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Entschädigung wegen Impfschaden – Nachweis des Primärschadens

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 20 VJ 3/17 – Urteil vom 06.12.2018

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.02.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Impfschadens und die Gewährung von Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen einer am 30.01.2014 durchgeführten Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis (Impfstoff: Boostrix(r)).

Die Klägerin ist im Jahr 1965 geboren. Bei ihr liegt ein Zustand nach akuter Querschnittsmyelitis mit einer leichtgradigen rechtsbetonten überwiegend sensiblen Querschnittssymptomatik vor. Es ist ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt (Bescheid vom 12.10.2015.)

Mit Formblattantrag vom 25.08.2014 beantragte die Klägerin, eine Myelitis transversa als Impfschaden infolge einer durch den Kinderarzt Dr. T. durchgeführten Boostrix(r)-Impfung am 30.01.2014 anzuerkennen.

Dem Antrag waren beigelegt:

  • ein Arztbrief der Sozialstiftung B-Stadt vom 24.04.2014, wonach die Klägerin dort stationär vom 16.04.2014 bis zum 24.04.2014 wegen einer Querschnittsmyelitis BWK 7, Differenzialdiagnose Gliom mit sensiblem Querschnitt rechtsbetont ab Dermatom TH 12 und Vitaminmangel behandelt worden sei. Die Klägerin sei wegen eines seit ca. 14 Tagen bestehenden Pelzigkeitsgefühls unterhalb des Bauchnabels eingewiesen worden. Das Pelzigkeitsgefühl sei nach Angaben der Klägerin langsam progredient, habe an den Füßen begonnen und steige nun auf. Bei einer Lumbalpunktion habe sich – so der Bericht des Krankenhauses – kein Hinweis auf eine akut-entzündliche ZNS-Erkrankung bei unauffälligen Liquorstatus ergeben. Eine MRT der HWS/BWS habe eine Läsion auf Höhe des BWK 7 von ca. 3 cm Länge gezeigt. Bei einer Kortisonstoßtherapie sei die Querschnittssymptomatik kaum rückläufig gewesen. Wegen des Nichtansprechens auf Kortison und nur einem isolierten Herd im MRT sei nicht von einer akuten oder chronischen-entzündlichen ZNS-Erkrankung, sondern eher von einer tumorösen Raumforderung auszugehen, am ehesten einem Gliom.
  • ein Arztbrief des Universitätsklinikums E-Stadt vom 14.05.2014 über einen stationären Aufenthalt vom 28.04.2014 bis zum 14.05.2014. Als Diagnosen wurden dort genannt der Verdacht auf Querschnittsmyelitis BWK 7, Differenzialdiagnose Gliom mit sensiblem Querschnitt sowie ein Vitamin B12-Mangel, bezüglich dessen eine Substitution begonnen und eine Fortsetzung empfohlen worden sei. Bei der Aufnahme habe die Klägerin angegeben, seit 4 bis 6 Wochen an zunehmenden Gefühlsstörungen beider Beine zu leiden, welche sich in den letzten drei Wochen deutlich verschlechtert hätten. Eine Erregerdiagnostik sei – so der Bericht – unauffällig gewesen, so dass gegenwärtig nicht von einer paraeinfektiösen Genese auszugehen sei. Eine Analyse des Liquors sei ebenfalls unauffällig gewesen. Auffällig sei ein Vitamin B12-Mangel gewesen, so dass die intramuskuläre Substitution begonnen worden sei. Klinisch habe sich eine leichtgradige Besserung der Sensibilitätsstörungen gezeigt.
  • ein Arztbrief der neuroimmunologischen Ambulanz des Universitätsklinikums E-Stadt vom 14.07.2014, in der sich die Klägerin am 18.06.2014 vorgestellt hatte: Die Klägerin habe berichtet, dass sie, nachdem am 30.01.2014 eine Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis durchgeführt worden sei, im Verlauf der nächsten 2 bis 3 Wochen erstmalig Sensibilitätsstörungen im Bereich der Fußsohle bemerkt habe. Im weiteren Verlauf seien diese Sensibilitätsstörungen teilweise zum Rippenbogen aufgestiegen. Zusätzlich sei sie dann im Februar nicht mehr in der Lage gewesen, sicher zu gehen. In der Kernspintomographie habe sich – so der Bericht – auf Höhe des BWK 7 eine Signalalteration nachweisen lassen, die zum einen gut zu einer Myelitis gepasst habe. Differenzialdiagnostisch sei allerdings auch das Vorliegen eines Glioms diskutiert worden. In Zusammenschau der Befunde sei nunmehr von einer entzündlichen Genese der Myelonläsion auszugehen. Es sei zu diskutieren, ob es sich nicht um eine monophasisch verlaufende Myelitis handle. Auffällig sei, dass die ersten Symptome nach Durchführung einer Impfung im Januar aufgetreten seien, so dass eine kausale Assoziation nicht ausgeschlossen werden könne.

In der Folge holte der Beklagte weitere Informationen ein:

  • Der impfende Arzt Dr. T. berichtete dem Beklagten auf Nachfrage, dass er die Klägerin nur am 30.01.2014 geimpft und seither keine weiteren Behandlungen durchgeführt habe.
  • Auf Nachfrage stellte das Landratsamt B-Stadt dem Beklagten eine Kopie des vom impfenden Arzt Dr. T. erstellten Berichts über den Verdacht auf Impfkomplikation vom 08.08.2014 an das Paul-Ehrlich-Institut, in dem ein Krankheitsbeginn am 12.02.2014 angegeben wurde sowie die Antwort des Paul-Ehrlich-Instituts vom 29.09.2014, in der darauf hingewiesen wurde, dass es allgemein anerkannt sei, dass eine Myelitis transversa in einem Zeitraum von 5 bis 21 Tagen nach einem immunologischen Ereignis (Infektion oder möglicherweise auch Impfung) auftreten könne, zur Verfügung.
  • Der Allgemeinarzt B. berichtete dem Beklagten am 12.11.2014, dass die Klägerin erstmalig am 08.04.2014 wegen Taubheitsgefühls der unteren Extremität, betont am rechten Bein, bei ihm vorstellig gewesen sei.
  • Im Entlassungsbericht über eine neurologische stationäre Rehabilitation der Klägerin vom 25.09.2014 bis zum 29.10.2014 wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Rahmen der Anamnese angegeben habe, dass das Querschnittssyndrom im Februar 2014 begonnen habe, ab Mitte April deutlich progredient und in den letzten Wochen wieder regredient gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung habe sich weiterhin eine Hypästhesie und Hypalgesie sowie ein eingeschränktes Temperaturempfinden des rechten Beins bis oberhalb des Kniegelenks gezeigt. Die Klägerin sei als voll arbeitsfähig für eine vollschichtige Tätigkeit als Bürokauffrau entlassen worden.
  • Im Bericht zur MRT der HWS/BWS vom 18.06.2014 wird über eine Myelonläsion auf Höhe BWK 7 mit deutlich regredienter Schrankenstörung berichtet. Der Befund sei im zeitlichen Verhalten am ehesten als (post-)entzündlich zu werten.
Entschädigung wegen Impfschaden - Nachweis des Primärschadens
(Symbolfoto: Ground Picture/Shutterstock.com)

Am 18.12.2014 wurde die Klägerin versorgungsärztlich durch den Neurologen B. begutachtet. Der Sachverständige beschrieb eine bei der Klägerin vorliegende noch leichtgradige, rechtsbetonte, überwiegend sensible Querschnittssymptomatik. Er wies darauf hin, dass die Angaben der Klägerin zum Zeitpunkt der klinischen Manifestation der Erkrankung stark wechselnd seien. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Querschnittsmyelitis sei zwar möglich, aber wenig wahrscheinlich. Das Zeitfenster zwischen der Impfung und dem Auftreten der ersten klinischen Erscheinungen der Querschnittsmyelitis, die Entwicklung der Symptomatik im Verlauf, die deutlich geringere Inzidenz der Impfschäden bei der angeschuldigten Impfung gegenüber der Inzidenz von Querschnittsmyelitiden andere Genese sprächen gegen eine impfassoziierte Erkrankung.

Ebenfalls zu der Einschätzung, dass sich ein wahrscheinlicher Zusammenhang der Impfung mit der Querschnittsmyelitis nicht nachweisen lasse, kam der Neurologe und Psychiater Dr. K. vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten in seiner Stellungnahme vom 16.01.2015. Nach den zeitnahen Angaben der Klägerin sei die Entwicklung der Symptomatik einer Querschnittsmyelitis Anfang April 2014 erfolgt, also etwa zwei Monate nach der Impfung. Dies liege deutlich außerhalb eines Zeitraums von 5 bis 21 Tagen nach der Impfung, in dem ein Zusammenhang in Betracht komme.

Bei einer Kontrolluntersuchung der Klägerin in der neuroimmunologischen Ambulanz des Universitätsklinikums E-Stadt am 16.12.2014 zeigte sich eine rückläufige neurologische Ausfallsymptomatik (Arztbrief vom 20.01.2015). Nach dem bildgebenden Befund sei von einer (post-)entzündlichen Veränderung auszugehen.

Dr. K. wies in einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage am 05.03.2015 darauf hin, dass sich aufgrund des Befundberichts vom 20.01.2015 keine Änderung der Einschätzung ergebe und dass weder beim Robert-Koch-Institut noch bei den Fachinformationen eine Querschnittsmyelitis nach der Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis als Nebenwirkung genannt werde.

Mit Bescheid vom 24.03.2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung wegen der Impfung am 30.01.2014 ab. Er begründete dies mit dem zeitlichen Ablauf ab dem Auftreten der ersten klinischen Erscheinungen der Querschnittsmyelitis und der Entwicklung der Symptomatik im Verlauf. Eine Querschnittsmyelitis werde nicht bei den bekannten Nebenwirkungen der bei der Klägerin durchgeführten Impfung aufgeführt. Ein kausaler Zusammenhang sei zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich.

Mit Schreiben vom 07.04.2015 erhob die Klägerin Widerspruch. Den Ausführungen zum zeitlichen Ablauf müsse sie ausdrücklich widersprechen. Sie habe bereits „sofort nach der Impfung Symptome“ gehabt, die bei jedem Arzt protokolliert worden seien.

Auf Nachfrage des Beklagten trug die Klägerin mit Schreiben vom 30.04.2015 zum zeitlichen Ablauf vor, dass sie „bereits in der ersten Februarwoche 2014 … ein seltsames Gefühl an beiden Fußsohlen“ verspürt habe. Diese hätten gekribbelt und sie habe nicht richtig einordnen können, ob die Füße kalt oder gefühlsgestört seien. Sie habe im Büro ihre Füße immer auf warme Kirschkernsäckchen gestellt. In den folgenden Wochen seien auch die Unterschenkel bis zu den Knien pelzig geworden. Dies sei alles auszuhalten und für sie persönlich noch kein Grund gewesen, einen Arzt zu konsultieren. Am 26.02.2014 habe sie ein Arbeitsessen in einer B-Stadter Gaststätte ca. 500 m vom Büro entfernt gehabt. Sie erinnere sich, dass sie hier schon Probleme gehabt habe, über das Kopfsteinpflaster am Dom zu laufen, sich bei einer Arbeitskollegin am Arm eingehängt und auch die anderen Kollegen gebeten habe, nicht zu schnell zu laufen. Sie habe einfach den Ernst der Lage nicht erkannt. Sie habe auch in der Zukunft noch einige Renovierungsarbeiten zuhause geplant gehabt, sei aber zu der Zeit immer müde und auch von kleinen Anstrengungen völlig ausgelaugt und erschöpft gewesen. Mitte März, als die Symptome nicht besser geworden seien, habe sie auch kurzzeitig an einen Bandscheibenvorfall gedacht. Diese Gedanken habe sie aber beiseitegeschoben, da sie zu keiner Zeit irgendwelche Schmerzen in der Wirbelsäule verspürt habe. Als das Taubheitsgefühl die Oberschenkel erreicht gehabt habe, habe sie einer Freundin versprechen müssen, noch in derselben Woche einen Arzt aufzusuchen, was sie dann auch am 08.04.2014 getan habe. Am 12.04.2014 habe sie plötzlich in der Früh beim Duschen gemerkt, dass sie ihren Körper ab Bauchnabel abwärts nicht mehr spüre und alles taub sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sie auch nicht mehr richtig auf die Toilette gehen können. Während ihres Aufenthalts in der E. Uniklinik habe sie die Oberärztin gefragt, ob sie wohl zu lange gewartet habe, bis sie einen Arzt aufgesucht habe. Diese habe ihr zur Antwort gegeben, dass sogar sie als Ärztin selbst wegen dieser Symptome nicht gleich zum Arzt gegangen wäre.

In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.05.2015 wies Dr. K. nochmals darauf hin, dass in den Arztbriefen des Klinikums B-Stadt vom 24.04.2014 und im ersten Arztbrief des Universitätsklinikums E-Stadt vom 14.05.2014 die Entwicklung der Symptomatik einer Querschnittsmyelitis beschrieben worden sei, deren Beginn auf etwa zwei Monate nach der Impfung vom 30.01.2014 zu datieren sei. Erst später sei ein früherer Beginn angegeben worden. Aus den zeitnahen Arztbriefen ergebe sich daher ein Beginn der Symptomatik erst einige Zeit nach einem infrage kommenden Zeitraum von 5 bis 21 Tagen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nach den zeitnächsten ärztlichen Unterlagen sei von einem Beginn der Symptomatik etwa Anfang April 2014 auszugehen. Sofern die Klägerin im Schreiben vom 30.04.2015 nunmehr von ersten Beschwerden im Februar 2014 berichte, könne dies nicht als gesicherter Hinweis auf einen früheren Beginn der Erkrankung angesehen werden.

Am 01.07.2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben.

Mit 11-seitigem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 07.09.2015 ist die Klage wie folgt begründet worden:

Die Klägerin sei (nach einer FSME-Impfung am 26.11.2013) am 30.01.2014 ohne die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderliche ärztliche Aufklärung über das Impfrisiko gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis geimpft worden. Beide Impfungen würden als Adjuvans Aluminiumhydroxid enthalten. Bereits vor dem 26.02.2014 (Tag des Arbeitsessens) seien bei der Klägerin erste neurologische Beschwerden und Ausfallerscheinungen in Form von Kältegefühl in den Beinen bis hin zum Bauchnabel aufsteigend, Kribbeln in den Füßen und Beinen und Gehbeschwerden aufgetreten. Am 26.02.2014 habe die Klägerin den Weg von ihrem nicht einmal 1 km entfernten Arbeitsplatz bis zum Restaurant kaum und nur sehr langsam zurücklegen können. Die Klägerin habe von Arbeitskollegen gestützt werden müssen. Diese neurologischen Ausfallerscheinungen, die sich in der Folgezeit immer mehr gesteigert hätten, seien auch noch heute vorhanden, allerdings hätten sie sich etwas gebessert.

Diese neurologischen Ausfallerscheinungen der Klägerin hätten ihre Ursache in einer Überempfindlichkeitsreaktion entweder auf den Impfstoff selbst und/oder dessen Impfzusatzstoffe. Es spreche alles dafür, dass die Klägerin den Impfzusatzstoff Aluminiumhydroxid nicht zeitnah wieder über den Magen-Darm-Trakt habe ausscheiden können, wie dies an sich von den Immunologen geplant sei. Durch Impfungen würden Nanokristalle an Aluminium durch intramuskuläre Spritzen in den Oberarmmuskel gelangen. Von dort aus würde sich das Aluminiumhydroxid im Muskel- und Nervengewebe ausbreiten und u.a. auch ins Gehirn gelangen. Aluminiumhydroxid habe bekanntlich giftige Eigenschaften. Es könne das Gleichgewicht des Immunsystems stören und dadurch eine Infektanfälligkeit und die Entstehung allergischer und wahrscheinlich auch autoimmuner Krankheiten begünstigen. Wenn der Körper nicht wie geplant das Aluminium wieder rasch ausscheiden könne, lägen die mit dem Aluminiumkristall angereicherten Fresszellen im Muskelgewebe, Organen und im Gehirn verteilt. Das Immunsystem bleibe dauerhaft alarmiert. Dies führe zu Schmerzen, Missempfindungen, Schwäche und Erschöpfung. Neue Studien würden sogar auf eine direkte Verbindung zwischen Aluminiumhydroxid in Impfstoffen und Symptomen von Lateralsklerose hindeuten. Der für das Golfkriegssyndrom verantwortliche Stoff sei das Aluminiumhydroxid, wie eine Studie ergeben habe. Untersuchungen an Mäusen hätten dies bestätigt. Was das Aluminiumhydroxid verursachen könne, wenn es direkt in den Muskel gespritzt werde, wisse man bis heute nicht ganz genau. Man gehe aber davon aus, dass dadurch die schützende Schicht der Nerven geschädigt werde, wodurch die Nervenleitgeschwindigkeit beeinträchtigt werde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die immense, aber leider unspezifische Steigerung des Immunsystems allein schon die intolerabel große Gefahr der Induktion von Autoimmunität impliziere. Das unspezifisch wild gemachte Immunsystem attackiere körpereigene Zellen. Bei Erwachsenen lägen mittlerweile viele Publikationen vor, jedoch leider nur in Bezug auf die lokale Wirkung von Aluminium in Form der Muskelzerstörung. Es sei eine umfangreiche epidemiologische Verlaufskontrolle zur Etablierung eines möglichen kausalen Zusammenhangs zwischen postvakzinalen fokalen MMF-Läsionen und der Verwendung von Aluminiumhydroxid erforderlich, die ihrem Wissen nach bis heute nicht erhoben worden sei.

Im Falle der Klägerin liege nach Meinung der medizinischen Berater der Bevollmächtigten das Problem darin, dass die Klägerin in geringen zeitlichen Abständen sehr viele Impfungen erhalten habe, die als Wirksamkeitsverstärker Aluminiumhydroxid enthalten hätten, so dass sich zu viel Aluminiumhydroxid im Körper der Klägerin summiert und dort Autoimmunreaktionen verursacht habe.

Es sei lange Zeit Taktik der Versorgungsämter und Sozialgerichte gewesen, in Impfschadensfällen entweder solche Gutachter zu beauftragen, die über keine impfschadensrechtliche Spezialkenntnisse verfügen würden, oder solche Gutachter auszuwählen, bei denen man sich möglichst sicher darauf verlassen könne, dass sie negative Gutachten erstellen würden. Da sie, die Bevollmächtigte, in der Vergangenheit diesen Gutachten jedoch viel Material über ausländische, von der Pharmaindustrie unabhängige Impfforschung zur Verfügung gestellt habe, habe diese Taktik in der Vergangenheit immer seltener zum Erfolg geführt. Vielmehr seien sich immer mehr Schulmediziner bewusst geworden, dass es in Deutschland eklatante Defizite in der Impfforschung und der Impfschadensforschung gebe.

In einer Dissertation aus dem Jahr 2014 rüge (der Arzt) Benedikt Jordan Missstände bei der Auswahl von Gerichtsgutachtern und deutliche Signale der Richter hinsichtlich des gewünschten Ergebnisses der von den Gerichten in Auftrag gegebenen Gutachten. Auch ihr, der Bevollmächtigten, hätten einige Impfschadensgutachter quasi unter der Hand gesagt, dass auch sie bereits solche Signale erhalten hätten.

Bei der Meldung von Impfschadensverdachtsfällen bestehe eine hohe Dunkelziffer von ca. 95 %, weil die Ärzte die Meldung entweder aus ideologischen Gründen nicht durchführen oder weil sie unnötigen Papierkrieg fürchten würden. Aktuell tue sich unglaublich viel in der unabhängigen deutschen Impfrisikoforschung. Selbst der Verband der Lebensmittelchemiker des Saarlandes habe am 03.10.2014 auf das Risikopotenzial von Aluminium in Lebensmitteln hingewiesen. Allmählich würden immer häufiger weitere unabhängige Forschungen zum Risikopotenzial des Impfzusatzstoffs Aluminiumhydroxid verlangt. Von einer raschen und unbürokratischen Impfschadensregulierung, wie sie der Vorsitzende der ständigen Impfkommission behaupte, habe sie in den rund 40 Jahren, in denen sie, die Bevollmächtigte, schwerpunktmäßig im Impfschadensrecht tätig sei, leider noch nichts gehört. Nach Meinung ihrer ärztlichen Berater spreche im vorliegenden Fall deutlich mehr für als gegen eine Impfschädigung.

Mit Schriftsatz vom 14.09.2015 hat die Bevollmächtigte der Klägerin zwei im Schriftbild mit Ausnahme der Unterschriften identische und in den Formulierungen sehr ähnliche eidesstattliche Erklärungen von Kollegen der Klägerin vorgelegt, wonach die Klägerin schon Ende Januar/Anfang Februar 2014 von einem komischen Gefühl an den Fußsohlen bzw. kalten Füßen berichtet und Gehschwierigkeiten am 26.02.2014 bei einem Arbeitsessen gezeigt habe.

Anschließend hat das SG ärztliche Unterlagen beim Allgemeinarzt B. angefordert. Dieser hat am 05.01.2016 berichtet, dass er die Klägerin am 08.04.2014 behandelt habe. Es liege eine Myelitis mit spinaler Querschnittssymptomatik vor. Zudem hat er angegeben, dass bei der Klägerin seit 2004 eine „psychovegetative Erschöpfung, Angststörung und Anpassungsstörung mit bisher leichter depressiver Symptomatik“ vorliege.

Der Facharzt für medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie Prof. Dr. J. (Leiter des Bereichs Klinische Virologie und Infektionsimmunologie am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität R-Stadt) hat am 12.08.2016 im Auftrag des SG ein 30-seitiges Gutachten zur Frage eines Impfschadens erstellt. Er ist darin zu der Einschätzung gekommen, dass ein Impfschaden nicht vorliege. Im Einzelnen hat er Folgendes ausgeführt:

Der Begriff einer Querschnittsmyelitis (Myelitis transversa) beschreibe eine Gruppe entzündlicher Erkrankungen des Rückenmarks, die meist im thorakalen Bereich aufträten. Die Symptomatik erkläre sich durch die Unterbrechung der Nervenbahnen und bestehe in motorischen Ausfallerscheinungen und sensiblen Störungen bzw. Ausfallerscheinungen. Meist seien auch Vorgänge wie die Blasen- und Darmfunktion beeinträchtigt. Die Erkrankung nehme in der Regel einen akuten bis subakuten Verlauf. Die Schwere der Symptomatik nehme in der Regel kontinuierlich in einem Zeitraum von 4 bis 21 Tagen zu. In mehr als 80 % der Fälle würden die klinischen Erscheinungen ihren Höhepunkt innerhalb von zehn Tagen nach Beginn der Erkrankung erreichen. Bei 75 bis 90 % aller Patienten verlaufe die idiopathische Querschnittsmyelitis monophasisch. Die Progredienz der Symptomatik sistiere nach 2 bis 3 Wochen und bilde sich dann allmählich zurück. Die Erkrankung könne vielfältige Ursachen haben. In den meisten Fällen dürften Autoimmunphänomene eine Rolle spielen. Als auslösende Ereignisse kämen Infekte infrage, aber auch vorausgegangene Impfungen würden immer wieder angeschuldigt. Weitere Ursachen seien direkte Infektionen, systemische Autoimmunerkrankungen oder Erkrankungen wie Multiple Sklerose. In 15 bis 30 % aller Fälle lasse sich eine auslösende Ursache nicht finden. Alle Fälle, die nicht gleichzeitig mit einer bekannten entzündlichen Erkrankung (z.B. multiple Sklerose) einhergehen würden, würden als idiopathische bezeichnet. Die von manchen Autoren davon abgegrenzten postinfektiösen oder postvakzinalen Fälle würden den gleichen klinischen Verlauf wie die idiopathischen Erkrankungen zeigen. Alle drei Formen würden in der Regel monophasisch verlaufen, während die im Rahmen einer anderen demyelinisierenden Erkrankung (z.B. multiple Sklerose) auftretenden Myelitis zu Rückfällen neigen würden. Die Inzidenz der Erkrankung werde neueren Untersuchungen zufolge mit 3,1 pro 100.000 in den USA bzw. 2,46 pro 100.000 in Neuseeland angegeben. Relativ häufig seien Fälle mit späterer Multipler Sklerose. Die Inzidenz der wesentlich selteneren Fälle von idiopathischer Myelitis transversa hätten die Autoren mit 6,2 pro Million errechnet, was mit früheren Studien übereinstimme, in denen eine Inzidenz der idiopathischen Form von 1,3 bis 8 pro Million gefunden worden sei.

Der bei der Klägerin verwendete Kombinationsimpfstoff Boostrix(r) werde zur Auffrischungsimpfung bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eingesetzt. Als Komplikationen würden in den Hinweisen der Ständigen Impfkommission neben möglichen allergischen Reaktionen in Einzelfällen Komplikationen des peripheren Nervensystems (Neuritiden, Neuropathie, Guillain-Barré-Syndrom) oder vorübergehende Thrombozytopenien als nicht ausschließbar bezeichnet, seien aber bisher nicht beobachtet worden. Die Fachinformation des Impfstoffes führe auch einige neurologische Nebenwirkungen bzw. Komplikationen (Kopfschmerzen, Schwindel, gelegentlich Synkopen) auf. Die gemeldeten Komplikationen würden Krampfanfälle betreffen. Im Bericht des amerikanischen Institute of Medicine zu Impfnebenwirkungen sei auch die Querschnittsmyelitis aufgeführt, wobei die zitierten Einzelfallberichte über möglicherweise mit der Impfung assoziierte Fälle nach Meinung der Autoren keine Aussage darüber zulassen würden, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Impfung und Myelitis transversa bestehe.

In der Fachliteratur fänden sich eine Reihe von Einzelfallberichten über Querschnittsmyelitiden und Impfungen. Eine Veröffentlichung von 2009 habe 37 derartige Berichte zusammengefasst, wobei es sich um zwischen 1971 und 2007 publizierte Fälle gehandelt habe, bei denen es nach Impfungen mit den verschiedensten Impfstoffen zum Auftreten einer Querschnittsmyelitis gekommen sei. Die Autoren dieser Veröffentlichung hätten aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs (28 der 37 Fälle hätten sich innerhalb von vier Wochen nach der Impfung ereignet) die Impfungen als wahrscheinliche Ursache für das Auftreten der Querschnittsmyelitis vermutet. Dem habe die Vorstellung zu Grunde gelegen, dass ein allen verwendeten Impfstoffen gemeinsamer Faktor, wie etwa ein Adjuvans, dieses Syndrom auslösen könne. Allerdings hätten die Autoren auch darauf hingewiesen, dass nur in drei Fällen einer Impfung mit einem Polio-Lebendimpfstoff ein Kausalzusammenhang nachgewiesen worden sei. Es habe sich dabei um persistierende Infektionen mit dem Impfvirus gehandelt, das offensichtlich die Rückenmarksläsion verursacht habe. Eine kritische Analyse der in dieser Arbeit vorgestellten Daten führe allerdings zu dem Schluss, dass abgesehen von den drei Poliofällen außer dem zeitlichen Zusammenhang nichts für einen Kausalzusammenhang spreche. Die Erkrankung sei nach 14 verschiedenen Impfungen beobachtet worden, wobei nahezu alle Arten von Impfstoffen eingesetzt worden seien. Wenn die Autoren die Vermutung äußern würden, dass als den Impfstoffen gemeinsamer Faktor das Adjuvans in Frage komme, das für die Querschnittsmyelitis verantwortlich sein könnte, müsse angemerkt werden, dass von den 34 Impfungen nur 19 mit Impfstoffen mit Adjuvans erfolgt seien. Davon sei in drei Fällen die Querschnittsmyelitis erst nach 3, 5 und mehr als 6 Monaten aufgetreten, so dass nicht mehr von einem engen zeitlichen Zusammenhang gesprochen werden könne. Damit treffe die von den Autoren geäußerte Vermutung des Adjuvans als möglicher Auslöser der Querschnittsmyelitis nur in höchstens der Hälfte der Fälle zu, der Rest der Fälle lasse sich kaum durch ein gemeinsames auslösendes Agens erklären. Dass durch Adjuvantien, speziell die am häufigsten in Impfstoffen enthaltenen Aluminiumverbindungen, Autoimmunphänomene ausgelöst würden, werde von der für diese Publikation verantwortlichen Arbeitsgruppe immer wieder ins Feld geführt. Shoenfeld u.a. (2011) würden insofern die Existenz eines Syndroms postulieren, dass sie als ASIA bezeichnen würden und das als Folge einer Impfung mit adjuvantierten Impfstoffen die Auslösung von Autoimmunphänomenen nach sich ziehe. Allerdings beruhe die Annahme eines solchen Syndroms nur auf Hypothesen. Studien, die die Existenz dieses Syndroms belegen würden, gebe es nicht. Im Endeffekt könne daher auch aus einer im Jahr 2015 veröffentlichten Arbeit zu ASIA (Pellegrino u.a.) nicht der Schluss gezogen werden, dass in den beschriebenen Fällen ein Kausalzusammenhang zwischen Impfung und Auftreten einer Querschnittsmyelitis bestehe. Auch die Zahl der aufgeführten Fallberichte sei nicht dazu geeignet, da sich die 37 Fälle über einen Zeitraum von 37 Jahren verteilt ereignet hätten. Unter Zugrundelegung einer Spontaninzidenz von etwa drei Fällen auf 100.000 Bewohner eines Landes für alle Formen einer Querschnittsmyelitis seien bei 1.000.000 Geimpfter 3 Fälle von Querschnittsmyelitis innerhalb eines 6-Wochen-Zeitraums (als maximales Zeitfenster für impfbedingte Komplikationen) zu erwarten, ohne dass man daraus auf die Impfung als Auslöser schließen dürfe. In einer weiteren Metaanalyse seien nach Impfungen aufgetretene entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems untersucht worden, darunter auch Myelitiden (Karussis und Petrou 2014). Dazu seien alle entsprechenden Publikationen der Jahre 1979 bis 2013 analysiert werden. Unter den ausgewerteten Fällen hätten sich auch 24 verschiedene Formen einer Myelitis befunden. Wie in der oben zitierten Untersuchung seien die Erkrankungen nach einer Vielzahl verschiedener Impfungen aufgetreten. Auch in dieser Studie hätten keine eindeutigen Hinweise auf einen Kausalzusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung gefunden werden können. Die Autoren seien zu dem Schluss gekommen, die Analyse der Daten aller epidemiologischen Studien spreche gegen einen eindeutigen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen generell und dem Auftreten einer multiplen Sklerose oder anderer demyelisierender Erkrankungen.

Wenn auch in den angeführten Untersuchungen kein Beweis für einen Kausalzusammenhang zwischen einer Impfung und dem Auftreten einer Querschnittsmyelitis habe erbracht werden können, spreche das nicht prinzipiell gegen eine solche Möglichkeit. Nach gegenwärtigem Verständnis seien die meisten Querschnittsmyelitiden die Folge von Autoimmunreaktionen, würden also Autoimmunkrankheiten darstellen. Die Ätiologie von Autoimmunkrankheiten sei aber auch heute noch Gegenstand intensiver Untersuchungen und werde immer noch nur bruchstückhaft verstanden. Auch für die Querschnittsmyelitis würden u.a. vorausgegangene Infektionen als ursächlich angenommen, immer wieder würden auch Impfungen als auslösende Faktoren angeschuldigt, ohne dass es Beweise für eine Kausalität gebe (West u.a. 2012). Bewiesen sei die Auslösung einer Autoimmunerkrankung durch eine Masern-Mumps-Röteln-Impfung, wo es in etwa einem Fall auf 30.000 Impfungen zu einer Thrombozytopenie komme sowie für einen 1976/77 eingesetzten Impfstoff gegen Schweinegrippe. Daneben sei aber auch der normale saisonale Grippeimpfstoff in der Lage, ein Guillain-Barré-Syndrom hervorzurufen. Man müsse also davon ausgehen, dass die Induktion von Autoimmunvorgängen durch Impfungen prinzipiell möglich sei. Da es sich dabei aber um ein multifaktorielles Geschehen handle, bei dem neben dem Impfstoff auch weitere Umstände (Umweltfaktoren, immunologische Eigenschaften des Geimpften, genetische Faktoren) eine Rolle spielen würden, dürften solche Ereignisse als eindeutige Impffolge, wenn sie denn überhaupt vorkämen, extrem selten auftreten. Aus vorliegenden Untersuchungen lasse sich ableiten, dass impfbedingte Autoimmunphänomene, wenn sie denn tatsächlich vorkämen, extrem selten seien. Das grundlegende Problem sei, im Einzelfall zu beweisen, dass eine sehr seltene Autoimmunkrankheit durch eine Impfung induziert worden sei oder eine solche Schädigung auch nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine Impfung zurückzuführen sei. Am Beispiel eines nach einer Influenzaimpfung aufgetreten Guillain-Barré-Syndroms hat der Sachverständige in der Folge erläutert, dass die Wahrscheinlichkeit eines spontan auftretenden Guillain-Barré-Syndroms immer höher als die Wahrscheinlichkeit eines impfinduzierten Guillain-Barré-Syndroms sei, obwohl in einigen wenigen Einzelfällen die Influenzaimpfung für die Erkrankung tatsächlich verantwortlich sei. Im vorliegenden Fall der Klägerin sei die Situation noch komplizierter. Die Spontaninzidenz einer idiopathischen Querschnittsmyelitis sei mit etwa sechs Fällen pro Million und Jahr extrem niedrig. Bislang habe keine Studie eine erhöhte Inzidenz einer Querschnittsmyelitis bei Geimpften gezeigt (West u.a. 2012). Wenn tatsächlich impfinduzierte Myelitiden vorkommen sollten, sollte also ihre Häufigkeit vergleichbar oder niedriger als die Häufigkeit der spontan auftretenden Fälle sein. Die Wahrscheinlichkeit einer spontan auftretenden Querschnittsmyelitis dürfte aber höher sein als die Wahrscheinlichkeit einer impfinduzierten Erkrankung.

Eine im Jahr 2015 publizierte Schrift des Paul-Ehrlich-Instituts „Sicherheitsbewertung von Aluminium in Impfstoffen“ (Weisser) habe den derzeitigen Kenntnisstand zu Aluminium in Impfstoffen dahingehend zusammengefasst, dass es aus klinischen Studien und aus der Spontanerfassung von Nebenwirkungen in Deutschland kein Signal zu einer aluminiumbedingten Toxizität nach Impfungen gebe. Der Beitrag von Impfungen zur geschätzten lebenslangen Nettoakkumulation von Aluminium im Organismus sei im Vergleich zur kontinuierlichen Aufnahme von Aluminium aus anderen Quellen gering. Es seien keine wissenschaftlichen Analysen bekannt, die eine Gefährdung von Kindern oder Erwachsenen durch Impfungen mit aluminiumhaltigen Adjuvantien zeigen würden.

Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin der Meinung sei, der impfende Arzt hätte die Klägerin über ein besonderes Risiko aufgrund der neun Wochen zuvor durchgeführten FSME-Impfung aufklären müssen, weil beide Impfstoffe das Adjuvans Aluminiumhydroxid enthalten würden, irre sie. Es gebe keinen glaubwürdigen Hinweis darauf, dass die gleichzeitige oder in kürzeren Abständen erfolgte Verabreichung von zwei oder auch mehreren Impfstoffen, die das Adjuvans Aluminiumhydroxid oder Aluminiumphosphat enthalten würden, ein besonderes Risiko darstellen würde. Dies ergebe sich schon daraus, dass die meisten mit Aluminiumverbindungen adjuvantierten Totimpfstoffe zur Grundimmunisierung mehrere Dosen benötigen würden, wobei die ersten beiden üblicherweise im Abstand von vier Wochen gegeben würden.

Wenn die Bevollmächtigte annehme, dass die Klägerin das Aluminiumhydroxid nicht zeitnah über den Magen-Darm-Trakt wieder habe ausscheiden können, unterliege sie zwei Irrtümern. Zum einen werde das Aluminium nur langsam freigesetzt und ausschließlich über die Nieren ausgeschieden. Zum anderen sei nicht einzusehen, warum die Klägerin jetzt Probleme mit Aluminiumhydroxid haben sollte. Wie ihrer Impfpass-Kopie zu entnehmen sei, sei sie zwischen 1968 und 1985 sechsmal mit Impfstoffen geimpft worden, die Aluminiumverbindungen als Adjuvans enthalten hätten, darunter zweimal auch in Abständen von vier bzw. nur zwei Wochen, dies offensichtlich ohne irgendwelche negativen Effekte. Eine genetische Komponente, wie sie die Bevollmächtigte offensichtlich vermute, könne hier also keine Rolle spielen.

Die Induktion von Autoimmunkrankheiten durch aluminiumhaltige Adjuvantien, wie sie Shoenfeld zu ASIA postuliere, sei nur eine Hypothese.

Wenn die Bevollmächtigte auf Publikationen von Shaw Bezug nehme, habe dies nur indirekt mit dem hier zu beurteilenden Fall zu tun. Dessen Publikationen, in denen er aluminiumhaltige Adjuvantien als Ursache für frühkindlichen Autismus sehe, hätten heftigsten Widerspruch einer Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation hervorgerufen, die ihm schwere Fehler in Statistik und Epidemiologie vorgeworfen hätten. Das Golfkriegssyndrom, das er allein auf aluminiumhaltige Adjuvantien zurückführe, werde heute als Vergiftung mit einer Reihe von neurotoxischen Substanzen (Organophosphate, Sarin, Pyridostigminbromid) aufgefasst. Der Einfluss verschiedener Impfstoffe könne zwar nicht ausgeschlossen werden, aber die genannten Substanzen würden als die wahrscheinlichsten Verursacher gelten

Die Aussage der Bevollmächtigten, dass die schützende Isolierung der Nerven durch das in Impfstoffen enthaltenen Aluminiumhydroxid geschädigt werde, sei wissenschaftlich nicht haltbar.

Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin das Problem darin sehe, dass die Klägerin in geringem zeitlichem Abständen „sehr viele Impfungen“ enthalten habe, die als Adjuvans Aluminiumhydroxid enthalten hätten, so dass sich zu viel Aluminium im Körper der Klägerin summiert und dort eine Autoimmunreaktion verursacht habe, sei einiges richtigzustellen. Die Klägerin habe im Abstand von 9 Wochen zwei Impfungen, also nicht „viele“ erhalten. Die dabei verabreichte Menge Aluminium habe 0,85 mg betragen. Die Ständige Impfkommission empfehle für Säuglinge im dritten, vierten und fünften Monat insgesamt fünf Einzelimpfungen mit einem Aluminiumgehalt von zusammen 2,7 mg, also der mehr als dreifachen Menge. Die Klägerin habe im Jahr 1971 zwei Impfungen innerhalb von vier Wochen und 1985 zwei Impfungen im Abstand von 14 Tagen erhalten mit jeweils 0,3 bis 1,25 mg Aluminium pro Dosis. Es könne also keine Rede davon sein, dass sich durch die 2013 und 2014 applizierten Impfstoffe zu viel Aluminiumhydroxid im Körper der Klägerin summiert habe. Ob es bei der Klägerin durch die Impfung zu einer Autoimmunreaktion gekommen sein könne, müsse diskutiert werden, habe aber sehr wahrscheinlich nichts mit einem zu viel an Aluminiumhydroxid zu tun.

Außer der Annahme, dass die Erkrankung der Klägerin bereits wenige Tage nach der Impfung begonnen habe, bleibe also von den Argumenten der Bevollmächtigten nicht viel übrig, was für eine impfbedingte Schädigung angeführt werden könnte.

Zusammenfassend hat der Sachverständige Folgendes festgehalten:

  • In der wissenschaftlichen Literatur gebe es keinen Beweis dafür, dass eine Impfung, insbesondere die gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis, eine Querschnittsmyelitis auslösen könne, auch wenn eine solche Möglichkeit durchaus angesprochen werde.
  • Wissenschaftlich sei es durchaus vertretbar, anzunehmen, dass Impfungen prinzipiell in der Lage seien, Autoimmunerkrankungen auszulösen. Auch die bei der Klägerin diagnostizierte Querschnittsmyelitis dürfte autoimmunologisch bedingt gewesen sein, wofür vor allem das prompte Ansprechen auf die Plasmapheresetherapie spreche, bei der für den Erkrankungsprozess möglicherweise verantwortliche Autoantikörper entfernt würden. Auf diese Weise könnte eine Querschnittsmyelitis in einigen wenigen Fällen durch eine Impfung verursacht werden. Da Querschnittsmyelitiden insgesamt aber sehr selten seien, wäre es denkbar, dass ein solcher Zusammenhang bisher einfach nur nicht gefunden worden sei.
  • Für den Fall, dass bei der Klägerin eine impfbedingte Querschnittsmyelitis angenommen werde, müssten bestimmte Bedingungen erfüllt sein. So müsse die Erkrankung in einem bestimmten zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung stehen, der in der Regel mit Tagen bis wenigen Wochen angenommen werde. Die ersten dokumentierten klinischen Erscheinungen würden sich bei der Klägerin aber erst Mitte April 2014, also fast 11 Wochen nach der Impfung finden. Die Klägerin habe während des ersten Klinikaufenthalts angegeben, seit ca. 14 Tagen stärkere und zunehmende Beschwerden zu haben, was für einen Beginn der ausgeprägten Symptomatik Ende März 2014 spreche. In der Uniklinik E-Stadt habe sie am 28.04.2014 berichtet, seit 4 bis 6 Wochen Beschwerden zu haben. Demnach hätten die Beschwerden 6 bis 8 Wochen nach der Impfung bekommen. In beiden Fällen würde dieser späte Beginn der Beschwerden eher gegen einen Kausalzusammenhang der Erkrankung mit der Impfung sprechen. Wenn die Klägerin später ausführe, dass die Sensibilitätsstörungen bereits Anfang Februar aufgetreten seien, also wenige Tage nach der Impfung – die erst spät eingetretene Erinnerung könnte dafür sprechen, dass die anfänglichen Beschwerden bis zur akuten Verschlechterung Ende März verhältnismäßig blande gewesen seien -, würden diese Angaben eventuell Einiges über den Verlauf der Erkrankung aussagen, die offensichtlich über etliche Wochen relativ mild verlaufen sei, um sich dann plötzlich, gegen Ende März, rapide zu verschlechtern. Dies wiederum passe aber nicht zum typischen Verlauf einer idiopathischen Querschnittsmyelitis, bei der die Schwere der Symptomatik in der Regel kontinuierlich in einem Zeitraum von 4 bis 21 Tagen zunehme und in mehr als 80 % der Fälle die klinischen Erscheinungen ihren Höhepunkt sogar innerhalb von zehn Tagen erreichen würden. Hier liege es nun nahe, den diagnostizierten Vitamin B12-Mangel als Mitursache der Erkrankung in Erwägung zu ziehen. Die in der Frühphase der Erkrankung von der Klägerin geschilderte Symptomatik entspreche ziemlich genau den neurologischen Symptomen eines Vitamin B12-Mangels, wie sie z.B. in einem Übersichtsartikel zum Vitamin B12-Mangel von Kisters (2015) genannt würden: „Parästhesien (Kribbeln bzw. Ameisenlaufen in Armen und Beinen), Sensibilitätsstörungen (z.B. pelziges Taubheitsgefühl), Gangunsicherheit (Gehen wie auf Watte), erhöhte Sturzneigung“. Es sei also nicht auszuschließen, dass zwei verschiedene Faktoren an der Entstehung der Erkrankung der Klägerin beteiligt gewesen seien, nämlich der Vitamin B12-Mangel, der die initiale Symptomatik erklären könne, und ein deutlich später einsetzender Autoimmunprozess. Damit ergebe sich als mögliche Erklärung der Erkrankung der Klägerin eine sich (zufällig) wenige Tage nach der Impfung manifestierende neurologische Symptomatik auf der Basis eines nachgewiesenen Vitamin B12-Mangels sowie eine erst 6 bis 8 Wochen nach der Impfung auftretende idiopathische monophasische Querschnittsmyelitis, die aufgrund der späten Beginns ätiologisch höchstwahrscheinlich in keinem Zusammenhang mit der vorausgegangenen Impfung stehe. Nehme man andererseits an, dass die Querschnittsmyelitis bereits unmittelbar nach der Impfung bekommen habe, liege ein sehr untypischer Verlauf der Erkrankung vor, deren Höhepunkt statt nach 4 bis 21 Tagen erst nach elf Wochen erreicht sei.
  • Die aufgezeigten Überlegungen sprächen eher dagegen, dass die Impfung verantwortlich für die Erkrankung der Klägerin sei. Berücksichtige man noch, dass es keinen eindeutig bewiesenen Fall einer impfinduzierten Querschnittsmyelitis gebe und auch aus epidemiologischer Sicht kein Hinweis auf eine erhöhte Inzidenz von Querschnittsmyelitiden nach Impfungen existiere, müsse man zu dem Schluss kommen, dass im vorliegenden Fall ein Kausalzusammenhang der bei der Klägerin am 30.01.2014 durchgeführten Impfung und der bei ihr aufgetretenen Querschnittsmyelitis prinzipiell zwar möglich, aber wenig wahrscheinlich sei.
  • Abschließend hat der Sachverständige nochmals auf das in derartigen Fällen immer wieder auftretende Dilemma hingewiesen, dass bei seltenen Erkrankungen aufgrund der noch selteneren impfbedingten Erkrankungen die Spontaninzidenz der Erkrankung u.U. höher als die Inzidenz der durch eine Impfung verursachten Erkrankung sei und sich daraus ergebe, dass ein Impfschaden immer weniger wahrscheinlich sein werde als eine spontan auftretende Erkrankung, damit aber auch der tatsächlich Betroffene leer ausgehen würde.

Die Bevollmächtigte der Klägerin hat sich zum Gutachten mit Schriftsatz vom 25.10.2016 wie folgt geäußert: Der Sachverständige sei zwar ein international angesehener Mikrobiologe, jedoch kein Neurologe. Trotzdem habe er unter Überschreitung der Grenzen seines Fachgebiets umfangreiche neurologische Ausführungen gemacht. Es werde daher beantragt, ein immunologisches, neurologisches und neuropathisches Zusatzgutachten erstellen zu lassen. Die Beschwerden, unter denen die Klägerin in einem für einen Impfschaden typischen zeitlichen Abstand erstmals gelitten habe, seien nicht durch einen Vitamin B12-Mangel verursacht. Der Vitamin B12-Wert sei grenzwertig normal, allenfalls geringfügig niedrig gewesen. Die bei der Klägerin in einem zeitlichen Abstand von sechs Wochen erstmals aufgetretenen und durch Zeugenaussagen beweisbaren neurologischen Ausfallerscheinungen würden sich dadurch keinesfalls erklären lassen. Keiner der behandelnden Ärzte hätte jemals in Betracht gezogen, dass die bei der Klägerin vorliegenden Ausfallerscheinungen in einem Zusammenhang mit dem Vitaminmangel stehen könnten. Vor der Impfung hätte die Klägerin niemals Depressionen, Müdigkeit, Muskelschwäche, Gedächtnisstörungen oder sonstige Anzeichen gehabt, die auf einen schweren Vitamin B12-Mangel hätten schließen lassen. Vor der streitgegenständlichen FSME-Impfung sei die Klägerin gesund gewesen und habe nie über eine Pelzigkeit der Beine oder Müdigkeit geklagt. Auf das Gutachten des Sachverständigen könne eine Entscheidung auch deshalb nicht gestützt werden, weil er sein Gutachten unter Nichtbeachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erstellt habe. Soweit der Gutachter das Fehlen ärztlicher Unterlagen zum Beweis für die Impfkomplikation der Klägerin innerhalb der 6-Wochen-Frist nach der FSME-Impfung beanstandet habe, widerspreche dies der Rechtsprechung des BSG. Danach würden alle üblichen Beweismittel für den Nachweis in Betracht kommen.

Die Bevollmächtigte hat ihrem Schriftsatz weitere Unterlagen beigelegt,

  • ein ärztliches Attest des Allgemeinarztes B. vom 10.10.2016, wonach sich die Klägerin erstmals am 08.04.2014 „wegen neurologischer Ausfälle an der unteren Extremität“ in seiner Sprechstunde vorgestellt habe; die Beschwerden hätten „seit einigen Wochen mit zunehmender Tendenz“ bestanden. Vorher seien solche Symptome oder auch andere Erschöpfungszustände nicht aufgetreten. Bei der Bestimmung des Vitamin B12-Wertes am 08.04.2014 habe sich ein geringfügig erniedrigter Wert gezeigt, der aus seiner Sicht nicht mit den Beschwerden in Verbindung gebracht werden könne.
  • einen Befundschein vom 30.04.2014 über eine serologische Untersuchung und Begutachtung, wonach die Serologie für eine zurückliegende FSME-Virus-Infektion oder einen Zustand nach FSME-Impfung spreche. Die Liquorserologie sei unauffällig.

Die Neurologin und Psychiaterin B. vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten hat sich am 30.11.2016 in einer Stellungnahme dahingehend geäußert, dass der nachgewiesene Vitamin B12-Mangel aus ihrer Sicht eine wesentliche erklärende Kausalität darstelle. Er erklärte die beschriebenen Sensibilitätsstörungen ausreichend. Wenn die Bevollmächtigte der Klägerin behaupte, ein Vitamin B12-Mangel habe nicht vorgelegen, sei dies durch die vorliegenden Unterlagen widerlegt. Im Bericht aus dem Universitätsklinikum E-Stadt sei der für eine Therapie entscheidende Holo-Transcobalamin-Wert mit 38,1 bei einem Normalwert von über 50 festgestellt worden.

Nachdem zur mündlichen Verhandlung geladen worden war, hat die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 25.01.2017 die Einholung diverser weiterer Gutachten (neurologisch, toxikologisch, internistisch, zu Autoimmunkrankheiten) beantragt und nochmals wiederholt, dass die Klägerin vor den streitgegenständlichen Impfungen keinerlei auf einen Vitamin B12-Mangel hindeutenden Symptome oder Therapiebedarf gehabt habe. Die bei der Klägerin aufgetretenen Symptome seien einer Autoimmunerkrankung zuzurechnen; vielen Nervenerkrankungen liege ein Autoimmunprozess zu Grunde. Die Stellungnahme der Versorgungsärztin sei ein bloßer Parteivortrag.

Mit Urteil vom 14.02.2017 ist die Klage abgewiesen worden; es liege weder eine Impfkomplikation noch die notwendige Kausalität dahingehend vor, dass die Querschnittsmyelitis neben anderen Mitursachen zumindest mit annähernd gleichwertiger Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Impfung zurückzuführen sei.

Mit Schriftsatz vom 22.02.2017 hat die Bevollmächtigte der Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe es – so die Bevollmächtigte – abgelehnt, ein neurologisches Gutachten einzuholen und sich stattdessen auf ein neurologisches Gutachten eines Mitarbeiters des Beklagten gestützt.

Mit 12-seitigem Schriftsatz vom 11.04.2017 ist die Berufung „kursorisch“ wie folgt begründet worden: Das SG sei seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen. Es habe sich auf der Grundlage des Gutachtens des Mikrobiologen Prof. Dr. J. vorschnell eine Meinung gebildet. Obwohl die Klägerin vom zuständigen Gesundheitsamt, dem Impfarzt und auch dem behandelnden Arzt den Rat erhalten habe, wegen ihrer in einem für einen Impfschaden typischen zeitlichen Abstand erstmals aufgetretenen Beschwerden einen Antrag auf Impfschadens anerkennen zu stellen, sei der Fall für den Vorsitzenden Richter des SG von vornherein klar gewesen. Nach seiner vorgefassten Meinung liege kein Impfschaden vor. Der Vorsitzende Richter des SG lehne in bewährter Kooperation mit dem Mikrobiologen Prof. Dr. J. Impfschäden ab, wenn diese nicht typisch oder epidemiologisch, d.h. statistisch signifikant nachweisbar seien. Epidemiologische Studien würden jedoch bei seltenen Impfschäden versagen. Der Richter habe eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur Kausalitätsbeurteilung, die in einem Verfahren vor dem SG Darmstadt abgegeben worden sei, missachtet, in der es heiße, dass epidemiologische Studien im Hinblick auf die Seltenheit von Impfschäden schon aus methodischen Gründen nicht geeignet zur Beurteilung seien. Diese Arbeitsweise dürfe im Interesse der Impfmoral nicht Schule machen. Bei vorhandenen genetischen Schwachstellen wie bei der Klägerin gebe es auch atypische Impfschadensfälle, die mit Methoden der Statistik nicht nachweisbar seien. Im Interesse der Impfrisikoforschung sei bei zeitnah zu einer Impfung aufgetretenen Erkrankungen eine sorgfältigere Kausalitätsprüfung anzustellen, als dies das SG gemacht habe. Auf das Risikopotenzial des Impfzusatzstoffes Aluminiumhydroxid sei das SG nicht eingegangen, sondern habe in erster Linie nach möglichen anderen Ursachen gesucht. Andere, bestrittene Ursachen dürften aber nicht in die Kausalitätsüberlegungen Eingang finden, da sie nicht sicher nachgewiesen seien. Bei der Klägerin sei in einem für einen Impfschaden typischen zeitlichen Abstand nach den streitgegenständlichen Impfungen vom 26.11.2013 und 30.01.2014 eine Myelitis aufgetreten, die überwiegend wahrscheinlich auf eine Überempfindlichkeitsreaktion auf den streitgegenständlichen Impfstoff oder seine Impfzusatzstoffe zurückzuführen sei. Bei der Klägerin liege möglicherweise eine genetische Schwachstelle vor, die diese Überempfindlichkeitsreaktionen erkläre. Sie beantrage, das Urteil des SG aufzuheben und den Fall zur Entlastung der überlasteten zweiten Instanz zurückzuverweisen. Das SG hätte sich gedrängt fühlen müssen, ein neurologisches Zusatzgutachten einzuholen. Für eine durch die streitgegenständlichen Impfungen verursachte Entzündung als Ursache der neurologischen Ausfallerscheinungen spreche auch die Tatsache, dass die neurologischen Ausfallerscheinungen unverändert seit ca. zwei Jahren anhalten würden, weil der Körper der Klägerin das als Wirksamkeitsverstärker beigefügte Aluminiumhydroxid nicht wieder vollständig über den Magen-Darm-Trakt habe ausscheiden können, sondern es im Körper eingelagert habe, wo es weithin als Entzündungsherd wirke. Wäre ein Rückenmarkstumor der Grund für die neurologischen Ausfallerscheinungen, wären Nachuntersuchungen angeordnet worden. Dies sei doch zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen. Nach alledem spreche alles dafür, dass das als Wirksamkeitsverstärker im Impfstoff enthaltene Aluminiumhydroxid mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund einer genetischen Schwachstelle der Klägerin nicht zeitnah wieder vollständig ausgeschieden worden sei und daher die Ursache einer noch immer anhaltenden Entzündung sei. Die bei der Klägerin noch bestehende leichte Ermüdbarkeit sei ein Indiz für eine durch den Impfzusatzstoff verursachte Entzündung im Körper der Klägerin, die immer noch bestehe. Da keine andere Ursache als die streitgegenständlichen Impfungen mit ihren unzureichend erforschten Impfzusatzstoffen als Ursache der neurologischen Ausfallerscheinungen der Klägerin sicher nachgewiesen worden sei, seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die streitgegenständlichen Impfungen Ursache der neurologischen Ausfallerscheinungen. Die Behauptung, bei der Klägerin liege ein Vitamin B12-Mangel als Ursache der neurologischen Ausfallerscheinungen vor, sei eine reine Hypothese und dürfe nach der Rechtsprechung des BSG nicht Eingang in die Überlegungen finden. Ganz abgesehen davon, dass ein Vitamin B12-Mangel bei der Klägerin nie korrekt nachgewiesen worden sei, könne der menschliche Körper selbst einen schweren Vitamin B12-Mangel lange Zeit ohne neurologische Ausfallerscheinungen kompensieren. Hilfsweise beantrage sie die Versorgung in Form der Kannversorgung gemäß § 60 Satz 2 IfSG. Nach Meinung ihrer ärztlichen Berater bestehe über die Entstehung von neurologischen Ausfallerscheinungen nach Impfungen keine durch Forschung und Erfahrung wissenschaftlich gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung. In der Literatur fänden sich allerdings zahlreiche Hinweise darauf, dass Impfungen in sehr seltenen Einzelfällen zu neurologischen Ausfallerscheinungen und sonstigen Impfschäden führen könnten. Es sei auf Lücken der medizinischen Wissenschaft zurückzuführen, dass im vorliegenden Fall die Ursache der neurologischen Ausfallerscheinungen nicht so nicht sicher nachgewiesen werden könne. Ein ursächlicher Einfluss werde in wissenschaftlichen Arbeitshypothesen zumindest als theoretisch begründet in Erwägung gezogen. Es bestehe ein für einen Impfschaden plausibler zeitlicher Abstand. Andere Ursachen für die neurologischen Ausfallerscheinungen würden von der Klägerin bestritten und seien nicht sicher nachgewiesen. Aluminium könne die Funktionsweise des Immunsystems dauerhaft verändern. Sie verweise insofern auf den israelischen Autoimmunitätsforscher Shoenfeld, der dafür das Kürzel „ASIA“ (= autoimmune/entzündliche Syndrome induziert durch Adjuvantien) entwickelt habe. Unter dem Schirm von ASIA sei eine ganze Menge an Krankheiten versammelt, die heute weder heilbar noch ausreichend verstanden würde. Vom chronischen Müdigkeitssyndrom bis hin zum Golfkriegssyndrom seien zahlreiche dieser Phänomene mit aluminiumhaltigen Impfstoffen verknüpft. Die Wissenschaft stehe zwar insofern angeblich vor einem unerklärlichen Rätsel, man frage sich aber, ob die Wissenschaft dieses Rätsel überhaupt lösen wolle. In Deutschland gebe es leider keine von der Pharmaindustrie und deren Lobby unabhängige Impfrisikoforschung im erforderlichen Umfang. Das Paul-Ehrlich-Institut als oberste Bundesbehörde für Impfstoffsicherheit teile regelmäßig mit, dass das Risikopotenzial dieser Impfzusatzstoffe nicht wissenschaftlich gesichert sei. Da es pathobiologisch zumindest plausibel sei, dass das Aluminiumhydroxid die Ursache der neurologischen Ausfallerscheinungen der Klägerin sei, seien Impfschäden zumindest in Form der Kannversorgung anzuerkennen.

Dazu ist die Bevollmächtigte der Klägerin mit gerichtlichem Schreiben vom 24.05.2017 darauf hingewiesen worden, dass es nicht überzeugend erscheine, die Relevanz epidemiologischer Studien grundsätzlich infrage zu stellen. Betreffend den Impfzusatzstoff Aluminiumhydroxid sei in zahlreichen vergleichsweise aktuellen gerichtlichen Entscheidungen erläutert worden, dass es keine Erkenntnisse in der medizinischen Wissenschaft dahingehend gebe, dass ein Zusammenhang zwischen einer Impfung und einem später aufgetretenen Gesundheitsstand bestehe. Sofern die Bevollmächtigte über neuere Studien verfüge, solle sie diese vorlegen.

Mit Schriftsatz vom 09.06.2017 hat die Bevollmächtigte mitgeteilt, dass ihr entsprechende medizinische Veröffentlichungen nur in englischer Sprache vorlägen, es aber nicht ihre Aufgabe sei, diese auf Deutsch übersetzt vorzulegen. Veröffentlichungen vorgelegt hat sie nicht.

Am 13.07.2017 hat die Bevollmächtigte ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass bei der Klägerin eine durch den Impfzusatzstoff Aluminiumhydroxid verursachte Myelitis vorliege und Impfstoffzusätze als potentielle Auslöser für Autoimmunerkrankungen gelten würden, darunter auch Aluminium. Auch könne die erwünschte Aktivierung des Immunsystems durch die Impfung zu einer Überreaktion des Immunsystems und damit zu einer Autoimmunerkrankung führen. Zudem hat sie ein „Kurzgutachten“ des Facharztes für diagnostische Radiologie Dr. U. vom 05.07.2017 vorgelegt, das für die Klägerin erstellt worden ist. Dort ist ausgeführt, dass die Schwellung der Klägerin im Rückenmark ein Entzündungsphänomen sei, das später abgeheilt sei und zu einer Vernarbung geführt habe. Bei einer Myelitis transversa handle es sich um ein Geschehen, das im Rahmen einer Infektion, aber auch einer Impfung auftreten könne, aber auch ohne besonderen Grund. Der zeitliche Zusammenhang des Krankheitsbildes der Klägerin mit einer kurz zuvor stattgefundenen Impfung ohne weitere erkennbare Einflussfaktoren sei mit hoher Wahrscheinlichkeit kausal für die Erkrankung. Weiter hat die Bevollmächtigte vorgetragen, dass ein – bestrittener – Vitamin B12-Mangel keinesfalls Ursache der Myelitis transversa sein könne, da der menschliche Körper Vitamin B12-Mangelzustände sehr lange Zeit kompensieren könne.

Der Beklagte hat sich mit einer 8-seitigen versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. K. vom 10.08.2017 zum Vorbringen der Klägerin geäußert und darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Manifestation neurologischer Symptome ein manifester Vitamin B12-Mangel vorgelegen habe. Das würden die Laborbefunde eindeutig belegen. Nachdem zunächst erniedrigte Werte festgestellt worden seien, sei eine weitere Abklärung durchgeführt worden. Dazu sei der Laborwert Holo-Transcobalamin bestimmt worden. Dabei sei ein Wert von 38,1 pmol/l (Normwert über 50) festgestellt worden. Dieser eindeutig erniedrigte Wert belege einen metabolisch relevanten Vitamin B12-Mangel und damit eine Erschöpfung des Vitamin B12-Speichers des Körpers. Dieser Mangel sei von den Behandlern in E-Stadt als klinisch relevant eingeschätzt und entsprechend substituiert worden. Im Hinblick auf das Krankheitsbild der Myelitis transversa und den immer wieder postulierten kausalen Zusammenhang mit Impfungen sei im Dezember 2016 eine große Untersuchung von Baxter veröffentlicht worden. Dafür seien Daten von fast 64 Mio. Impfdosen ausgewertet worden. Als plausibles Zeitfenster der Entwicklung einer Myelitis transversa nach einer Impfung werde ein Fenster von 5 bis 28 Tagen gesehen. Bei den sieben identifizierten Fällen von Patienten, die eine Myelitis transversa in diesem Zeitraum nach einer Impfung entwickelt hätten, habe sich im Vergleich zur Kontrollgruppe kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung dieser Gesundheitsstörung gezeigt. Daraus hätten die Autoren gefolgert, dass eine Assoziation zwischen einer Myelitis transversa und einer vorhergehenden Impfung nicht gefunden werden könne. Es sprächen also auch die aktuellsten Daten dafür, dass Impfungen nicht geeignet seien, das Risiko für die Erkrankung an einer Myelitis transversa zu erhöhen bzw. diese auszulösen. Problematisch im vorliegenden Fall sei zudem, dass im Laufe der Ermittlungen bzw. des Verfahrens von der Klägerin selbst sehr unterschiedliche Angaben zum Manifestationszeitpunkt der neurologischen Symptome gemacht worden seien. Die Aussage des gerichtlichen Sachverständigen, dass bei der Annahme eines frühen Beginns der Symptomatik bereits im Februar 2014 der klinische Verlauf nicht zu dem einer Myelitis transversa passe, sondern zunächst Ausdruck eines Vitamin B12-Mangels gewesen sei, sei aus neurologischer Sicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich der von der Bevollmächtigten angegebenen Literatur hat der Versorgungsarzt darauf hingewiesen, dass die Arbeiten aus der Arbeitsgruppe von Shoenfeld in der Wissenschaft umstrittene Hypothesen beinhalten würden, die keinesfalls als derzeit gültige wissenschaftliche Lehrmeinung betrachtet werden könnten. Im Übrigen würden die weiteren Arbeiten weitgehend andere Fragen betreffen und seien daher für den Fall der Klägerin nicht aussagekräftig. Abschließend hat er nochmals darauf hingewiesen, dass insbesondere die aktuellste wissenschaftliche Literatur (Baxter) gezeigt habe, dass keine Hinweise darauf bestünden, dass eine Myelitis transversa als Folge einer Impfung anzusehen sei, zumal der Vitamin B12-Mangel mit neurologischen Symptomen ohnehin impfunabhängig sei.

Mit Schriftsatz vom 22.09.2017 hat sich die Bevollmächtigte der Klägerin dagegen verwahrt, dass die Angaben der Klägerin zum Beginn der neurologischen Ausfallerscheinungen unglaubwürdig seien. Vielmehr sei die Anamnese nicht in einer für die Kausalitätsbeurteilung erforderlichen und hilfreichen Weise erhoben worden. Eine Anamnese müsse erfragt werden, was Bestandteil der ärztlichen Kunst sei. Die Klägerin sei ärztlicherseits nie gefragt worden, wann nach der Impfung die ersten neurologischen Ausfallerscheinungen aufgetreten seien. In den Krankenakten lägen leider Dokumentationsversäumnisse vor. Bei korrektem ärztlichem Vorgehen hätte der zeitliche Ablauf konkret erfragt werden müssen. Dies hätte dokumentiert werden müssen. Die Klägerin sei bei der Erstuntersuchung am 08.04.2014 und am 11.04.2014 sowie am 15./16.04.2014 nur gefragt worden, wie lange sie „diese Beschwerden“ habe. Nicht dokumentiert worden seien aber der vorherige Verlauf und die Entstehung des Ganzen, obwohl die Klägerin hiervon berichtet habe. Bei der Klägerin sei eine Entzündung nachgewiesen, welche die Ursache der neurologischen Ausfallerscheinungen sei. Diese sei durch Aluminiumhydroxid verursacht. Ein Vitamin B12-Mangel verursache keine Entzündungen. Es sei lange Zeit Taktik der Versorgungsämter und Sozialgerichte gewesen, in Impfschadensfällen entweder Gutachter ohne entsprechende Kenntnisse zu beauftragen oder solche Gutachter auszuwählen, bei denen man sich möglichst sicher darauf verlassen könne, dass sie negative Gutachten erstellen würden. Auch ihr hätten einige Impfschadensgutachter, die allerdings nicht genannt werden möchten, quasi unter der Hand gesagt, dass auch sie bereits solche Signale erhalten hätten. Bei Aluminium handle es sich um ein Summationsgift mit einem Risikopotenzial. Bei Aluminium in Lebensmitteln werde der Großteil des aufgenommenen Aluminiums wieder zeitnah über den Magen-Darm-Trakt ausgeschieden, bei eingesetzten Impfstoffen seien jedoch 100 % des eingesetzten Aluminiumhydroxids sofort bioverfügbar. Nach Meinung vieler Wissenschaftler sei im Impfschadensrecht in Deutschland die Zeit reif für eine Gesetzesänderung wie in den USA. Dort müssten Impfstoffhersteller in einen Fond zur Regulierung von Impfschäden einzahlen, aus dem Impfopfer ausbezahlt würden. Die Versorgungsverwaltung möge bei den zuständigen Ministerien auf eine Gesetzesänderung hinwirken. Es sei erforderlich, ein pharmakologisches Zusatzgutachten einzuholen.

Unter dem Datum des 30.04.2018 hat der Arbeitsmediziner Dr. C. auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten erstellt. Er ist darin zu der Einschätzung gekommen, dass als Impfschaden ein Residualzustand nach Myelitis transversa vorliege. Er hat Folgendes ausgeführt:

Die Situation nach der Impfung und den weiteren Verlauf habe die Klägerin dahingehend beschrieben, dass in der ersten Februarwoche, also wenige Tage nach der Impfung, erstmalig ein Kribbelgefühl an den Fußsohlen aufgetreten sei. Dieses Kribbelgefühl habe sich in den folgenden Wochen auf die Unterschenkel bis zu den Kniegelenken ausgebreitet. Allerdings seien diese Störungen der Sensibilität für die Klägerin noch nicht gravierend genug gewesen, um sich beim Arzt vorzustellen. Am 26.02.2014 habe die Klägerin von Problemen beim Laufen auf Kopfsteinpflaster berichtet. Auch sei es in dieser Zeit zu einer ungewohnten Leistungsminderung, ständiger Erschöpfung und Müdigkeit gekommen. Im März habe sich die Sensibilitätsstörung auf die Oberschenkel ausgebreitet. Von Bekannten gedrängt habe sich die Klägerin am 08.04.2014 beim Hausarzt vorgestellt. Jetzt sei es zu einer dramatischen Verstärkung der Symptomatik mit einer vollständigen Taubheit der unteren Körperhälfte und einer Störung beim Wasserlassen gekommen. Mit dieser Symptomatik habe sich die Klägerin dann am 16.04.2014 in der neurologischen Abteilung des Klinikums B-Stadt vorgestellt.

Die Diagnose einer monophasischen Myelitis transversa sei aufgrund der dokumentierten Befunde unstrittig. Dabei handle es sich um eine neurologische Erkrankung, die durch eine autoimmune Entzündung des Rückenmarks verursacht werde. Die Häufigkeit in Deutschland werde auf wenigstens 1 bis 5 Fälle pro 1 Mio. Menschen und Jahr geschätzt. Die Symptome würden sich im Laufe von wenigen Stunden bis hin zu einigen Wochen entwickeln. Es handle sich um eine Autoimmunerkrankung. Analog zu Überlegungen zu Infektionserregern wie Viren oder Bakterien müssten auch Impfungen als mögliche entscheidende Umweltfaktoren in die Überlegungen zur Entstehung dieser Krankheit einbezogen werden. Solche Impfkomplikationen seien zwar selten, würden aber nach Anwendung verschiedener Impfstoffe bei hierzu disponierten Menschen auftreten. Oft brauche es einige Zeit, bis sich die Zusammenhänge (wissenschaftlich) klären lassen würden.

Sehr selten sei nach Impfungen mit Boostrix(r) über Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems berichtet worden. Dies entspreche auch den Erkenntnissen, die er, der Gutachter, in langjähriger Arbeit im Referat für Arzneimittelsicherheit im Paul-Ehrlich-Institut gewonnen habe. Auch hier habe es immer wieder Einzelfallberichte von Myelitiden nach verschiedenen Impfstoffen gegeben, u.a. auch nach Tetanus-Diphtherie-Impfstoffen. Der derzeitige wissenschaftliche Kenntnisstand zur Pathophysiologie solcher Autoimmunerkrankungen nach Impfungen werde in der aktuellen Publikation von Shoenfeld aus dem Jahr 2015 zusammengefasst. Die Immunologen sprächen von einem entzündlichen Kontext, an dessen Entstehung eine Vielzahl von Faktoren beteiligt seien und dessen Abläufe bis heute nicht im Detail aufgeklärt seien. Bei inaktivierten Impfstoffen müssten meist Substanzen (Adjuvantien) beigefügt werden, die das erforderliche Umfeld schaffen würden, in dem die für eine Impfung erforderliche Immunreaktion stattfinden könne. Solche Adjuvantien seien in der Regel Aluminiumverbindungen. Ende des Jahres 2010 sei nochmals Bewegung in die Diskussion um schwere unerwünschte Wirkungen der Adjuvantien gekommen. Einer der renommiertesten Wissenschaftler auf dem Feld der Autoimmunerkrankungen, Shoenfeld, habe eine Arbeit über ein neues Syndrom veröffentlicht, das bislang rätselhafte Erkrankungen wie das Golfkriegssyndrom, die Silikonose und andere Autoimmunerkrankungen nach adjuvantierten Impfungen zum ASIA-Syndrom zusammenfasse. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Shoenfeld würden zwar immer wieder kritisiert, sein aber aufgrund der breit aufgestellten Methodik sicher nicht als Einzelmeinung zu bezeichnen, sondern würden ganz wesentlich zum gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand über unerwünschte Wirkungen von Impfstoffen beitragen.

Nach den Vorgaben der WHO bedürfe es folgender Kriterien zur Feststellung eines wahrscheinlichen Zusammenhangs:

  1. plausibles zeitliches Intervall
  2. Bekanntheit der unerwünschten Reaktion aus Literatur und Spontanerfassung
  3. plausible Hypothese zur Pathophysiologie (für Autoimmunerkrankungen nach adjuvantierten Impfungen)
  4. keine anderen plausiblen Ursachen.

Zur Bewertung des kausalen Zusammenhangs im Falle der Klägerin hat der Sachverständige Folgendes erläutert:

  • Am 30.01.2014 sei die Klägerin geimpft worden. Mit dem Beginn der neurologischen Symptomatik wenige Tage später und der Diagnosestellung eine Myelitis transversa im April 2014 sei der zeitliche Zusammenhang plausibel für eine Impfkomplikation.
  • Als alternative Ursache der anfänglich ab Februar 2014 aufgetretenen Sensibilitätsstörungen werde auch ein erniedrigter Vitamin B12-Spiegel diskutiert, der nebenbefundlich in der Universitätsklinik in E-Stadt aufgefallen sei. Ein eklatanter Vitamin B12-Mangel habe aber bei der Klägerin aufgrund der damals festgestellten Werte nicht vorgelegen. Somit erscheine es sehr unwahrscheinlich, dass die Frühphase der Erkrankung der Klägerin durch einen Vitamin B12-Mangel verursacht worden sei.

Somit sei nach der Einzelfallanalyse mittels des Bewertungsalgorithmus der WHO im Fall der Klägerin ein Impfschaden wahrscheinlich.

Zu den zuvor erstellten Gutachten bzw. versorgungsärztlichen Stellungnahmen hat Dr. C. Folgendes ausgeführt:

  • Prof. Dr. J. habe die übliche Kritik an den Arbeiten von Shoenfeld mit dem üblichen Hinweis begründet, dass es sich hierbei um nicht bewiesene Hypothesen handle. Hierzu sei anzumerken, dass die Ursache von Autoimmunerkrankungen bislang nicht bekannt seien und es sich somit insgesamt bei allen Betrachtungen zu Ursachen dieser Erkrankungen um Hypothesen handle. Prof. Dr. J. benenne dann auch das Problem, einen eindeutigen Beweis für das Vorliegen einer durch eine Impfung verursachten Autoimmunerkrankung zu erbringen. Dazu wären sehr große, teure und unabhängige Studien erforderlich, die bisher nicht durchgeführt würden. Manchmal würden aber auch kleinere Projekte genügen, um solche Zusammenhänge nachzuweisen, wie bei Pandemrix und Narkolepsie. Wenn Prof. Dr. J. die zeitnah zu der Impfung aufgetretenen Symptome als durch einen Vitamin B12-Mangel verursacht halte, sei dies bei den gemessenen Laborparametern nicht zutreffend. Die bei der Klägerin bestimmten Werte lägen im unteren Normbereich. Deutlich wahrscheinlicher sei ein langsamer Erkrankungsbeginn der Myelitis im Februar 2014. Auch der Vorgutachter habe darauf hingewiesen, dass die Begutachtung derartiger Impfschadensverdachtsfälle aufgrund der Seltenheit sehr schwer sei.
  • In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.08.2017 habe Dr. K. auf eine Veröffentlichung von Baxter hingewiesen. Diese Untersuchung sei wegen deutlicher Mängel in der Methodik zu Recht als unbrauchbar und einseitig kritisiert worden, wie sich aus einer Veröffentlichung von Shoenfeld ergebe. Die Untersuchung von Baxter stamme aus einer Firma, die große Datenbestände von krankenversicherten US-Amerikanern meist im Auftrag der pharmazeutischen Industrie zu epidemiologischen Untersuchungen nutze. Auch gebe der Hauptautor Baxter Interessenkonflikte durch Zuwendungen eines Arzneimittelherstellers an.

Die Beweisfragen des Gerichts hat der Sachverständige wie folgt beantwortet:

  • Bei der Klägerin liege ein Residualschaden nach Ablauf einer immunvermittelten entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems, einer sogenannten Myelitis transversa vor.
  • Die unerwünschte Wirkung der Impfung habe mit Sensibilitätsstörungen einige Tage nach der angeschuldigten Impfung in den Füßen begonnen. Von diesem Zeitpunkt an sei die Störung progredient verlaufen.
  • Bei der abgelaufenen Myelitis transversa handele es sich um eine schwerwiegende, über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende Komplikation der Boostrix(r)-Impfung.
  • Es bestehe ein wahrscheinlicher kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und der Myelitis. Die nebenbefundlich festgestellten niedrigen Werte für Vitamin B12 und Holo-Transcobalamin seien aufgrund der immer noch bestehenden Höhe der gemessenen Werte sehr wahrscheinlich nicht Auslöser der Beschwerden. Weitere mögliche alternative Ursachen seien nicht feststellbar.
  • Die abgelaufenen Myelitis transversa sei als Impfkomplikation und das noch bestehende Krankheitsbild als Residualschaden dieser Erkrankung zu betrachten.
  • Der Grad der Schädigungsfolgen sei ab Antragstellung mit 50 zu bemessen.

Mit Schriftsatz vom 07.06.2018 hat sich die Bevollmächtigte der Klägerin zum Gutachten geäußert. Der Sachverständige sei der Prototyp dessen, was man wohl einen Whistleblower nennen würde, einen Insider, der aus Gewissensgründen nicht mehr über die Machenschaften seines Arbeitgebers schweigen könne. Heute sei er ein begehrter Gutachter für Impfschäden. Es bleibe zu hoffen, dass die Offenlegung der Zustände im deutschen Impfwesen durch einen absoluten Insider letztlich zu einer Neuorientierung der Präventionspolitik führen werde. Es dürfe nicht sein, dass unabhängige Impfrisikoforschung nicht in ausreichendem Umfang betrieben werde. Aus Sicht ihrer ärztlichen Berater entscheide die Fähigkeit zu Innovationen über das Schicksal des Impfens. Dem Impfgedanken sei durch unzureichende Impfrisikoforschung und gefälschte Impfstudien ein immenser Schaden zugefügt worden. Sie sei sich sicher, dass nur dann die Beschränkung der Impfrisikoforschung auf epidemiologische Studien (reine Statistik) ein Ende hätte, wenn in der BRD eine hochstehende Persönlichkeit einen Impfschaden erleiden würde.

Mit Schreiben vom 25.06.2018 hat der Beklagte zum einen darauf hingewiesen, dass die Klägerin die Symptomatik immer näher an den Impfzeitpunkt herandatiert habe. Zum anderen sind zwei versorgungsärztliche Stellungnahmen vom 06.06.2018 und vom 21.06.2018 vorgelegt worden, wonach dem Gutachten des Dr. C. nicht gefolgt werden könne:

  • In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.06.2018 hat der Neurologe Dr. K. Folgendes erläutert: Die Diskussion um die von der Arbeitsgruppe um Shoenfeld postulierten pathophysiologischen Modelle im Hinblick auf die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen als Folge einer Aluminiumexposition durch Impfstoffe sei bereits im Gutachten des Prof. Dr. J. ausführlich dargestellt worden; die von Shoenfeld vertretenen Hypothesen im Hinblick auf die Gefahren von Aluminium in Impfstoffen seien hoch umstritten und nicht belegt. Bereits Prof. Dr. J. habe darauf hingewiesen, dass es sich hier nicht um die allgemein akzeptierte wissenschaftliche Meinung handele, sondern um eine Einzelmeinung dieser Arbeitsgruppe. Das Gutachten des Dr. C. erbringe insofern keine neuen Gesichtspunkte. Der zeitliche Verlauf der bei der Klägerin zu Tage getretenen neurologischen Symptomatik sei bereits ausführlich dargestellt worden, auch die Problematik der diesbezüglich unterschiedlichen Angaben. Dass zudem auch ein klinisch manifester Vitamin B12-Mangel eine Rolle spiele, würden neben den versorgungsärztlichen Stellungnahmen und dem Gutachten des Prof. Dr. J. auch der Behandlungsbericht der neurologischen Universitätsklinik E-Stadt zeigen, wo ein Vitamin B12-Mangel als Behandlungsdiagnose angegeben und auch eine entsprechende Therapie durchgeführt worden sei. Der von Dr. C. angesprochene potentielle Interessenkonflikt der in der letzten versorgungsärztlichen Stellungnahme zitierten Studie (von Baxter) sei von den Autoren im Anhang der Arbeit dahingehend angegeben worden, dass die Autoren von verschiedenen Pharmafirmen Forschungsgelder für Studien erhalten hätten, die unabhängig von dem in der Arbeit behandelten Thema gewesen seien. Diese Tatsache sei nicht geeignet, die Methodik oder die Aussagen der Veröffentlichung infrage zu stellen. Auch sei nicht erkennbar, dass im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion Zweifel an der Methodik oder den Ergebnissen der Arbeit geäußert worden seien. Sofern Dr. C. eine Arbeit von Shaw zitiert habe, beschäftige sich diese mit einem anderen Impfstoff und liefere keine weiteren Informationen zur Sachaufklärung. Neue Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben.
  • In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.06.2018 hat Dr. K. zum Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 07.06.2018 darauf hingewiesen, dass auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts die aktuellsten Informationen zur Sicherheitsbewertung von Aluminium in Impfstoffen mit Stand 2016 zu finden seien, wobei sich seither keine publikationswürdigen Erkenntnisse ergeben hätten. Der Stellenwert der Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe um Shoenfeld sei bereits umfassend gewürdigt werden worden; es handle sich hier um eine wissenschaftliche Einzelmeinung.

Die Bevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 31.07.2018 der Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes widersprochen und ihre Ansicht hinsichtlich einer Gefährlichkeit von Aluminiumhydroxid in Impfstoffen wiederholt. Prof. Shaw von der Universität Vancouver habe das Fazit gezogen, dass unterlassene Sicherheitsstandards beabsichtigt seien, und geäußert, dass es keine Studie zur Sicherheit von Aluminiumhydroxid in Impfstoffen gebe, in der die Probanden über die ersten Wochen nach Verabreichung der Impfung hinaus untersucht worden seien. Prof. Shoenfeld habe nachgewiesen, dass Aluminium die Funktionsweise des Immunsystems dauerhaft verändern könne und dafür ein eigenes Krankheitsbild namens „ASIA“ eingeführt Wesentliche Teile des Immunsystems würden plötzlich beginnen, verrückt zu spielen. Dendritische Zellen würden in der Einschätzung von Antigenen irren und über ihre Botenstoffe zum Sturmangriff auf körpereigene Organe blasen. Die Folgen seien dramatisch: Typ 1-Diabetikern würden über keine eigene Insulinproduktion mehr verfügen, stark gefährdet sei auch die Schilddrüse, weitere beliebte Ziele seien die Myelinscheiden der Nervenzellen sowie der Darm. Die Wissenschaft stehe angeblich vor einem unerklärlichen Rätsel. Wissenschaftler würden vermuten, dass Genschäden die Ursache von autoimmunen Reaktionen, wie sie bei der Klägerin aufgetreten seien, seien. Genschäden seien aber in den seltensten Fällen die unmittelbare Ursache von Krankheiten. Es verdichte sich die These, dass dazu Umwelteinflüsse erforderlich seien, wozu Aluminium zu zählen sei. Die finnische Gesundheitsbehörde habe daher vorsichtshalber angeordnet, auf weitere Impfungen mit dem Aluminiumhydroxid enthaltenden Impfstoff Pandemrix bei Kindern zu verzichten. Dies bestätige die Verbindung zwischen Impfstoffen und Autoimmunreaktionen als seltene Impfkomplikation. Auch die Narkolepsie sei ein plausibel durch die Wirkung des Adjuvans Aluminiumhydroxid ausgelöstes Autoimmungeschehen im Sinne des ASIA-Syndroms. Epidemiologische Studien würden im Fall von sehr seltenen Nebenwirkungen versagen.

Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, Prof. J. zur Erläuterung seines Gutachtens mündlich anzuhören und das Gutachten des Dr. C. dem Mikrobiologen und Universitätsprofessor Dr. J. zur Stellungnahme hierzu zuzuleiten.

Weiter wird klägerseits beantragt gemäß § 75 Abs. 2 Satz. 2 SGG die Beiladung der BRD vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit zu dem vorliegenden Rechtsstreit mit der Aufforderung, dem Rechtstreit auf Seiten der Klägerin beizutreten, und die Erholung eines Gutachtens von Herrn Prof. Dr. M., B-Allee, B-Stadt, zum Beweis dafür zu erholen, dass die wenige Tage nach der streitgegenständlichen Impfung aufgetretenen neurologischen Ausfallerscheinungen der Klägerin eine durch den Impfstoff verursachte Primärschädigung darstellen.

Die Bevollmächtigte beantragt weiter, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.02.2017 sowie den Bescheid vom 24.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2015 aufzuheben und bei der Klägerin ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt, mindestens ab Antragstellung anzuerkennen und zu versorgen: Residualschaden nach Ablauf einer immunvermittelten entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems auf der Basis eines Grades der Schädigung von 50 %.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen worden sind die Akte des SG sowie die Verwaltungsakte des Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet.

Der Beklagte hat es zu Recht, wie es auch das SG zutreffend bestätigt hat, abgelehnt, bei der Klägerin einen Impfschaden wegen der am 30.01.2014 erfolgten Impfung mit Boostrix(r) anzuerkennen und Versorgung zuzusprechen. Der angegriffene Bescheid vom 24.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2015 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG liegen nicht vor, weil es vorliegend schon am Nachweis einer Impfkomplikation (Primärschaden) fehlt.

1. Streitgegenstand

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 24.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2015, mit dem der Antrag der Klägerin vom 25.08.2014 auf Versorgung wegen eines infolge der am 30.01.2014 durchgeführten Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis mit dem Impfstoff: Boostrix(r) eingetretenen Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11, 1. Alt. IfSG abgelehnt worden ist.

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsschaden möglicherweise auf eine im November 2013 durchgeführte FSME-Impfung zurückzuführen ist. Auf diese Impfung hat sich der beim Beklagten gestellte Antrag der Klägerin auf Anerkennung eines Impfschadens nicht bezogen; dem Antrag entsprechend hat dazu der Beklagte auch keine Entscheidung getroffen. Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin, beispielsweise im Schriftsatz vom 25.10.2016, den Gesundheitsschaden der Klägerin (auch) auf diese Impfung zurückzuführen scheint, ist dies nicht Gegenstand des Verfahrens und daher vom Gericht nicht zu prüfen.

2. Voraussetzungen für die Anerkennung eines Impfschadens – allgemein

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,

2. auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde,

3. gesetzlich vorgeschrieben war oder

4. auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,

eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt.

Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung, wobei ein Impfschaden auch vorliegt, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.

Die Anerkennung als Impfschaden setzt eine (mindestens) dreigliedrige Kausalkette voraus (ständige Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R; zum gleichgelagerten Recht der Soldatenversorgung: vgl. BSG, Urteile vom 25.03.2004, B 9 VS 1/02 R, und vom 16.12.2014, B 9 V 3/13 R): Ein schädigender Vorgang in Form einer „Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe“, die die genannten Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllen muss (1. Glied), muss zu einer „gesundheitlichen Schädigung“ (2. Glied), also einem Primärschaden (d.h. einer Impfkomplikation) geführt haben, die wiederum den „Impfschaden“, d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also den Folgeschaden (3. Glied) bedingt. Zwischen Primärschaden und Folgeschaden können, abhängig von der jeweiligen Fallkonstellation noch weitere Zwischenstufen von Gesundheitsschäden liegen. Anstelle einer dreigliedrigen Kausalkette kann daher im Einzelfall auch eine mehr als dreigliedrige Kette der Beurteilung des Versorgungsanspruchs zugrunde zu legen sein, wobei dann alle Stufen und die dazwischen liegende Kausalität im jeweils erforderlichen Beweismaßstab nachgewiesen sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, 9/9a RV 1/92 – zum Gesichtspunkt des Todesleidens; Bayer. LSG, Urteile vom 11.07.2018, L 20 VJ 7/15, und vom 06.12.2018, L 20 VS 12/15).

Neben einer „Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe“, die die genannten Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllen muss (1. Glied), müssen die „gesundheitliche Schädigung“ (2. Glied) als Primärschädigung, d.h. die Impfkomplikation, und der „Impfschaden“ (3. Glied), d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also der Folgeschaden, vorliegen. Diese drei, ggf. auch mehr (vgl. oben vorstehender Absatz) Glieder der Kausalkette müssen – auch im Impfschadensrecht – im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteile vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84, vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R; Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2014, L 1 VE 12/09; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.07.2016, L 13 VJ 19/15). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, 9/9a RV 1/92).

Dass die gesundheitliche Schädigung als Primärschädigung, d.h. die Impfkomplikation, neben der Impfung und dem Impfschaden, d.h. der dauerhaften gesundheitlichen Schädigung, im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein muss und eine irgendwie geartete Beweiserleichterung beim Primärschaden, wie es der 15. Senat des Bayer. LSG im Urteil vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09, mit der Beurteilung „des Zusammenhangs zwischen Impfung und manifestiertem Gesundheitsschaden in einer einzigen gedanklichen Etappe“ anhand von „Mosaiksteinen“, die den Nachweis des Primärschadens im Vollbeweis als „realitätsfremd“ und damit verzichtbar erscheinen lassen sollen, getan hat, damit nicht vereinbar ist, hat der erkennende Senat in seinem rechtskräftigen (vgl. BSG, Beschluss vom 29.11.2017, B 9 V 48/17 B) Urteil vom 25.07.2017, L 20 VJ 1/17, bereits deutlich zum Ausdruck gebracht. Eine andere Sichtweise steht – wie der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt hat – nicht in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben und der klaren obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. auch BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84, Bayer. LSG, Urteile vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09, und vom 06.12.2017, L 20 VJ 3/05). Dies hat im Übrigen das BSG erneut und wiederholt nicht nur mit Beschluss vom 18.06.2018, B 9 V 1/18 B, sondern auch mit Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B, bestätigt und dort ausgeführt:

„Aber auch insoweit hat sich die Beschwerde weder mit den tatbestandlichen Voraussetzungen noch mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG auseinandergesetzt, nach der der Nachweis einer Primärschädigung im Vollbeweis geführt werden muss und deshalb Ermittlungen zur Kausalität auf der Grundlage des abgesenkten Beweismaßstabs der Wahrscheinlichkeit für einen Nachweis „nicht erkennbar zutage getretener Primärschädigungen“ nicht ausreichen.“

Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs auf ihr Vorliegen stützt, also des Antragstellers.

Demgegenüber gilt für den (mindestens) zweifachen ursächlichen Zusammenhang der (mindestens) drei Glieder der Kausalkette nach § 61 Satz 1 IfSG ein gegenüber dem Vollbeweis abgeschwächter Beweismaßstab – nämlich der der Wahrscheinlichkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. auch § 1 Abs. 3 BVG; siehe auch BSG, Urteile vom 13.12.2000, B 9 VS 1/00 R, vom 29.04.2010, B 9 VS 2/09 R, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R; Bayer. LSG, Urteile vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09, und vom 06.12.2017, L 20 VJ 3/05). Der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R – in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.

Eine potentielle, versorgungsrechtlich geschützte Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, 10 RV 15/77), also mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteile vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80, vom 26.06.1985, 9a RVi 3/83, vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84, vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als „überwiegende“ (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 14.10.2015, B 9 V 43/15 B) oder „hinreichende“ (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 18.02.2009, B 9 VJ 7/08 B) Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei dieser Zusatz nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128, Rdnr. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße – abstrakte oder konkrete – Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 26.11.1968, 9 RV 610/66, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R).

Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974, 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs „annähernd gleichwertig“ sind. Während die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, und vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R) demgegenüber den Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ für nicht geeignet zur Abgrenzung hält, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich ansieht, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von überragender Bedeutung ist, hat der für das soziale Entschädigungsrecht zuständige 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 6/13 R, zur annähernden Gleichwertigkeit Folgendes ausgeführt:

„Kommt einem der Umstände gegenüber anderen indessen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im Rechtssinne. Bei mehr als zwei Teilursachen ist die annähernd gleichwertige Bedeutung des schädigenden Vorgangs für den Eintritt des Erfolgs entscheidend. Haben also neben einer Verfolgungsmaßnahme mehrere weitere Umstände zum Eintritt einer Schädigungsfolge beigetragen, ist die Verfolgungsmaßnahme versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinne wesentlich und die Schädigungsfolge der Verfolgungsmaßnahme zuzurechnen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges – verglichen mit den mehreren übrigen Umständen – annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn die Verfolgungsmaßnahme in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen.“

Von einer annähernden Gleichwertigkeit einer versorgungs- und damit auch impfschadensrechtlich geschützten Ursache kann daher – im Gegensatz zu der für den Betroffenen günstigeren unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung – nur dann ausgegangen werden, wenn ihre Bedeutung gleich viel oder mehr Gewicht hat als die der andere(n) Ursache(n) (zusammen).

Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinn als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, ist im jeweiligen Einzelfall aus der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 V 5/00 R).

Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen, also neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Gesundheitsschäden zu erfolgen (vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, sowie Beschluss vom 18.06.2018, B 9 V 1/18 B).

Kann eine Aussage zu einem (hinreichend) wahrscheinlichen Zusammenhang nur deshalb nicht getroffen werden, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kommt die sogenannte Kannversorgung gemäß § 61 Satz 2 IfSG in Betracht. Von Ungewissheit ist dann auszugehen, wenn es keine einheitliche, sondern verschiedene ärztliche Lehrmeinungen gibt, wobei nach der Rechtsprechung des BSG von der Beurteilung auf dem Boden der „Schulmedizin“ (gemeint ist damit der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft) auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R). Aber auch bei der Kannversorgung reicht allein die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs oder die Nichtausschließbarkeit des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs positiv vertritt; das BSG spricht hier auch von der „guten Möglichkeit“ eines Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995, 9 RV 17/94, und vom 17.07.2008, B 9/9a VS 5/06). In einem solchen Fall liegt eine Schädigungsfolge dann vor, wenn bei Zugrundelegung der wenigstens einen wissenschaftlichen Lehrmeinung nach deren Kriterien die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs nachgewiesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92; Bayer. LSG, Urteile vom 19.11.2014, L 15 VS 19/11, vom 21.04.2015, L 15 VH 1/12, vom 15.12.2015, L 15 VS 19/09, vom 26.01.2016, L 15 VK 1/12, vom 25.07.2017, L 20 VJ 1/17, und vom 28.08.2018, L 20 VG 24/16). Existiert eine solche Meinung überhaupt nicht, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit; denn alle Meinungen stimmen dann darin überein, dass ein Zusammenhang nicht hergestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92).

Sofern Börsel (vgl. diess., RdLH 2018, 45 – nach Juris) in ihren Anmerkungen zum Urteil des Bayer. LSG vom 11.7.2017, L 15 VJ 6/14, die Ansicht äußert, dass der dort entschiedene Fall deutlich mache, „wie schwer es sei, die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit für die Verursachung der Schädigung durch die Impfung zu belegen“, und die Forderung aufstellt, dass „im Hinblick auf den Zweck des Impfschadensrechts … die Gerichte mit der Kann-Versorgung großzügiger sein [sollten]“, offenbart dies eine eklatante Rechtsunkenntnis und ein erschreckendes Unverständnis sowohl der gesetzlichen Vorgaben als auch der Aufgabe der Gerichte. Börsel verkennt schon, dass „die Verursachung der Schädigung durch die Impfung“ nicht im Vollbeweis – dem entspricht die von Börsel verwendete Formulierung „an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ – erwiesen sein muss, sondern dafür die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit ausreicht. Eine im Sinne potentieller Impfschadensbetroffener liegende weitere Reduzierung der Anforderungen an die Kausalität bei der Anerkennung eines Impfschadens würde zudem dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwider laufen, da der Gesetzgeber im Impfschadensrecht für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs die gleichen Maßstäbe wie in allen anderen Fällen des Versorgungsrechts vorgegeben hat (vgl. BSG, Urteile vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80 – mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien, und vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R). Im Übrigen könnte eine Absenkung der Beweisanforderungen wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Grundgesetz nicht durch die Gerichte erfolgen. Eine Änderung wäre einzig und allein dem Gesetzgeber im Rahmen seines gesetzgeberischen Tätigwerdens möglich.

Lässt sich der Zusammenhang nicht (hinreichend) wahrscheinlich machen und auch nicht über das Institut der Kannversorgung herstellen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf das Vorliegen des Zusammenhangs stützen möchte, also des Antragstellers (ständige Rspr., vgl. beispielhaft BSG, Urteil vom 03.02.1999, B 9 V 33/97 R, und Beschluss vom 05.04.2018, B 5 RS 19/17 B).

Dass irgendwie geartete Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr wegen der besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher Art, wie sie im Impfschadensrecht möglicherweise häufiger anzutreffen sind als in anderen Gebieten des Versorgungsrechts, im Impfschadensrecht grundsätzlich nicht zu Anwendung kommen können, entspricht im Übrigen der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteile vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80, und vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R, Beschluss vom 04.06.2018, B 9 V 61/17 B)

3. Prüfung der Voraussetzungen im vorliegenden Fall

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend schon eine Impfkomplikation (gesundheitliche Schädigung/Primärschaden/2. Glied der oben aufgezeigten Kausalkette) nicht nachgewiesen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Erkrankungsbeginn nicht vor Mitte März/Anfang April 2014 stattgefunden hat (vgl. unten Ziff. 3.1.) oder schon auf einen Zeitpunkt kurz nach der Impfung datiert werden kann (vgl. unten Ziff. 3.2.).

Bei seiner Entscheidung stützt sich der Senat auf die zahlreich erhobenen medizinischen Befunde, die eigenen Angaben der Klägerin und auf das Gutachten des Prof. Dr. J., der sich mit sämtlichen im Raum stehenden Frage sehr eingehend und fundiert auseinandergesetzt hat. Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin die Verwertbarkeit dieses Gutachtens mit dem rein formalen Argument in Frage stellen will, dass es vorliegend um die Beurteilung einer neurologischen Erkrankung gehe, der gerichtliche Sachverständige aber kein Facharzt für Neurologie sei, ist dieser Ansatz nicht haltbar. Denn es gibt keinen Grundsatz dahingehend, dass eine Begutachtung von Leiden nur einem Arzt gestattet wäre, der auch über die dem Leiden entsprechende Facharztqualifikation verfügt. Denn ein Arzt ist bereits kraft seiner Approbation gemäß § 407 Abs. 1, 3. Alt. Zivilprozessordnung zur ärztlichen Begutachtung zugelassen, wobei es wegen der umfassenden Approbation keine formale gesetzliche Beschränkung der gutachterlichen Tätigkeit auf bestimmte Gebiete analog der ärztlichen Weiterbildungsordnungen gibt. Ob einem Gutachter die Fähigkeit zur Beurteilung spezifischer Krankheiten fehlt, kann daher nicht schon primär und formal damit begründet werden, dass er die entsprechende Facharztbezeichnung nicht führt. Vielmehr ist entscheidend, ob sich den Ausführungen eines Arztes entnehmen lässt, ob er über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Auch wenn das Vorliegen einer Facharztbezeichnung positiv auf das Vorhandensein entsprechender Kenntnisse schließen lässt, so kann gleichwohl aus der fehlenden Berechtigung zum Führen einer Facharztbezeichnung nicht der negative Rückschluss auf das Fehlen entsprechender Kenntnisse im Rahmen einer Begutachtung gezogen werden (vgl. Bayer. LSG, Urteile vom 18.03.2013, L 15 VK 11/11, letzteres vom BSG bestätigt mit Beschluss vom 31.07.2013, B 9 V 31/13 B, und folgenden Worten: „Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“, und vom 06.12.2017, L 20 VJ 3/05). An der Qualifikation zur Beurteilung von potentiellen Impfschäden, auch wenn diese dem neurologischen Fachgebiet zuzurechnen sind, durch Prof. Dr. J., der nicht Facharzt für Neurologie ist, bestehen für den Senat nicht die geringsten Zweifel. Die gesamten Ausführungen des Sachverständigen belegen eine ausnehmend große Fachkenntnis zur Beurteilung von potentiellen Auswirkungen von Impfungen; seine Ausführungen sind Ausdruck einer unzweifelhaft vorliegenden Kompetenz zu Beurteilung potentieller Impfschäden unabhängig davon, auf welchem Fachgebiet sich die Erkrankung manifestiert hat. Die Kompetenz und Kenntnis des Sachverständigen kommt schließlich auch in dem Umstand zum Ausdruck, dass er von 1998 bis 2011 Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut gewesen ist.

Als (potentieller) Impfschaden infolge der Impfung vom 30.01.2014 gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis, die eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung darstellt, mit dem Impfstoff Boostrix(r), der das Adjuvans Aluminiumhydroxid enthalten hat, wird von der Klägerin ein Residualschaden nach Ablauf einer immunvermittelten entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems, konkret einer sogenannten Myelitis transversa, wie dies auch der von ihr gemäß § 109 SGG benannten Sachverständige angenommen hat, geltend gemacht. Die Kausalkette würde sich in diesem Fall wie folgt darstellen:

  • Impfung am 30.01.2014 gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis,
  • Myelitis transversa als Primärschaden/Impfkomplikation und
  • Residualzustand nach Ablauf einer Myelitis transversa als Impfschaden.

Der Nachweis eines Impfschadens in Form der vorgenannten Erkrankung (Residualzustand nach Ablauf einer Myelitis transversa) lässt sich aber vorliegend nicht führen. Die Anerkennung eines Impfschadens im Rahmen der Kausalkette scheitert schon daran, dass sich ein mit der Impfung in Zusammenhang stehender Primärschaden, also eine Myelitis transversa als Impfkomplikation, nicht nachweisen lässt. Dies ist unabhängig davon, von welcher der beiden, im Folgenden näher dargestellten Sachverhaltsalternativen, die sich aus den ärztlichen Berichten und den dort wiedergegebenen Angaben der Klägerin, die diese im Rahmen der Anamnesen gemacht hat, ergeben, ausgegangen wird.

Die Angaben zum Krankheitsfall der Klägerin sind widersprüchlich; im Laufe der Zeit hat sich der von der Klägerin angegebene Erkrankungsbeginn zeitlich immer näher an den Impfzeitpunkt vorverlagert:

  • Ausgehend von den Erstangaben der Klägerin, wie sie diese in der Klinik Sozialstiftung B-Stadt im Rahmen ihres Aufenthalts vom 16.04.2014 bis zum 24.04.2014 bzw. bei ihrem anschließenden Aufenthalt in der Universitätsklinik E-Stadt vom 28.04.2014 bis zum 14.05.2014 gemacht hat, ist von einem Beginn der Erkrankung Anfang April 2014 bzw. frühestens Mitte März 2014 auszugehen, also mindestens sechs Wochen nach der streitgegenständlichen Impfung.
  • Werden jedoch die Angaben der Klägerin, wie sie sie später, insbesondere nach der bescheidmäßigen Ablehnung der Anerkennung eines Impfschadens, gemacht hat, zu Grunde gelegt, ist von einem Symptombeginn bereits Anfang Februar auszugehen, also zeitnah nach der Impfung.

Letztlich kann es dahingestellt bleiben, wann von einem im Sinne des Vollbeweises nachgewiesenen Beginn der von der Klägerin angegebenen neurologischen Beschwerden, also des potentiellen Primärschadens, ausgegangen wird. Denn selbst dann, wenn zu Gunsten der Klägerin von der Richtigkeit ihrer erst im Laufe des Verfahrens abgeänderten Angaben zu einem früheren Erkrankungsbeginn ausgegangen wird, lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Impfung und der jetzt vorliegenden Gesundheitsstörung nicht herstellen, weil sich eine Impfkomplikation nicht nachweisen lässt.

Für die beiden Konstellationen des Beginns neurologischer Störungen, also des potentiellen Primärschadens, – einerseits erstmals frühestens Mitte März/Anfang April 2014 (vgl. unten Ziff. 3.1.), andererseits bereits Anfang Februar 2014 (vgl. unten Ziff. 3.2.) – stellt sich die Beurteilung wie folgt dar, wobei der Krankheitsverlauf ab Mitte März/Anfang April 2014 unstrittig und in beiden Konstellationen der selbe ist.

3.1. Erste Alternative: Beginn der Symptome frühestens Mitte März/Anfang April 2014

Eine Impfkomplikation als Primärschaden ist nicht nachgewiesen.

3.1.1. Zu Grunde zu legender Krankheitsverlauf

Werden die Angaben der Klägerin bei den stationären Aufenthalten in der Sozialstiftung B-Stadt und im Universitätsklinikum E-Stadt zu Grunde gelegt, stellt sich die Entwicklung der Gesundheitsstörungen nach der Impfung wie folgt dar:

Die Gesundheitsstörungen der Klägerin haben mit einem Pelzigkeitsgefühl unterhalb des Bauchnabels und Gefühlstörungen in den Beinen frühestens Mitte März/Anfang April 2014 begonnen und sich dann im April schnell und massiv verschlechtert.

3.1.2. Rechtliche Bewertung

Der zu Grunde liegende Krankheitsverlauf entspricht nach unbestrittener Auffassung aller behandelnden Ärzte, Sachverständigen und Versorgungsärzte dem einer Myelitis transversa. Die Diagnose einer Myelitis transversa ist im Vollbeweis gesichert; anfängliche differenzialdiagnostische Überlegungen (V.a. Gliom) haben sich nicht bestätigt.

Dass diese Myelitis transversa eine Impfkomplikation der am 30.01.2014 durchgeführten Impfung ist, lässt sich aber nicht hinreichend wahrscheinlich machen.

Unter Zugrundelegung der sehr ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des vom SG beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. J. ist bereits zweifelhaft, ob die streitgegenständliche Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis mit dem mit Aluminiumhydroxid als Adjuvans versehenen Impfstoff Boostrix(r) überhaupt geeignet ist, eine Myelitis transversa – entweder in Form der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gemäß § 61 Satz 1 IfSG oder der Kannversorgung im Sinne des § 61 Satz 2 IfSG – kausal auszulösen. Bei diesem Zweifel stützt sich der Senat darauf, dass

  • nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. J., die insofern auch nicht von dem gemäß § 109 SGG benannten Sachverständigen Dr. C. angezweifelt, sondern vielmehr sogar bestätigt werden, keinerlei epidemiologische Daten dazu vorliegen, die einen Zusammenhang zwischen der streitgegenständlichen Impfung und einer Myelitis transversa bestätigen könnten. Daraus ergibt sich, dass nach den bisher vorliegenden Daten keine Erhöhung des Risikos, an einer Myelitis transversa zu erkranken, durch eine Impfung gegeben ist, so dass das – theoretisch nicht auszuschließende – Risiko einer impfbedingten Entstehung dieser Erkrankung nicht abgrenzbar ist von dem allgemeinen bestehenden Risiko einer solchen Erkrankung.
  • * die von der Bevollmächtigten der Klägerin sowie dem gemäß § 109 SGG benannten Sachverständigen Dr. C. postulierte Annahme eines Zusammenhangs zwischen dem Adjuvans Aluminiumhydroxid und einer dadurch verursachten Myelitis als Autoimmunerkrankung eine bloße Hypothese der Arbeitsgruppe um Shoenfeld darstellt, die sich aber nach den überzeugenden Hinweisen des Prof. Dr. J. und auch des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten, insbesondere in Person des Dr. K., noch nicht zu einer anerkannten medizinischen Lehrmeinung verdichtet hat, wie dies für eine Anerkennung im Rahmen der Kannversorgung erforderlich wäre, sondern eine wissenschaftliche nicht anerkannte Einzel- und Außenseitermeinung darstellt.
  • der Sachverständige Prof. Dr. J. nach überzeugender Auswertung der den neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand – dies ist der der Beurteilung zugrunde zu legende medizinwissenschaftliche Stand (vgl. BSG, Urteil vom 7.4.2011, B 9 VJ 1/10 R, und Beschluss vom 18.06.2018, B 9 V 1/18 B) – wiedergebenden Veröffentlichungen darauf hingewiesen hat, dass eine Verursachung der Myelitis durch das Adjuvans Aluminiumhydroxid in der Wissenschaft als bloße Hypothese oder Möglichkeit diskutiert werde, ohne dass sich insofern ein verdichteter Kenntnisstand gebildet hat, was für eine Herstellung des Zusammenhangs im Sinne der Kannversorgung (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, 9 RV 610/66, und vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92) und erst recht im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend ist.
  • die Verursachung von Impfkomplikationen an sich, also nicht nur bei der streitgegenständlichen Impfung, und daraus resultierend eines Impfschadens durch Adjuvantien in Impfstoffen, insbesondere durch Aluminiumhydroxid, wissenschaftlich und empirisch nicht belegt ist (vgl. Weisser u.a., Sicherheitsbewertung von Aluminium in Impfstoffen, in: Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Informationen aus BfArM und PEI, Ausgabe 3, September 2015, S. 6 ff.; ähnlich: Reaktionen und Nebenwirkungen nach Impfungen, Erläuterungen und Definitionen in Ergänzung zum österreichischen Impfplan, Bundesministerium für Gesundheit, 12/2013, S. 5, i.V.m. der im Internet (http://goo.gl/EUMpV7) abrufbaren Tabelle, dort S. 5 zur adjuvantierten Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis).
  • nach Baxter u.a. in ihrer Veröffentlichung vom Jahr 2016 (vgl. ders., Acute Demyelinating Events Following Vaccines: A Case-Centered Analysis, in: Clinical Infectious Diseases, 2016, S. 1456 ff.), der eine Auswertung von fast 64 Mio. Impfdosen zugrunde liegt, bei denen in einem von Baxter als plausibel angenommenen Zeitfenster der Entwicklung einer Myelitis transversa nach einer Impfung von 5 bis 28 Tagen nur sieben Fälle einer derartigen Erkrankung erfasst worden seien, was belege, dass im Vergleich zur Kontrollgruppe kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung dieser Gesundheitsstörung gegeben sei, und damit auch die aktuellsten Daten dafür sprechen, dass mit Aluminiumverbindungen adjuvantierte Impfungen nicht geeignet sind, das Risiko der Erkrankung an einer Myelitis transversa zu erhöhen bzw. eine solche Erkrankung auszulösen.
  • die Argumentation des nach § 109 SGG benannten Sachverständigen Dr. C. bereits aus zahlreichen Verfahren bekannt und in gerichtlichen Entscheidungen wiederholt als nicht nachvollziehbar und nicht haltbar abgelehnt worden ist. Beispielhaft verweist der Senat nur auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 12.05.2016, L 4 VJ 1/14, und das Urteil des Bayer. LSG vom 18.05.2017, L 20 VJ 5/11. In letzterem Urteil ist mit Blick auf Aluminiumverbindungen als Adjuvans eines Impfstoffs Folgendes ausgeführt worden:

    „Gleiches“ – zuvor war im genannten Urteil ausgeführt worden, dass in großen einschlägigen Studien kein Nachweis einer toxischen Schädigung des Menschen mit den minimalen, den Impfstoffen beigegebenen Mengen des Adjuvans Thiomersal habe erbracht werden können und dass es sich angesichts des derzeitigen medizinischen Wissensstandes bei den Ausführungen des auch dort nach § 109 SGG benannten Sachverständigen Dr. C. insoweit um reine Spekulation handle – „gilt bzgl. der Aluminiumverbindungen. Bei Zusatzstoffen, die Aluminium enthalten, handelt es sich um minimale Mengen. Impfbedingte neurologische Schadens-vermutungen beim Menschen sind (bisher) reine Spekulation (so auch Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 12.05.2016, L 4 VJ 1/14, juris Rn. 58; siehe dazu auch BayLSG Urteil vom 14.02.2012, L 15 VJ 3/08, juris Rn. 54ff. und BayLSG Urteil vom 28.07.2011, L 15 VJ 8/09, juris Rn. 44ff.). Im Vergleich zur Aufnahme über Trinkwasser, Lebensmittel oder Antazida ist die Aufnahme von Aluminium mit Adjuvantien in Impfstoffen gering. Sie liegt deutlich unter dem TDI-Wert (tolerable daily intake) für Aluminium, der Menge, die täglich ein Leben lang ohne gesundheitsschädliche Wirkung aufgenommen werden kann. Im Bulletin vom 22.06.2007 hat sich die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) mit einer möglichen Verursachung von Impfschäden durch Aluminiumverbindungen als Adjuvantien in Impfstoffen befasst und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass im Vergleich zur Exposition über Trinkwasser, Lebensmittel oder Medikamente (Antacida) die Aluminium-Exposition durch aluminiumhaltige Adjuvantien in Impfstoffen gering ist. So nimmt der Mensch allein aus Nahrung und Trinkwasser unter normalen Bedingungen 3-5 mg Aluminium pro Tag auf. Bei einer im Mittel beobachteten 1-prozentigen Resorptionsquote bedeutet dies eine systemisch (d.h. den ganzen Organismus betreffend) verfügbare Menge von 0,03-0,05 mg Aluminium pro Tag durch die Nahrung. Größere Mengen von Aluminium enthalten Kaugummis, Zahnpasta und aluminiumhaltige Antacida. Als TDI-Wert gibt der Lebensmittelausschuss der EU-Kommission die Aluminiummenge, die ohne gesundheitsschädliche Wirkungen täglich ein Jahr lang peroral (d.h. durch eine Aufnahme über den Mund durch Nahrung und Trinkwasser) aufgenommen werden kann, mit 1 mg/kg Körpergewicht/Tag an. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 70 kg entspricht dies einer Menge von 70 mg Aluminium/Tag, die für einen Menschen als unbedenklich angesehen werden kann. Nach der Monographie „Impfstoffe für den Menschen“ der Europäischen Pharmakopöe ist der Aluminiumgehalt auf 1,25 mg pro Dosis beschränkt. Auch die im PEI im Jahr 2005 untersuchten Impfstoffchargen enthielten 0,25-0,55 mg/Impfstoffdosis. Damit ist im Vergleich zur Aufnahme über Trinkwasser, Lebensmittel oder Antacida die Aufnahme von Aluminium mit Adjuvantien in Impfstoffen gering, auch bei einem Kleinkind wie der Klägerin zum Zeitpunkt der Impfung. Sie liegt deutlich unter diesem TDI-Wert für Aluminium, der Menge, die täglich ein Leben lang ohne gesundheitsschädliche Wirkung aufgenommen werden kann. Hinzu kommt, dass bei der Exposition mit Aluminium durch Impfstoffe – gegenüber der peroralen Aufnahme – eine parenterale (d.h. am Darm vorbei) Applikation von schwerlöslichen, mit Antigenen beladenen Aluminiumhydroxid- oder Aluminiumphosphat-Partikeln erfolgt. Bei der Applikation einer Impfstoffdosis wird daher keinesfalls das gesamte Aluminium im Körper unmittelbar systemisch verfügbar. Zu berücksichtigen ist die Resorptionsgeschwindigkeit aus dem Muskel ins Blut. Die als Adjuvans eingesetzten Aluminiumsalze sind sehr schlecht wasserlöslich und werden deshalb sehr langsam resorbiert, gelangen also nur protrahiert (d.h. verzögert) in sehr kleinen Mengen in den Blutkreislauf. Vergleicht man daher die systemisch verfügbaren Mengen, ist für die in den Blutkreislauf gelangenden Mengen Aluminium aus Impfstoffen ein systemisches Toxizitätsrisiko auszuschließen.“

  • auch die Ausführungen des Dr. C., der in seinem Gutachten einen Zusammenhang zwischen Impfung und Myelitis transversa annimmt, ohne dass klar wird, ob er dabei von einem hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang oder der Kannversorgung ausgeht, tatsächlich nicht einmal einen Zusammenhang im Sinne der Kannversorgung tragen. Denn wenn Dr. C. dem Gutachten des Prof. Dr. J. entgegen halten will, dass zwar die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Shoenfeld immer wieder kritisiert würden, sie aber aufgrund der angeblich breit aufgestellten Methodik nicht als Einzelmeinung zu bezeichnen seien, sondern ganz wesentlich zum gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand über unerwünschte Wirkungen von Impfstoffen beitragen würden, steht dies in Widerspruch zu seinen eigenen weiteren Ausführungen. Dort weist nämlich Dr. C. darauf hin, dass die Ursache einer Autoimmunerkrankung wie der bei der Klägerin bislang nicht bekannt sei und es sich somit insgesamt bei allen Betrachtungen zu Ursachen derartiger Erkrankungen um Hypothesen handle. Dies entspricht aber nicht einem medizinischen Kenntnisstand, bei dem zumindest nach einer anerkannten einzelnen medizinischen Lehrmeinung der Zusammenhang zwischen Impfung und Myelitis transversa als wahrscheinlich erachtet werden könnte.

Diese Bedenken, die, wenn ihnen gefolgt würde, dazu führen würden, dass eine Myelitis transversa überhaupt nicht als Primärschaden in Betracht gezogen werden dürfte, weil sich ein Zusammenhang mit der Impfung ohne jeden Zweifel nicht hinreichend wahrscheinlich machen oder im Sinne der Kannversorgung herstellen lässt, können jedoch dahingestellt bleiben. Denn auch wenn zugunsten der Klägerin die Annahme zugrunde gelegt wird, dass sich bei einem plausiblen zeitlichen Abstand zwischen Impfung und Erkrankung an einer Myelitis transversa ein Zusammenhang (entweder im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit oder im Sinne der Kannversorgung) möglicherweise herstellen lassen kann, kann im vorliegenden Fall ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang nicht hergestellt werden, weil es an einer im Vollbeweis nachzuweisenden Impfkomplikation, also dem Primärschaden, fehlt.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. J., die sich der Senat zu eigen macht, kann ein Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer Myelitis transversa allenfalls dann diskutiert werden, wenn ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankungsbeginn besteht. Von einem derartigen plausiblen zeitlichen Zusammenhang kann nur dann ausgegangen werden, wenn zwischen Impfung und Erkrankungsbeginn eine Zeitraum von keinesfalls mehr als 28 Tagen liegt (Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts vom 29.09.2014: 5 bis 21 Tage; versorgungsärztlicher Dienst des Beklagten z.B. in der Stellungnahme vom 16.01.2015: 5 bis 21 Tage, bzw. 5 bis 28 Tage in der Stellungnahme vom 1008.2017 mit Bezugnahme auf die Studie von Baxter; Prof. Dr. J. im Gutachten vom 12.08.2016: Tage bis wenige Wochen, jedenfalls weniger als 6 Wochen; Dr. C. im Gutachten gemäß § 109 SGG vom 30.04.2018, der mit Blick auf die WHO-Vorgaben einen „plausiblen“ zeitlichen Abstand fordert, den er bei den von ihm angenommenen Krankheitsbeginn wenige Tage nach der Impfung bejaht, ohne den Begriff eines plausiblen zeitlichen Abstands näher zu quantifizieren).

Ausgehend von einem im Vollbeweis nachgewiesenen Erkrankungsbeginn frühestens Mitte März/Anfang April 2014 hätten die Beschwerden mehr als 6 bis 8 Wochen nach der Impfung begonnen, was es nicht zulässt, einen Kausalzusammenhang der Erkrankung mit der Impfung herzustellen.

Damit ist es ausgeschlossen, die Myelitis transversa als Impfkomplikation der am 30.10.2014 durchgeführten Impfung zu betrachten. Ein Primärschaden, der einen Zustand nach Myelitis transversa als Impfschaden nach sich ziehen könnte, ist nicht nachgewiesen.

3.2. Zweite Alternative: Beginn der Symptome bereits kurz nach der Impfung

Eine Impfkomplikation als Primärschaden ist nicht nachgewiesen.

3.2.1. Zu Grunde zu legender Krankheitsverlauf

Werden die später gemachten Angaben der Klägerin und die von der Klägerin vorgelegten Erklärungen ihrer Arbeitskollegen zu Grunde gelegt, stellt sich die Entwicklung der Gesundheitsstörungen nach der Impfung folgt dar:

Die Gesundheitsstörungen der Klägerin haben mit sensiblen Störungen und kalten Füßen schleichend im Februar 2014 begonnen, wobei dann im April 2014 eine schnelle und massive („dramatisch“ – so die Formulierung im Gutachten gemäß § 109 SGG) Verschlechterung eingetreten ist.

3.2.2. Rechtliche Bewertung

Mit dem zu Grunde zu legenden Krankheitsverlauf ist der Nachweis einer Myelitis transversa zu Beginn der Beschwerden, also Anfang Februar nicht im Vollbeweis erfolgt (vgl. unten Ziff. 3.2.2.1.). Ohne den sicheren Nachweis einer Myelitis transversa lässt sich ein Zusammenhang der Erkrankung der Klägerin mit der Impfung nicht herstellen (vgl. unten Ziff. 3.2.2.2.).

3.2.2.1. Erhebliche Zweifel am Vorliegen einer Myelitis transversa schon im Februar 2014

Wie der Sachverständige Prof. Dr. J. überzeugend ausgeführt hat, wäre ein Erkrankungsverlauf, wie er sich aus den Angaben der Klägerin ergibt, untypisch für eine Myelitis transversa. Eine Myelitis transversa ist daher zeitnah nach der Impfung nicht zweifelsfrei, d.h. im Vollbeweis nachgewiesen. Diese Zweifel werden noch dadurch verstärkt, dass die zeitnah nach der Impfung beginnende neurologische Symptomatik auch mit dem Vitamin B12-Mangel der Klägerin erklärt werden kann.

Der typische Krankheitsverlauf einer Myelitis transversa stellt sich, wie der Sachverständige Prof. Dr. J. ausführlich dargestellt hat, wie folgt dar: Eine Myelitis transversa nimmt in der Regel einen akuten bis subakuten Verlauf. Die Schwere der Symptomatik nimmt typischerweise kontinuierlich in einem Zeitraum von 4 bis 21 Tagen ab Krankheitsbeginn zu. In mehr als 80 % der Fälle erreichen die klinischen Erscheinungen ihren Höhepunkt innerhalb von 10 Tagen nach Beginn der Erkrankung. Die Progredienz der Symptomatik sistiert nach 2 bis 3 Wochen und bildet sich dann allmählich zurück.

Der bei der Klägerin vorliegende Erkrankungsverlauf – schleichender Beginn von sensiblen Störungen und kalten Füßen im Februar 2014 mit anschließend sehr langsamer Verschlechterung und dann im April 2014 dramatischer Verschlechterung – stellt sich als völlig atypisch für eine Myelitis transversa (als einzige Erkrankung) dar (vgl. auch Berlit, Klinische Neurologie, 1999, S. 487 f.: „Postinfektiöse und postvakzinale Myelitiden verlaufen monophasisch und häufig relativ rasch.“), sodass schon deshalb erhebliche Zweifel daran angezeigt sind, dass ab Februar – und nicht erst seit Ende März/Anfang April – 2014 eine Myelitis transversa vorgelegen haben könnte. Erst ab Anfang April 2014 liegt ein Erkrankungsverlauf vor, der zwanglos mit einer Myelitis transversa zu vereinbaren ist und auf einen Beginn der Myelitis transversa auch erst nicht vor Ende März/Anfang April 2014 hindeutet.

Bestätigt und verstärkt werden die Zweifel an einem Beginn der Myelitis vor Ende März/Anfang April 2014 zusätzlich dadurch, dass die von der Klägerin angegebene Symptomatik ab Februar bis Ende März/Anfang April 2014 durch den Vitamin B12-Mangel der Klägerin erklärt werden kann. Die für Februar bis zumindest Mitte März von der Klägerin geschilderte Symptomatik entspricht, wie dies Prof. Dr. J. eingehend und überzeugend erläutert hat, ziemlich genau den neurologischen Symptomen eines Vitamin B12-Mangels, wie sie in der Literatur beschrieben werden. Der Sachverständige hat insofern z.B. auf einen Übersichtsartikel zum Vitamin B12-Mangel von Kisters (2015) hingewiesen, in dem als Symptome eines Vitamin B12-Mangels Parästhesien (Kribbeln bzw. Ameisenlaufen in Armen und Beinen), Sensibilitätsstörungen (z.B. pelziges Taubheitsgefühl), Gangunsicherheit (Gehen wie auf Watte) und erhöhte Sturzneigung genannt werden, also Erscheinungen, wie sie von der Klägerin bis zu der unstrittig vorliegenden schnellen und massiven Verschlechterung ihre Gesundheitszustands ab Ende März/Anfang April 2014 angegeben worden sind.

Wenn dem die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz von 25.10.2016 zweierlei entgegen hält, nämlich zum einen, dass keiner der behandelnden Ärzte jemals in Betracht gezogen habe, dass die bei der Klägerin vorliegenden Ausfallerscheinungen in einem Zusammenhang mit einem Vitaminmangel stehen könnten, und zum anderen, dass die Klägerin vor der Impfung niemals Depressionen, Müdigkeit, Muskelschwäche, Gedächtnisstörungen oder sonstige Anzeichen gehabt habe, die auf einen schweren Vitamin B12-Mangel hätten schließen lassen, kann dies nicht ansatzweise überzeugen:

* Dass ein Vitamin B12-Mangel grundsätzlich geeignet ist, zu den von der Klägerin geschilderten Symptomen zu führen, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen und des versorgungsärztlichen Dienstes unstreitig und wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, da es medizinischem Grundwissen entspricht (vgl. z.B. Kisters, Vitamin-B12-Mangel – Erkennen und behandeln, 01.04.2015, [https://www.allgemeinarzt-online.de/archiv/a/erkennen-und-behandeln-1700675], der als neurologische Symptome „Parästhesien (Kribbeln bzw. Ameisenlaufen in Armen oder Beinen), Sensibilitätsstörungen (z. B. pelziges Taubheitsgefühl), Gangunsicherheit („Gehen wie auf Watte“), erhöhte Sturzneigung/Störungen der Tiefensensibilität (Erkennen und Lage der Stellung z. B. der Beine sind gestört), Ausfall der Reflexe/Lähmungen“ benennt.).

Die Bevollmächtigte und auch der Gutachter gemäß § 109 SGG wollen lediglich glauben machen, dass bei der Klägerin kein relevanter Vitamin B12-Mangel vorgelegen hätte. Diese Behauptung ist aber nicht nur durch die mit Blick auf die vorliegenden Laborwerte erfolgten Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. J. widerlegt, sondern auch durch die Behandlungsinformationen aus der Uniklinik E-Stadt und die Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes in Form von neurologischen Stellungnahmen. Dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Manifestation neurologischer Symptome ein Vitamin B12-Mangel vorgelegen hat, ist durch Laborbefunde eindeutig belegt. Nachdem erniedrigte Werte festgestellt worden waren, ist im Rahmen der Krankenhausaufenthalte der Klägerin im April/Juni 2014 eine weitere Abklärung durchgeführt worden. Dazu ist der Holo-Transcobalamin-Wert bestimmt worden, der mit einem Wert von 38,1 pmol/l gegenüber dem Normwert von über 50 pmol/l erniedrigt war. Dieser erniedrigte Wert belegt einen metabolisch relevanten Vitamin B12-Mangel und damit eine Erschöpfung des Vitamin B12-Speichers des Körpers. Dieser Mangel ist von den Ärzten in der Uniklinik E-Stadt auch als klinisch relevant eingeschätzt und entsprechend substituiert worden.

Die Bevollmächtigte der Klägerin und der gemäß § 109 SGG benannte Gutachter Dr. C., die einerseits glauben machen wollen, dass der bei der Klägerin festgestellte Holo-Transcobalamin-Wert im Normbereich liege, andererseits auch ein erniedrigter Wert lange Zeit ohne irgendwelchen klinischen Erscheinungen bleibe, verkennen diese Tatsachen. Zum einen liegen aus der Behandlung im Uniklinikum E-Stadt Laborbefunde vor, die einen erniedrigten Holo-Transcobalamin-Wert von 38,1 pmol/l gegenüber einem Normalwert von über 50 pmol/l belegen. Zum anderen treten die bei B12-Mangel beobachteten Symptome von psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen sowie kognitiven Störungen, Depressionen oder auch Demenz sehr häufig schon vor dem Unterschreiten des unteren B12-Referenzlimits auf (vgl. Herrmann, Obeid, Ursachen und frühzeitige Diagnostik von Vitamin-B12-Mangel, in: Deutsches Ärzteblatt 2008, S. 680 ff.,- m.w.N. -, https://www.aerzteblatt.de/archiv/61696/Ursachen-und-fruehzeitige-Diagnostik-von-Vitamin-B12-Mangel; Kisters, a.a.O.: „Häufig haben Personen mit Vitamin-B12-Mangel auch neurologische und psychiatrische Symptome unterschiedlich schwerer Ausprägung, auch bei völligem Fehlen von Blutbildveränderungen. … Die neurologischen und neuropsychiatrischen Symptome können hämatologischen Anomalien Monate bis Jahre vorausgehen; Blutbildveränderungen können auch ganz ausbleiben.“).

* Der Vortrag der Bevollmächtigten der Klägerin, diese habe vor der streitgegenständlichen Impfung niemals Depressionen und Müdigkeit, eine Symptomatik die typisch ist für einen Vitamin B12-Mangel ist (vgl. Herrmann, Obeid, a.a.O.) gehabt, entspricht nicht den Tatsachen. So hat der die Klägerin behandelnde Allgemeinarzt B. dem SG am 05.01.2016 berichtet, dass bei der Klägerin seit 2004, also schon lange vor der Impfung, eine „psychovegetative Erschöpfung, Angststörung und Anpassungsstörung mit bisher leichter depressiver Symptomatik“ bestanden habe. Davon, dass die Klägerin vor der Impfung nie unter Depressionen und Müdigkeit gelitten habe, kann also keine Rede sein. Wenn demgegenüber der genannte Arzt B. der Klägerin am 10.10.2016 zur Vorlage bei Gericht attestiert hat, dass vor dem 08.04.2014 Erschöpfungszustände bei der Klägerin nie aufgetreten seien, was dann von der Klägerin gegenüber dem Gericht als vermeintlicher Nachweis dafür vorgelegt worden ist, dass sie unter keinem Vitamin B12-Mangel gelitten habe, kann der Senat wegen der eindeutigen und anderslautenden Auskunft dieses Arztes vom 05.01.2016 im Attest vom 10.10.2016 nur ein Gefälligkeitsattest erkennen, das im sozialgerichtlichem Verfahren keine Verwertung zu Gunsten der Klägerin finden kann, sondern allenfalls Anlass für ein berufs- und/oder strafrechtliches Verfahren gegenüber dem Arzt B. geben könnte. Letztlich ist es aber für die Entscheidung ohne Bedeutung, ob die Klägerin im oder seit dem Jahr 2004 an Erschöpfungszuständen gelitten hat.

Ebenfalls lediglich der Vollständigkeit halber, ohne dass dies von Bedeutung für die Entscheidung wäre, merkt der Senat an, dass nach den vorliegenden Arztberichten erste leichte neurologische Störungen bereits vor der Impfung im Januar nicht auszuschließen sind. So hat die Klägerin nach den Ausführungen im Entlassungsbericht über eine neurologische stationäre Rehabilitation vom 25.09.2014 bis zum 29.10.2014 „spontan“ berichtet, „dass es bereits Anfang des Jahres zu ersten Problemen beim Gehen sowie zu einem Gefühl kalter Füße gekommen sei.“ Die Formulierung „Anfang des Jahres“ könnte durchaus dahingehend interpretiert werden, dass erste Beschwerden bereits im Januar und damit vor der Impfung vorgelegen haben. Entscheidungserheblich ist aber auch dies nicht.

Eine Myelitis transversa als Primärschaden, der dann zu einem Zustand nach Myelitis transversa als Impfschaden hätte führen können, bereits zu Beginn der angegebenen Beschwerden, also schon im Februar 2014, ist somit nicht im Vollbeweis nachgewiesen

3.2.2.2. Vitamin B12-Mangel nicht impfbedingt

Mit Blick auf die in der mündlichen Verhandlung erstmals geführte medizinische Argumentation der Bevollmächtigten der Klägerin, die Impfung könne Ursache für den – von ihr zuvor vehement bestrittenen – Vitamin B12-Mangel sein und so zum Impfschaden geführt haben, weist der Senat auf Folgendes hin:

Aufgrund der oben (vgl. Ziff. 3.2.2.1.) aufgezeigten Überlegungen sind durch einen Vitamin B12-Mangel der Klägerin bedingte neurologische Ausfallerscheinungen zeitnah nach der Impfung nicht fernliegend. Daraus lässt sich aber keine Kausalkette für die Anerkennung eines Impfschadens konstruieren. Weder ist ein Vitamin B12-Mangel als Impfkomplikation denkbar noch würde sich aus dem Vitamin B12-Mangel ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang mit der später nachgewiesen Myelitis transversa als zur Anerkennung beantragter Impfschaden herstellen lassen

Es ist bereits kein Ansatzpunkt erkennbar, den Vitamin B12-Mangel kausal auf die Impfung zurückzuführen, worauf der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. J. hingewiesen hat und was von keinem der mit dem Fall befassten Ärzte, auch nicht vom Gutachter gemäß § 109 SGG, in Betracht gezogen worden ist. Wie die Bevollmächtige der Kläger selbst zuvor schriftsätzlich wiederholt vorgetragen hat, ist ein Vitamin B12-Mangel ein Zustand, dessen Entstehung längere Zeit benötigt, da der Körper über Vitamin B12-Speicher verfügt, die erst nach längerer Zeit einer gestörten B12-Aufnahme oder -Resorption erschöpft sind (vgl. Kisters, a.a.O.: „Im Körper bestehen große Vitamin-B12-Speicher, weshalb eine Unterversorgung klinisch erst nach Jahren evident wird.“). Es fehlt daher auch unter diesem Gesichtspunkt schon am Primärschaden, da eine Impfung am 30.01.2014 nicht zu einer Erschöpfung der Vitamin B12-Speicher schon 2 Monate später im April 2014 führen kann.

Im Übrigen wäre auch ein Zusammenhang des Vitamin B12-Mangels mit der später nachgewiesenen Myelitis transversa – in einem solchen Fall wäre statt einer 3-gliedrigen Kausalkette eine 4-gliedrige Kausalkette mit einer weiteren Gesundheitsstörung als Zwischenschritt erforderlich (Impfung – Vitamin B12-Mangel – Myelitis transversa – Zustand nach Myelitis transversa) nicht herstellbar, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und der Myelitis transversa nicht gegeben sein kann. Keiner der mit dem Fall der Klägerin befassten Ärzte hat einen solchen Zusammenhang als auch nur theoretisch möglich in seine Überlegungen einbezogen.

4. Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung

Den in der mündlichen Verhandlung am 06.12.2018 gestellten Beweisanträgen der Bevollmächtigten der Klägerin war nicht nachzukommen:

4.1. Ergänzende Befragung des Prof. Dr. J.

Sofern die Klägerin beantragt hat, „Prof. J. zur Erläuterung seines Gutachtens mündlich anzuhören und das Gutachten des Dr. C. dem Mikrobiologen und Universitätsprofessor Dr. J. zur Stellungnahme hierzu zuzuleiten“, ist weder ersichtlich, zu welchem Fragenkomplex sich Prof. Dr. J. nochmals hätte äußern sollen, noch ist erkennbar, inwiefern eine weitere Äußerung des gerichtlichen Sachverständigen überhaupt von Entscheidungserheblichkeit sein könnte.

Das BSG hat insofern in einer vergleichbaren Konstellation mit Beschluss vom 28.09.2015, B 9 SB 41/15 B, Folgendes ausgeführt:

„a) Der im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Kläger hat es unterlassen darzulegen, welche konkreten Punkte des Beweisthemas einer persönlichen Befragung durch welchen konkreten Sachverständigen hätten unterzogen werden müssen, denen das LSG – von seinem Rechtsstandpunkt aus – ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sein soll und welches Ergebnis im Falle einer konkreten Befragung bestimmter Sachverständiger zu erwarten gewesen wäre (sog Entscheidungserheblichkeit). Zwar hat der Kläger geltend gemacht, mit Schriftsätzen vom 25. und 26.11.2014 neben einem Vertagungsantrag die ergänzende Befragung von Dr. Y. und Dr. B. beantragt zu haben nebst Beiziehung weiterer Unterlagen zur Überprüfung der wissenschaftlichen Auffassung der Sachverständigen und dass das LSG zu Unrecht diese Anträge als nicht sachdienlich bewertet habe. Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass dieser auch die Aufrechterhaltung dieser Anträge im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.11.2014 dargelegt hat, wie sich aus der Protokollniederschrift ergibt, so enthalten diese Ausführungen des Klägers keine ausreichenden Angaben zu den zu begutachtenden Punkten iS von § 403 ZPO bzw eines konkreten Beweisthemas in dem Beweisantrag, die grundsätzlich nicht entbehrlich sind (vgl BSG Beschluss vom 9.3.2001 – B 2 U 404/00 B; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6). Vor allem in Verfahren – wie vorliegend – in denen bereits mehrere medizinische Gutachten und ergänzende Stellungnahmen mit abweichenden Beurteilungen vorliegen, ist eine Konkretisierung des Beweisthemas unabdingbar, da eine pauschale Wiederholung bisher gestellter Beweisfragen nicht erkennen lässt, inwieweit überhaupt noch Aufklärungsbedarf vorliegt. Insoweit hätte der Kläger das von seinen Beweisanträgen in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 28.11.2014 umfasste Beweisthema konkretisieren und zumindest darlegen müssen, weshalb die von ihm benannten Sachverständigen der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung widersprochen haben. Denn das LSG ist als letztinstanzliche Tatsacheninstanz nur dann einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, wenn es sich hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Insoweit hätte es zudem des klägerseitigen Vortrags bedurft, weshalb nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden haben soll (vgl Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG <Teil II>, SGb 2007, 328, 332 zu RdNr 188 unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 14.12.1999 – B 2 U 311/99 B – mwN). Dies gilt ebenso hinsichtlich der vom Kläger geforderten Beiziehung weiterer Unterlagen von den Sachverständigen. Zwar kann das LSG diese nach § 407a Abs 4 ZPO anfordern, aber auch insoweit ist darzulegen, weshalb sich das LSG – aus seiner Rechtsansicht – hierzu hätte gedrängt sehen müssen. Dies hat der Kläger versäumt.“

Genauso wie bei der Entscheidung des BSG ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, warum Prof. Dr. J. sich zu seinem Gutachten und zum Gutachten des Dr. C. ergänzend hätte äußern sollen. Der Senat hat sich daher nicht gedrängt gesehen, dem Antrag der Bevollmächtigten der Klägerin nachzukommen.

4.2. Weiteres Gutachten bei Prof. Dr. M.

Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt hat, die „Erholung eines Gutachtens von Herrn Prof. Dr. M., B-Allee, B-Stadt, zum Beweis dafür zu erholen, dass die wenige Tage nach der streitgegenständlichen Impfung aufgetretenen neurologischen Ausfallerscheinungen der Klägerin eine durch den Impfstoff verursachte Primärschädigung darstellen“, hat sie damit zwar einen wirksamen Beweisantrag gestellt, da sie – anders als bei der beantragten ergänzenden Anhörung des Prof. Dr. J. – ein Beweisthema benannt hat. Eine weitere Begutachtung (von Amts wegen) war aber nicht erforderlich, da die von der Bevollmächtigten der Klägerin aufgeworfene Frage bereits durch die im Verfahren erfolgten Ermittlungen geklärt ist und im Übrigen auch eine positive Beantwortung nicht zu einer anderen Entscheidung führen könnte, also nicht entscheidungserheblich wäre:

* Dass die von der Klägerin schon für Februar und März 2014 angegebenen neurologischen Ausfallerscheinungen nicht mit der erforderlichen Gewissheit einer Myelitis transversa zuzuschreiben sind, steht u.a. nach dem Gutachten des Prof. Dr. J. fest. Es spricht vieles dafür, dass die zeitnah nach der Impfung aufgetretene neurologische Symptomatik durch den nachgewiesenen Vitamin B12-Mangel der Klägerin verursacht ist. Dass ein derartiger Vitaminmangel durch die Impfung bedingt sein könnte, ist nach den vorliegenden gutachterlichen und versorgungsärztlichen Einschätzungen nicht in Betracht zu ziehen, sodass es insofern keiner weiteren sachverständigen Äußerung bedurft hat.

* Selbst dann, wenn entgegen den obigen Ausführungen davon ausgegangen würde, dass die zeitnah nach der Impfung aufgetretene neurologische Symptomatik in einem kausalen Zusammenhang mit der Impfung stehen würde, könnte daraus keine Anerkennung eines Impfschadens resultieren. Denn als (einziger) potentieller Impfschaden kommt nach übereinstimmender Einschätzung aller Gutachter und Versorgungsärzte, auch des von der Klägerin nach § 109 SGG benannten Sachverständigen, allein ein Zustand nach Myelitis transversa infrage. Da aber eine Myelitis transversa nicht hinreichend wahrscheinlich durch einen Vitamin B 12-Mangel verursacht sein kann, könnte selbst dann, wenn die anfängliche vitaminmangelbedingte Symptomatik auf die Impfung zurückzuführen wäre, ein Impfschaden wegen der fehlenden Kausalität zwischen der im Februar/März vorliegenden neurologischen Symptomatik und der später aufgetretenen Myelitis transversa als Vorstufe zum Impfschaden, der in einem Zustand nach Myelitis transversa zu sehen wäre, nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden. Irgendwelche anderen verbliebenen Folgewirkungen des Vitamin-B12-Mangels stehen nicht im Raum.

5. Keine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland

Eine Beiladung hatte nicht zu erfolgen.

In der mündlichen Verhandlung am 06.12.2018 hat die Bevollmächtigte der Klägerin „gem. § 75 Abs. 2 Satz 2 SGG die Beiladung der BRD vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit zu dem vorliegenden Rechtsstreit mit der Aufforderung, dem Rechtstreit auf Seiten der Klägerin beizutreten“, beantragt. Da es die von der Bevollmächtigten zu Protokoll gegebene Vorschrift eines „§ 75 Abs. 2 Satz 2 SGG, die sie im Übrigen so auch in ihrem Schriftsatz vom 21.11.2018 angeführt hat, nicht gibt – § 75 Abs. 2 SGG beinhaltet keinen Satz 2 -, ist insofern unklar, ob damit eine notwendige Beiladung im Sinne des § 75 Abs. 2 bzw. Abs. 1 Satz 2 SGG beabsichtigt war oder eine einfache Beiladung im Sinne des § 75 Abs. 1 SGG. Eine Beiladung war aber unter keinem Gesichtspunkt geboten:

* Ein Fall einer notwendigen Beiladung im Sinne von § 75 Abs. 2 SGG lag nicht vor. Weder hat die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung bestanden noch ist die Bundesrepublik Deutschland als anderer Leistungspflichtiger in Betracht gekommen.

* Eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGG hatte nicht zu erfolgen, da dies die Bundesrepublik Deutschland selbst hätte beantragen müssen (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 25.09.2014, L 15 VK 3/13 – m.w.N.). Mit der gesetzlichen Regelung soll lediglich der Bundesrepublik Deutschland, die die Kosten des sozialen Entschädigungsrechts trägt, die Möglichkeit gegeben werden, Einfluss auf den Prozess zu nehmen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders./Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § § 75, Rdnr. 9). Beantragt nur ein Beteiligter, nicht aber die Bundesrepublik Deutschland die Beiladung, muss eine Beiladung nicht erfolgen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 75, Rdnr. 9a). Bei einem Antrag eines Beteiligten steht es im Ermessen des Gerichts, die Bundesrepublik Deutschland gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG (einfach) beizuladen (vgl. BSG, Urteil vom 22.04.1965, 10 RV 375/63).

* Für eine solche einfache Beiladung im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG hat der Senat keinen Anlass gesehen. Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin der Meinung ist, es müsste einerseits eine Erleichterung für Kläger in Impfschadensstreitigkeiten durch eine Gesetzesänderung herbeigeführt werden und andererseits verstärkte Anstrengungen in eine Impfrisikoforschung gesetzt werden, was beides Aufgabe der Bundesregierung sei, ist dafür wegen der rein gesundheits- und rechtspolitischen Zielrichtung ein mit einer Einzelfallbeurteilung verbundenes impfschadensrechtliches Berufungsverfahren nicht der richtige Ort.

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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