe es aber um den ganz gewöhnlichen Gehaltsanspruch und nicht um sonstige Bezüge, die der Gesetzgeber von der Berücksichtigung habe ausschließen wollen. Es gehe an Sinn und Zweck des Gesetzes vorbei, Gehaltsansprüche nicht zu berücksichtigen, weil sie erst hätten gerichtlich erstritten und dann nachgezahlt werden müssen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2013 zurück und führte unter Hinweis auf die gesetzlichen Regelungen aus, die Berechnung des Elterngeldes sei nicht zu beanstanden. Das dem Elterngeld zu Grunde zu legende Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit sei das Nettoeinkommen. Sonstige Bezüge im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG würden gemäß § 2 Abs. 7 Satz 2 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit – Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) – nicht als Einnahmen berücksichtigt.
Dazu zählten neben anderen Einmalzahlungen auch Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume beziehe, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung endeten. Mit dem Widerspruch begehre die Klägerin die Neuberechnung des Elterngeldes, da im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens das Arbeitsverhältnis bis zum 30.11.2012 fortgeführte und für diese Zeit eine Lohnnachzahlung erfolgt sei. Da die Auszahlung jedoch erst im Folgejahr erfolgt sei, gelte für die Besteuerung das Zuflussprinzip und erfolge mit dem im Ausschüttungsjahr maßgeblichen Steuermerkmalen. Die Nachzahlung für die Zeit ab 25.06.2012 sei als sonstiger Bezug besteuert worden.
Das BEEG sei durch Artikel 14 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom 09.12.2010 und zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 23.10.2012 geändert worden. Abweichend zur bis zum 31.12.2010 geltenden Rechtslage gemäß Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 03.12.2009 – B 10 EG 3/09 R – betreffend Prämien und Umsatzbeteiligungen bzw. Voraus- und Nachzahlungen im Sinne von Lohnsteuerrichtlinien § 39b Abs. 2 Satz 2 Nummer 8, die für die Zeitabschnitte in einem anderen Veranlagungszeitraum erfolgten und deswegen als sonstige Bezüge versteuert würden, seien im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 38a Abs. 1 Satz 3 und § 39b steuerrechtlich als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen.
Maßgeblich sei hierbei die tatsächliche steuerliche Verbuchung, sodass entsprechend den vorgenannten gesetzlichen Vorschriften eine Berücksichtigung der Lohnnachzahlung bei der Berechnung des Elterngeldes leider nicht möglich sei.
Mit der am 26.08.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Die nachgezahlten Einkünfte stellten laufenden Arbeitslohn dar ausweislich der Gehaltsbescheinigungen und seien daher zu berücksichtigen. Sie stellten keine „sonstigen Bezüge“ dar, wie sie der Gesetzgeber von der Berechnung des Elterngeldes habe ausschließen wollen. Mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs habe der Gesetzgeber die Vereinfachung der Berechnung von Elterngeld erreichen wollen, nicht Fälle wie den der Klägerin bei Lohnnachzahlung nach arbeitsgerichtlichem Verfahren ausschließen wollen. Die angestrebte Vereinfachung habe sich auf Einkommensformen bezogen wie Einmal- und Sonderzahlungen, die nicht regelmäßig monatlich verdient und ausgezahlt würden. Unter Schilderung der Hintergründe des Gesetzgebungsverfahrens zur genannten Gesetzesänderung zum 18.09.2012 (BGBl. I 2012, 1878) macht die Klägerin geltend, es handele sich vorliegend nicht um sonstige Bezüge im Sinne des § 2c Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BEEG, sondern um ganz gewöhnlichen laufenden Arbeitslohn.
Im Übrigen habe das BSG bereits im Urteil vom 30.09.2010 – B 10 EG 19/09 R – aufgeführt, dass es nicht angebracht erscheine, die Einkommensbemessung von rechtswidrigen Verhaltensweisen des Arbeitgebers abhängig zu machen. In den Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum BEEG sei unter Punkt 2.1.3.1.4.2 vorgesehen: Voraus- bzw. Nachzahlungen von laufendem Arbeitslohn seien damit jeweils in dem Monat zu berücksichtigen, für den (und nicht in dem) die jeweilige Zahlung erfolge.
Die Klägerin meint daher, dass Gehaltsbestandteile, welche nur deshalb zu sonstigen Bezügen im Sinne des Steuerrechts würden, weil sie erst im nächsten Kalenderjahr zufließen würden, blieben zu berücksichtigende Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des BEEG.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 21.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Elterngeld unter Abänderung des Bescheides vom 13.12.2012 für den 1. bis 12. Lebensmonat der am 2012 geborenen Tochter C. unter Berücksichtigung der nach arbeitsgerichtlichem Vergleich erfolgten Gehaltsnachzahlung für den Zeitraum vom 25.06.2012 bis 30.11.2012 in Höhe von 3.928,46 € in gesetzlichem Umfang neu zu berechnen und die sich ergebene Höherzahlung an die Klägerin auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstande wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 21.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat in den genannten Bescheiden die Abänderung des Bescheides vom 13.12.2012 und die Neuberechnung des Elterngeldes zu Recht abgelehnt, weil bei der ursprünglichen Berechnung des Elterngeldes weder von einem falschen Sachverhalten ausgegangen worden ist noch das Recht unrichtig angewandt wurde (§ 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch – SGB X).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neuberechnung des Elterngeldes für den 1. und 12. Lebensmonat des am 09.11.2012 geborenen Kindes unter Berücksichtigung der für die Zeit vom 15.06.2012 bis 30.11.2012 als Einmalbezug erfolgten Gehaltsnachzahlung in Höhe von 3.928,46 € netto. Die Klägerin hat daher auch keinen Anspruch auf Auszahlung eines weiteren Betrages an Elterngeld.
Das Elterngeld wurde vielmehr von dem Beklagten zutreffend und der geltenden Rechtslage entsprechend berechnet und ausgezahlt.
Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 25.07.2013 Bezug genommen, denen das Gericht in vollem Umfang folgt (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Der Beklagte hat insbesondere zu Recht festgestellt, dass der oben genannte Einmalbezug der Gehaltsnachzahlung aus dem Jahr 2012 nach arbeitsgerichtlichem Vergleich im Jahr 2013 nach Abrechnung vom 12.04.2013 entsprechend den Lohnsteuerrichtlinien als Einmalbezug versteuert wurde, was der Arbeitgeber auch in der Abrechnung vom 12.04.2013 bestätigt hat, auch wenn es sich bei dem Grund der Zahlung um eine Nachzahlung laufenden regulären Arbeitslohnes handelt. Dies ist vorliegend für die Frage der Berücksichtigung bei der Berechnung des Elterngeldes nicht entscheidend, sondern allein die Tatsache, dass der Betrag als Einmalbezug gezahlt und versteuert wurde.
Gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung werden nicht berücksichtigt Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden. Nach § 2c Abs. 2 Satz 1 BEEG in der ab 01.07.2015 geltenden Fassung wird die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen vermutet.
Das Gericht nimmt zur weiteren Begründung Bezug auf das Urteil des Bundessozialgericht – BSG – vom 14.12.2017 – B 10 EG 7/17 R – (verfügbar in juris), wonach die unangefochtene Lohnsteueranmeldung Bindungswirkung entfalte und Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren verbindlich als sonstige Bezüge zu behandeln seien, deshalb nicht der Elterngeldbemessung unterlägen. Seine anderslautende Rechtsprechung für die dort zu entscheidende Frage der Behandlung variabler Gehaltsbestandteile bzw. Quartalprovisionen u. a. durch Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 13/14 R – (verfügbar in juris) führt der 10. Senat des BSG in der genannten Entscheidung vom 14.12.2017 ausdrücklich nicht mehr fort. Eine abweichende Norminterpretation sei in der Neuregelung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG ab dem 01.01.2015 gesetzlich nicht angelegt und verfassungsrechtlich weder möglich noch geboten. Sonstige Bezüge erhöhten das Elterngeld nicht, könnten es umgekehrt im Bezugszeitraum aber auch nicht reduzieren. Die im Interesse einer Vereinfachung von Massenverwaltung generalisierende Annahme des Gesetzgebers, dass der aktuelle Lebensstandard durch das laufende Einkommen mehr geprägt werde als durch das unregelmäßige Einkommen, lasse sich unter Berücksichtigung der Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers nicht widerlegen. Entsprechendes gelte für die weitere Einschätzung des Gesetzgebers, dass es sich für die mit dem BEEG bezweckte Förderung der Elternzeit durch beide Eltern als besonders nachteilig erweisen würde, wenn sonstige Bezüge – insbesondere bei Zuflüssen in kurzen Bezugszeiträumen, wie häufig den Partnermonaten der Väter – elterngeldrelevant wären.
Insoweit ist durch die Entscheidung des BSG vom 14.12.2017 – B 10 EG 7/17 R – eine vorbehaltlose Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung erfolgt (so auch: Dau, jurisPR-SozR 10/2018 Anm. 4; Schütz, jurisPR-SozR 7/2018 Anm. 4; a. A. LSG München, Urteil vom 16.01.2018 – L 9 EG 68/15 – verfügbar in juris).
Dieser Rechtsprechung, die angesichts der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung auch für sonstige Bezüge aus anderem Grund – wie hier einer späteren Gehaltsnachzahlung in Folge arbeitsgerichtlichen Vergleichs -, gelten muss, schließt sich das Gericht an.
Das Gericht ist weiter der Auffassung, dass die Entscheidung des BSG im Urteil vom 14.12.2017 – B 10 EG 7717 R -, die frühere Rechtsprechung zur Berücksichtigung sonstiger Bezüge bei Anwendung eines modifizierten Zuflussprinzips – wie im Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 13/14 R – noch angewandt, nicht mehr aufrechtzuerhalten sei aus den oben genannten Gründen, auch für Fälle Geltung finden muss, in denen die Entscheidung wegen des Datums der Geburt des Kindes (hier 2012) noch auf der Anwendung von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG in der ab 01.01.2011 geltenden Fassung beruht. Der Wortlaut dieser Norm, „ im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt …“, unterscheidet sich nicht wesentlich und in der Aussage nicht von der dem Urteil des BSG vom 14.12.2017 zu Grunde liegenden Fassung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG ab 01.01.2015: „ Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind … .“
Die Gehaltsnachzahlung, die als sonstiger Bezug lohnsteuerrechtlich zu behandeln war und auch wurde, ist damit bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen.
Das Elterngeld der Klägerin ist im Ergebnis zutreffend berechnet, sodass die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.