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Elterngeldberechnung – Durchschnittsberechnung auf alle Monate mit geldwerten Vorteilen

Landessozialgericht Baden-Württemberg – Az.: L 11 EG 1334/21 – Urteil vom 11.10.2022

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.03.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Elterngeld in Höhe von 8.873,38 €.

Die 1978 geborene Klägerin ist bei der Firma R GmbH beschäftigt. Am 17.10.2018 kam ihr (drittes) Kind K zur Welt. Die Klägerin beantragte am 16.11.2018 die Gewährung von Basis-Elterngeld für den 1. bis 11. Lebensmonat (17.10.2018 bis 16.09.2019) und gab im Antrag zunächst an (Bl 1 Verwaltungsakte <V-Akte>), im Bezugszeitraum voraussichtlich im Zeitraum vom 18.05.2019 bis 17.10.2019 Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit von ihrem bisherigen Arbeitgeber zu erhalten. Im Rahmen einer erneuten Stellungnahme wegen Änderung des Bezugszeitraumes ihres Ehemannes (nunmehr Elterngeld für die Monate 6-8 statt zuvor 5-7) teilte die Klägerin unter dem 17.01.2019 bzw 19.01.2019 mit, im Bezugszeitraum kein Einkommen zu erzielen (Bl 36 V-Akte) bzw voraussichtlich kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu haben noch Einnahmen oder Ausgaben aus selbständiger Tätigkeit (Bl 33 V-Akte). In dem Vordruck „Ergänzende Angaben für den beantragten Bezugszeitraum“ findet sich der Hinweis, dass auch Einkommen, das der Antragsteller ohne Arbeitsleistung erhalte, wie zB die Nutzung eines Dienstwagens, vermögenswirksame Leistungen, pauschal versteuertes Einkommen (…), anzugeben sei (Bl 33 V-Akte). Derselbe Hinweis ist in dem Vordruck „Fragen an den antragstellenden Elternteil 2“ enthalten (Bl 1 V-Akte).

Elterngeldberechnung - Durchschnittsberechnung auf alle Monate mit geldwerten Vorteilen
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Mit Bescheid vom 22.01.2019 (Bl 49 V-Akte) bewilligte die Beklagte Basis-Elterngeld für den beantragten Zeitraum in Höhe von 1.724,52 € für die Zeit vom 17.12.2018 bis 16.01.2019 sowie in Höhe von monatlich 1.980 € ab dem 17.01.2019 bis zum 16.09.2019. Es werde der Widerruf des Elterngeldes für den Fall vorbehalten, dass die Klägerin entgegen der erklärten Absicht steuerpflichtiges Einkommen erziele.

Telefonisch teilte die Klägerin am 17.06.2019 der Beklagten die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung ab dem 21.05.2019 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden mit (Bl 61 V-Akte). Die Beklagte setzte daraufhin die Zahlung des Elterngeldes vorläufig aus und forderte Entgeltabrechnungen des Arbeitgebers an. Aus diesen ergab sich, dass die Klägerin im Bezugszeitraum durchgängig Sachbezüge als Entgeltbestandteile erhalten hatte in Form jeweils eines geldwerten Vorteils, nämlich zur Unfallversicherung in Höhe von 1,96 € bzw zum Fahrradleasing in Höhe von 27 € (zusammen 28,96 €). Außerdem erzielte die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 21.05.2019 und 16.09.2019 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 27.116,70 €. Mit Bescheid vom 13.12.2019 (Bl 117 V-Akte) änderte die Beklagte den Bescheid vom 22.01.2019 für den 3. bis 11. Lebensmonat des Kindes hinsichtlich der Höhe des Elterngeldes ab und bewilligte nun nur noch (vorläufig) Elterngeld in Höhe von 599,72 € für die Zeit vom 17.12.2018 bis 16.01.2019 sowie ab dem 17.01.2019 in Höhe von monatlich 688,57 €. Hierbei verteilte die Beklagte das Einkommen der Klägerin (sowohl aus Erwerbstätigkeit als auch den geldwerten Vorteil, vgl Berechnung Bl 105 V-Akte) nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages, von Steuern und Sozialabgaben gleichmäßig auf alle Lebensmonate im Bezugszeitraum (elterngeldrelevantes Einkommen 1.826,05 € pro Monat). Die Klägerin habe einen Betrag in Höhe von 8.873,38 € zu erstatten. Dieser Betrag werde mit dem noch zu zahlenden Elterngeld verrechnet.

Die Klägerin erhob am 23.12.2019 Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.12.2019. Der Zeitraum für die Betrachtung der Bezugsmonate von 11 Monaten sei nicht korrekt, da sie nach der Geburt des Sohnes nur vier Monate in Teilzeit gearbeitet habe (ab dem 21.05.2019). Es sei daher das Durchschnittsgehalt nur von Monat 7 bis 11 anzusetzen. Mit Schreiben vom 17.01.2020 hörte die Beklagte die Klägerin in Vorbereitung der Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.12.2019 an. Nach Einschaltung einer Bevollmächtigten trug diese zur Begründung des Widerspruchs weiter vor, die Voraussetzungen für die Aufhebung und Erstattung gemäß § 45 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lägen nicht vor. Der Klägerin sei nicht bewusst gewesen, dass die von ihrem Arbeitgeber als Sachbezug geleistete Unfallversicherung und das Fahrradleasing im Rahmen des Elterngeldes als Einkommen gewertet werde. Insoweit berufe sie sich auf Vertrauensschutz. Die Rückforderung sei zudem unverhältnismäßig. Hätte sie gewusst, dass die Unfallversicherung und das Fahrradleasing als Einkommen angerechnet würden, hätte sie für die Zeit von Oktober 2018 bis Ende April 2019 Basiselterngeld beantragt und für die Zeit ihrer Teilzeittätigkeit ab Mai 2019 Elterngeld Plus. Ein erheblicher Teil der entstandenen Überzahlung resultiere zudem nicht aus der Anrechnung der Sachbezüge, sondern daraus, dass das ab Mai 2019 erzielte Teilzeiterwerbseinkommen vollständig auf den ganzen Bezugszeitraum verteilt werde. Die Sachbezüge beliefen sich auf monatlich 28,96 €. Werde der Zeitraum vom 3. bis 7. Lebensmonat „getrennt veranlagt“, sei in diesem Zeitraum unter Berücksichtigung des Abzugs in Höhe eines Zwölftels des Arbeitsnehmerpauschbetrags gar kein Einkommen anzurechnen. Allein aufgrund der Zusammenrechnung der beiden Zeiträume (3. bis 7. Lebensmonat und 8. bis 12. Lebensmonat) ergebe sich eine zusätzliche Überzahlung von etwa 4.000 €, die daher im eigentlichen Sinne nicht mit der Anrechnung der Sachbezüge auf das Elterngeld zu tun habe. Als der Gesetzgeber Elterngeld Plus eingeführt habe, habe er den Eltern den stufenweisen Wiedereinstieg in die Berufstätigkeit ermöglichen bzw im Zusammenhang mit Elterngeld attraktiver machen wollen. Eine Rückforderung allein aufgrund der Zusammenlegung der Zeiträume entspreche daher nicht der vom Gesetzgeber gewollten Intention. Die Klägerin sei so zu stellen, als habe sie Elterngeld und Elterngeld Plus beantragt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe angegeben, für den Zeitraum des Elterngeldbezuges kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit bzw weder Einnahmen noch Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit zu erzielen. Das daraufhin gewährte Elterngeld sei unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall gewährt worden, dass entgegen der erklärten Absicht nach Geburt des Kindes steuerpflichtiges Einkommen erzielt werde. Sie sei ferner darauf hingewiesen worden, dass jede Erwerbstätigkeit Auswirkung auf die Höhe des Elterngeldanspruchs haben könne. Sie sei darum gebeten worden, die Beklagte rechtzeitig zu informieren, bevor eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werde. Am 17.06.2019 habe sie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zum 21.05.2019 angezeigt. Sie habe im Zeitraum vom 17.10.2018 bis 16.09.2019 Erwerbseinkommen in Höhe von insgesamt 27.333,43 € erhalten. Dieses sei vom 1. bis 11. Lebensmonat anzurechnen. Es sei ausschließlich Basiselterngeld beantragt worden. Eine getrennte Berechnung der Monate 1 bis 7 und 8 bis 11 könne nicht erfolgen. Eine nachträgliche Änderung der Leistungsvariante ab dem 8. Lebensmonat in Elterngeld Plus sei wegen der versäumten Änderungsfrist nicht mehr möglich. Im gesamten Bezugszeitraum habe sie einen geldwerten Vorteil zur Unfallversicherung und für das Fahrradleasing erhalten. Zusätzlich habe sie ab dem 21.05.2019 eine Teilerwerbstätigkeit mit durchschnittlich 30 Wochenstunden aufgenommen und Einkommen erzielt. Gemäß § 2 Abs 3 BEEG werde das Elterngeld aus dem Durchschnitt dieser Einkommen ermittelt. Das Durchschnittsgehalt sei nicht nur in den Monaten 7 bis 11 anzusetzen, da sie bereits ab der Geburt ihres Kindes Einkommen gehabt habe. Der Bescheid vom 22.01.2019 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da er ohne Berücksichtigung des geldwerten Vorteils für die Unfallversicherung und das Fahrradleasing bewilligt worden sei. Sie habe auf dem Antragsformular nicht angegeben, dass sie bereits ab Oktober 2018 Einkommen in Form eines geldwerten Vorteils für die Unfallversicherung und das Fahrradleasing erhalten habe. Sie sei im Antragsformular darauf hingewiesen worden, dass auch Einkommen ohne Arbeitsleistung wie zB die Nutzung eines Dienstwagens oder vermögenswirksame Leistungen anzugeben seien. Dieses Einkommen sei erst am 06.12.2019 bekannt geworden. Damit seien die Angaben im Antragsverfahren, die zum Bescheid vom 22.01.2019 geführt hatten, unzutreffend gewesen. Sie habe zudem die Rechtswidrigkeit des Bescheids kennen müssen. Soweit sie die Unrichtigkeit nicht erkannt habe, sei ihr diesbezüglich grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Dem Bescheid vom 22.01.2019 habe sie entnehmen können, dass kein Einkommen angerechnet worden sei. Da sie aber Einkommen erhalten habe, habe sie allein beim Lesen des Bescheides erkennen müssen, dass die Bewilligung rechtswidrig gewesen sei. Sie könne sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der Bescheid vom 22.01.2019 sei daher mit Änderungsbescheid vom 13.12.2019 gemäß § 45 SGB X zu Recht zurückgenommen worden. Gemäß § 50 Abs 1 SGB X seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.05.2020 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben unter Wiederholung ihrer bisherigen Begründung. Ergänzend ist ausgeführt worden, dass Prämienzahlungen zur Gruppenunfallversicherung und vermögenswirksame Leistungen grundsätzlich Einkommensbestandsteil seien und als solche auch beim Elterngeld zu berücksichtigen seien, sei bereits vom BSG entschieden worden. Die Besonderheit liege hier jedoch darin, dass der Wert des Fahrradleasings und der Unfallversicherung monatlich lediglich 28,96 € betrage, die hierdurch entstehende Überzahlung durch die Zusammenlegung beider Zeiträume sich jedoch auf fast 6.000 € belaufe. Die Unrichtigkeit des Bescheids vom 19.01.2019 sei der Klägerin auch nicht bekannt gewesen und sie habe dies auch nicht wissen müssen. Die Wertung als Einkommen sei selbst unter Juristen streitig. Für den Fall der Beiträge des Arbeitgebers zur (Gruppen-)Unfallversicherung habe das BSG dies erst mit Urteil vom 13.12.2018 entschieden. Durch ihren Fehler, der aus Unwissenheit begangen worden sei, sei ihr ein großer finanzieller Schaden entstanden. Es komme noch hinzu, dass sie privat krankenversichert sei. Mit dem korrigierten Änderungsbescheid vom 13.12.2019 seien ihr monatlich ab Januar 2019 nur noch 688,57 € bewilligt worden, wobei sich die private Krankenversicherung auf 600 € belaufe. Ihr Interesse überwiege das Interesse der Allgemeinheit an der Rückforderung. Der Allgemeinheit sei durch die Bewilligung im Zeitraum vom 3. bis zum 7. Lebensmonat letztlich kein Schaden entstanden. Denn bei anderer Gestaltung wäre es ihr möglich gewesen, diese Zeiträume getrennt zu berücksichtigen mit der Folge, dass sie vollkommen rechtmäßig Elterngeld in der entsprechenden Höhe hätte beziehen können. Nach dem BEEG seien Zeiträume, in denen kein Einkommen erzielt werde und Zeiträume mit Einkommen getrennt voneinander zu berechnen. Vorliegend verursache ausschließlich die Zusammenlegung beider Zeiträume die Überzahlung. Vor diesem Hintergrund überzeuge nicht, dass das Interesse des Staates an der Rückforderung gegenüber dem Interesse der Klägerin, das gezahlte Elterngeld zu behalten, überwiege. Die Überzahlung durch die Aufnahme der Teilzeittätigkeit könne jederzeit nach § 48 SGB X zurückgefordert werden. Eine anfängliche Rechtswidrigkeit liege insoweit nicht vor.

Am 13.06.2020 (Bl 279 V-Akte) erließ die Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid und bewilligte darin Elterngeld endgültig in derselben Höhe wie zuvor im Bescheid vom 13.12.2019 (599,72 € für die Zeit vom 17.12.2018 bis 16.01.2019 sowie ab dem 16.01.2019 in Höhe von monatlich 688,57 €).

In Bezug auf den Bescheid vom 13.06.2020 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine endgültige Bewilligung im vorliegenden Fall nicht vorlägen, da keine vorläufige Bewilligung durch die Beklagte erfolgt sei. Die Bewilligung des Elterngeldes durch den Bescheid vom 22.01.2019 sei endgültig erfolgt, nicht vorläufig. Auch der Änderungsbescheid vom 13.12.2019 sei kein vorläufiger Bescheid gewesen.

Die Beklagte hat auf Begründung des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2020 verwiesen und diese wiederholt und vertieft. Sie führt weiter aus, die Berechnung des Elterngeldes bei Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den Monaten nach der Geburt des Kindes richte sich nach § 2 Abs 3 BEEG. Der Unterschiedsbetrag für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit sei dabei gemäß § 2 Abs 3 Satz 3 BEEG lediglich für die Monate mit Basis-Elterngeld und für Monate mit Elterngeld-Plus getrennt zu berechnen. Eine weitere getrennte Berechnung sei weder nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes noch nach der Rechtsprechung des BSG vorgesehen. Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere sei kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG erkennbar. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin schon wegen des Widerrufsvorbehaltes im Bescheid und wegen der Hinweise auf ihre bestehenden Mitteilungspflichten im Bescheid vom 22.01.2019 nicht berufen. Die Beklagte habe den Bewilligungsbescheid vom 22.01.2019 daher zu Recht durch den Änderungsbescheid vom 13.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2020 gem § 45 SGB X zurückgenommen. Die Klägerin habe es grob fahrlässig unterlassen, die erforderlichen Angaben zu ihrem Einkommen ab Oktober 2018 trotz eindeutig bestehender Verpflichtung hierzu im Antrag sowie dem Vordruck „Ergänzende Angaben für den beantragten Bezugszeitraum“ zu machen. Die Beklagte habe auch ihr Ermessen ausgeübt.

Mit Urteil vom 09.03.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Der begünstigende Bescheid vom 22.01.2019 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen und habe hinsichtlich des Zeitraums bis zum 20.05.2019 mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X aufgehoben werden können, da bei der Berechnung des Elterngeldes im Bescheid vom 22.01.2019 entgegen den Vorgaben des § 2 Abs 3 BEEG das bei Bezug des Elterngeldes bereits ab dem 17.10.2018 bestehende Einkommen der Klägerin in Form von Sachbezügen für Unfallversicherung und Fahrradleasing mangels entsprechender Angaben im Antrag nicht berücksichtigt worden sei. Für den Zeitraum ab dem 21.05.2019 sei eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X eingetreten, da die Klägerin ab diesem Zeitpunkt eine Teilzeiterwerbstätigkeit von 30 Stunden aufgenommen und sich ihr auf das Elterngeld anzurechnende Einkommen erhöht habe, so dass ab diesem Zeitpunkt die Höhe des zu gewährenden Elterngeldes unter Berücksichtigung des Einkommens nach § 2 Abs 3 BEEG mit Wirkung für die Zukunft anzupassen gewesen sei. Das BEEG biete keinen Raum für eine getrennte Betrachtung der Lebensmonate im Hinblick auf die Berücksichtigung des erzielten Erwerbseinkommens im Bezugszeitraum. Nur für den Fall, dass die berechtigte Person sowohl Elterngeld als auch Elterngeld Plus in Anspruch nehme, enthalte § 2 Abs 3 Satz 3 BEEG die Vorgabe, dass das Einkommen aus Erwerbstätigkeit für die jeweiligen Monate getrennt zu berechnen sei. In den übrigen Fällen erfolge eine einheitliche Berechnung, im Rahmen derer die ermittelte Summe der positiven Einkünfte durch die Zahl der Bezugsmonate mit Erwerbseinkommen nach der Geburt zu teilen sei. Dabei folge schon aus dem Wortlaut des § 2 Abs 3 Abs Satz 1 BEEG, dass das Erwerbseinkommen im Bezugszeitraum durchschnittlich zu berechnen sei. Die Klägerin könne auch nicht nachträglich eine Änderung der Bezugsart ab dem 8. Lebensmonat von Basiselterngeld zu Elterngeld Plus vornehmen, da die Änderungsfrist bereits abgelaufen sei. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen., da sie bei der Antragstellung unrichtige Angaben gemacht habe, obwohl sie im Antragsformular auf die Verpflichtung hingewiesen worden sei, auch Einkommen ohne Arbeitsleistung anzugeben, etwa die Nutzung eines Dienstwagens, vermögenswirksame Leistungen, pauschal versteuertes Einkommen etwa aus Altersvorsorgeleistungen oder die Auflösung eines Wertguthabens nach § 7b SGB IV.

Gegen das am 15.04.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.04.2021 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt unter Bezugnahme auf die bisherige Begründung. Ergänzend ist ausgeführt worden, die Zusammenlegung der beiden Zeiträume sei schon deswegen falsch, da das vom Arbeitgeber gewährte Fahrradleasing und die Unfallversicherung des Arbeitgebers nicht als Einkommen im Sinne des BEEG zu werten seien. Es komme insoweit auf das materielle Einkommensteuerrecht, nämlich §§ 2, 8, 19 EStG an. Dies gelte auch für die Frage, ob Sachbezüge relevantes Einkommen seien. Berücksichtigt werde die Summe der positiven Einkünfte, wobei nur laufender Arbeitslohn, nicht hingegen sonstige Bezüge im Sinne von § 38 Abs 1 Satz 3 EStG angerechnet würden, § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG. Das Fahrradleasing und die Unfallversicherung seien der Klägerin von ihrem Arbeitgeber als Sachbezüge gewährt worden. Gemäß § 8 Abs 2 Satz 9 BEEG seien Sachbezüge, die nach Satz 1 zu bewerten seien, dann außer Ansatz zu lassen, wenn sie die Freigrenze von 44,00 € im Kalendermonat nicht überstiegen. Dies sei vorliegend der Fall. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.12.2018 (B 10 EG 9/17 R). Außerdem sei der Bescheid der Beklagten vom 13.12.2019 ermessensfehlerhaft.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst), das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.03.2021 und den Bescheid der Beklagten vom 13.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2020 sowie den Bescheid vom 13.06.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, der Änderungsbescheid vom 13.12.2019, mit dem die Beklagte das Elterngeld abweichend zum Bescheid vom 22.01.2019 (Bl 179 V-Akte) neu festgesetzt und den überzahlten Elterngeldbetrag iHv 7.496.24 EUR von der Klägerin zurückgefordert habe, sei gemäß § 8 Abs 3 Nr 3 BEEG nur vorläufig ergangen (Bl 201 V-Akte) und vollständig ersetzt worden durch den Änderungsbescheid vorn 13.06.2020, mit dem das Elterngeld endgültig festgesetzt worden sei und der nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Die Beklagte habe insoweit weder Ermessen auszuüben noch ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin zu prüfen. Die Rückforderung des Elterngeldes beruhe danach auf § 26 Abs 2 BEEG iVm § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, bei den Prämien zur Unfallversicherung und bei den Beiträgen zum Fahrradleasing handele es sich um Sachbezüge iSv § 6 Abs 2 Satz 1 EStG, für die die Freigrenze von 44 EUR nach Satz 11 gelte, treffe dies hier ebenfalls nicht zu. Habe der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Umwandlung der Sachbezüge in Barlohn in entsprechender Höhe, liege auch zu versteuernder Barlohn vor, wenn der Arbeitgeber die Sache zuwende. Ob hier die Prämien zur Unfallversicherung als Bar- oder steuerfreier Sachlohn zu qualifizieren seien, bedürfe jedoch letztlich keiner abschließenden Klärung, denn der Arbeitgeber der Klägerin habe hier unstreitig tatsächlich Lohnsteuer für die monatlichen Prämienzahlungen abgeführt. Gleiches gelte für das Fahrradleasing.

Im Rahmen eines Erörterungstermins haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet, da das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Gegenstand der Anfechtungsklage ist der Bescheid der Beklagten vom 13.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2020, in dem die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.01.2019 die Höhe des Elterngeldes vorläufig auf 599,72 € für die Zeit vom 17.12.2018 bis 16.01.2019 sowie ab dem 17.01.2019 in Höhe von monatlich 688,57 € monatlich festgesetzt und zudem 1.985,28 € zurückgefordert hat. Weiterhin ist der Bescheid vom 13.06.2020 Gegenstand des Verfahrens geworden gemäß § 96 SGG.

Der Senat geht von Folgendem aus: Mit Bescheid vom 22.01.2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin endgültig (und nicht nur vorläufig) Elterngeld in Höhe von monatlich 1.724,52 € (17.12.2018 bis 16.01.2019) bzw 1.980 € (17.01.2019 bis 16.09.2019). Der Änderungsbescheid vom 13.12.2019 enthält demgegenüber sowohl eine endgültige als auch eine vorläufige Regelung: Zum einen bewilligte die Beklagte darin ausdrücklich für die Zeit ab 17.12.2018 bis zum 16.01.2019 vorläufig Elterngeld in Höhe von 599,72 € bzw ab dem 17.01.2019 in Höhe von 688,72 €, zum anderen forderte sie zugleich den Differenzbetrag zwischen ursprünglicher Bewilligung und jetziger vorläufiger Bewilligung zurück. Damit hat sie zum einen eine endgültige Regelung getroffen in Bezug auf die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 22.01.2019 – sonst hätte sie keine Rückforderung geltend machen können -, zum anderen aber Elterngeld für die Zeit ab 17.12.2018 nur vorläufig bewilligt, um ggf eine weitere Rückforderung folgen lassen zu können, sofern das Einkommen der Klägerin noch höher als angegeben ausfallen sollte. In Bezug auf diese vorläufige Regelung hat sich der Bescheid vom 13.12.2019 durch den endgültigen Bewilligungsbescheid vom 13.06.2020 erledigt, der die vorläufige Bewilligung durch eine endgültige ersetzt hat. Die Regelung zur Rückforderung im Bescheid vom 13.12.2019 bleibt indes bestehen. Gegenstand der Anfechtungsklage sind daher der Bescheid der Beklagten vom 13.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2020 und auch der nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid der Beklagten vom 13.06.2020.

Die Aufhebung der Bewilligung in der von der Beklagten festgesetzten Höhe sowie die Rückforderung zuviel gezahlten Elterngeldes erfolgten zu Recht. Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht § 26 Abs 2 BEEG iVm § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III. Eine Rückforderung gemäß § 26 Abs 2 BEEG iVm § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III scheidet bereits deshalb aus, weil die ursprüngliche Bewilligung im Bescheid vom 22.01.2019 nicht vorläufig erfolgte, sondern endgültig. Insofern bedurfte es einer Aufhebung dieses Bescheides und nicht nur einer endgültigen Festsetzung mit der Folge, dass überzahlte Leistungen ohne gesonderte Aufhebung der ursprünglichen (vorläufigen) Bewilligung zurückgefordert werden könnten (§ 328 Abs 3 Satz 2 SGB III). Anders läge der Fall, wenn Elterngeld im Bescheid vom 13.06.2020 (abermals) geringer als im Bescheid vom 13.12.2019 festgesetzt worden wären – dies ist aber nicht der Fall.

Der Bescheid vom 22.01.2019 konnte auch nicht aufgrund des darin enthaltenen Widerrufsvorbehaltes wirksam für die Vergangenheit widerrufen werden. Die Rechtsgrundlage in § 47 Abs 1 Nr 1 SGB X erlaubt der Behörde nur eine Anpassung des Elterngeldes an die geänderten Verhältnisse mit Wirkung für die Zukunft (s hierzu und zum Folgenden BSG 21.02.2013, B 10 EG 12/12 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 19). Die Voraussetzungen für den nach § 47 Abs 2 SGB X grundsätzlich möglichen Widerruf eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit liegen nicht vor, da das Elterngeld nicht als zweckbestimmte Geld- oder Sachleistung anzusehen ist. Ausreichend hierfür ist nicht die allgemeine Zweck- und Zielsetzung als Sozialleistung, sondern es muss im Verwaltungsakt selbst eine Zweckbestimmung zur Verwendung der Geld- und Sachleistungen getroffen worden sein (BSG aaO unter Verweis auf BSG 14.12.2000, B 11 AL 63/00 R, BSGE 87, 219, 221 = SozR 3-1300 § 47 Nr 1 S 3 f). Die Regelung des § 47 Abs 2 SGB X zielt auf Verwaltungsakte, die das erkennbare Ziel haben, vom Begünstigten ein bestimmtes Verhalten einzufordern. Ein derartiger Zweck ist mit der Bewilligung von Elterngeld nicht verbunden.

Auch § 45 SGB X ist nicht die richtige Rechtsgrundlage, weil der Bewilligungsbescheid vom 22.01.2019 nicht von Anfang an rechtswidrig war. Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach § 1 BEEG idF vom 27.01.2015 (BGBl I 33). Die Grundvoraussetzungen nach § 1 Abs 1 Nr 1 bis 4 BEEG hat die Klägerin erfüllt. Sie hatte im Bezugszeitraum des Elterngeldes ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte in einem gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern und betreute und erzog diese. Sie übte eine zulässige Teilzeittätigkeit iSv § 1 Abs 6 BEEG mit nicht mehr als 30 Wochenstunden aus. Der Senat stützt sich insoweit auf die eigenen Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren. Berechnungsfehler bei der Höhe des im Bescheid vom 22.01.2019 gewährten Elterngeldes (§ 2 BEEG) sind nicht ersichtlich; vor allem führen nicht etwa die von der Arbeitgeberin gewährten geldwerten Vorteile Unfallversicherung bzw Fahrradleasing, die der Beklagte zum Zeitpunkt der Gewährung nicht bekannt waren, zu einem geringeren Anspruch. Die monatliche Summe hierfür in Höhe von 28,96 € wäre auch bei Kenntnis der Beklagten monatlich unberücksichtigt geblieben, weil sie unter dem Arbeitnehmerpauschbetrag lag (§ 2c Abs 1 Satz 1 BEEG iVm § 9a Satz 1 Nr 1 EStG in der bis zum 27.05.2022 gültigen Fassung: 1.000 € geteilt durch 12 = 83,33 € monatlich, vgl nur die Vergleichsberechnung der Beklagten, Bl 90 Senatsakte: keine Anrechnung der monatlichen 28,96 €). Insofern war der Bewilligungsbescheid vom 22.01.2019 zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig und scheidet eine Aufhebung nach § 45 SGB X aus.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist vorliegend einzig § 48 SGB X.

§ 48 Abs 1 SGB X bestimmt Folgendes:

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,

2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder

4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Vorliegend ist nach Erlass des Bescheides vom 22.01.2019 insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als die Klägerin ab Mai 2019 eine Teilerwerbstätigkeit aufgenommen und damit Einkommen erzielt hat, das auf das Elterngeld anzurechnen war. Die Höhe des Anspruchs auf Elterngeld hat die Beklagte im Änderungsbescheid vom 13.12.2019 zutreffend festgesetzt. Gemäß § 2 Abs 1 BEEG (idF vom 27.10.2015, aaO) wird Elterngeld in Höhe von 67 bis 65% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 € monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs 3 BEEG erzielt hat (§ 2 Abs 1 Satz 3 BEEG).

Der Bemessungszeitraum, die Höhe der maßgeblichen Einkünfte im Bemessungszeitraum und damit das Bemessungsentgelt wurden von der Beklagten zutreffend festgesetzt, insoweit wird auf deren Berechnungen Bezug genommen.

Auch das Einkommen im Bezugszeitraum hat die Beklagte korrekt berechnet. Zutreffend hat die Beklagte an dieser Stelle auch die geldwerten Vorteile Fahrradleasing und Unfallversicherung als Einnahmen aus abhängiger Beschäftigung angesehen und zudem richtigerweise ein Durchschnittseinkommen für den gesamten Bezugszeitraum gebildet. Die Anrechnung von Einkommen richtet sich nach § 2 Abs 3 Satz 1 und 2 BEEG aF. Hiernach wird Elterngeld für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen (§ 2 BEEG in der Fassung vom 27.1.2015). Welches Einkommen aus Erwerbstätigkeit als maßgebliches Durchschnittseinkommen nach der Geburt zu berücksichtigen ist, ergibt sich – wie auch beim Bemessungszeitraum – aus § 2 Abs 1 Satz 3 BEEG und erfasst somit insbesondere die Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG (vgl § 2 Abs 1 Satz 3 Ziff 1 BEEG). Dass die Klägerin in der Zeit vom 17.12.2018 bis zum 20.05.2019 tatsächlich keine Tätigkeit ausgeübt und es sich bei den geldwerten Vorteilen Fahrradleasing und Unfallversicherung nur um geringfügige Einkünfte gehandelt hat, ist unerheblich und begründet keine besondere Härte. § 2 Abs 1 und 3 BEEG stellen insoweit allein auf die Summe positiver Einkünfte aus Erwerbstätigkeit ab. Ausgeschlossen von der Anwendung des § 2 Abs 3 BEEG sind damit lediglich negative Einkünfte (vgl BSG 13.12.2018, B 10 EG 9/17 R, Rn 29, juris; vgl auch Urteil des Senats vom 18.08.2020, L 11 EG 4175/19, BeckRS 2020, 25917 Rn 25: Nur Monate ohne Erwerbseinkommen sind aus der Berechnung des Durchschnittseinkommens im Bezugszeitraum vollständig auszuklammern; Revision anhängig unter B 10 EG 4/20 R).

Nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 13.12.2018 (B 10 EG 9/17 R), der sich der Senat nach eigener Überprüfung anschließt, werden auch Prämienzahlungen, die als laufender Arbeitslohn im Bezugszeitraum versteuert wurden, bei der Berechnung des Einkommens berücksichtigt. Insofern unterfallen vorliegend die in den Entgeltabrechnungen der Arbeitgeberin als Sachbezüge aufgeführten geldwerten Vorteile Unfallversicherung und Fahrradleasing dem Einkommensbegriff in § 2 Abs 1 Satz 3 BEEG und sind anspruchsmindernd im Rahmen des § 2 Abs 3 BEEG zu berücksichtigen. Ausschlaggebend ist an dieser Stelle nach der Rechtsprechung des BSG allein, wie der Arbeitgeber die Prämien behandelt hat (BSG aaO Rn24 f). Vorliegend hat die Arbeitgeberin die Bezüge auch in den Monaten ohne Teilzeitbeschäftigung der Klägerin mit den Kürzeln „LSG“ versehen und damit als lohnsteuerpflichtig (= L) sowie sozialversicherungspflichtig (= S) gekennzeichnet und unter „Gesamtbrutto (= G) aufgeführt. Dies entfaltet Bindungswirkung (vgl § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG).

Da die Klägerin somit in sämtlichen Monaten des Bezugszeitraums Einkommen erzielt hat (in der Zeit bis April 2019 nur die Unfallversicherungs- und Fahrradleasing-Prämien, anschließend zusätzlich Einkommen aus einer Teilzeitbeschäftigung), hat dies zur Folge, dass die Beklagte zutreffend die nach § 2 Abs 3 BEEG gebotene Durchschnittsberechnung ebenfalls für sämtliche Monate des Bezugszeitraums durchgeführt hat. Eine Aufsplittung in Monate mit höherem oder geringerem Einkommen kommt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („durchschnittlich“) nicht in Betracht. Eine getrennte Berechnung erfolgt nur, wenn Basiselterngeld bzw Elterngeld Plus in Anspruch genommen werden (vgl § 2 Abs 3 Satz 3 BEEG) – dies ist aber im Fall der Klägerin nicht erfolgt und kann auch wegen Ablaufs der Frist nicht mehr nachträglich beantragt werden (vgl § 7 Abs 2 BEEG). Die Beklagte kann auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verpflichtet werden, die Klägerin so zu stellen, als hätte diese Basiselterngeld und Elterngeld Plus beantragt, da ein Beratungsfehler nicht vorliegt. Tatsächlich erfuhr die Beklagte von den geldwerten Vorteilen des Fahrradleasings bzw der Unfallversicherung erst im Dezember 2019 und damit nach dem Ende des Elterngeldbezuges.

Berechnungsfehler sind insoweit nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht vorgetragen worden.

Insofern sind die Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Ziff 3 SGB X erfüllt. Ein atypischer Fall liegt nicht vor. Die Beklagte war gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Ziff 3 SGB X auch berechtigt, den Bescheid vom 22.01.2019 rückwirkend ab dem 17.12.2018 teilweise aufzuheben – und nicht erst ab Mai 2019 (Aufnahme der Beschäftigung). Wie bereits dargelegt, ist durch die Aufnahme der Beschäftigung eine wesentliche Änderung eingetreten insofern, als nunmehr für den gesamten Bezugszeitraum Einkommen in den Anspruch auf Elterngeld schmälerndem Umfang erzielt worden ist. Da diese wesentliche Änderung durch die Erzielung von Einkommen erfolgt ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Ziff 3 SGB X), die aufgrund der Durchschnittsberechnung nach § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG auch die Zeit vor Mai 2019 erfasst und somit gleichsam rückwirkend wirkt, kommt hier die Vorschrift des § 48 Abs 1 Satz 3 SGB X zum Tragen. Hiernach gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes. Dies ist hier die Zeit ab dem 17.12.2018. Diese Norm bezweckt, den Bezug von Sozialleistungen auch für einen Zeitraum rückgängig zu machen, für den die Änderung der Verhältnisse noch nicht eingetreten war (Merten in: Hauck/Noftz SGB X, § 48 Rn 53 mwN). Insofern war die Beklagte berechtigt, die Elterngeldbewilligung teilweise bereits ab dem 17.12.2018 (und nicht erst ab Mai 2019) aufzuheben.

Ermessenserwägungen waren hier nicht anzustellen, auf ein Verschulden der Klägerin kam es nicht an. Die Pflicht zur Erstattung des zu viel gewährten Elterngeldes folgt aus § 50 SGB X.

Der Senat hält es für unschädlich, dass es Beklagte im Bescheid vom 13.12.2019 unterlassen hat, eine Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Elterngeldbewilligung zu nennen, sich im Widerspruchsbescheid fälschlicherweise auf § 45 SGB X gestützt hat und nunmehr im Klageverfahren § 328 Abs 2 SGB III für die richtige Rechtsgrundlage hält. Da sich der Aufhebungsbescheid in seinem Verfügungssatz nicht ändert, ist nur die Begründung, nicht die Entscheidung selbst betroffen. Infolgedessen handelt es sich auch nicht um eine Umdeutung im Sinne von § 43 SGB X. Eine (inhaltlich) fehlerhafte Begründung führt als solche nicht zur Rechtswidrigkeit der Bescheide (LSG Hamburg 17.03.2022, L 4 AS 371/20, Rn 21, juris mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

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