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Bemessung Elterngeld

Hessisches Landessozialgericht – Az.: L 5 EG 4/17 – Urteil vom 15.01.2019

I. Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 9. Februar 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des für die Zeit vom xx. Juni 2016 bis xx. Juni 2017 zu zahlenden Elterngeldes nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig. Dabei ist insbesondere die Berücksichtigung von Zahlungen als im Bemessungszeitraum einzubeziehendes Einkommen streitig, die der Arbeitgeber in den Gehaltsabrechnungen als sonstige Bezüge ausgewiesen hat.

Die 1985 geborene Klägerin und der 1977 geborene B. A. sind die Eltern des 2016 geborenen Kindes C. Sie stellten am 29. Juni 2016 Antrag auf Elterngeld und legten für die Klägerin als Bezugszeitraum den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes fest. Nach der aktenkundigen Bescheinigung der AOK Hessen vom 23. Juni 2016 hat die Klägerin in der Zeit vom 20. April bis 8. August 2016 Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 € kalendertäglich bezogen. Ergänzend legte die Klägerin Gehaltsabrechnungen für die Monate April 2015 bis Mai 2016 vor.

Durch Bescheid vom 13. Juli 2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin unter Berücksichtigung des Bezugs von Mutterschaftsgeld Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat, mithin für die Zeit vom xx. Juni 2016 bis xx. Juni 2017. Für den 1. Lebensmonat stellte der Beklagte keinen Anspruch, für den 2. Lebensmonat Elterngeld in Höhe von 133,84 € und für den 3. bis 12. Lebensmonat Elterngeld in Höhe von jeweils 1.037,32 € fest. Dabei berücksichtigte der Beklagte als Bemessungszeitraum die Monate April 2015 bis März 2016 und führte zur Höhe aus, das der Klägerin zustehende Elterngeld belaufe sich angesichts eines durchschnittlichen monatlichen Nettoerwerbseinkommens im Bemessungszeitraum von 1.595,88 € auf 1.037,32 € (65 %).

Die Klägerin erhob Widerspruch am 27. Juli 2016 und beanstandete, die regelmäßigen Provisionszahlungen, die sie im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses erhalten habe, seien bei der Berechnung des Elterngeldes nicht berücksichtigt worden. Diese seien aber nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. März 2014 einzubeziehen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, nach § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG würden Einnahmen nicht berücksichtigt, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Aus den Gehaltsabrechnungen gehe hervor, dass der Arbeitgeber der Klägerin die Provisionszahlungen als sonstigen Bezug steuerlich verbucht habe. Nach den lohnsteuerlichen Vorgaben könnten keine Änderungen mehr für ein abgeschlossenes Kalenderjahr (hier 2015) vorgenommen werden. Daher seien die Provisionszahlungen nicht als Einnahmen zu berücksichtigen.

Mit der am 11. August 2016 zum Sozialgericht Fulda erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung berief sie sich erneut auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. März 2014 (B 10 EG 7/13 R) und führte hierzu aus, dieser Rechtsprechung sei durch die Neufassung des § 2c BEEG nicht der Boden entzogen worden. Es komme nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes maßgeblich darauf an, ob die jeweiligen Lohnbestandteile regelmäßig gezahlt worden seien. Regelmäßige Zahlungen seien als laufender Arbeitslohn zu behandeln und genau dies sei in Ihrem Fall im Hinblick auf die Provisionen gegeben. Diese seien arbeitsvertraglich geregelt und würden monatlich ganz oder teilweise als Abschlagszahlungen oder Nachzahlungen geleistet. Der Fälligkeitszeitpunkt liege somit innerhalb des Bemessungszeitraums. Auch nach der Broschüre „Elterngeld, ElterngeldPlus und Elternzeit“ ergebe sich, dass im Wesentlichen Einmalzahlungen als sonstige Bezüge nicht berücksichtigt würden. Bei den ihr gezahlten Provisionen handele es sich aber nicht um Einmalzahlungen in diesem Sinn. Ergänzend legte die Klägerin Schreiben ihres Arbeitgebers vom 18. Mai 2011 und 31. Juli 2014 sowie den Änderungs-Anstellungsvertrag vom 1. Mai 2011 vor. Darüber hinaus legte die Klägerin auf Anforderung des Sozialgerichts die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2015 vor.

Demgegenüber verwies der Beklagte auf die zum 1. Januar 2015 geänderte Rechtslage als Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des Bundessozialgerichts aus 2014.

Das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2017 der Klage stattgegeben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 13. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2016 verurteilt, Elterngeld unter Berücksichtigung der im Bemessungszeitraum erhaltenen Umsatzprovisionen als Einkommen zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht die bis zum 31. Dezember 2014 bzw. ab dem 1. Januar 2015 geltende Rechtslage referiert und unter Berücksichtigung der Lohnsteuerrichtlinien die Auffassung vertreten, vorliegend unterfielen die Provisionszahlungen dem laufenden Arbeitslohn und nicht den sonstigen Bezügen, sodass sie bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen seien.

Gegen das dem Beklagten am 17. Februar 2017 mittels Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich seine am 22. Februar 2017 zum Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Er trägt vor, § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung regele, dass Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien, nicht bei der Elterngeldberechnung berücksichtigt würden. Entsprechend dieser Vorgaben seien nur die laufend besteuerten Gehaltsbestandteile in die Elterngeldberechnung einzubeziehen.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 9. Februar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes maßgeblich darauf ankomme, ob die jeweiligen Lohnbestandteile regelmäßig gezahlt worden seien. Dies treffe hier auf die gezahlten Provisionen zu. Da die Zahlungen im Bemessungszeitraum erfolgt seien, ergebe sich durch eine Berücksichtigung kein elterngeldschädliches oder verzerrtes Bild der wirtschaftlichen Verhältnisse.

Beide Beteiligte haben übereinstimmend erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden sind.

Abschließend hat der Senat den Beteiligten den rechtliche Hinweis erteilt, dass das Bundessozialgericht mit seinem Urteil vom 14. Dezember 2017 (B 10 EG 7/17 R) aufgrund der mit Wirkung vom 1. Januar 2015 erfolgten Gesetzesänderung nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten hat und dass der erkennende Senat mit Urteil vom 14. September 2018 (L 5 EG 9/16) dieser neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes gefolgt ist. Dementsprechend werde voraussichtlich die vorliegend mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid erfolgte Verurteilung des Beklagten aufzuheben sein.

Die Klägerin hat hierzu geltend gemacht, nach Wortlaut, Systematik, Normzweck und Entstehungsgeschichte des § 2c BEEG sei sie in Übereinstimmung mit der Begründung des Sozialgerichts Fulda in seinem Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2017 und dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2016 der Meinung, dass regelmäßig gezahlten Provisionen auch nach der neuen Rechtslage 2015 bei dem Elterngeld als Einkommen zu berücksichtigen seien, da sie laut ihrem Arbeitsvertrag neben dem Grundgehalt als monatliche Umsatzprovision regelmäßig gezahlt würden. Damit stellten sie laufenden Arbeitslohn im Sinne des Urteils des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2017 dar. Sie weise zurück, dass sie einerseits von der Besteuerung als sonstige Bezüge profitiere und andererseits im Elterngeldverfahren nochmals Vorteile erzielen wolle. Vielmehr hätten weder sie noch ihr Arbeitgeber ein Wahlrecht auf eine alternative Besteuerung. Zudem ergebe sich aus der Besteuerung als sonstiger Bezug überhaupt kein Steuervorteil. Das BEEG verfolge den Zweck, diejenigen Einkünfte teilweise zu ersetzen, die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes den Lebensstandard des Elterngeldberechtigten geprägt hätten. Hierzu gehörten zweifellos die monatlichen Provisionszahlungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Bemessung Elterngeld
(Symbolfoto: Pixel-Shot/Shutterstock.com)

Der Senat konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) sowie ohne mündliche Verhandlung (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG) durch Urteil entscheiden. Die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erteilt.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die Berufung ist auch begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 9. Februar 2017 kann nicht aufrechterhalten bleiben. Der angefochtene Bescheid vom 13. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2016 ist rechtmäßig, sodass die Klägerin hierdurch nicht beschwert ist (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Ihr steht kein Anspruch auf elterngelderhöhende Berücksichtigung der im Bemessungszeitraum erhaltenen Provisionen zu.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr. 4). Diese Voraussetzungen sind für den Bezugszeitraum des 1. bis 12. Lebensmonats und damit für die Zeit vom xx. Juni 2016 bis xx. Juni 2017 erfüllt, was sich aus den Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren ergibt und auch nicht streitig ist. Streitig ist allein noch die Frage, ob für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes weiteres Einkommen im Bemessungszeitraum zu berücksichtigen ist, das der Arbeitgeber in den Gehaltsabrechnungen als sonstige Bezüge ausgewiesen hat. Dies ist nach Auffassung des Senates zu verneinen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 € monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BEEG erhöht sich in den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000,00 € war, der maßgebliche Prozentsatz für die Bemessung des Elterngeldes von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000,00 € unterschreitet, auf bis zu 100 %. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG sinkt In den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200,00 € war, der maßgebliche Prozentsatz für die Bemessung des Elterngeldes von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 €, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.200,00 € überschreitet, auf bis zu 65 %. Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300,00 € gezahlt, wobei dies auch gilt, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat (§ 2 Abs. 4 BEEG). Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit die 12 Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes und unterliegt den Einschränkungen des § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG, wonach u.a. Kalendermonate unberücksichtigt bleiben, in denen die berechtigte Person Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat (Nr. 1), Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch bezogen hat (Nr. 2) oder eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war mit der Folge eines geringeren Einkommens aus Erwerbstätigkeit (Nr. 3).

Für die Berechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit regelt § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG: Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (Nr. 1) sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes (Nr. 2), die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 hat.

Schließlich bestimmt § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG, dass als Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrages, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f, zu berücksichtigen ist. Dabei werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge zu behandeln sind, nicht berücksichtigt (§ 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden und hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 18. Dezember 2014 <BGBl I, S. 2325>). Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in dem für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (§ 2c Abs. 2 Satz 1 BEEG). Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen wird vermutet (§ 2c Abs. 2 Satz 2 BEEG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung).

Zunächst ist davon auszugehen, dass sich der Bemessungszeitraum vorliegend auf die Monate April 2015 bis März 2016 erstreckt, wie dies der Beklagte dem angefochtenen Bescheid zutreffend zu Grunde gelegt hat. Maßgeblich ist § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab dem 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. Danach bleiben bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person während der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 oder § 6 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes nicht beschäftigt werden durfte oder Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch oder nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat (Nr. 2). Gemäß § 3 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz <MuSchG>) in der Fassung vom 20. Juni 2002 (in Kraft bis zum 31. Dezember 2017) dürfen werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG in der Fassung vom 20. Juni 2002 (in Kraft bis zum 29. Mai 2017) dürfen Mütter bis zum Ablauf von acht Wochen, bei Früh- und Mehrlingsgeburten bis zum Ablauf von 12 Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden. Die vorgeburtliche Schutzfrist begann hier zeitgleich mit dem Beginn des Bezugs von Mutterschaftsgeld am 20. April 2016. Mithin haben die Kalendermonate April und Mai 2016 bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums unberücksichtigt zu bleiben mit der Folge, dass sich der Bemessungszeitraum auf die Kalendermonate April 2015 bis März 2016 erstreckt.

Hinsichtlich der hier streitigen Berücksichtigung der an die Klägerin geleisteten Provisionszahlungen ist von Folgendem auszugehen: Die Regelung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG betreffend die Nichtberücksichtigung von „sonstigen Bezügen“ (Gesetzesfassung bis zum 17. September 2012: § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG) ist durch den Gesetzgeber mehrfach geändert worden. In seiner Rechtsprechung ging das Bundessozialgericht (vgl. Urteile vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 3/09 R, 29. August 2012, B 10 EG 20/11 R, 26. März 2014, B 10 EG 7/13 R, 12/13 R und 14/13 R) davon aus, dass nach der Legaldefinition des § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG unter „sonstige Bezüge“ Arbeitslohn zu verstehen ist, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Allerdings definiert das EStG den Begriff des laufenden Arbeitslohns nicht ausdrücklich. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie die steuerrechtliche Literatur hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass Arbeitslohn laufend ist, wenn er zeitraumbezogen und regelmäßig wiederkehrend gezahlt wird, wobei ein rein zeitliches Verständnis zu Grunde zu legen ist. Das Kriterium der regelmäßig wiederkehrenden Zahlung ist erfüllt, wenn im Kalenderjahr zumindest zwei Zahlungen erfolgen, wobei im Hinblick auf den für die Abgrenzung des laufenden Arbeitslohns von den sonstigen Bezügen maßgeblichen Zeitraum im Anwendungsbereich des BEEG nicht auf das Kalenderjahr, wie im Steuerrecht, sondern auf den gesetzlich vorgesehenen zwölfmonatigen Bemessungszeitraum abzustellen ist. Diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist jedoch lediglich noch auf die bis zum 31. Dezember 2014 geltende Rechtslage und damit auf Ansprüche auf Elterngeld aufgrund von Geburten bis zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG) anzuwenden, denn der Gesetzgeber hat mit der zum 1. Januar 2015 in Kraft getretenen abermaligen Gesetzesänderung als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes eine Zäsur geschaffen, die eine teleologische Reduktion der Vorschrift des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG im Sinne des Begehrens der Klägerin nicht mehr zulässt.

Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung hat das Bundessozialgericht an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festgehalten. Im Urteil vom 14. Dezember 2017 (a.a.O.) hat es (für den Fall von neben dem laufenden Monatslohn regelmäßig vierteljährlich gezahlten Provisionen) ausgeführt, dass aufgrund der Klarstellung durch den Gesetzgeber nunmehr Einnahmen von der Bemessungsgrundlage des Elterngeldes ausgeschlossen seien, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Eine einschränkende Auslegung der Ausschlussklausel des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG sei nicht mehr möglich. Für die Frage der Abgrenzung des laufenden Lohns von den sonstigen Bezügen seien die Lohnsteuerrichtlinien zu beachten. Darüber hinaus müsse eine Bindungswirkung dergestalt berücksichtigt werden, dass eine Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers so wirke, als hätte die Finanzverwaltung einen entsprechenden Steuerbescheid erlassen. Der Inhalt erwachse in Bestandskraft, wenn weder der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber noch das Finanzamt die von der Abgabenordnung (AO) eröffneten Rechtsbehelfe oder andere Korrekturmöglichkeiten nutzten. Dabei sei nicht das tatsächliche Verhalten des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren bindend, wohl aber die Rechtsfolgen, die die AO und das EStG daran knüpften. Derart bindende Feststellungen müssten von den Beteiligten des Elterngeldverfahrens hingenommen werden und Gerichte sowie Behörden hätten lediglich noch zum Zwecke der Tatsachenfeststellung zu ermitteln, wie der Arbeitgeber und ggf. das Finanzamt im Lohnsteuerabzugsverfahren die steuerrechtlichen Vorschriften gehandhabt hätten und ob insoweit ausnahmsweise keine Bestandskraft eingetreten sei. Die Erklärung des Arbeitgebers (in Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a Entgeltbescheinigungsverordnung <EBV> vom 19. Dezember 2012, BGBl I, S. 2712), er habe bestimmte Entgeltbestandteile als sonstige Bezüge zur Lohnsteuer angemeldet, erlaube regelmäßig den Schluss, dass diese Anmeldung bestandskräftig geworden sei und deshalb die Beteiligten des Elterngeldverfahrens binde, wenn nicht konkrete tatsächliche Anhaltspunkte entgegenstünden. Eltern verhielten sich im Übrigen widersprüchlich, wollten sie einerseits von den Steuervorteilen einer (unrichtigen) Besteuerung von Entgeltbestandteilen als sonstige Bezüge profitieren, um diese dann andererseits im nachfolgenden Elterngeldverfahren mit dem Ziel höheren Elterngeldes wieder infrage zu stellen (vgl. zu allem auch Parallelentscheidung des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2017, B 10 EG 4/17 R).

Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung bereits mit Urteil vom 14. September 2018 (a.a.O.) angeschlossen und hält daran weiterhin fest mit der Folge, dass nicht nur die Richtigkeitsvermutung gemäß § 2c Abs. 2 Satz 2 BEEG gilt, sondern im Grundsatz von der Bestandskraft der steuerrechtlichen Behandlung der Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers auszugehen ist, sofern nicht konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Anmeldung im Lohnsteuerabzugsverfahren ausnahmsweise nicht bestandskräftig geworden sein könnte. Derartige Anhaltspunkte sind hier für den Senat weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht worden. Vielmehr hat diese auf konkrete Nachfrage des Senats lediglich an ihrer bisherigen Rechtsauffassung zur Einbeziehung der Provisionszahlungen festgehalten, ohne die Bestandskraft der lohnsteuerrechtlichen Anmeldung als sonstigen Bezug infrage zu stellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Arbeitgeber der Klägerin die Provisionszahlungen richtigerweise als laufenden Arbeitslohn hätte anmelden müssen, denn die Gründe für die Anmeldung als sonstigen Bezug sind ohne Belang, wenn keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die steuerrechtliche Anmeldung nicht bestandskräftig geworden ist. Der Klägerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht gefolgt werden, weder sie noch ihr Arbeitgeber hätten ein Wahlrecht im Hinblick auf eine alternative Besteuerung gehabt. Vielmehr verhält es sich so, dass ein Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Lohnsteuerrichtlinien zur zutreffenden lohnsteuerlichen Anmeldung verpflichtet ist. Insoweit spricht viel dafür, dass der Arbeitgeber der Klägerin angesichts der monatlichen Provisionszahlungen diese als laufenden Arbeitslohn hätte anmelden müssen, fälschlich jedoch eine Anmeldung als sonstige Bezüge gewählt hat. Darauf kommt es jedoch nicht an, wenn – wie hier – diese lohnsteuerliche Anmeldung gegenüber den Finanzbehörden bestandskräftig geworden ist. Damit muss es nach der aktuellen Entsprechung des Bundessozialgerichtes, der der erkennende Senat folgt, sein Bewenden haben.

Die gesetzliche Regelung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (so auch BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O.). Zunächst ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber im Bereich steuerfinanzierter Sozialleistungen bzw. der gewährenden Staatstätigkeit, auch im Hinblick auf die Familienförderung, eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt (BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 2011, 1 BvR 1811/08 u. 9. November 2011, 1 BvR 1853/11). Im Übrigen ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Oktober 1980, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79 u. vom 9. November 2004, 1 BvR 684/98). Umgekehrt verbietet Art. 3 Abs. 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung verbieten. Dabei legt das Bundesverfassungsgericht je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993, 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92). Hiervon ausgehend ist zu berücksichtigen, dass der Ausschluss sonstiger Bezüge durch § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG alle anspruchsberechtigten Eltern gleichermaßen trifft, die im Bemessungszeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit erzielt haben. Sonstige Bezüge im lohnsteuerrechtlichen Sinn sind weder bei der Bemessung noch im Bezugszeitraum zu berücksichtigen. Der Ausschluss sonstiger Bezüge ist auch sachlich gerechtfertigt. Insofern war der Gesetzgeber zu einer typisierenden und pauschalierenden Regelung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung unter Rückgriff auf das Steuerrecht verfassungsrechtlich berechtigt. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG dient zudem dem legitimen Anliegen einer generalisierenden Gesetzgebung. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren, indem er nach wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte zusammenfasst und Besonderheiten generalisierend vernachlässigt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O. m.w.N.). Weiter kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Ausklammerung von sonstigen Bezügen aus der Bemessungsgrundlage Eltern zwar benachteiligen kann, eine entsprechende Ausklammerung während des Elterngeldbezugs sich dagegen begünstigend auswirkt. Schließlich werden Elterngeldberechtigte durch die Bindung an bestandskräftige Ergebnisse des Lohnsteuerabzugsverfahrens nicht unverhältnismäßig belastet, weil eine zu Unrecht erfolgte Behandlung von Entgeltbestandteilen als sonstige Bezüge angefochten werden kann (zu allem: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O.).

Im Ergebnis hat es dabei zu verbleiben, dass die Provisionszahlungen des Arbeitgebers in den Monaten April 2015 bis März 2016, die dieser als sonstige Bezüge (Lohnart 199) im Lohnsteuerabzugsverfahren ausgewiesen hat, bei der Ermittlung des Einkommens im Bemessungszeitraum nicht berücksichtigt werden können. Auch die Berechnung des Beklagten im Übrigen ist zutreffend und entspricht den gesetzlichen Vorschriften. So hat der Beklagte die Einkünfte aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit gemäß den vorliegenden Gehaltsabrechnungen für die Monate April 2015 bis März 2016 (gesamt 31.756,73 €) berücksichtigt. Hiervon ausgehend hat der Beklagte zutreffend die gesetzlich vorgesehenen Beträge (Arbeitnehmer-Pauschbetrag – § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG, Steuern – § 2e BEEG und Sozialabgaben – § 2f BEEG) in Abzug gebracht, sodass im Ergebnis ein Nettobetrag von monatlich 1.595,88 € anzusetzen ist. Dies ergibt ein Elterngeld von monatlich 1.037,32 € (65 %).

Auf die Berufung des Beklagten war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht zuzulassen. Insbesondere ist grundsätzliche Bedeutung angesichts der ausgeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu verneinen.

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