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Erstattungsanspruch für Kosten einer ärztlichen Behandlung in den USA

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 1 KR 1/10 – Urteil vom 17.12.2010

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Im Streit ist der Sache nach der Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Kosten für ärztliche Behandlungen in den USA, die sie in Form von „Schadenersatz“ für die Nichtzurverfügungstellung einer Krankenversichertenkarte in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 1. April 2006 begehrt, und die Zahlung von Schmerzensgeld.

Die 1924 geborene Klägerin war Mitglied bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner bis zum 1. April 2006. Sie nahm ärztliche Behandlungen in den USA im Zeitraum vom August 2004 bis Dezember 2005 in Anspruch. Nach Mitteilung ihres Umzugs zum 2. April 2006 in die USA erfolgte durch Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2006 die Beendigung der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten rückwirkend zum 2. April 2006.

Erstattungsanspruch für Kosten einer ärztlichen Behandlung in den USA
(Symbolfoto: Von sasirin pamai/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 26. März 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Erstattung von Kosten für ärztliche Behandlungen in den USA. Denn nach Auslaufen ihrer Mitgliedskarte Ende September 2003 habe sie von der Beklagten keine neue Karte ausgestellt erhalten und alle Behandlungskosten selbst tragen müssen. Diese müsse ihr nun die Beklagte erstatten. Die Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheide vom 16. April 2007 und 8. Januar 2008 ab. Die Widersprüche gegen diese Ablehnungsbescheide wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2008 zurück.

Mit ihrer am 29. September 2008 erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Kostenerstattungsbegehren weiter.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. September 2009 abgewiesen. Es bestehe kein Rechtsanspruch auf Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 4.931 USD. Als Rechtsgrundlage für den insoweit geltend gemachten „Schadensersatzanspruch“ käme allenfalls § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in Frage. Doch habe kein Anspruch auf die entsprechende Sachleistung bestanden. Denn da die in Rede stehenden Behandlungen in den USA durchgeführt worden seien, mit denen keine zwischenstaatlichen Vereinbarungen über die Gewährung von Krankenversicherungsleistungen bestünden, habe während der Aufenthalte der Klägerin in den USA nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung geruht. Die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 18 Abs. 1 und 2 SGB V seien nicht gegeben. Denn es sei nicht ersichtlich, dass eine dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung in Deutschland nicht möglich gewesen wäre. Soweit die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs vorgetragen habe, dass sie keine Versichertenkarte erhalten habe, sei darauf hinzuweisen, dass das Fehlen der Versichertenkarte kein Hinderungsgrund für eine ärztliche Behandlung gewesen wäre. Die Mitgliedschaft der Klägerin hätte durch einen Anruf bei der Beklagten gegenüber dem Arzt bestätigt werden können. Im Übrigen folge aus § 15 Abs. 5 SGB V, dass in dringenden Fällen die Krankenversicherungskarte nachgereicht werden könne. Auch wäre es der Klägerin zumutbar gewesen, ihre Krankenkasse unter Fristsetzung zur Aushändigung der Versichertenkarte aufzufordern und notfalls die Ausstellung – gegebenenfalls auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – einzuklagen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ergebe sich auch nicht aus dem Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Denn dessen Rechtsfolge decke schon nicht das Begehren der Klägerin einer Kostenerstattung für Behandlungsleistungen in den USA, auf die ein Sachleistungsanspruch nicht bestanden habe. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf die Erstattung der Kosten der Behandlung ihres rechten Knies bestehe aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht, unabhängig davon, dass die Klägerin bereits nicht dargelegt habe, welche Kosten ihr insoweit entstanden seien. Als Anspruchsgrundlage für sonstige Schadensersatzforderungen und insbesondere auch für den geltend gemachten Anspruch auf Schmerzensgeld komme allenfalls der Amtshaftungsanspruch in Betracht. Insoweit jedoch bestehe keine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit. Eine Verweisung an das zuständige Zivilgericht käme nicht in Betracht, denn rechtfertigten die übrigen Anspruchsgrundlagen kein stattgebendes Urteil, werde die Klage als unbegründet abgewiesen und sei eine Verweisung nicht zulässig.

Gegen den am 7. Oktober 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30. Dezember 2009 Berufung eingelegt. Mit dieser trägt sie unter anderem vor, es werde auf ihre Leiden, die infolge der Nachlässigkeit der Beklagten, ihr die ihr zustehende Mitgliedskarte nach Ablauf der vorangegangenen im September 2003 zuzustellen, erwachsen seien, nicht eingegangen. Sie habe den Eindruck, dass die Beklagte aufgrund der Abrechnungen der Augen- und Zahnärzte der Klägerin erkannt habe, dass durch ihr zustehende Behandlungen einige Kosten auf sie zukämen, und die Beklagte ihr deshalb eine Anschlusskarte im Oktober 2003 nicht zugesandt habe. Die Klägerin beantragt nach Lage der Akten,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 16. September 2009 und die Bescheide der Beklagten vom 16. April 2007 und 8. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten ärztlicher Behandlungen in den USA in Höhe von 4.931 USD und die Kosten der Behandlung ihres rechten Knies zu erstatten sowie ihr Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts angeschlossen.

Durch Beschluss vom 15. April 2010 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden, weil das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat durch Beschluss vom 15. April 2010 die Berufung dem Berichterstatter übertragen hat, der nach § 153 Abs. 5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Der Beschluss ist den Beteiligten am 27. bzw. 29. April 2010 zugestellt worden.

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat nach dem SGB V keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erstattung der geltend gemachten Kosten für ärztliche Behandlungen in den USA. Und ihren gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf über die begehrte Kostenerstattung hinausgehende Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld kann sie im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zulässig verfolgen. Auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Die Berufung gibt allenfalls Anlass, nur erneut darauf hinzuweisen, dass es im SGB V keine Anspruchsgrundlage dafür gibt, dass die Klägerin vorliegend die Kosten ärztlicher Behandlungen während ihrer Aufenthalte in den USA von der Beklagten erstattet erhält. Anderes ergibt sich für sie auch nicht aus dem zwischenstaatlichen Recht. Denn das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit vom 7. Januar 1976 regelt auch in der Fassung seiner Zusatzabkommen, Protokolle und Durchführungsvereinbarungen nur renten-, nicht aber krankenversicherungsrechtliche Verhältnisse.

Und selbst wenn der für die Klägerin offenbar maßgebliche Vortrag zu dem sie beschwerenden Vorgang einer Vorenthaltung der Krankenversichertenkarte und der hieraus entstandenen Leiden zutreffen sollte: Aus dem Umstand, dass der Klägerin trotz fortbestehender Mitgliedschaft bei der Beklagten von dieser nicht eine Krankenversichertenkarte ausgehändigt worden ist, folgt nicht, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für in den USA während ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten in Anspruch genommene Leistungen der Krankenbehandlung gegen die Beklagte hat. Denn ihre Krankenbehandlung in Deutschland war rechtlich wie tatsächlich möglich, und die Aushändigung einer Krankenversichertenkarte war für die Klägerin auch erreichbar. Die Klägerin musste also nicht deshalb in die USA reisen, um sich dort behandeln zu lassen, weil dies in Deutschland nicht möglich war. Vielmehr hat sie sich dort während der Besuche bei ihrem Sohn in den USA behandeln lassen, obwohl ihre Behandlung in Deutschland nicht ausgeschlossen war. Rechtlich also vermag aus diesem Vortrag der Klägerin von vornherein nichts zu folgen. Zutreffend hat das Sozialgericht schließlich auch unter Hinweis auf § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) von einer Verweisung des Rechtsstreits an das für Amtshaftungsansprüche zuständige Landgericht Abstand genommen. Denn reichen – wie hier – die zulässig im sozialgerichtlichen Rechtsweg verfolgten Klagegründe für eine stattgebende Entscheidung nicht aus, ist die Klage als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass eine Verweisung möglich wäre (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 51 Rn. 41; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 17 GVG Rn. 9).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.

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