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Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit

Verweisbarkeit bei beantragter Rente

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – Az.: L 2 R 408/17 – Beschluss vom 09.03.2020

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Mai 2013.

Die 1960 geborene Klägerin absolvierte zunächst vom 1. September 1977 bis 15. Juli 1979 eine Lehre als Maschinistin, die sie mit dem Facharbeiterabschluss beendete, anschließend arbeitete sie bis 27. April 1981 als Hilfsmaschinistin, vom 28. April 1981 bis 31. August 1984 als Maschinistin für Anlagen und Geräte, vom 1. März 1985 bis 11. Juni 1985 als Kellnerin, vom 9. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Raumpflegerin, vom 12. September 1985 bis 31. Dezember 1990 als Packerin, vom 19. August 1991 bis 14. März 1997 als Gabelstaplerfahrerin, vom 17. März 1997 bis 28. April 1998 als Kommissioniererin, vom 4. Mai 1998 bis 31. Oktober 2010 als gewerbliche Mitarbeiterin (IG-Bergbau Entgeltgruppe 1), als Systemwächterin (IG-BCE Entgeltgruppe 5), Qualitätsprüferin (IG-Chemie Entgeltgruppe 5/3) sowie zuletzt produktionsbegleitend als Mitarbeiterin Qualitätsprüfung im Wareneingang (IG-Chemie Entgeltgruppe 6) und vom 7. November 2011 bis zum 21. Mai 2012 als Qualitätsmitarbeiterin. Vom 22. März 2004 bis 29. Juli 2004 nahm die Klägerin an einem Lehrgang Qualitätsmanagement – Werkzeuge und Methoden – mit einer Lehrgangsdauer von 124 Unterrichtsstunden teil.

Am 7. Mai 2013 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab unter anderem an, sie leide unter einer Blockade in der Lendenwirbelsäule und Beschwerden im linken Oberschenkel sowie Schmerzen in der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, den Hüften, den Beinen, den Schultern, dem Kreuz, den Oberarmen, dem Hals und dem Kopf.

Die Beklagte zog einen Reha-Entlassungsbericht vom 21. Dezember 2012 über eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 19. November 2012 bis zum 17. Dezember 2012 in der K-Klinik W bei. Aus dieser Maßnahme war die Klägerin arbeitsunfähig, jedoch mit einem Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Qualitätsprüferin als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts entlassen worden. Weiter ist dort ausgeführt, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung wirbelsäulengefährdender Zwangshaltungen, häufigem Bücken und Überkopfarbeiten vollschichtig verrichten.

Des Weiteren lag ein Gutachten des Dr. H erstellt für die Bundesagentur für Arbeit vom 30. November 2010 vor, der ein Schmerzsyndrom der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie Spannungskopfschmerzen diagnostizierte, die Klägerin jedoch trotz dieser Gesundheitsstörungen für vollschichtig leistungsfähig hielt.

Die von der Beklagten mit der Begutachtung der Klägerin beauftragte Fachärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. W führte in ihrem Gutachten vom 13. August 2013 unter anderem aus, die Klägerin leide unter einem chronischen vertebragenen Schmerzsyndrom der Hals- und Lendenwirbelsäule bei deutlichen degenerativen Veränderungen sowie einer Coxarthrose beidseits rechts mehr als links mit Funktionseinschränkungen. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Qualitätsprüferin nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zeitweise im Gehen, Stehen und Sitzen seien ihr weiterhin täglich 6 Stunden und mehr zumutbar. Zu vermeiden seien Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten, wirbelsäulengefährdende Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Arbeiten über dem Kopf, Einfluss von Kälte, Nässe, Vibrationen und Erschütterungen, das Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, besondere Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit sowie das Laufvermögen, außergewöhnliche Stressbelastungen sowie Zeitdruck. Als Verweisungstätigkeiten kämen die einer Bürohilfskraft oder eines Pförtners in Betracht. Die Klägerin sei wegefähig.

Mit Bescheid vom 4. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab und führte zur Begründung unter anderem aus, die Klägerin sei in der Lage, Tätigkeiten, die ihr sozial und gesundheitlich zumutbar seien, täglich 6 Stunden und mehr zu verrichten. Sie sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Es liege auch keine Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor.

Im anschließenden Klageverfahren holte das Sozialgericht Cottbus (neben medizinischen Unterlagen) eine Arbeitgeberauskunft über die zuletzt von der Klägerin von November 2011 bis Mai 2012 ausgeführte Tätigkeit als Maschinen-/Anlagenführerin ein. Diese hatte sie auf Vermittlung einer Zeitarbeitsfirma ausgeübt. Die Tätigkeit umfasste die Sichtkontrolle, Dokumentation der Prüfergebnisse, die Maschinenbedienung und die Anlagenüberwachung. Weiter ist ausgeführt, es habe einer Anlernzeit im jeweiligen Kundenunternehmen im Bereich der Qualitätssicherung von 4 bis 6 Wochen bedurft. Entlohnt worden sei die Tätigkeit nach Entgeltgruppe IV des BZA (BTV) Tarifvertrages. Der tatsächliche Stundenlohn habe 9,40 € betragen. Die Klägerin sei vom 13. März 2012 bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Beigefügt war ein Auszug aus dem Entgeltrahmentarifvertrag Zeitarbeit. Hier ist ausgeführt, die Entgeltgruppe 4 umfasse Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich seien, die durch eine mindestens 3-jährige Berufsausbildung vermittelt würden und die eine mehrjährige Berufserfahrung voraussetzen. Zu der beschriebenen 4 bis 6-wöchigen Anlernzeit konkretisierte die Zeitarbeitsfirma mit Schreiben vom 23. November 2015, dass für die Tätigkeit in der Qualitätssicherung/Qualitätskontrolle eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich der Metall- oder Elektroindustrie sowie eine umfangreiche Berufserfahrung im Bereich der Qualitätssicherung notwendig gewesen sei. Die beschriebene Anlernzeit von 4 bis 6 Wochen habe sich auf die spezifische Tätigkeit und den Umgang mit speziellen Prüfverfahren und -methoden bezogen. Die Grundanforderung an das gesuchte Anforderungsprofil seien selbstverständlich nicht mit einer ausschließlichen Anlernzeit vermittelbar.

Des Weiteren hat die Klägerin eine Auskunft über die vom 4. Mai 1998 bis zum 31. Oktober 2010 ausgeübte Tätigkeit erstellt. Hier beschreibt sie, dass sie von Mai 1998 bis Mai 2001 in der Produktion, von Mai 2001 bis Februar 2003 in der Logistik, von Februar 2003 bis November 2006 im Qualitätswesen (Laufkontrollen serienbegleitend) und von November 2006 bis Oktober 2010 als Qualitätsprüferin im Wareneingang beschäftigt gewesen sei. Der höchstbewertete Arbeitsplatz sei dabei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Qualitätsprüferin im Wareneingang gewesen, die nach der Tarifgruppe E 6 des Tarifvertrages IG BCE entlohnt worden sei.

Der als Sachverständiger bestellte Facharzt für Anästhesiologie, spezielle Schmerztherapie, Palliativmedizin Dr. B führte in seinem Gutachten vom 21. März 2016 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 1. Dezember 2016 unter anderem aus, die Klägerin leide unter

– der Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen,

– einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit allenfalls leichter Funktionsstörung,

– verschleißbedingten Veränderungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie dem rechten Hüftgelenk mit allenfalls leichter Funktionsstörung,

– einer reizlosen Narbe über der Lendenwirbelsäule nach Operation an der Lendenwirbelsäule ohne Funktionsstörung,

– einer Fehlstatik des Rumpfes und einer muskulären Dysbalance mit leichter Funktionsstörung,

– einer behandlungsbedürftigen Schilddrüsenunterfunktion ohne Funktionsstörung,

– einer durch Sehhilfen ausreichend zu kompensierenden Fehlsichtigkeit mit leichter Funktionsstörung,

– einer nicht mit einem Hörgerät versorgungspflichtigen Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts mit leichter Funktionsstörung,

– begrenzten Schuppenflechtenherden an beiden Ellbogengelenken ohne Funktionsstörung sowie

– einer leichten bis mäßig ausgeprägten depressiven Symptomatik mit diffusen Ängsten und Zukunftsängsten mit leichter bis mäßiger Funktionsstörung.

Trotz dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder auch Sitzen verrichten, ohne dass ein bestimmter Rhythmus im Wechsel der Haltungsarten erforderlich sei und ohne, dass ein solcher Haltungswechsel jederzeit und/oder spontan vornehmbar sein müsse. Zu vermeiden seien Arbeiten mit ständigen, längeren und häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, also Tätigkeiten mit der Notwendigkeit zu Rumpfüberstreckungen, Rumpfvorbeugen, Rumpfdrehungen, Stauchungen und Rüttlungen der Wirbelsäule, mit Heben, Tragen und Bewegen in der Vorhalte der Last, mit der Notwendigkeit zum Knien, Hocken, Kauern und Bücken. Die Klägerin könne noch ohne mechanische Hilfsmittel Lasten bis zu 8 kg Heben, Tragen und Bewegen. Gerüst- und Leiterarbeiten seien nicht mehr zumutbar. Witterungs- und sonstige Umwelteinflüsse sollten weitestgehend vermieden werden. Arbeiten in Wechselschicht, Nachtschicht oder unter besonderem Zeitdruck (zum Beispiel Akkord- oder Fließbandarbeit) seien nicht mehr zumutbar. Ein durchschnittlicher Publikumsverkehr könne von der Klägerin bewältigt werden. Unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen sei die Klägerin in der Lage, täglich Tätigkeiten 8 Stunden zu verrichten. Sie verfüge beispielsweise über das Leistungsvermögen, eine Tätigkeit als Pförtnerin oder als Versandfertigmacherin vollschichtig zu verrichten. Die Klägerin benötige keine betriebsunüblichen Pausen und sei wegefähig, denn sie könne viermal täglich Fußwege von 501 m in nicht mehr als 20 Minuten zurücklegen und zweimal täglich Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen. Sie sei auch in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu steuern.

Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständiger bestellte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P führte in seinem Gutachten vom 18. Oktober 2016 unter anderem aus, die Klägerin leide unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren in leichter Ausprägung sowie einem depressiven Syndrom ebenfalls mit leichter Ausprägung. Darüber hinaus fänden sich verschleißbedingte Veränderungen an der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelsäule und am rechten Hüftgelenk sowie ein Restzustand nach einem Sulcus-ulnaris-Syndrom links ohne Defizite. Trotz dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin körperlich leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen ausüben, ohne dass es eines bestimmten Rhythmus bedürfe. Unter Beachtung der bereits durch Dr. B beschriebenen qualitativen Einschränkungen, die der Sachverständige wiederholte, sei die Klägerin in der Lage, vollschichtig, d.h. 8 Stunden täglich, Tätigkeiten zu verrichten. Dies gelte sowohl für eine Tätigkeit als Pförtnerin als auch als Versandfertigmacherin. Die Klägerin benötige keine betriebsüblichen Pausen und sei wegefähig.

Der als berufskundlicher Sachverständiger bestellte Diplom-Verwaltungswirt L hat in seinem Gutachten vom 14. Februar 2017 unter anderem ausgeführt, ab 2003 habe die Klägerin in der „Qualitätskontrolle“, zunächst bei „Laufkontrollen“ serienbegleitend (2003/2006) und dann als Qualitätsprüferin im Wareneingang (bis 2010) gearbeitet. Die für diese Arbeiten erforderliche Qualifikation habe die Klägerin durch die Teilnahme am Lehrgang „Qualitätsmanagement Werkzeuge und Methoden“ (mit 124 Unterrichtsstunden) erworben und durch berufspraktische Erfahrungen erweitert und ausgebaut. Zu der von November 2011 bis Mai 2012 ausgeübten Tätigkeit als Qualitätsmitarbeiterin habe der Arbeitgeber ausgeführt: „Zu ihren Hauptaufgaben zählte die Qualitätskontrolle von Batteriezellen mittels Sichtprüfung und speziellen Prüfinstrumenten, die Dokumentation der Prüfergebnisse und das Abstimmen von Folgemaßnahmen mit den Produktionsverantwortlichen.“ Weiter heiße es: „Für diese Tätigkeiten übermittelte uns das Kundenunternehmen ein entsprechendes Anforderungsprofil. Dieses Profil sah eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich der Metall- oder Elektroindustrie sowie eine umfangreiche Berufserfahrung im Bereich der Qualitätssicherung vor.“ Hierzu sei anzumerken, dass die Klägerin keine Ausbildung in der Metall- und Elektroindustrie absolviert habe – und ob eine „umfangreiche Berufserfahrung im Bereich der Qualitätssicherung“ vorhanden gewesen sei, müsse aus berufskundiger Sicht, orientiert an der Gesamtaufgabenpalette im Aufgabenfeld „Prüfung, Kontrolle und Qualitätssicherung“, angezweifelt werden. Ein dualer Ausbildungsberuf zum Qualitätskontrolleur (oder ähnlich bezeichnet) existiere im bundesrepublikanischen Berufsbildungssystem nicht. Der Zugang zu diesem Aufgabenfeld erfolge über verschiedene Wege, zum Beispiel durch die Teilnahme an einem Lehrgang mit unterschiedlicher Dauer oder der Weiterentwicklung aus einem branchenbezogenen Ausbildungsberuf. Auch die Tätigkeitsbezeichnungen seien in den verschiedenen Branchen und Wirtschaftszweigen unterschiedlich. Ein „gängiger“ Zugang zu diesem Aufgabenfeld sei die Teilnahme an einem Lehrgang zum Güte- und Materialprüfer oder Qualitätsfachmann. Güteprüfer prüften Roh- und Fertigteile, Werkzeuge, Baugruppen, Apparaturen, Geräte, Anlagen und Systeme während des gesamten Fertigungsprozesses auf Maßhaltigkeit, auf mechanische Belastbarkeit, auf mechanische oder elektronische Werte, Toleranzen sowie Grenzbelastungen. Es würden Messprotokolle und Prüfberichte erstellt. Etwa die Hälfte der Güteprüfer sei im Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau sowie im Bereich der Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik und Uhrenherstellung beschäftigt. Weitere 20 % arbeiteten in der Feinkeramik, in der Herstellung von Glas, in der Metallerzeugung, in der Stahlverformung und in der Gummi- sowie Kunststoffherstellung. Der Einsatz von Güteprüfern erstrecke sich von der Wareneingangsprüfung über die Fertigungsüberwachung und -steuerung bis hin zur Endprüfung. Auch Arbeiten im Bereich der Prüfplanung, der Erstbemusterung oder der Messmittelüberwachung gehörten dazu. Der Arbeitsplatz befinde sich überwiegend in Prüflabors aber auch unmittelbar in Produktions- und Fertigungsstätten. Die Palette der Arbeitsgegenstände umfasse die unterschiedlichsten Werkstücke und Produkte der verschiedenen Branchen bzw. Bereiche. Arbeitsmittel seien vor allem Mess- und Prüfmittel der Längenprüftechnik (z.B. mechanische, optische, pneumatische und elektronische sowie computergeführte Geräte und Maschinen). Beispiele seien Lehren, Messuhren, Messschrauben, Feinzeiger, CNC-gesteuerte 2-D- und 3-D-Koordinatenmesssysteme, Formprüfgeräte, Mehrstellenmessgeräte und Messmikroskope. Eingesetzt würden auch eine Vielzahl technischer Arbeitsunterlagen sowie die übliche Bürotechnik. Nach der Ausbildung würden sich Güteprüfer auf bestimmte Tätigkeitsfelder, z.B. die Messmittelüberwachung und -kalibrierung, Wareneingang, Serienfertigung, spanende Fertigung oder Prüflabor spezialisieren. Güteprüfer würden in der Regel im Rahmen einer beruflichen Umschulung, zum Teil in beruflicher Fortbildung (1 bis 2 Jahre) ausgebildet. Es handle sich um eine schulische Ausbildung, zum Teil verbunden mit Praktika. Qualitätskontrolleure erarbeiteten in Abstimmung mit der Geschäftsleitung und den Abteilungen Verkauf, Entwurf und Arbeitsvorbereitung Qualitätsvorschriften und setzten den Qualitätsstandards fest und durch. In der Wareneingangskontrolle prüften sie alle eingehenden Rohstoffe, Teile und Baugruppen, bevor diese in die Produktion weitergeleitet würden und glichen sie mit den festgelegten Standards ab. Sie beanstandeten Qualitätsmängel, wickelten die Retouren und Reklamationen ab und würden gegebenenfalls Nachlieferungen veranlassen. Auch die Fertigung müsse laufend überwacht werden, um unzulängliche Qualität möglichst schon zum Entstehungszeitpunkt erkennen und ausschließen zu können. Sie legten die Kontrollpläne für die Zwischen- und Endabnahme fest, führten Kontrollen in allen Stadien der Produktion durch oder analysierten Verarbeitungs- bzw. Materialfehler. Mit Hilfe von verschiedenen Messinstrumenten prüften sie die Masse und Qualität der Produkte. Dabei überprüften sie produzierte und bearbeitete Waren, z.B. fertig geschliffene oder gefräste Werkstücke auf Beschaffenheit, Maßhaltigkeit, Passgenauigkeit, Einhaltung von Form- und Lagetoleranzen, Oberflächengüte und Genauigkeit sowie auf Fertigungsqualität und Funktionstüchtigkeit. Zudem könnten sie anhand der Produktionsmenge Rückschlüsse auf die Produktionsfehler ziehen und so die Ursachen beseitigen. Stellten sie Abweichungen und Qualitätsmängel in der laufenden Produktion fest, informierten sie unverzüglich die verantwortlichen Fachkräfte in der Produktion. Bevor die verkaufsfertigen Erzeugnisse auf den Markt gelangen können, müsse in der Warenausgangskontrolle überprüft werden, ob die geforderten technischen Vorgaben eingehalten worden seien. Außerdem nähmen sie gegebenenfalls die Fachaufsicht über die Mitarbeiter in der Qualitätskontrolle wahr oder wirkten bei der innerbetrieblichen Aus-, Fort- und Weiterbildung mit. Qualitätskontrolleure arbeiteten in Produktions- und Dienstleistungsunternehmen in Waren- und Gerätelagern, Kühlhäusern und Silos oder auch Umschlaganlagen und Produktions- und Montagehallen überall dort, wo Materialien eingekauft, angenommen und weiterverkauft würden. Sie verfügten über fundierte Kenntnisse der Produktionsprozesse und technischen, physikalischen, chemischen und biologischen Abläufe bei Anwendung der Fertigungsverfahren. Sie wendeten verschiedene Prüfverfahren und Vorrichtungen an, arbeiteten zum Teil auch mit elektronischen Messgeräten und setzten z.B. 1-Koordinatenmessgeräte und 3-Koordinatenmessmaschinen ein. Prüfpläne, Anweisungen und Zeichnungen oder Musterstücke seien die Grundlage für ihre Arbeit. Sie verfügten über Kommunikationsstärke und Verhandlungsgeschick, was ihnen vor allem bei der innerbetrieblichen Durchsetzung von Qualitätsstandards wie auch bei Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden nützen würde.

Orientiert an dieser breit gefächerten Aufgabenpalette habe die Klägerin in einem Teilbereich gearbeitet – die rentenrechtliche Facharbeiterebene, für die eine Ausbildung mit einer länger als 2-jährigen Ausbildungsdauer erforderlich sei, ergebe sich nicht. Nach dem Mehrstufenschema gehe er maximal von der oberen Anlernebene aus. Mit dem durch Dr. B und Dr. P ermittelten Leistungsvermögen könne die Klägerin am Erwerbsleben unter wettbewerbsmäßigen Bedingungen teilnehmen. Für zumutbar halte er leichte Pack- oder einfache Sortierarbeiten in der Ausübungsform einer Versandfertigmacherin.

Mit Urteil vom 23. Februar 2017 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dies ergebe sich aus den Gutachten des Dr. B und des Dr. P und werde durch das im Rentenverfahren erstellte Gutachten der Dr. W bestätigt. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit lägen nicht vor, da der Hauptberuf der Klägerin maximal der Ebene der Angelernten des oberen Bereichs zuzuordnen sei, so dass die Klägerin sozial und gesundheitlich zumutbar auf die Tätigkeit eines Versandfertigmachers verwiesen werden könne. Seine diesbezügliche Einschätzung stützte das Sozialgericht auf die Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen Diplom-Verwaltungswirt L.

Gegen das ihr am 20. April 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Mai 2017 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, sie sei der Ansicht, das Sozialgericht habe die bei ihr bestehenden Beeinträchtigungen nicht ausreichend berücksichtigt. Sie habe jedenfalls einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn der von ihr zuletzt ausgeübte Beruf sei nicht der Gruppe der Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen, sondern stelle eine Facharbeitertätigkeit dar. Ergänzend hat die Klägerin Stellenausschreibungen übersandt. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ausschreibungen wird auf Blatt 455 sowie 456 der Gerichtsakte verwiesen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Februar 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Mai 2013 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Mit Schreiben vom 26. November 2019 hat das Gericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zu entscheiden und Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese haben bei der Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch nicht begründet, denn die Beklagte hat den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu Recht abgelehnt; der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer solchen Rente, denn sie ist in der Lage, Tätigkeiten, die ihr sozial und gesundheitlich zumutbar sind, täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten.

Gemäß § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 – BGBl. I, S. 1827 – SGB VI n. F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein; dabei ist im Hinblick auf die teilweise Erwerbsminderung die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Wie bereits das Sozialgericht Cottbus zutreffend ausgeführt hat, erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen nicht, denn sie ist trotz gewisser qualitativer Einschränkungen in der Lage, Tätigkeiten täglich mehr als sechs Stunden und damit auch mehr als drei Stunden zu verrichten. Der Senat verweist insoweit – um Wiederholungen zu vermeiden – auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, die differenziert das im Klageverfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Facharztes für Anästhesiologie, spezielle Schmerztherapie, Palliativmedizin Dr. B vom 21. März 2016 und seine Äußerungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 1. Dezember 2016 diskutieren, und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Dieses Gutachten wird vollumfänglich durch das auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Sachverständigen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P vom 18. Oktober 2016 bestätigt, der auf Antrag der Klägerin bestellt worden ist. Beide Sachverständigen haben übereinstimmend ausgeführt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, sowohl eine Tätigkeit als Pförtnerin als auch als Versandfertigmacherin täglich vollschichtig zu verrichten.

Die Klägerin verfügt danach für den Senat unzweifelhaft über das Leistungsvermögen, um vollschichtig eine Tätigkeit als Pförtnerin oder Versandfertigmacherin zu verrichten.

Sie ist auch nicht aus anderen Gründen daran gehindert, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten, denn sie benötigt keine betriebsunüblichen Pausen und ist wegefähig, da sie in der Lage ist, täglich viermal Wegstrecken von mindestens 501 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zweimal täglich in der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Dies folgt zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten des Dr. B und des Dr. P.

Damit steht für den Senat fest, dass die Klägerin über ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verfügt. Eine Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI lässt sich damit nicht feststellen.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI n. F. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben danach bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Die Klägerin wurde am 1960 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag geboren.

Die Kläger ist nicht berufsunfähig im rentenrechtlichen Sinne. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und die ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Bisheriger Beruf des Klägers ist die Tätigkeit als Qualitätsmitarbeiterin, die sie zuletzt unbefristet vom 7. November 2011 bis zum 21. Mai 2012 verrichtet hat.

Der bisherige Beruf ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Juli 2005, Az.: B 13 RJ 29/04 R; Urteil vom 05. August 2004, Az.: B 13 RJ 7/04 R; jeweils zitiert nach juris). Sofern sich der Versicherte von der ehemals qualitativ höchsten Tätigkeit im rentenrechtlichen Sinne gelöst hat, ist maßgeblicher Beruf im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI die zuletzt vollwertig ausgeübte – gegebenenfalls geringwertigere – versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (Bundessozialgericht, Urteil vom 26. April 2005, Az.: B 5 RJ 27/04 R, Urteil vom 20. Juli 2002, Az.: B 13 RJ 13/02 R, Urteil vom 30. Juli 1997, Az.: B 5 RJ 20/97; jeweils zitiert nach juris). Eine berufliche Lösung ist immer dann zu bejahen, wenn der rentenrechtlich relevante Berufswechsel freiwillig erfolgt (Bundessozialgericht, Urteil vom 26. April 2005, Az.: B 5 RJ 27/04 R, zitiert nach juris). Lagen hingegen andere, von dem Betroffenen nicht beeinflussbare – insbesondere betriebliche – Gründe vor, ist eine Lösung vom höherwertigen Beruf anzunehmen, wenn sich der Versicherte sofort oder im Laufe der Zeit mit dem Wechsel endgültig abgefunden hat (Bundessozialgericht, Urteil vom 26. April 2005, Az.: B 5 RJ 27/04 R; Urteil vom 21. Juni 2001, Az.: B 13 RJ 45/00 R; Urteil vom 25. April 1978, Az.: B 5 RKn 9/77; jeweils zitiert nach juris). Anhaltspunkte hierfür ergeben sich insbesondere aus dem weiteren beruflichen Werdegang und den Bewerbungs- und Weiterbildungsbemühungen des Versicherten (Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Juli 1997, Az.: B 5 RJ 20/97; zitiert nach juris).

Die vom 1. September 1977 bis zum 15. Juli 1979 absolvierte Ausbildung zum Facharbeiter für Anlagen und Geräte – Spezialisierungsrichtung Gaserzeugung und -aufbereitung (Kokerei) – ist nicht maßgeblich, da sich die Klägerin von dieser Tätigkeit 1984/1985 gelöst hat und in der Folgezeit Tätigkeiten als Kellnerin bzw. Raumpflegerin und Gabelstaplerfahrerin verrichtet hat. Sie ist in der Folgezeit auch nicht zu diesem Facharbeiterberuf zurückgekehrt.

Der bisherige Beruf im rentenrechtlichen Sinn ist daher die letzte unbefristete berufliche Tätigkeit als Qualitätsmitarbeiterin (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 26. April 2005, Az.: B 5 RJ 27/04 R; zitiert nach juris).

Aufgrund der Gesundheitseinschränkungen ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Qualitätsmitarbeiterin zu verrichten. Dieser Umstand führt vorliegend aber nicht zu einer Berufsunfähigkeit. Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, ist Berufsunfähigkeit erst gegeben, wenn es keine andere Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich zu bewältigen vermag.

Sozial zumutbar ist eine andere Tätigkeit nicht nur dann, wenn ihr qualitativer Wert mit dem der zuletzt verrichteten Arbeit übereinstimmt. Es ist auch nicht Voraussetzung, dass sie die gleichen Verdienstmöglichkeiten wie die letzte Beschäftigung eröffnet. Das Gesetz verlangt von einem Versicherten, dass er – immer bezogen auf seinen „bisherigen Beruf“ – einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf nimmt und sich vor Inanspruchnahme einer Rente auch mit einer geringwertigeren Erwerbstätigkeit zufrieden gibt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Juli 2005, Az.: B 13 RJ 29/04 R; Urteil vom 07. August 1996, Az.: B 4a RJ 73/84; jeweils zitiert nach juris).

Zur Beurteilung der Zumutbarkeit ist von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst für die Arbeiterberufe und im Anschluss daran auch für die Angestellten eine Einstufung nach Berufsgruppen (sog. Mehrstufenschema) entwickelt worden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Ausbildung überragende Bedeutung für die Qualität des Berufes hat. Ausgehend von der am höchsten qualifizierten Tätigkeit gibt es im Bereich der Arbeiter folgende Gruppen:

1. Arbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hoch qualifizierte Facharbeiter,

2. Arbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren („Facharbeiter“),

3. Arbeiter mit einer Ausbildungs- bzw. Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten („Angelernter Arbeiter, unterer Bereich“) und Arbeiter mit einer Ausbildungs- bzw. Anlernzeit von 12 bis 24 Monaten („Angelernter, oberer Bereich“) und

4. Arbeiter ohne Ausbildung bzw. mit einer Anlernzeit von weniger als drei Monaten („Ungelernter Arbeiter“).

(Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Juli 2005, Az.: B 13 RJ 29/04 R, Urteil vom 12. Februar 2004, Az.: B 13 RJ 49/03 R; Urteil vom 10. Dezember 2003, Az.: B 5 RJ 64/02 R; Urteil vom 18. Februar 1998, Az.: B 5 RJ 34/97 R; jeweils zitiert nach juris).

Grundsätzlich darf der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten derselben oder der jeweils nächst niedrigeren Gruppe im Verhältnis zu seinem bisherigen Beruf verwiesen werden, soweit diese ihn weder hinsichtlich seines beruflichen Könnens und Wissens noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern (Bundessozialgericht, Urteil vom 26. April 2007, Az.: B 4 R 5/06 R, Urteil vom 20. Juli 2005, Az.: B 13 RJ 29/04 R; Urteil vom 12. Februar 2004, Az.: B 13 RJ 49/03 R; jeweils zitiert nach juris).

Unter Zugrundelegung dieses Mehrstufenschemas ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht berufsunfähig. Sie hat unbefristet zuletzt als Qualitätsmitarbeiterin gearbeitet. Diese Tätigkeit erreicht die Facharbeiterebene nicht, denn orientiert an der breit gefächerten Aufgabenpalette eines Qualitätsprüfers hat die Klägerin lediglich in einem Teilbereich dieses Berufsfeldes gearbeitet. Eine Ausbildung in der Metall- und Elektroindustrie hat die Klägerin nicht durchlaufen. Ein dualer Ausbildungsberuf zum Qualitätskontrolleur existiert im bundesrepublikanischen Berufsbildungssystem nicht. Der Zugang zu diesem Aufgabenfeld erfolgt über verschiedene Wege, z.B. durch die Teilnahme an einem Lehrgang mit unterschiedlicher Dauer oder der Weiterentwicklung aus einem branchenbezogenen Ausbildungsberuf. Auch die Tätigkeitsbezeichnungen in den verschiedenen Branchen und Wirtschaftszweigen sind unterschiedlich. Typischerweise erfolgt der Zugang zu diesem Aufgabenfeld über die Teilnahme an einem Lehrgang zum Güte- und Materialprüfer oder zum Qualitätsfachmann. Güteprüfer werden in der Regel im Rahmen einer beruflichen Umschulung oder in beruflicher Fortbildung für die Dauer von ein bis zwei Jahren ausgebildet. Hierbei handelt es sich um eine schulische Ausbildung, die teilweise mit der Absolvierung von Praktika verbunden ist.

Die Klägerin hat in der Zeit vom 22. März bis zum 29. Juli 2014 an einem Lehrgang Qualitätsmanagement – Werkzeuge und Methoden – mit einer Lehrgangsdauer von 124 Unterrichtsstunden teilgenommen. Der Lehrgang dauerte also vier Monate mit durchschnittlich 30 Unterrichtsstunden monatlich. Dies ist keinesfalls mit der oben beschriebenen beruflichen Fortbildung für ein bis zwei Jahre vergleichbar. Die Klägerin kann auch nicht auf eine branchenbezogene Vorausbildung zurückgreifen, die es ihr ermöglicht hätte, die Tätigkeit eines Qualitätsprüfers in dieser deutlich geringeren Zeit vollwertig zu erlernen. Zwar könnte man dem entgegenhalten, dass auch viele ausgebildete Facharbeiter oder Qualitätsprüfer anschließend – ebenso wie die Klägerin – lediglich in einem Teilbereich ihres Berufsfeldes tätig werden, sie verfügen aber trotz allem über das breite Wissen, das ihnen in der Facharbeiterausbildung vermittelt worden ist und wären deshalb jederzeit in der Lage, ihren Facharbeiterberuf auch in einem anderen Teilbereich dieses Berufsfeldes auszuüben. Hieran fehlt es bei der Klägerin, die eben nicht über die breite Facharbeiterausbildung verfügt, sondern lediglich bedarfsspezifisch angelernt worden ist. Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin damit die rentenrechtliche Facharbeiterebene, für die eine Ausbildung mit einer mehr als 2-jährigen Ausbildungsdauer erforderlich ist, nicht erreicht. Der Senat folgt insoweit dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen Diplom-Verwaltungswirt L vom 14. Februar 2017.

Ausgehend davon, dass die zuletzt von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Qualitätsmitarbeiterin maximal der Ebene der Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen ist, ist die Klägerin sozial zumutbar auf eine Tätigkeit als Versandfertigmacherin oder Pförtnerin verweisbar. Für diese Tätigkeit ist das verbliebene Restleistungsvermögen der Klägerin auch ausreichend. Insoweit kann auf das oben gesagte verwiesen werden.

Die Berufung ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG vorliegt.

 

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