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Covid-19-Infektion – Voraussetzungen der Anerkennung als Arbeitsunfall

Infektion am Arbeitsplatz: Nicht ausreichend nachgewiesen

Das Sozialgericht Karlsruhe wies die Klage eines Montierers ab, der seine Covid-19-Infektion als Arbeitsunfall anerkennen lassen wollte. Das Gericht stellte fest, dass nicht hinreichend bewiesen werden konnte, dass die Infektion des Klägers im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit erfolgte. Zentrale Punkte wie die Identifikation einer Indexperson und der exakte Infektionszeitpunkt blieben unklar, wodurch der Kläger die objektive Beweislast nicht erfüllen konnte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: S 11 U 2168/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage abgewiesen: Das Gericht lehnt die Anerkennung der Covid-19-Infektion des Klägers als Arbeitsunfall ab.
  2. Fehlende Beweise: Eindeutige Beweise für die Ansteckung am Arbeitsplatz fehlen.
  3. Unklare Indexperson: Es konnte keine spezifische Indexperson, die den Kläger infiziert haben könnte, identifiziert werden.
  4. Inkubationszeit: Die Inkubationszeit und der Zeitpunkt der Infektion des Klägers bleiben unbestimmt.
  5. Hygienemaßnahmen: Der Arbeitgeber hielt sich an die Hygienemaßnahmen, was gegen eine Ansteckung am Arbeitsplatz spricht.
  6. Private Infektionsrisiken: Das Gericht zieht auch eine mögliche Ansteckung im privaten Umfeld des Klägers in Betracht.
  7. Beweislast beim Kläger: Der Kläger konnte die notwendige Beweislast für einen Arbeitsunfall nicht erbringen.
  8. Rechtliche Grundlagen: Das Urteil basiert auf den Bestimmungen des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) bezüglich Arbeitsunfällen.

Covid-19 und Arbeitsrecht: Eine rechtliche Auseinandersetzung

Covid 19 Infektion - Arbeitsunfall?
(Symbolfoto: Quality Stock Arts /Shutterstock.com)

In einer Zeit, in der die Covid-19-Pandemie das Arbeitsleben tiefgreifend beeinflusst hat, stellt sich häufig die Frage nach der rechtlichen Einordnung von Covid-19-Infektionen im Arbeitskontext. Ein besonders interessanter Aspekt hierbei ist die Anerkennung einer solchen Infektion als Arbeitsunfall. Dieses Thema berührt grundlegende Fragen des Arbeitsrechts und des Sozialrechts, insbesondere im Hinblick auf den Versicherungsschutz und die damit verbundenen Ansprüche der Arbeitnehmer.

Zentral ist hierbei die Frage, unter welchen Umständen eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 am Arbeitsplatz erfolgt und als solche rechtlich anerkannt wird. Die Beurteilung solcher Fälle erfordert eine genaue Prüfung der Umstände, einschließlich der Arbeitsbedingungen, der Einhaltung von Hygienemaßnahmen und der Nachverfolgung möglicher Infektionsketten. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie das Gericht in einem konkreten Fall entschieden hat, in dem ein Kläger seine Covid-19-Infektion als Arbeitsunfall anerkannt wissen wollte, und welche juristischen Überlegungen dabei eine Rolle spielten.

Covid-19-Infektion am Arbeitsplatz: Ein juristisches Tauziehen

Bei einem wegweisenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Karlsruhe ging es um die Frage, ob eine Covid-19-Infektion als Arbeitsunfall anerkannt werden kann. Im Kern des Falles stand ein Montierer der M. AG, der behauptete, sich während seiner Arbeitszeit mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert zu haben. Der Kläger, dessen Name nicht genannt wurde, hatte von März bis Oktober 2021 Krankengeld bezogen und führte seine Erkrankung auf einen Arbeitsunfall zurück. Die entscheidende Frage war, ob die Ansteckung während der Arbeitszeit und unter Arbeitsbedingungen stattfand, die eine Anerkennung als Arbeitsunfall rechtfertigen würden.

Der Weg zur Klage: Vom Verdacht bis zum Gericht

Die AOK, die Krankenkasse des Klägers, teilte der Unfallversicherung mit, dass sie von einem Arbeitsunfall ausgehe. Der Kläger hatte angegeben, am 13. Oktober 2020 Kontakt zu einer infizierten Person am Arbeitsplatz gehabt zu haben. Er wurde später, am 8. März 2021, positiv auf das Virus getestet. Der Arbeitgeber des Klägers bestätigte einen Corona-Ausbruch in der Abteilung, konnte jedoch nicht bestätigen, dass sich der Kläger dort angesteckt hatte. Daraufhin lehnte die Unfallversicherung die Anerkennung der Infektion als Arbeitsunfall ab, da die Beweislage unklar und die Möglichkeit einer Ansteckung außerhalb des Arbeitsplatzes nicht ausgeschlossen werden konnte.

Juristische Herausforderungen und Beweisführung

Die Klage des Arbeitnehmers zielte darauf ab, die Covid-19-Infektion als Arbeitsunfall anerkannt zu bekommen. Er argumentierte, er habe sich aufgrund der hohen Anzahl an Infektionen im Betrieb und des Kontakts zu Kollegen während der Arbeit angesteckt. Die Beklagte hielt dagegen, dass zum Zeitpunkt der Infektion die Hygienemaßnahmen eingehalten wurden und der Kläger keinen nachweisbaren engen Kontakt zu infizierten Personen hatte. Das Gericht musste daher klären, ob ein direkter Zusammenhang zwischen der Arbeitstätigkeit und der Infektion bestand, was eine wesentliche Herausforderung darstellte. Insbesondere musste bewiesen werden, ob der Kläger Kontakt zu einer nachweislich infektiösen Person, einer sogenannten Index-Person, im unmittelbaren Arbeitsumfeld hatte.

Gerichtsurteil: Keine Anerkennung als Arbeitsunfall

Letztendlich wurde die Klage abgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt der ersten Symptome grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Allerdings konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass die Infektion am Arbeitsplatz erfolgte. Es fehlte an einer nachgewiesenen Index-Person und der Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität lag beim Kläger. Das Gericht fand keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Ansteckung während der versicherten Tätigkeit stattfand. Die objektive Beweislosigkeit ging somit zu Lasten des Klägers.

Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe unterstreicht die Komplexität und die Herausforderungen bei der Anerkennung einer Covid-19-Infektion als Arbeitsunfall. Es zeigt auf, dass für eine solche Anerkennung klare Beweise erforderlich sind, die den direkten Zusammenhang zwischen der Infektion und der beruflichen Tätigkeit belegen. In diesem speziellen Fall konnte ein solcher Nachweis nicht erbracht werden, was zur Abweisung der Klage führte.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was sind die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Infektion mit Covid-19 als Arbeitsunfall?

Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 kann in Deutschland unter bestimmten Bedingungen als Arbeitsunfall anerkannt werden. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) legt fest, dass eine Infektion im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit erfolgen muss, um als Arbeitsunfall gewertet zu werden. Eine Infektion ohne Krankheitssymptome kann nicht als Arbeitsunfall gewertet werden.

Die Anerkennung als Arbeitsunfall ist auch möglich, wenn der Kontakt mit einer infizierten Person auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg stattgefunden hat. Dies könnte beispielsweise bei einer vom Unternehmen organisierten Gruppenbeförderung oder Fahrgemeinschaften der Fall sein.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Erkrankung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit ausgelöst worden sein muss. Es reicht nicht aus, dass ein intensiver Kontakt mit einer infizierten Person am Arbeitsplatz stattgefunden hat. Es muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt vergleichbare außerberufliche Gefährdungen zu einer Infektion geführt haben könnten.

Die Prüfung und Bewertung, ob die Voraussetzungen zur Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Arbeitsunfall vorliegen, obliegt dem zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung.

Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitsunfälle dem jeweils zuständigen Versicherungsträger zu melden. Bei besonders schweren oder gar tödlichen Arbeits- oder Wegeunfällen müssen sie dies sofort tun. Andernfalls muss die Meldung spätestens erfolgen, wenn der verletzte oder erkrankte Mitarbeiter nach mindestens drei Tagen noch nicht wieder arbeitsfähig ist.

Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass bestimmte Berufsgruppen, die in direktem, längerem oder sehr nahem Kontakt zu Menschen stehen, die an COVID-19 erkrankt oder mit SARS-CoV-2 infiziert worden sind, einem höheren Risiko ausgesetzt sind, sich zu infizieren.


Das vorliegende Urteil

SG Karlsruhe – Az.: S 11 U 2168/22 – Urteil vom 13.06.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 (nachfolgend: Covid-19-Virus) als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Der … geborene Kläger ist als Montierer in der Maschinenbau- und Betriebstechnik der M. AG beschäftigt. Am 13.10.2021 teilte die für den Kläger zuständige Krankenkasse AOK B. der Beklagten mit, sie gehe davon aus, dass der Kläger wegen den Folgen eines Arbeitsunfalles erkrankt sei; der Unfalltag sei der 13.10.2020 gewesen, der Kläger sei an diesem Tag an Covid-19 erkrankt. Die Infektion sei während der Arbeit erfolgt. Vom 8.3.2021 bis 4.10.2021 habe der Kläger Krankengeld bezogen. Die Annahme beruhte auf den Angaben des Klägers, der gegenüber der AOK in einem Fragebogen am 7.10.2021 erklärte, er habe auf der Arbeit Kontakt zu einer Indexperson gehabt; innerhalb des Betriebes habe es nachweislich eine größere Anzahl von an Covid-19 erkrankten Personen gegeben.

Auf Nachfrage der Beklagten gab der Kläger sodann weiter an, er sei am 8.3.2021 durch seinen Hausarzt Dr. S. positiv auf das Corona-Virus getestet worden. Krankheitssymptome seien erstmals jedoch bereits am 5.3.2021 aufgetreten. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die M. AG mit, in der Abteilung, in welcher der Kläger gearbeitet habe, sei ein Corona-Ausbruch bekannt. Hiervon seien zwei Mitarbeiter betroffen. Ob sich der Kläger in der Firma infiziert habe, sei nicht sicher, es sei an den Zeugen O. als Indexperson zu denken. In der Unfallanzeige vom 22.2.2022 führte die M. AG weiter aus, der Kläger habe einen positiven Schnelltest bereits am 6.3.2021 gemacht, der PCR-Test sei dann am 8.3.2021 positiv ausgefallen. Näher sei das Unfalldatum nicht definierbar. Der Kläger hab in den Tagen zuvor mehrfach kurze „Smalltalks“ mit ihm bekannten Kollegen aus der Nachbarabteilung „QM“ gehalten.

Auf Nachfrage der Beklagten übersandte der Zeuge O. sein positives PCR-Testergebnis vom 8.3.2021.

Mit Bescheid vom 17.3.2022 lehnte es die Beklagte ab, die Covid-19 Infektion des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Kosten für die medizinische Behandlung würden nicht mehr übernommen. Es bestehe auch kein Anspruch auf Verletztengeld. Zum Zeitpunkt der Infektion sei der Kläger im M. R. im Fuhrpark mit Fahrradreparaturen beschäftigt gewesen. Entsprechend den Angaben des Arbeitgebers seien Hygienemaßnahmen und die Abstandsregeln grundsätzlich eingehalten worden, die Werkstatt sei auch gut belüftet gewesen. Ein enger Kontakt zu den Arbeitskollegen sei aufgrund der Tätigkeit nicht notwendig gewesen, er habe sich jedoch mit diesen im selben Raum aufgehalten. Bei dem Corona-Virus handele es sich inzwischen um eine Allgemeingefahr/ Pandemie, die nur über die gesetzliche Unfallversicherung versichert sei, wenn eindeutig nachgewiesen werde, dass die Infektion im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten sei. Die bloße Möglichkeit, bzw. der Verdacht für eine Ansteckung während der Arbeit, sei für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht ausreichend. Entsprechend den Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts (RKI), betrage die Inkubationszeit, d.h. die Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung beim Corona-Virus, durchschnittlich fünf bis sechs Tage. Nachdem der Kläger mit PCR-Test vom 8.3.2021 zeitgleich mit dem als Indexperson in Frage kommenden Kollegen – dem Zeugen O. – positiv auf das Corona-Virus getestet worden sei, sei von einem zeitgleichen Beginn der Erkrankung auszugehen. Unter Berücksichtigung einer Inkubationszeit von fünf bis sechs Tagen sei deshalb eine Infektion durch diesen Kollegen nicht wahrscheinlich. Zudem habe nach den Angaben des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der Infektion kein enger beruflicher Kontakt mit Unterschreitung des Mindestabstandes von 1,5 m über mindestens 10 Minuten vorgelegen. Auch habe zum Zeitpunkt der Infektion aufgrund der hohen 7-Tage-Inzidenz ein deutlich erhöhtes Risiko bestanden, sich außerhalb der Arbeitsstätte mit dem Corona-Virus zu infizieren. Eine spontane Infektion im privaten Umfeld sei unter Berücksichtigung der Ermittlungen daher sehr viel wahrscheinlicher, als eine Infektion am Arbeitsplatz.

Hiergegen erhob der Kläger am 10.4.2022 Widerspruch. Es handle sich auf jeden Fall um einen Arbeitsunfall, da er sich nur in der Firma angesteckt haben könne. Er habe privat keine Kontakte zu anderen Personen gehabt, die nicht zu seinem Haushalt gehörten, er sei auch nicht einkaufen gewesen, Besorgungen habe seine Ehefrau erledigt. Wegen seiner alten und kranken Mutter sei er besonders vorsichtig gewesen und habe alle Treffen abgesagt. In seinem privaten Umfeld habe es zum damaligen Zeitpunkt keine Corona-Erkrankungen gegeben, im Werk R. hingegen sehr viele. So lasse sich zum Beispiel aus einem Artikel der „Badischen Neuesten Nachrichten“ vom 16.03.2021 entnehmen, dass das Landratsamt R. binnen eines Monats 40 Fälle im D.-Werk R. registriert habe. Kontakt habe er lediglich zu seinen Kollegen während der Arbeitszeit gehabt. Da er noch in der Einarbeitungsphase gewesen sei, habe sich ein engerer Kontakt gar nicht vermeiden lassen. Des weiteren seien viele Mitarbeiter in die Werkstatt gekommen, um zum Bespiel ihre Fahrräder reparieren zu lassen. Eine tägliche Arbeitsaufgabe habe auch in der Überführung von Fahrzeugen bestanden, wobei er mit mehreren Personen zusammen in einem Pkw (B-Klasse) gefahren sei. Allein dabei sei schon die Einhaltung des Abstands von 1,5 Metern nicht möglich gewesen.

Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26.7.2022 zurück. Der besagte Corona-Hotspot habe sich in Halle 30/3 befunden, der Kläger habe jedoch in Halle 4.1 gearbeitet. Nach dem Präventionsdienst habe kein nachweislicher Kontakt des Klägers mit den Infizierten aus der Halle 30/3 bestanden. Aufgrund der Größe des Firmengeländes begründe ein Ausbruchsgeschehen in einer Halle jedenfalls keine Pauschalvermutung für das gesamte Firmengelände. Für die Fahrten mit dem Kleinbus bestünden dagegen keinerlei Angaben, ob sich nachweislich Infizierte unter den Mitfahrern befunden hätte, die reine Möglichkeit sei jedenfalls nicht ausreichend. Gemessen an der nur geringen Anzahl an Infizierten im Verhältnis zu der Anzahl der Beschäftigten sei der Kontakt mit einem Infizierten auch nicht zu unterstellen. Zu der möglichen Indexperson habe kein enger Kontakt unter 1,5 Metern, im Nahfeld länger als 10 Minuten, ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen bestanden. Im Übrigen habe der regelmäßige Kontakt mit anderen Mitarbeitern beim Ein- und Ausgang regelmäßig nicht länger als 10 Minuten bestanden, der Gang zur Toilette oder Kantine sei dagegen privatwirtschaftlich und daher für die Annahme eines Arbeitsunfalls ohne Belang.

Hiergegen hat der Kläger am 26.8.2022 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Wie bereits im Widerspruchsbescheid der Beklagten erwähnt, sei es beim Arbeitgeber des Klägers zu einem größeren Infektionsgeschehen mit mehreren Infizierten mit dem Corona-Virus gekommen. Wie im Widerspruchsbescheid ebenfalls ausgeführt, sei die Mehrzahl der Infektionen in der Halle 30/3 des Arbeitgebers aufgetreten. Soweit im Widerspruchsbescheid allerdings ausgeführt werde, der Kläger sei hauptsächlich in Halle 4.1 eingesetzt gewesen, weshalb es zu keinem intensiveren oder länger andauernden Kontakt mit Indexpersonen aus Halle 30/3 gekommen sei, so sei dies falsch. Richtig sei, dass der Kläger seit neun Jahren nicht mehr in der Halle 4.1. tätig sei. In den letzten beiden Jahren sei der Kläger in der Halle 30/3 eingesetzt gewesen. Der Kläger sei somit zum fraglichen Zeitpunkt der Ansteckung in Halle 30/3 tätig gewesen, in der es nachweislich eine größere Anzahl infizierter Mitarbeiter gegeben habe. Aus diesem Einsatz in Halle 30/3 resultiere auch gerade die angesprochene Einarbeitungsphase mit einem noch engeren Kontakt zu den Mitarbeitern der Halle 30/3. Der Kläger habe während der Einarbeitungsphase und den Überführungsfahrten darüber hinaus engen Kontakt zu dem Zeugen O. gehabt. Herr O. habe sich nachweislich mit Corona infiziert, der positive Test von Herrn O. sei zum gleichen Zeitpunkt wie der des Klägers erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass Herr O. bereits zuvor, bei Kontakt mit dem Kläger, infiziert gewesen sei und sich der Kläger bei Herrn O. angesteckt habe. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang, dass das RKI enge Kontaktpersonen mit erhöhtem Infektionsrisiko dahingehend definiere, dass eine solche vorliege, wenn der Aufenthalt von Kontaktperson und Fallperson im selben Raum mit wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöser Aerosole unabhängig vom Abstand für länger als 10 Minuten erfolge, auch wenn durchgehend korrekt Mund-Nasen-Schutz oder FFP2-Maske getragen würde. Nach der Definition des RKI sei das Infektionsrisiko also bereits dann signifikant erhöht, wenn es zu einem Aufenthalt im selben Raum bei hoher Konzentration infektiöser Aerosole unabhängig vom Abstand und Tragen einer Maske komme. Dies sei vorliegend der Fall. Der Kläger habe im fraglichen Zeitraum in einer Halle gearbeitet, in der nachweislich eine Vielzahl infizierter Personen tätig gewesen sei. Auch im Hinblick auf die Überführungsfahrten, die bis zu 10 Minuten gedauert hätten, bleibe anzumerken, dass diese mehrfach am Tag, bis zu fünf Mal, erfolgt seien. Es hätten sich teilweise bis zu fünf Personen auf engstem Raum im Fahrzeug befunden, so dass das Ansteckungsrisiko wesentlich erhöht gewesen sei. Die Fahrten seien von Halle 30/3 aus erfolgt, so dass davon auszugehen sei, dass sich dort auch infizierte Personen im Fahrzeug aufgehalten hätten. Im Fahrzeug habe sich auch der angesprochene Mitarbeiter Herr O. befunden.

Der Kläger beantragt zuletzt, Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.3.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.7.2022 dazu verurteilt, das Ereignis vom 05.03.2021, Infektion des Klägers mit dem Corona-Virus, als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.

Das Gericht hat bei der M. AG eine Arbeitgeberauskunft eingeholt. Diese hat erklärt, der Kläger sei im Februar/ März 2021 im Rahmen des Integrationskonzepts für Mitarbeiter mit Einsatzeinschränkungen befristet im Bereich Fuhrpark im Gebäude 30/3 in der Fahrradwerkstatt eingesetzt gewesen. Soweit bekannt, habe er in diesem Zeitraum nichts in der Halle 4.1 zu tun gehabt. Im Unternehmen habe es eine Krisenstabsorganisation auf Konzern, Divisions- und lokaler Ebene gegeben. Die in der Gefährdungsbeurteilung genannten Schutzmaßnahmen seien im Werk R. vollständig umgesetzt worden. In dem angefragten Zeitraum seien keine Fälle bekannt, in denen Beschäftigte diese Maßnahmen nicht eingehalten hätten. Die Daten über gemeldete Coronainfektionen seien in einem System namens „Safe“ geführt. Laut der im System vorhandenen Daten habe es im Zeitraum vom 21.2. – 6.3.2021 insgesamt 39 Infektionsfälle gegeben. Zwei Personen seien mit Infektion zur Arbeit gekommen (sog. „Chain Trigger“) und hätten Kontakt zu jeweils einer weiteren Person gehabt. Es seien somit im relevanten Zeitraum zwei Personen bekannt, die sich als Kontaktpersonen der „Chain trigger“ mutmaßlich im Werk mit dem Coronavirus infiziert hätten („internal infected“). Die übrigen 35 Infektionsfälle hätten keinen Kontakt zu anderen Beschäftigten gehabt und die Infektion aus dem privaten oder unbekannten Umfeld erhalten. Der Fall des Klägers sei im System „Safe“ dokumentiert als einer der 35 Infektionsfälle. Es sei nicht bekannt, ob der Kläger engeren Kontakt zu Personen gehabt habe, für die im Zeitraum 21.2. bis 6.3.2021 eine Infektionsmeldung vorliege. Der Zeuge O. sei im Zeitraum 21.2. – 6.3.2021 nicht als positiver Fall dokumentiert. Ob Fahrzeuge von infizierten Personen übergeben worden seien, sei ebenfalls nicht bekannt. Zwischen Fahrzeugrückgabe und Fahrzeugüberführung lägen in der Regel ein bis zwei Tage. Eine Reinigung/Desinfektion des Fahrzeugs habe vor Übergabe an die Überführungsperson nicht stattgefunden. Als weitere Indexperson komme ggf. der Zeuge Z. vor, mit ersten Symptomen am 9.3.2021 und dem letzten Kontakt zu anderen Personen am 8.3.2021. Zu diesem habe der Kläger – sowie zu dem Zeugen O. – im relevanten Zeitraum mutmaßlich den engsten Kontakt gehabt, da alle drei Personen in relativer Nähe zueinander in der Fahrradwerkstatt tätig gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 17.3.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.7.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Ereignis vom 5.3.2021, die Infektion des Klägers mit dem Corona-Virus, ist nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb „Versicherter“ ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität) haben. Unerheblich ist, ob die Erkrankung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität; st. Rspr. vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2014, B 2 U 4/13 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 52; BSG, Urteil vom 15. November 2016, B 2 U 12/15 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 37; BSG, Urteil vom 26. November 2019, B 2 U 8/18 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 71; BSG, Urteil vom 6. Mai 2021, B 2 U 15/19 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 77).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitsschaden“ erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009, B 2 U 30/07 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4; BSG, Urteil vom 31. Januar 2012, B 2 U 2/11 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43; BSG, Urteil vom 6. Mai 2021, B 2 U 15/19 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 77).

Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11; BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008, B 2 U 26/06 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 29; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015, B 2 U 8/14 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 55; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016, B 5 RS 4/16 R, BSGE 122, 197 = SozR 4-8570 § 6 Nr. 7; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016, B 2 U 16/15 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 60).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs steht für die erkennende Kammer folgendes fest: Der Kläger stand am 5.3.2021 (Tag, an dem der Kläger erstmals Krankheitssymptome aufwies) während seiner Tätigkeit als Montierer grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB VII). Als Gesundheitsschaden ist bei ihm eine Infektion mit dem Coronavirus durch positiven PCR-Abstrich vom 8.3.2021 mit Symptomen (Gliederschmerzen, Fieber) seit dem 5.3.2021 zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen (vgl dazu, dass eine symptomlose Infektion die Voraussetzungen eines Gesundheitsschadens im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfüllt: BSG, Urteil vom 7. Mai 2019, B 2 U 34/17 R, Rn. 19, juris). Medizinisch sind die Symptome des Klägers durch die Behandlungsauskunft seines Hausarztes Dr. S. von der Vorstellung des Klägers bei ihm am 8.3.2021 belegt. Eine Infektion mit Krankheitssymptomen erfüllt auch insofern den Unfallbegriff, als dass es sich bei dem Eindringen von Erregern um eine Einwirkung auf den menschlichen Körper „von außen“ handelt (vgl. G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB VII, 3. Aufl., § 8 SGB VII (Stand: 29. Juni 2022, Rn. 126).

Streitentscheidend ist hier die Unfallkausalität. Der Begriff der Unfallkausalität kennzeichnet die Kausalität zwischen der mit der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stehenden Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis. Insoweit gilt ebenso wie für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung, nach der auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauend in einem zweiten wertenden Schritt als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R, BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18; BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, B 2 U 23/05 R, BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 22; BSG, Urteil vom 17. Februar 2009, B 2 U 18/07 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31).

Eine Wahrscheinlichkeit, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein so deutliches Übergewicht zukommt, dass hierauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann, liegt hier nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Die notwendige, an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn die Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Gewisse Zweifel sind unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 23/05 R -, Urteil vom 17. Februar 2009, – B 2 U 18/07 R -, Urteil vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R -, alle zitiert nach juris, m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 128 Rn. 3b).

Nach der erfolgten Beweisaufnahme und nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass vorliegend mehr gegen eine Infektion des Klägers am Arbeitsplatz spricht, als dafür.

Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass die Anerkennung einer Covid19-Infektion als Arbeitsunfall voraussetzt, dass sich zumindest eine nachweislich infektiöse Person (sog Index-Person) im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld des erkrankten Versicherten aufgehalten hat. Kann keine Index-Person benannt werden, sind die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht nachgewiesen (SG Augsburg, Urteil vom 18. November 2022 – S 18 U 205/21 –, juris). Vorliegend hat der Kläger als Indexpersonen die beiden Zeugen O. und Z. benannt; diese scheiden nach Ansicht des Gerichts als sog. Indexpersonen jedoch aus, da diese weder zu dem Zeitpunkt, als bei dem Kläger erstmals Symptome einer Covid-19 Infektion auftraten (5.3.2021), noch zu dem Zeitpunkt, als der erste Schnelltest des Klägers ein positives Corona-Testergebnis lieferte (6.3.2021), noch zu dem Zeitpunkt, als bei dem Kläger der PCR-test durchgeführt wurde (8.3.2021) innerhalb der Inkubationszeit nachweislich an Corona infiziert waren.

Nach dem epidemiologischen Steckbrief auf dem Stand des 26.11.2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888#doc13776792bodyText5) zu SARS-CoV-2/COVID-19 beträgt die Inkubationszeit bis zu 14 Tagen, die mittlere Inkubationszeit beträgt 5,8 Tage und die 95%-Perzentile wird mit 11,7 Tagen angegeben. Der Zeuge O. wurde erst am 8.3.2021 positiv auf das Covid19-Virus getestet. Krankheitssymptome lagen nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung bei ihm erstmals am 5.3.2021 – und damit zeitgleich zu den ersten Symptomen des Klägers – vor. Dass der Zeuge O. somit in den fünf bis sechs Tagen vor dem 5.3.2021, 6.3.2021 oder 8.3.2021 bereits unter einer Coronainfektion litt und damit als Indexperson in Frage kommt, steht nach der erfolgten Beweisaufnahme für das Gericht gerade nicht fest. Dabei spielt auch keine Rolle, dass der PCR-Test der Ehefrau des Zeugen O. bereits auf den 3.3.2021 datiert. Nachdem der Zeuge nach seinen eigenen Angaben zu diesem Zeitpunk noch symptomfrei war und auch keinen Corona-Selbsttest durchgeführt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zeuge O. selbst bereits zu diesem Zeitpunkt an Corona infiziert gewesen ist. Nichts anderes gilt für den ebenfalls als Zeugen gehörten Herrn Z. Dessen positives PCR-Ergebnis datiert erst auf den 15.3.2021. Auch dieser hatte nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zu einem früheren Zeitpunkt keine Krankheitssymptome und auch keinen Corona-Selbsttest durchgeführt.

Gegen eine Infektion am Arbeitsplatz spricht auch der zwischen dem Kläger und den gehörten Zeugen Ende Februar/ Anfang März 2021 stattgefundene Kontakt. Dabei geht die Kammer nach der erfolgten Beweisaufnahme von folgendem Sachverhalt aus: Der Kläger und der Zeuge Z. hatten Ende Februar/ Anfang März 2021 im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit keinen näheren körperlichen Kontakt. Der Zeuge Z. hielt sich als Werkstattkoordinator in erster Linie in dem der Werkstatt zugehörigen Büro auf. Dass während der beruflichen Tätigkeit sowohl der Kläger, als auch Herr Z. eine Mund-Nasen-Bedeckung in Form einer OP-Maske getragen haben, wenn einen Abstand von mindestens 1,5 Metern nicht eingehalten werden konnte, haben sowohl der Kläger selbst als auch der Zeuge Z. im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben; dies ergibt sich auch aus der eingeholten Arbeitgeberauskunft. Der Kläger und der Zeuge O. hatten in dem Zeitraum Ende Februar 2021/ Anfang März 2021 im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit dergestalt Kontakt, als dass der Zeuge O. den Kläger in die Fahrradreparatur eingelernt hat. Ob darüber hinaus in diesem Zeitraum der Zeuge O. und der Kläger gemeinsam über einen Zeitraum von mehr als 10 Minuten in einem Fahrzeug gefahren sind, konnte nach der erfolgten Beweisaufnahme nicht aufgeklärt werden. Weder der Kläger, noch die gehörten Zeugen konnten darlegen, zu welchem Zeitpunkt der Kläger mit welchen Personen in einem Fahrzeug gefahren ist. Es existieren hierüber auch keine schriftlichen Aufzeichnungen, weshalb sich zu diesem Sachverhalt auch keine weiteren Informationen aus der eingeholten Arbeitgeberauskunft entnehmen lassen.

Nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse (vgl. Empfehlung des Robert-Koch-Institutes „Kontaktpersonen-Nachverfolgung (KP-N) bei SARS-CoV-2-Infektionen, Stand 14.1.2022, außer Kraft seit 2.5.2022, Ziff. 31) werden Kontaktpersonen zu einem bestätigten Covid-19-Fall bei Vorliegen mindestens einer der folgenden Situationen als enge Kontaktpersonen (mit erhöhtem Infektionsrisiko) definiert:

1. Aufenthalt im Nahfeld des Falls (<1,5 m) länger als 10 Minuten ohne adäquaten Schutz

(adäquater Schutz = Fall und Kontaktperson tragen durchgehend und korrekt MNS [Mund-Nasen-Schutz] oder FFP2-Maske).

2. Gespräch mit dem Fall (Face-to-face-Kontakt, <1,5 m, unabhängig von der Gesprächsdauer) ohne adäquaten Schutz oder direkter Kontakt (mit respiratorischem Sekret).

3. Aufenthalt von Kontaktperson (und Fall) im selben Raum mit wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöser Aerosole unabhängig vom Abstand für länger als 10 Minuten, auch wenn durchgehend und korrekt MNS (Mund-Nasen-Schutz) oder FFP2-Maske getragen wurde.

Die Varianten 1 und 2 sind nicht einschlägig, da nach den Angaben des Klägers und des Zeugen Z., sowie nach der schriftlichen Arbeitgeberauskunft der M. AG in dem streitigen Zeitraum im M. Werk in R. ständig ein Mund-Nasen-Schutz von den Beschäftigten getragen wurde und Verstöße hiergegen nicht festgestellt wurden.

Dass der Kläger in dem Zeitraum Ende Februar/ Anfang März 2021 Kontakt im Sinne von Var. 3 zu einer infizierten Person hatte, als er im Zuge der Rückführung von Fahrzeugen mit einer Indexperson über einen Zeitraum von mehreren Minuten mehrmals am Tag gemeinsam in einem Auto gefahren ist, ist nach Ansicht des Gerichts nach der erfolgten Beweisaufnahme zwar möglich, jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Soweit der Kläger angegeben hat, unter anderem gemeinsam mit dem Zeugen O. die Übergangsfahrten erledigt zu haben, so ist – wie oben dargelegt – bereits nicht nachgewiesen, zu welchem Zeitpunkt dies der Fall gewesen ist und dass zu diesem Zeitpunkt der Zeuge O. bereits mit Corona infiziert war. Soweit der Kläger vorgetragen hat, es sei davon auszugehen, dass sich aufgrund des hohen Infektionsgeschehens im M. Werk in R. zum damaligen Zeitpunkt mindestens eine Person gemeinsam mit ihm in den überführten Fahrzeugen befunden habe, so kann dieser Vortrag ebenfalls nicht überzeugen. Die in Frage kommenden Personen konnte der Kläger namentlich nicht benennen. Auch nach der eingeholten Arbeitgeberauskunft konnte dieser Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt werden. Es fehlt damit bereits an einer nachgewiesenen Indexperson und dem Aufenthalt mit dieser in demselben Pkw während der Inkubationszeit.

Hierbei ist auch zu beachten, dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung angab, während der Frühstücks- und Mittagspause im Pausenraum des M. Werkes oder in der Fahrradwerkstatt in Gegenwart weiterer Kollegen Mahlzeiten ohne Mund-Nasen-Schutz zu sich genommen zu haben. Insofern besteht genauso gut die Möglichkeit, dass der Kläger sich im Zuge dessen mit einer infizierten Person im selben Raum ohne Mund-Nasen-Bedeckung über mehrere Minuten aufgehalten und sich dann infiziert hat. Nach ständiger Rechtsprechung fällt aber die Nahrungsaufnahme selbst nicht unter den gesetzlichen Schutz der Unfallversicherung (vgl. SG Augsburg, Urteil vom 18. November 2022 – S 18 U 205/21 –, Rn. 17, juris mwN).

Schlussendlich war zu berücksichtigen, dass auch eine Infektion über die beiden Kinder denkbar ist. Denn viele Infektionen verlaufen ganz oder phasenweise symptomlos. Die beiden Kinder des Klägers sind nicht getestet worden, so dass eine Infektion über diese jedenfalls nicht auszuschließen ist (SG Konstanz, Urteil vom 16. September 2022 – S 1 U 452/22 –, Rn. 40, juris).

Nach alledem hält es die Kammer für nicht aufklärbar, ob sich der Kläger im Rahmen seiner versicherten beruflichen Tätigkeit, oder außerberuflich im privaten Bereich mit dem Covid19-Virus angesteckt hat.

Die Folgen dieser objektiven Beweislosigkeit hat der Kläger zu tragen. Denn die haftungsbegründende Kausalität gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die der Anspruchssteller die objektive Beweislast nach dem allgemeinen Grundsatz trägt, dass die Folgen der Nichtfeststellbarkeit einer Tatsache demjenigen Beteiligten zur Last fallen, der aus der Tatsache ein recht herleiten will (BSG, Urteil vom 28.08.1990 – 2 RU 64/89 -, juris Rn. 18).

Dem Kläger ist auch keine Beweiserleichterung im Zusammenhang mit dem Kausalitätsnachweis in Form des prima-facie-Beweises (Anscheinsbeweis) einzuräumen. Der Beweis des ersten Anscheins kommt bei typischen Geschehensabläufen in Betracht in Fällen, in denen ein gewisser Tatbestand nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und infolgedessen wegen des typischen Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des konkreten Einzelfalles für die tatsächliche Beurteilung ohne Bedeutung sind (BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U2/11 R-, juris Rn. 30 und 31). Der Anscheinsbeweis scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil im Hinblick auf die Inkubationszeit und die weiteren Möglichkeiten einer anderweitigen Infektion es nicht typischerweise oder geradezu zwangsläufig zu einer Infektion im dienstlichen Rahmen gekommen sein muss (vgl. auch SG Konstanz, Urteil vom 16.09.2022 – S 1 U 452/22 -, juris Rn. 29; VG Aachen, Urteil vom 08.04.2022 – 1 K 450/21 -, juris Rn. 33, VG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2022 – 23 K 8281/21 -, juris Rn. 45 bis 56). Es ist kein konkreter Ansteckungszeitpunkt bestimmbar und kein Erfahrungssatz aufstellbar, dass sich der Kläger während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit angesteckt haben muss. Nach der eingeholten Arbeitgeberauskunft hat es im M. Werk in R. in dem Zeitraum vom 21.02. – 06.03.2021 insgesamt 39 Infektionsfälle gegeben. Insgesamt waren dort zum damaligen Zeitpunkt ca. 6.500 Personen beschäftigt, es handelt sich somit um 0,6% der Belegschaft, die damals Coronainfiziert war. Bezogen auf die damalige Sieben-Tages Inzidenz von Rastatt iHv 326,5 mit 100 Neuinfektionen täglich (https://www.badisches-tagblatt.de/Nachrichten/Corona-kompakt-Inzidenz-in-Deutschland-bei-999-80173.html, Stand 21.3.2021) kann kein Erfahrungssatz aufgestellt werden, dass sich der Kläger während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit angesteckt haben muss. Darüber hinaus besteht – wie oben beschrieben – auch die Möglichkeit, dass sich der Kläger außerhalb seiner versicherten Tätigkeiten infiziert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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