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Berufskrankheit – arbeitstechnische und medizinische Voraussetzungen

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 4 U 641/17 – Urteil vom 15.12.2017

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 25.08.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Berufskrankheiten (BK) nach den Nr. 4301 (BK 4301), 4302 (BK 4302) und 4201 (BK 4201) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie darauf gegründeter Ansprüche auf Verletztenrente.

Die BK 4301 betrifft durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die BK 4302 umfasst durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die BK 4201 erfasst eine exogen-allergische Alveolitis.

Der 1971 im Irak geborene Kläger reiste nach dortigen Tätigkeiten als Goldschmied und Bürohilfskraft 1997 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er vom 02.04.2000 (Auskunft der H vom 12.10.2015) bzw. 01.07.2000 (Arbeitsvertrag vom 29.06.2000) bis zum 30.06.2001 in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Stadt H stand sowie nachfolgend arbeitslos und vom 08.12.2006 bis 24.04.2009 in einer Spanferkelbraterei bzw. einem Partyservice geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt war (Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 27.05.2015 und 12.06.2015). In H wohnte der Kläger zunächst in der C 35 (Lohnsteuerkarte 2000, Schreiben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und des Arbeitsamtes H), nachfolgend seit dem 24.05.2002 in der N 31 (Aufenthaltsbescheinigung vom 19.09.2002).

Der Kläger wandte sich im Oktober 2014 an die Beklagte und vertrat gestützt auf vorgelegte Unterlagen die Auffassung, bei ihm liege aufgrund beruflicher Einwirkungen während seiner von 2000 bis 2001 ausgeübten Tätigkeit eine BK vor.

Laut Arbeitsvertrag (29.06.2000) war er bei H vom 01.07.2000 bis zum 30.06.2001 vorübergehend als gewerblicher Mitarbeiter mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von durchschnittlich 30,5 Stunden wöchentlich eingestellt. Die Beschäftigung erfolgte nach § 19 Abs. 2 BSHG, die Entlohnung nach Lohngruppe 2 BZT-G/NRW.

Professor Dr. C, Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhruniversität C St. Josef-Hospital C, berichtete (16.09.2005) nach einer Vorstellung des Klägers, dieser sei weiter überzeugt, dass eine bakterielle oder biologische Ursache oder eine Schwermetallbelastung seinen Beschwerden zugrunde liege. Aktuell bestünden vor allem asthmatische Beschwerden, eine Psoriasis und Muskelschmerzen. Ein Anhalt für eine Schwermetallbelastung (insbesondere Blei) sei ausgeschlossen worden.

Berufskrankheit - arbeitstechnische und medizinische Voraussetzungen
(Symbolfoto: DC Studio/Shutterstock.com)

Der Facharzt für Arbeitsmedizin, Allgemeinmedizin, Allergologie und Umweltmedizin Dr. med. Dipl.-Chem. M gelangte in einer nach Aktenlage erstellten Stellungnahme (19.10.2006) gestützt auf Fremdbefunde und die anamnestische Angabe des Klägers, allergische Wirkungen seien im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Pilzbefall seiner Wohnung aufgetreten, zu der Auffassung, die diagnostizierte Schimmelpilzallergie sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Innenraumexposition gegenüber Schimmelpilzsporen aus der früheren Wohnung des Klägers zurückzuführen.

Der Sachverständige für Schadstoffe in Innenräumen und an Gebäuden Dr. M legte in einer gutachterlichen Stellungnahme (08.08.2007 ergänzt durch vorgelegte Berichte mit Schreiben vom 05.08.2003) dar, drei seiner Mitarbeiter hätten im September 2002 eine Inspektion von Küche und Keller der Wohnung des Klägers vorgenommen. Die im Keller festgestellte Feuchtigkeit sei sehr ausgedehnt gewesen. In der Küche habe es einen sichtbaren Befall im Bereich der Decke gegeben. In der dort exemplarisch genommenen Materialprobe seien hohe bis sehr hohe Mengen an Pilzen und Bakterien, darunter auch als kritisch einzustufende Mikroorganismen, gefunden worden. Die Ausdehnung des Schadens sei der höchsten Kategorie 3 nach Leitfaden des Umweltbundesamtes zu Schimmelpilzen zuzuordnen. Die Diplombiologen W und der Diplom-Umweltwissenschaftler C meinten (22.11.2002), aufgrund der großen mikrobiellen Biomasse und der kritischen Arten liege eine gesundheitliche Gefährdung vor.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin Dr. med. Dipl.-Chem. Q führte in einer Stellungnahme (20.09.2007) aus, es bestehe kein vernünftiger Zweifel daran, dass die wohnungsbedingte Exposition gegenüber Schimmelpilzsporen zu typischen Symptomen einer allergischen Rhinokonjunktivitis, verbunden mit einer obstruktiven Atemwegserkrankung, geführt habe.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin G wies in einem an das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen gerichteten Schreiben (17.02.2009) in einer Schwerbehindertenrechtsangelegenheit (Az.: S 15 SB 442/07) unter anderem auf ein Asthma bronchiale, eine „Mitbehandlung Umweltmedizin bei chronischer Schimmelpilzbelastung pulmonal“ und gastrointestinal, eine Phobie und eine psychosoziale Zwangshaltung hin. Es bestehe objektiv eine Krankheitsverarbeitungsstörung durch divergente Ansichten und Vorstellungen des Klägers zu objektivierbaren medizinischen Befunden mit entsprechender Behandlungskonsequenz.

Professor Dr. T berichtete unter anderem über ein nach anamnestischen Angaben bestehendes allergisches Asthma, erhobene Laborbefunde sowie ein Fibromyalgiesyndrom (13.06.2013).

Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B teilte nach einer Kontrolluntersuchung bei bekanntem Asthma bronchiale mit, bodyplethysmographisch hätten sich „völlig normale Werte für RAW und TGV“ gezeigt (14.08.2013).

Entlassungsbriefe über Vorstellungen in der Rheumatologischen Ambulanz des Krankenhauses Q am Rhein gGmbH (31.03.2010 und 26.09.2014) nennen als Diagnose unter anderem ein allergisches Asthma bronchiale.

In ärztlichen Anzeigen bei Verdacht auf eine BK wiesen sowohl die Fachärztin für Innere Medizin Dr. C (23.11.2014) als auch Dres. L u.a. (24.11.2014) und Dr. med. Dipl.-Chem. M (25.11.2014) auf ein lungenärztlich diagnostiziertes Asthma bronchiale sowie eine vom Kläger vermutete Schwermetallbelastung während der Beschäftigung von 2000 bis 2001 hin. Dr. C ergänzte auf Anfrage der Beklagten, sie habe den Antrag zur Klärung gestellt, da sie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Asthma bronchiale nicht zweifelsfrei ausschließen könne und der Kläger diesen Zusammenhang annehme. Über die Angabe von Schimmelpilzbefall seiner Privatwohnung sei ihr nichts bekannt (07.12.2014). Dr. med. Dipl.-Chem. M teilte auf Anfrage der Beklagten mit, er könne und möge den Kläger weder medizinisch noch nicht medizinisch begleiten und ziehe hiermit seine vorangegangene BK-Anzeige zurück (27.02.2015, 03.03.2015 und 05.03.2015).

In einem vom Kläger vorgelegten Schreiben (08.12.2014) führte Dr. med. Dipl.-Chem. Q unter Hinweis auf ein von ihm bereits am 04.05.2005 erstelltes Gutachten aus, es ergäben sich durchaus erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Sensibilisierung gegenüber Schimmelpilzen in Zusammenhang mit der Wohnung des Klägers stehe.

Nach Eingang einer Einwilligung des Klägers zur Datenerhebung (24.04.2015) holte die Beklagte Auskünfte der Barmer GEK (24.04.2015, 21.05.2015 und 08.06.2015) – wonach zwischen 2010 und 2014 Behandlungen des Klägers unter anderem wegen Asthma bronchiale und Dyspnoe erfolgten -, der Deutschen Rentenversicherung Rheinland (27.05.2015 und 12.06.2015) sowie der H (12.10.2015) – wonach der Kläger dort vom 02.04.2000 bis 30.06.2001 im damaligen Bereich H im Rahmen der Maßnahme Arbeit statt Sozialhilfe beschäftigt gewesen sei – ein. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzten die H (12.11.2015), leider könnten über die Beschäftigung des – zwischenzeitlich durch einen Rechtsanwalt vertretenen (Schreiben vom 05.10.2015) – Klägers keine weitergehenden Auskünfte mehr erteilt werden. Es sei nicht mehr nachvollziehbar, in welchem Einsatzbereich der Kläger eingesetzt worden sei.

Der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. S gelangte in einer beratungsärztlichen Stellungnahme (01.12.2015) zu der Beurteilung, der Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzexposition und Erkrankung lasse sich nach Studium der gesamten Akte, bestehend aus medizinischen Befunden, Arbeitsplatzbeschreibungen und einem umfangreichen Schriftverkehr zwischen verschiedenen Institutionen, eindeutig verneinen. Tatsächlich sei erwiesen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in den vier Jahren, in denen der Versicherte eine schimmelpilzbelastete Wohnung bewohnt habe, etwa zeitgleich eine Sensibilisierung der Atemwege durch Schimmelpilze erfolgt sei. Somit sei der ursächliche Zusammenhang zwischen den Wohnverhältnissen und der Erkrankung des Klägers ausreichend wahrscheinlich, nicht jedoch die Erkrankung infolge Einwirkungen am Arbeitsplatz.

Dr. C, Facharzt für Innere und Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, sah die Voraussetzungen zur Anerkennung der Bken 4301, 4302 oder 4201 nicht gegeben. Er meinte, nach der übersandten Akte sowie unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. M und der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S lasse sich das Vorliegen einer berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung nicht wahrscheinlich machen (22.12.2015).

Die Beklagte verneinte das Vorliegen von BKen nach den Nrn. 4301, 4302 und 4201 sowie Ansprüche auf Leistungen (Bescheid vom 19.01.2016). Der Kläger sei von 2000 bis 2001 im Garten- und Landschaftsbau beschäftigt gewesen. Eine spezifische Arbeit, die auf eine überdurchschnittlich hohe Exposition zu Schimmelpilzen hindeute, werde in den Tätigkeitsbeschreibungen nicht genannt. Tatsächlich sei erwiesen, dass zeitgleich zu der Beschäftigung über vier Jahre eine Sensibilisierung der Atemwege durch Schimmelpilze in der Wohnung des Klägers erfolgt sei. Somit sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Wohnverhältnissen und der Erkrankung ausreichend wahrscheinlich, nicht jedoch die Erkrankung in Folge von Einwirkungen am Arbeitsplatz. Deshalb liege keine BK vor.

Mit seinem Widerspruch trug der – anwaltlich vertretene – Kläger unter anderem vor, er habe in den Jahren 2000 bis 2001 im Garten- und Landschaftsbau auf Böden gearbeitet, bei denen eine Kontaminierung mit Industrieabfällen bestanden habe. Seiner Ansicht nach sei es zu einer Beeinträchtigung durch Industriegifte in Kombination mit den Einwirkungen von Schwermetallen und anderen Stoffen gekommen. Alternativ könne es sich auch um eine Einwirkung aufgrund bakterieller Toxine handeln. Das Ergebnis sei eine schwere Metallvergiftung. Aufgrund der Einwirkungen sei es zu verschiedenen Erkrankungen gekommen, „wie z.B. an Magen und Darm, Hauterkrankungen und eine Erkrankung des Nervensystems und der Muskeln, darüber hinaus an Knochen und Wirbelsäule, sowie Immunsystem und Rheuma“. Bei ihm lägen gesichert chronische Erkrankungen vor. Einige der Diagnosen hätten eine „auto-immune Genese“. Er stütze sich unter anderem auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 19.12.2014 und eine weitere Äußerung der Fachärztin für Allgemeinmedizin G (18.10.2016), wonach unter anderem bei ihm Angst vor Viren, Bakterien und Pilzen bestehe, die das Immunsystem schädigten (Schreiben vom 15.02.2016, 10.03.2016, 15.03.2016, 31.03.2016, 10.06.2016, 27.09.2016 und 12.10.2016).

In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme (02.05.2016) führte Dr. S aus, in der Widerspruchsbegründung werde nicht mehr für das Vorliegen einer Atemwegserkrankung argumentiert. Diese Argumentation gehe am Sachverhalt einer berufsbedingten Atemwegserkrankung völlig vorbei. Die nunmehr vorgetragenen Folgen einer angenommenen Schwermetallvergiftung oder einer Einwirkung anderer Industriegifte und bakterieller Toxine sei gebunden an den Expositionsnachweis im Zeitraum 2000 bis 2001. Hierzu liefere das Schreiben des Klägers vom 10.03.2016 keine konkreten Hinweise. Auch der Laborbefund vom 06.10.2005 liefere keine Hinweise für das Vorliegen einer Störung im Immunsystem des Klägers. Keine der im Schreiben der Rheuma-Ambulanz vom 26.09.2014 genannten Erkrankungen lasse sich mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf die vom Kläger in den Raum gestellten Einwirkungen durch Industriegifte und Schwermetalle zurückführen. Eine weitere BK könne deshalb nicht ausreichend wahrscheinlich gemacht werden.

Die Beklagte verstand das Vorbringen des Klägers dahingehend, dass dieser andere bei ihm bestehende Erkrankungen im ursächlichen Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit sehe, veranlasste die Anlage einer neuen BK „9900“ (Gesprächsnotiz vom 27.07.2016) und teilte dem Kläger mit, sie prüfe, ob aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in den Jahren 2000 bis 2001 weitere Erkrankungen entstanden seien, bei denen es sich um BKen handeln könne (Schreiben vom 12.08.2016).

Sie wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.01.2016 als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.10.2016). Nach ihren Feststellungen lasse sich ein Zusammenhang zwischen Arbeitsexposition und Erkrankung eindeutig verneinen. Unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung und der weiter vorgelegten Unterlagen lasse sich auch eine berufsbedingte Teilursache für die Atemwegserkrankung nicht wahrscheinlich machen. Bezüglich der neben der Atemwegserkrankung geklagten Beschwerden laufe ein weiteres Feststellungsverfahren.

Mit der am 31.10.2016 erhobenen Klage hat der Kläger gestützt auf vorgelegte – zum Teil aus anderen Klage- und Petitionsverfahren stammende – Unterlagen sein Vorbringen bekräftigt, er sei während der Beschäftigung in den Jahren 2000 und 2001 in Kontakt mit Industriegiften in Kombination mit Schwermetallen und anderen Stoffen aus dem Erdreich gekommen. Infolgedessen leide er unter vielerlei Beschwerden, ausgelöst durch eine Autoimmunerkrankung mit genetischen Veränderungen. Seine Haut, sein Nervensystem und sein Knochengerüst seien durch die Kontaminierung angegriffen und geschädigt worden. Die Kontaminierung des Gebietes, in dem er gearbeitet habe, sei der Stadt H bekannt gewesen. Zu seinen Tätigkeiten habe das Aufräumen von Wasserteichen, das Graben von Böden, das Schneiden von Bäumen und Pflanzen und die Reinigung von Abfällen inklusive Gärten, Parks, städtischen Friedhöfen und Industrieanlagen gehört. Durch das Gericht sei ein toxikologisches Gutachten einzuholen. Ein einzuholendes mikrobiologisches Gutachten solle sich mit der Frage auseinandersetzen, ob wegen der von ihm in den Jahren 2000/2001 ausgeübten Tätigkeiten eine „Autoimmunerkrankung mit genetischen Veränderungen (HLA) entstanden“ sei. Bei ihm lägen BKen nach den Nrn. 2108, 2109, 2110 und 5101 vor. Bis zu seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1997 sei er gesund gewesen. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Niederschrift vom 31.10.2016 sowie die Schriftsätze vom 05.11.2016, 30.01.2017, 02.02.2017, 09.02.2017, 14.02.2017, 09.03.2017, 11.03.2017, 11.08.2017, 19.08.2017 und 22.08.2017 samt Anlagen Bezug genommen.

Das SG hat dem Vorbringen des Klägers den Antrag entnommen,

den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2016 und den Widerspruchsbescheid vom 26.10.2016 aufzuheben, und zu seinen Gunsten das Vorliegen von Berufskrankheiten gemäß den Ziffern 4301, 4302 und 4201 anzuerkennen und ihm wegen dieser Berufskrankheiten Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten und darauf hingewiesen, der Kläger sei nur in der Zeit vom 02.04.2000 bis 30.06.2001 in ihrem Zuständigkeitsbereich beschäftigt gewesen.

Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen ergibt sich unter anderem folgendes:

Der Arzt für Innere Medizin und Öffentliches Gesundheitswesen N hat – bei der Angabe, der Kläger sei wohnhaft in H, N 31- auf eine bestehende Allergie gegen Hausstaubmilben (24.06.2003) sowie die am 09.09.2003 in der Praxis Dr. F erhobene Diagnose eines Asthma bronchiale hingewiesen (17.11.2003). In einem weiteren Schreiben (15.11.2005) hat er mitgeteilt, der Kläger leide an einem chronischen Asthma und einigen Allergien, er habe Beschwerden durch Abgase und eine Kohleheizung, weshalb aus ärztlicher Sicht seine Wohnung nicht mit einer Kohleheizung beheizt werden sollte.

In einem Gutachten (18.10.2006) hat der Facharzt für Arbeitsmedizin, Betriebsmedizin, Allgemeinmedizin und Sportmedizin Dr. M psychische Beschwerden und wiederkehrende Ängste des Klägers als „wohl auf eine Traumatisierung aufgrund der politischen Verfolgung im Irak zurückzuführen“ angesehen und gemeint, unter anderem liege eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Bewegungsapparates bei Asthma bronchiale mit allergischer Komponente vor.

Dr. M, Institut für Innenraumdiagnostik, hat in einem an den Kläger gerichteten Schreiben (30.08.2013) unter anderem mitgeteilt, Schimmelpilzschäden könnten Entzündungen im Atemwegsbereich hervorrufen und das Befinden von Asthmakranken verschlechtern.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. X hat in einer sozialmedizinischen Stellungnahme für den MDK Nordrhein (19.12.2014) unter Berücksichtigung ihm vorliegender zahlreicher Unterlagen ausgeführt, der Kläger sei auf vertragsärztliche Diagnostik und Therapie zu verweisen, eine Kostenzusage hinsichtlich zusätzlicher Tests für eine genetische und mikrobiologische Untersuchung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht zu leisten.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin G hat auf eine umfangreiche Diagnostik und umfangreiche Laboruntersuchungen (Schreiben vom 14.02.2007) sowie in einem an den Kläger gerichteten Schreiben (16.09.2015) auf einen in 2008 ausgesprochenen „Konsultationsausschluss für meine Einrichtung“, mehrere Auseinandersetzungen des Klägers mit der Barmer GEK in den Jahren 2004 bis 2008 und Angaben des Klägers hingewiesen, die keine medizinisch sinnvolle Zielrichtung erkennen ließen. Sie verbitte sich weitere und zukünftige Anfragen und diesbezüglich Kontaktierungen.

Laut weiteren Entlassungsbriefen über Vorstellungen in der Rheumatologischen Ambulanz des Krankenhauses Q am Rhein gGmbH (06.04.2016 und 13.05.2016) bestand neben insbesondere einer HLA B 27 positiven Psoriasisarthritis und einer sekundären Fibromyalgie unter anderem ein allergisches Asthma bronchiale. Erwähnt wird ein vesikuläres Atemgeräusch ohne pathologische Nebengeräusche.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin X hat berichtet (11.01.2017), nach Angaben des Klägers hätten seine Symptome nach einer Durchfallerkrankung ca. 2003 begonnen. Die Symptome seien chronisch geworden und hätten nach seinen Angaben zu schweren Einschränkungen geführt. Er zeige eine deutliche psychische Belastung und verweigere eine entsprechende Behandlung, da er auf seine Erklärungen für die Ursache seiner Erkrankung und Symptome „wie Schwermetallvergiftungen und undiagnostizierte chronische Infektionen“ fixiert sei.

Das SG hat die Klage – nach Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten, keinen Bedarf für eine weitere Sachaufklärung und Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 25.08.2017, zugestellt am 31.08.2017). Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Gegenstand des Verfahrens seien ausschließlich die BKen 4301, 4302 und 4201. Hinsichtlich dieser BKen fehle es schon am Nachweis der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen. Es sei nicht zweifelsfrei festgestellt, dass der Kläger in seiner nur sehr kurzen Tätigkeit für die Firma H überhaupt, geschweige denn in einem medizinisch relevanten Umfang, gegenüber allergisierenden Stoffen im Sinne dieser BKen exponiert gewesen sei. Der Kläger behaupte eine Schadstoffbelastung letztendlich „ins Blaue hinein“, ohne dies objektivieren oder auch nur substantiieren zu können. Dies sei keine geeignete Grundlage dafür, weitere arbeitstechnische Ermittlungen zu veranlassen. Dr. S habe nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass ein Laborbefund vom 06.10.2005 vorliege, der keine Störung des Immunsystems erkennen lasse. Dies spreche zusätzlich gegen eine durch nichts belegte berufliche Schadstoffbelastung. Eine Alveolitis, die alleine Gegenstand der BK 4201 sei, sei bei ihm zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden. Ferner sei ein Zusammenhang zwischen den Atemwegsbeschwerden des Klägers und einer möglichen beruflichen Schadstoffexposition völlig unwahrscheinlich. Aufgrund der fachärztlichen Einschätzungen der Arbeitsmediziner Dr. Q und Dr. M bestehe kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Schimmelexposition geeignet gewesen sei, dessen Lunge zu schädigen. Damit lasse sich eine plausible Alternativursache feststellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides Bezug genommen.

Mit der am 01.09.2017 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen und meint, die Beklagte habe womöglich etwas vor ihm zu verbergen. Ihm sei in den Jahren 2005 und 2006 das Medikament „Leukonom“ zu der Behandlung einer Immunerkrankung bewilligt worden. Diese sei auf Gefährdungen durch hochbelasteten Boden und Luft durch Quecksilber, Arsen, Schwermetalle, Viren und Bakterien im Grundwasser zurückzuführen. Solchen Schadstoffbelastungen sei er unter den Anschriften C 35 und N 31 ausgesetzt gewesen. Seiner Auffassung nach seien ein medizinisches Sachverständigengutachten sowie eine wissenschaftliche Expertise zur Bodenbeschaffenheit erforderlich. Vorhandene Altlasten ergäben sich aus dem von ihm vorgelegten Bericht zur Altlastensanierung des ehemaligen Thyssen-Gussstahlgeländes in H. Es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) und Art. 14 GG vor. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze vom 02.09.2017, 07.09.2017, 12.09.2017, 22.09.2017, 23.09.2017, 12.10.2017, 25.10.2017, 26.10.2017, 14.11.2017, 23.11.2017, 07.12.2017 und 09.12.2017 samt Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 25.08.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2016 zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen von Berufskrankheiten nach den Nr. 4301, 4302 und 4201 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm wegen deren Folgen Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und sieht in der Berufungsbegründung keine neuen Gesichtspunkte, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Sie meint weiterhin, die Beschwerden des Klägers seien auf einen erheblich Schimmelpilzbefall einer Wohnung zurückzuführen, was in einem ausführlichen Gutachten vom 26.09.2002 dargelegt worden sei. Eine spezifische Arbeit, die auf eine überdurchschnittlich hohe Exposition zu Schimmelpilzen hindeute, sei in den vorliegenden Tätigkeitsbeschreibungen nicht genannt worden.

In einem vom Kläger vorgelegten Schreiben (29.08.2017) hat die Stadt H der Beklagten mitgeteilt, Einsatzorte im Zeitraum von April 2000 bis Juni 2001 seien nach Angaben des Klägers die N und die C in H gewesen. Dieser Einsatzort entspreche dem ehemaligen Thyssen-Gussstahlgelände in H, dass 1985 stillgelegt, anschließend hinsichtlich vorhandener Altlasten im Boden und Grundwasser untersucht und unter gutachterlicher Aufsicht von September 1989 bis Juni 1990 saniert worden sei. In der Folge sei dort das Dienstleistungszentrum „Wissenschaftspark H“ nebst umliegenden Grünflächen errichtet worden. Nach dem Endbericht zur Altlastensanierung gehe durch die bei der Baureifmachung und Altlastensanierung erfolgten Maßnahmen von dem bearbeiteten Gelände keine Gefährdung mehr für Mensch und Umwelt aus. Für die vom Kläger angegebenen Adresse C 35 lägen keine Erkenntnisse zu möglichen Altlasten vor. Die N 31 sei kleingewerblich genutzt worden. Die Art der Nutzung (Fuhrunternehmen, Schankwirtschaft) lasse nicht darauf schließen, dass eine erhöhte Gefährdungslage hinsichtlich des Vorliegens einer Altlast bestehe.

Laut dem vom Kläger auszugsweise vorgelegten Endbericht zur Altlastensanierung des ehemaligen Thyssen-Gussstahlgeländes in H (14.11.1990) wurden aus allen festgestellten kontaminierten Bereichen bei den Altlastensanierungsarbeiten sämtliche schadstoffbelasteten Böden entfernt und ordnungsgemäß entsorgt. Abschließend erfolgte eine Abdeckung mit einer 1 m mächtigen Lehmschicht. Durch die Maßnahmen ging demnach von dem bearbeiteten Gelände keine Gefährdung mehr für Mensch und Umwelt aus. Das Gelände sei derartig saniert, dass für eine Bebauung keine Beeinträchtigung durch Altlasten zu erwarten sei.

In einem weiteren Entlassungsbrief der Rheumatologischen Ambulanz (11.10.2017) weist Dr. X wiederum als Diagnose unter anderem auf ein allergisches Asthma bronchiale sowie auf die subjektive Angabe des Klägers hin, „vergiftet zu sein (Quecksilber, Arsen)“.

Das Gericht hat die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das Berufungsverfahren unter Hinweis auf eine fehlende hinreichende Erfolgsaussicht abgelehnt (Beschlüsse vom 06.11.2017 und 04.12.2017, zugestellt am 08.11.2017 und 06.12.2017). Gegen die erstgenannte Entscheidung ist beim Bundessozialgericht (BSG) eine Beschwerdeschrift des Klägers eingegangen.

Anlässlich eines Telefonats ist dem Kläger eine Terminierung der Streitsache für den 15.12.2017 angekündigt worden (Vermerk vom 08.11.2017).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akten der Beklagten und der vorgelegten Unterlagen Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte die Sache verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger nicht zum Termin erschienen ist (§§ 124 Abs. 1, 153 Abs. 1 SGG). Dieser ist ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 22.11.2017 ordnungsgemäß über den Verhandlungstermin und die Möglichkeit einer Entscheidung auch bei seinem Nichterscheinen benachrichtigt worden. Seine Kenntnis von dem Verhandlungstermin ergibt sich auch aus dem Vermerk vom 24.11.2017 über ein mit ihm geführtes Telefonat.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Bei dem Kläger besteht weder eine BK 4302 noch eine BK 4301 oder eine BK 4201 und deshalb auch kein darauf gegründeter Anspruch auf Verletztenrente.

Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von BKen ist § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII), das hier gemäß § 212 SGB VII Anwendung findet, weil der Eintritt einer BK für die Zeit nach seinem Inkrafttreten am 1.1.1997 geltend gemacht wird. Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.

Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die gegebenenfalls bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung“, „Einwirkungen“ und „Krankheit“ müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit.

Diese Voraussetzungen entsprechen denen eines Unfalls nach § 8 Abs. 1 SGB VII: bei diesem Versicherungsfall, der nur während eines begrenzten Zeitraums eintreten kann, muss der versicherten Tätigkeit die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses zuzurechnen sein (sachlicher Zusammenhang) und diese Verrichtung muss zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt haben (Unfallkausalität); das Unfallereignis muss einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Ausgehend von der versicherten Tätigkeit entsprechen die Einwirkungen bei der Listen-BK dem Unfallereignis beim Arbeitsunfall und die berufsbedingte Erkrankung dem Gesundheit(-erst-)schaden. Dabei ist zu betonen, dass auch im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine „Haftung“. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheit(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles (vergleiche Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 9/08 R – mit weiteren Nachweisen).

Die vorliegend umstrittene BKen hat der Verordnungsgeber in der Anlage zur BKV wie folgt bezeichnet:

„Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“ (BK 4301).

„Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“ (BK 4302).

„Exogen-allergische Alveolitis“ (BK 4201).

Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung mit der Bedingungstheorie als erstem und der wertenden Zurechnung als zweitem Prüfungsschritt. Kriterien für die Wesentlichkeit der nach der Bedingungstheorie als Ursache festgestellten versicherten Einwirkungen sind, wenn andere festgestellte konkurrierende Ursachen in Betracht kommen, Art und Ausmaß der Einwirkungen, die konkurrierenden Ursachen, dass Krankheitsbild sowie die gesamte Krankengeschichte, so dass letztlich in der Regel eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist. Entscheidungsbasis für die Kausalitätsbeurteilung muss der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand sein. Erforderlich ist aber jeweils eine einzelfallbezogene positive Feststellung sowohl der Verursachung nach der Bedingungstheorie als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankheitsgeschehen, die mehrere Ursachen haben können, gerade nicht. Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vergleiche BSG, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 9/08 R – mit weiteren Nachweisen). Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, das ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – juris Rn. 20 mwN; Beschl. v. 08.08.2001 – B 9 V 23/01 R – juris Rn. 4 mit weiteren Nachweisen). Die bloße Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs reicht nicht aus (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 04.07.2013 – B 2 U 11/12 R – juris Rn. 12; Urteil vom 27.06.2006 – B 2 U 20/04 R – juris Rn. 15; Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – juris Rn. 20).

Zwar hat der Kläger jedenfalls von Juli 2000 bis Ende Juni 2001 als gewerblicher Mitarbeiter bei H eine versicherte Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten verrichtet. Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung von BKen nach den Nummern 4301, 4302 und 4201 scheitert jedoch bereits am fehlenden Nachweis von geeigneten Einwirkungen während dieses Zeitraums. So berichtete bereits Professor Dr. C (16.09.2005), ein Anhalt für eine Schwermetallbelastung, insbesondere Blei, sei ausgeschlossen worden, obwohl der Kläger weiter überzeugt sei, dass eine bakterielle oder biologische Ursache oder eine Schwermetallbelastung seinen Beschwerden zugrundeliege. Nach Auskunft der H (12.11.2015) war dort nicht mehr nachvollziehbar, in welchem Einsatzbereich der Kläger eingesetzt war. Weitergehende Auskünfte konnten demnach nicht mehr erteilt werden. Der eigene Sachvortrag des Klägers zu entsprechenden Belastungen während der versicherten Tätigkeit erschöpft sich lediglich in allgemeinen Behauptungen ohne jeden konkreten Bezug zu Art, Ort, Zeit und Dauer von geeigneten Einwirkungen. Konkretere Angaben zu Einwirkungen in Form von (früheren) Bodenbelastungen, Schimmel und dessen Folgen ergeben sich aus seinem Sachvortrag vielmehr allein für die von ihm mehrfach genannten Anschriften C 35 und N 31 in H, zu denen sich auch das Schreiben der Stadt H vom 29.08.2017 verhält. In diesem wird allerdings das Vorliegen von Bodenbelastungen nach der 1990 abgeschlossenen Sanierung verneint. Dabei handelt es sich allerdings um frühere Privatanschriften des Klägers, wie sich aus den in der Akte der Beklagten befindlichen Unterlagen (Lohnsteuerkarte 2000, Aufenthaltsbescheinigung vom 19.09.2002, vorgeheftete, undatierte Schreiben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und des Arbeitsamtes Gelsenkirchen, Schreiben des Arztes für Innere Medizin N vom 24.06.2003) ergibt. Ein Bezug zu versicherter Tätigkeit lässt sich insoweit in keiner Weise begründen. Dementsprechend erwähnt der Facharzt für Anästhesie/Allgemeinmedizin Dr. G in dem vom Kläger vorgelegten Arztbrief vom 15.10.2017 lediglich „die These“ des Klägers, seine Schmerzen stammten von einer toxischen Schwermetallbelastung „aus der Umwelt“ her.

Darüber hinaus fehlt es jedenfalls hinsichtlich der BK 4201 am Nachweis der medizinischen Voraussetzungen. Zwar liegt in den Akten eine Vielzahl von Arztberichten mit vielfältigen Diagnosen vor. Keiner dieser Berichte enthält allerdings die Diagnose einer (exogen-allergischen) Alveolitis, wie sie die BK 4201 erfordert. Damit in Einklang steht, dass der Kläger mit seinem Widerspruch zwar auf eine Vielzahl bestehender Erkrankungen hingewiesen hat, nicht allerdings auf Atemwegserkrankungen im Sinne der hier streitigen Berufskrankheiten, worauf Dr. S in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 02.05.2016 zutreffend hinweist. Entsprechendes gilt für das Vorbringen des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren.

Im Übrigen besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen (unterstellten) Einwirkungen und (unterstellten) Erkrankungen des Klägers im Sinne der hier streitigen BKen. Er selbst hat vielmehr zeitnah in diversen Verfahren vehement die Auffassung vertreten, seine Erkrankungen seien auf eine Schimmelpilzexposition in den von ihm – auch im Zeitraum der versicherten Tätigkeit in den Jahren 2000/2001 – privat bewohnten Räumlichkeiten zurückzuführen. Dies bekräftigt er selbst noch im Berufungsverfahren, wie sich aus den von ihm mit Schriftsatz vom 23.11.2017 vorgelegten Unterlagen (Schreiben der Rechtsanwälte L & L vom 05.05.2014, Niederschrift des SG Köln mit Erklärung des Klägers vom 04.12.2014) ergibt. Insbesondere wird in dem Schreiben der Stadt Gelsenkirchen vom 09.10.2006 hinsichtlich einer Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers ausdrücklich auf sein Vorbringen hingewiesen, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen sollten nach seinen „Angaben ausschließlich durch das Bewohnen der Wohnungen C. 35 und N 31 entstanden sein“. Bestätigt wird diese Beurteilung zudem in den – urkundsbeweislich verwertbaren – Stellungnahmen und Berichten von Dr. med. Dipl.-Chem. Q, Dr. med. Dipl.-Chem. M Dr. S und Dr. C sowie der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin G, die jeweils auf eine wesentliche Bedeutung der – von Dr. M gutachterlich festgestellten – wohnungsbedingten Schimmelpilzexposition für beim Kläger bestehende Erkrankungen hingewiesen haben. Demgegenüber beruht die Auffassung des Internisten/Nephrologen T, „eine ursächliche Abklärung“ des Zusammenhangs zwischen den „neu aufgetretenen Erkrankungen und der Umweltbelastung“ durch die Berufsgenossenschaft sei dringend erforderlich (Arztbrief vom 16.11.2017), lediglich auf subjektiven Angaben des Klägers. Zudem nennt dieser Arzt keine konkrete Diagnose, die von den hier streitigen BKen erfasst ist.

Im Übrigen folgt der Senat der Begründung der angefochtenen Bescheide ebenso wie der des angefochtenen Gerichtsbescheides und sieht gemäß §§ 136 Abs. 3, 153 Abs. 1 SGG bzw. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines Gutachtens auf medizinischem, toxikologischem und mikrobiologischem Fachgebiet oder einer vom Kläger gewünschten wissenschaftlichen Expertise zur etwaigen Belastung an den insoweit allein genannten Standorten in der C 35 und N 31 in H hat der Senat unter Berücksichtigung der oben dargelegten Sach- und Rechtslage insgesamt nicht als erforderlich angesehen.Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG.

 

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