Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Entscheidung zur Erwerbsminderungsrente: Beweiswert der Erwerbstätigkeit klärend
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen?
- Was versteht man unter „qualitativem Leistungsvermögen“ im Zusammenhang mit der Erwerbsminderungsrente?
- Wie wird die bisherige Berufstätigkeit bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente bewertet?
- Welche Möglichkeiten gibt es, wenn die Erwerbsminderungsrente abgelehnt wurde?
- Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Kläger ist seit vielen Jahren mit körperlichen und psychischen Leiden konfrontiert und hält sich aufgrund dieser Beschwerden für arbeitsunfähig.
- Der Kläger hat verschiedene medizinische Rehabilitationen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben absolviert, ohne dass seine Arbeitssuche erfolgreich war.
- Trotz dieser Probleme bescheinigen Ärzte dem Kläger immer noch ein Mindestleistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten.
- Der Kläger hält diese Einschätzung für falsch und geht von einem gänzlich aufgehobenen Leistungsvermögen aus.
- Die Rentenanträge des Klägers werden von der Behörde abgelehnt, da sie diese Einschätzung durch die begutachtenden Ärzte teilt.
- Der Kläger argumentiert, er könne aufgrund der von seinen behandelnden Ärzten bestätigten Einschränkungen nicht in der Lage sein, körperlich oder geistig anstrengende Tätigkeiten wahrzunehmen.
- Die gerichtliche Auseinandersetzung zeigt, dass entscheidend ist, auf welchem Niveau jemand arbeitsfähig ist.
- Das Leistungsvermögen und die mögliche Einschränkung von körperlicher oder geistiger Ausdauer sind entscheidend.
- Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist eine Zurückweisung der Forderungen des Klägers und eine Ablehnung der Rentengewährung.
Entscheidung zur Erwerbsminderungsrente: Beweiswert der Erwerbstätigkeit klärend
Die Erwerbsminderungsrente ist eine wichtige Absicherung für Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf auszuüben. Um Anspruch auf diese Leistung zu erhalten, müssen Betroffene jedoch nachweisen, dass sie tatsächlich erwerbsgemindert sind. In diesem Zusammenhang spielt die Frage nach dem Beweiswert einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle.
Die Sozialgerichte müssen bei ihrer Beurteilung berücksichtigen, ob die Betroffenen trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch in der Lage sind, eine andere Tätigkeit auszuüben, die ihren Fähigkeiten entspricht. Gerichtsentscheidungen zu dieser Thematik sind oft schwierig zu lesen und zu verstehen, da sie eine komplexe juristische Argumentation beinhalten. Um Licht ins Dunkel zu bringen und den Entscheidungsprozess der Gerichte zu erläutern, wird im Folgenden ein konkreter Fall aus der Rechtsprechung vorgestellt.
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Der Fall vor Gericht
Erwerbsminderungsrente trotz langjähriger Berufstätigkeit abgelehnt
Der Fall eines 46-jährigen Mannes, der nach über 20 Jahren Berufstätigkeit eine Erwerbsminderungsrente beantragte, wurde vom Sozialgericht Karlsruhe entschieden. Der Kläger hatte von 1990 bis 2010 als Maschinenbediener gearbeitet, bevor er arbeitslos wurde. Er litt seit Geburt unter einer leichten Intelligenzminderung und entwickelte nach dem Jobverlust zusätzlich eine Anpassungsstörung mit depressiven Episoden. Dennoch lehnte das Gericht seinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab.
Medizinische Gutachten und Leistungsfähigkeit
Im Laufe des Verfahrens wurden mehrere ärztliche Gutachten eingeholt. Während einige Ärzte dem Kläger nur ein eingeschränktes Leistungsvermögen von 3-6 Stunden täglich attestierten, kamen andere zu dem Schluss, dass er weiterhin vollschichtig arbeitsfähig sei. Das Gericht folgte letztlich der Einschätzung, dass der Kläger trotz seiner Einschränkungen in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für mindestens 6 Stunden täglich auszuüben.
Bewertung der langjährigen Berufstätigkeit
Ein zentraler Punkt in der Urteilsbegründung war die Tatsache, dass der Kläger trotz seiner lebenslangen leichten Intelligenzminderung über zwei Jahrzehnte hinweg berufstätig war. Das Gericht sah darin einen starken Beweis dafür, dass der Kläger grundsätzlich arbeitsfähig ist. Es wurde betont, dass es sich bei seiner früheren Stelle um einen regulären Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt handelte, nicht um eine Vergünstigung oder eine besonders angepasste Tätigkeit.
Kriterien für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit
Das Urteil verdeutlicht die Kriterien, die bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit eine Rolle spielen:
- Quantitatives Leistungsvermögen: Die Fähigkeit, mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten.
- Qualitatives Leistungsvermögen: Die Art der Tätigkeiten, die noch ausgeübt werden können.
- Bisherige Berufstätigkeit: Die tatsächlich ausgeübte Arbeit wird als starker Beweis für die Leistungsfähigkeit gewertet.
- Medizinische Gutachten: Diese werden zwar berücksichtigt, haben aber oft weniger Gewicht als die praktische Arbeitserfahrung.
Das Gericht betonte, dass nicht jede gesundheitliche Einschränkung automatisch zu einer Erwerbsminderung führt. Solange eine Person in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, besteht kein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung unterstreicht, dass eine langjährige Berufstätigkeit trotz gesundheitlicher Einschränkungen ein starkes Indiz für die grundsätzliche Erwerbsfähigkeit darstellt. Medizinische Gutachten werden zwar berücksichtigt, haben aber oft weniger Gewicht als die praktische Arbeitserfahrung. Für die Ablehnung einer Erwerbsminderungsrente ist entscheidend, dass der Antragsteller noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie gesundheitliche Probleme haben und befürchten, Ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können, ist dieses Urteil für Sie besonders relevant. Es zeigt, dass eine langjährige Berufstätigkeit trotz gesundheitlicher Einschränkungen als starker Beweis für Ihre grundsätzliche Arbeitsfähigkeit gewertet wird. Selbst wenn Sie unter leichten kognitiven Einschränkungen oder psychischen Belastungen leiden, kann Ihnen eine Erwerbsminderungsrente verwehrt werden, solange Sie noch leichte Tätigkeiten für mindestens sechs Stunden täglich ausüben können. Es ist wichtig, dass Sie alle medizinischen Unterlagen sorgfältig sammeln und auch Ihre bisherige Arbeitsleistung dokumentieren. Im Zweifel sollten Sie sich rechtlich beraten lassen, um Ihre Chancen auf eine Rente realistisch einschätzen zu können.
FAQ – Häufige Fragen
Die Erwerbsminderungsrente ist für viele Betroffene ein komplexes Thema, das mit unzähligen Fragen verbunden ist. Gerade Gerichtsentscheidungen in diesem Bereich werfen immer wieder neue Fragen auf. In dieser FAQ-Rubrik finden Sie verständliche Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Erwerbsminderungsrente und die aktuelle Rechtsprechung.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen?
- Was versteht man unter „qualitativem Leistungsvermögen“ im Zusammenhang mit der Erwerbsminderungsrente?
- Wie wird die bisherige Berufstätigkeit bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente bewertet?
- Welche Möglichkeiten gibt es, wenn die Erwerbsminderungsrente abgelehnt wurde?
- Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente?
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen?
Für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente müssen sowohl medizinische als auch versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Die medizinische Hauptvoraussetzung ist eine erhebliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit aufgrund von Krankheit oder Behinderung. Diese Einschränkung muss voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern.
Es wird zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung unterschieden. Eine teilweise Erwerbsminderung liegt vor, wenn die betroffene Person auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch zwischen drei und unter sechs Stunden täglich arbeiten kann. Von einer vollen Erwerbsminderung spricht man, wenn die Arbeitsfähigkeit unter drei Stunden pro Tag liegt.
Zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gehört zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Diese beträgt fünf Jahre, in denen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden sein müssen. Zusätzlich müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt sein.
Das Alter spielt ebenfalls eine Rolle bei der Beantragung. Die Erwerbsminderungsrente kann grundsätzlich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze beantragt werden. Diese liegt je nach Geburtsjahr zwischen 65 und 67 Jahren. Mit Erreichen dieser Altersgrenze wird die Erwerbsminderungsrente automatisch in eine Altersrente umgewandelt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Prüfung des Restleistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Hierbei wird nicht nur die bisherige berufliche Tätigkeit berücksichtigt, sondern jede mögliche Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Dies bedeutet, dass auch eine Verweisung auf andere, eventuell geringer qualifizierte Tätigkeiten möglich ist, sofern diese dem Leistungsvermögen entsprechen.
Die Höhe des Einkommens spielt bei der Beantragung zunächst keine direkte Rolle. Allerdings kann ein zu hohes Einkommen neben dem Bezug der Erwerbsminderungsrente zu Kürzungen führen. Die genauen Hinzuverdienstgrenzen sind dabei abhängig von der Art der bewilligten Erwerbsminderungsrente und werden jährlich angepasst.
Es ist wichtig zu beachten, dass vor der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente alle Möglichkeiten der medizinischen und beruflichen Rehabilitation ausgeschöpft sein müssen. Dies folgt dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“. Erst wenn feststeht, dass durch Rehabilitationsmaßnahmen keine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist, kommt eine Erwerbsminderungsrente in Betracht.
Die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente erfordert eine sorgfältige Dokumentation des Gesundheitszustandes und der Erwerbsfähigkeit. Ärztliche Gutachten und Stellungnahmen spielen hierbei eine zentrale Rolle. Sie müssen detailliert die gesundheitlichen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit darlegen.
Was versteht man unter „qualitativem Leistungsvermögen“ im Zusammenhang mit der Erwerbsminderungsrente?
Das qualitative Leistungsvermögen im Kontext der Erwerbsminderungsrente bezieht sich auf die Art und Weise, wie eine Person aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen noch arbeiten kann. Es beschreibt die spezifischen Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen, die für den Versicherten noch zumutbar sind.
Bei der Beurteilung des qualitativen Leistungsvermögens wird ein detailliertes Leistungsbild erstellt. Dieses umfasst sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte der Leistungsfähigkeit. Das positive Leistungsvermögen beschreibt, welche Tätigkeiten der Versicherte noch ausüben kann, während das negative Leistungsvermögen die Einschränkungen aufzeigt.
Konkret werden bei der Bewertung des qualitativen Leistungsvermögens verschiedene Faktoren berücksichtigt. Dazu gehören beispielsweise die körperliche Belastbarkeit, geistige Anforderungen, Arbeitsumgebung und spezielle Bedingungen wie Schichtarbeit oder Zeitdruck. Es wird geprüft, ob der Versicherte noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausüben kann, wobei der Anteil mittelschwerer Arbeit auf höchstens 50% begrenzt ist.
Typische qualitative Einschränkungen können sein: Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, keine Arbeiten in Zwangshaltungen, Ausschluss von Nässe und Kälte oder die Notwendigkeit häufiger Pausen. Auch psychische Faktoren wie die Fähigkeit zur Konzentration oder der Umgang mit Stress fließen in die Beurteilung ein.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das qualitative Leistungsvermögen allein nicht ausschlaggebend für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ist. Entscheidend ist vielmehr das quantitative, also zeitliche Leistungsvermögen. Eine Person gilt als voll erwerbsgemindert, wenn sie weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, und als teilweise erwerbsgemindert bei einer Arbeitsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich.
Die Beurteilung des qualitativen Leistungsvermögens erfolgt durch medizinische Sachverständige. Sie erstellen ein umfassendes Bild der gesundheitlichen Situation und leiten daraus ab, welche Tätigkeiten unter welchen Bedingungen noch ausgeübt werden können. Dabei wird nicht nur die letzte berufliche Tätigkeit betrachtet, sondern das gesamte Spektrum möglicher Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Es ist zu beachten, dass rein qualitative Einschränkungen, die das zeitliche Leistungsvermögen nicht beeinträchtigen, in der Regel nicht zu einem Anspruch auf Erwerbsminderungsrente führen. Allerdings können in bestimmten Fällen auch qualitative Einschränkungen so gravierend sein, dass sie faktisch zu einer quantitativen Reduzierung der Leistungsfähigkeit führen.
Wie wird die bisherige Berufstätigkeit bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente bewertet?
Bei der Beantragung einer Erwerbsminderungsrente spielt die bisherige Berufstätigkeit eine entscheidende Rolle. Sie dient als wichtiger Indikator für die Bewertung der Erwerbsfähigkeit und beeinflusst maßgeblich die Entscheidung über die Gewährung sowie die Höhe der Rente.
Die Rentenversicherung berücksichtigt bei der Prüfung des Antrags insbesondere die Art und Dauer der bisherigen Beschäftigung. Dies ermöglicht eine fundierte Einschätzung der beruflichen Belastungen und Anforderungen, denen der Antragsteller ausgesetzt war. Ein langjähriger Pflegeberuf mit hohen körperlichen Anforderungen wird beispielsweise anders bewertet als eine vorwiegend sitzende Bürotätigkeit.
Zudem fließt die Kontinuität der Erwerbsbiografie in die Bewertung ein. Eine lückenlose Beschäftigungshistorie kann als Indiz für eine stabile Arbeitsfähigkeit in der Vergangenheit gewertet werden. Häufige Arbeitsplatzwechsel oder längere Phasen der Arbeitslosigkeit könnten hingegen auf bereits bestehende gesundheitliche Einschränkungen hindeuten.
Von besonderer Bedeutung ist auch die zeitliche Nähe zur letzten Beschäftigung. War der Antragsteller bis kurz vor der Antragstellung noch erwerbstätig, kann dies als Beleg für eine plötzliche Verschlechterung des Gesundheitszustands interpretiert werden. Eine längere Phase der Arbeitsunfähigkeit vor der Antragstellung könnte hingegen auf eine allmähliche Entwicklung der Erwerbsminderung hindeuten.
Die bisherige Berufstätigkeit liefert zudem wichtige Anhaltspunkte für die medizinische Begutachtung. Ärzte können anhand der beruflichen Vorgeschichte gezielter untersuchen, inwieweit der Antragsteller noch in der Lage ist, seine bisherigen oder vergleichbare Tätigkeiten auszuüben. Dabei wird nicht nur die letzte ausgeübte Tätigkeit berücksichtigt, sondern das gesamte Spektrum der beruflichen Erfahrungen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Berechnung der Rentenhöhe. Die Dauer der Beitragszahlungen und die Höhe des versicherten Einkommens während der Berufstätigkeit beeinflussen direkt den Rentenanspruch. Zusätzlich wird eine sogenannte Zurechnungszeit berücksichtigt, die das Erwerbsleben fiktiv bis zu einem bestimmten Alter verlängert, um Nachteile durch eine frühe Erwerbsminderung auszugleichen.
Die Bewertung der bisherigen Berufstätigkeit dient auch dazu, mögliche Alternativen zur vollen Erwerbsminderungsrente zu prüfen. Kann der Antragsteller beispielsweise noch teilweise erwerbstätig sein, kommt unter Umständen eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Betracht. Hierbei wird geprüft, ob und in welchem Umfang eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch möglich ist.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Berufstätigkeit zwar ein wesentlicher, aber nicht der alleinige Faktor bei der Entscheidung über eine Erwerbsminderungsrente ist. Medizinische Gutachten und die aktuelle Leistungsfähigkeit des Antragstellers spielen eine ebenso wichtige Rolle. Die Gesamtschau aller Faktoren ermöglicht eine fundierte und faire Entscheidung über den Rentenantrag.
Welche Möglichkeiten gibt es, wenn die Erwerbsminderungsrente abgelehnt wurde?
Bei Ablehnung eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente stehen Betroffenen verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um gegen diese Entscheidung vorzugehen.
Der erste Schritt ist in der Regel das Einlegen eines Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid. Hierfür gilt eine Frist von einem Monat nach Zugang des Bescheids. Im Widerspruchsverfahren prüft die Rentenversicherung den Fall erneut. Dabei können zusätzliche medizinische Unterlagen oder Gutachten eingereicht werden, um die gesundheitliche Situation genauer darzulegen.
Bleibt der Widerspruch erfolglos, kann Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden. Die Klagefrist beträgt ebenfalls einen Monat nach Erhalt des Widerspruchsbescheids. Vor dem Sozialgericht besteht kein Anwaltszwang, sodass Betroffene den Prozess auch ohne rechtlichen Beistand führen können. Das Gericht ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen und kann weitere medizinische Gutachten einholen.
Sollte die Klage beim Sozialgericht abgewiesen werden, besteht die Möglichkeit der Berufung zum Landessozialgericht. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden. Das Landessozialgericht überprüft das Urteil des Sozialgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Hier können auch neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden.
Als letzte Instanz kommt die Revision zum Bundessozialgericht in Betracht. Diese ist jedoch nur möglich, wenn sie vom Landessozialgericht zugelassen wurde oder wenn die Nichtzulassung erfolgreich angefochten wurde. Die Revision beschränkt sich auf die Prüfung von Rechtsfragen und dient nicht der erneuten Tatsachenfeststellung.
Wichtig ist, dass in allen Verfahrensstufen die jeweiligen Fristen strikt eingehalten werden müssen. Versäumnisse können zum Verlust des Rechtswegs führen. Zudem ist zu beachten, dass die Verfahren oft langwierig sein können und während dieser Zeit keine Rentenleistungen gezahlt werden.
Im Verlauf der Verfahren ist es entscheidend, die medizinische Situation umfassend und präzise darzulegen. Dazu gehören aktuelle ärztliche Befunde, Krankenhausberichte und gegebenenfalls Gutachten von Fachärzten. Diese Unterlagen sollten die Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit detailliert beschreiben und begründen.
Es ist ratsam, alle relevanten Unterlagen sorgfältig zu sammeln und chronologisch zu ordnen. Dies erleichtert nicht nur die eigene Übersicht, sondern auch die Arbeit der Gerichte und kann zu einer schnelleren Bearbeitung beitragen.
Bei der Erwägung rechtlicher Schritte sollte stets bedacht werden, dass die Erfolgsaussichten realistisch eingeschätzt werden müssen. Nicht jede Ablehnung lässt sich erfolgreich anfechten. Die Rentenversicherung und die Gerichte orientieren sich an gesetzlich festgelegten Kriterien für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente.
Der Rechtsweg kann emotional belastend und zeitaufwendig sein. Dennoch bietet er die Chance, eine möglicherweise fehlerhafte Entscheidung korrigieren zu lassen und die zustehenden Leistungen zu erhalten. Eine gründliche Vorbereitung und die Bereitschaft, den Prozess konsequent zu verfolgen, können die Erfolgschancen erhöhen.
Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente?
Medizinische Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente. Sie dienen als objektive Grundlage für die Beurteilung des Gesundheitszustands und der Leistungsfähigkeit des Antragstellers. Die Deutsche Rentenversicherung stützt ihre Entscheidung über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente maßgeblich auf diese fachärztlichen Einschätzungen.
Im Rahmen des Antragsverfahrens beauftragt die Rentenversicherung in der Regel externe Gutachter, um eine unabhängige und professionelle Bewertung der medizinischen Sachverhalte zu erhalten. Diese Gutachter untersuchen den Antragsteller eingehend und erstellen auf Basis ihrer Erkenntnisse sowie vorliegender medizinischer Unterlagen ein detailliertes Gutachten.
Ein vollständiges medizinisches Gutachten zur Erwerbsminderungsrente umfasst mehrere wesentliche Elemente. Dazu gehören die Erfassung der persönlichen Daten, eine umfassende Eigenanamnese des Patienten sowie die Auswertung von Vorbefunden und Untersuchungsergebnissen. Der Gutachter führt zudem eine gründliche körperliche Untersuchung durch und führt ein ausführliches persönliches Gespräch mit dem Antragsteller.
Die Bewertung der Erwerbsfähigkeit erfolgt anhand standardisierter Kriterien. Dabei wird insbesondere beurteilt, wie viele Stunden täglich der Antragsteller noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Entscheidend ist hierbei die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, nicht nur im bisherigen Beruf.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Einschätzungen der behandelnden Ärzte und die Gutachten der Rentenversicherung voneinander abweichen können. Dies liegt oft daran, dass behandelnde Ärzte die Situation ihres Patienten aus einer anderen Perspektive betrachten als die neutralen Gutachter der Rentenversicherung.
In komplexen Fällen oder bei widersprüchlichen Befunden kann die Rentenversicherung auch mehrere Gutachten einholen. Dies dient dazu, ein möglichst umfassendes Bild vom Gesundheitszustand und der Leistungsfähigkeit des Antragstellers zu erhalten.
Antragsteller sollten beachten, dass sie während der Begutachtung offen und ehrlich über ihre gesundheitlichen Einschränkungen berichten. Gleichzeitig ist es ratsam, sich nicht schlechter darzustellen als man tatsächlich ist, da erfahrene Gutachter dies in der Regel erkennen.
Die Erstellung eines Gutachtens ist ein komplexer Prozess, der fundierte medizinische Expertise erfordert. Trotz aller Bemühungen um Objektivität können Gutachten auch Fehler oder Ungenauigkeiten enthalten. In solchen Fällen haben Antragsteller die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls weitere medizinische Unterlagen einzureichen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Anträge auf Erwerbsminderungsrente zunächst abgelehnt werden. In vielen Fällen liegt dies an unzureichenden oder negativen Gutachten. Hier kann es sinnvoll sein, die Ablehnungsgründe genau zu prüfen und gegebenenfalls weitere medizinische Nachweise zu erbringen.
Letztendlich bilden medizinische Gutachten die Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung oder Ablehnung einer Erwerbsminderungsrente. Sie sind ein wesentliches Instrument, um die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers einzuschätzen und eine faire Entscheidung über den Rentenanspruch zu treffen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Erwerbsminderung: Eine Erwerbsminderung liegt vor, wenn jemand aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich irgendeine Arbeit zu verrichten. Es geht nicht nur darum, ob man den bisherigen Beruf noch ausüben kann, sondern ob man überhaupt noch arbeiten kann.
- Leistungsvermögen: Das Leistungsvermögen beschreibt, wie viel und welche Art von Arbeit eine Person noch leisten kann. Es wird in quantitatives Leistungsvermögen (wie viele Stunden) und qualitatives Leistungsvermögen (welche Tätigkeiten) unterteilt. Im vorliegenden Fall wurde das Leistungsvermögen des Klägers durch ärztliche Gutachten unterschiedlich eingeschätzt.
- Arbeitsmarkt: Der Arbeitsmarkt ist der Ort, an dem sich Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften treffen. Für die Erwerbsminderungsrente ist der allgemeine Arbeitsmarkt relevant, also nicht nur spezielle Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Im vorliegenden Fall wurde berücksichtigt, dass der Kläger lange auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig war.
- Anpassungsstörung: Eine Anpassungsstörung ist eine psychische Erkrankung, die als Reaktion auf belastende Lebensereignisse auftreten kann, wie zum Beispiel Jobverlust oder Krankheit. Sie kann sich durch verschiedene Symptome wie Niedergeschlagenheit, Angst oder Schlafstörungen äußern. Im vorliegenden Fall litt der Kläger unter einer Anpassungsstörung.
- Intelligenzminderung: Eine Intelligenzminderung bedeutet, dass die intellektuellen Fähigkeiten einer Person unterdurchschnittlich ausgeprägt sind. Dies kann sich auf verschiedene Bereiche wie logisches Denken, Sprachverständnis oder Lernfähigkeit auswirken. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger seit Geburt eine leichte Intelligenzminderung.
- Gutachten: Ein Gutachten ist eine schriftliche oder mündliche Aussage eines Sachverständigen zu einem bestimmten Thema. Im vorliegenden Fall wurden medizinische Gutachten eingeholt, um die Erwerbsfähigkeit des Klägers zu beurteilen. Das Gericht muss diese Gutachten berücksichtigen, ist aber nicht zwingend an sie gebunden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI): Dieser Paragraph definiert die Erwerbsminderungsrente. Er legt fest, dass eine Person erwerbsgemindert ist, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich irgendeine Erwerbstätigkeit auszuüben. Im vorliegenden Fall geht es genau um diese Frage: Ist der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen erwerbsgemindert im Sinne des Gesetzes?
- § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG): Dieser Paragraph regelt die Möglichkeit, dass das Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten einholt, um den Gesundheitszustand und die Erwerbsfähigkeit des Klägers zu beurteilen. Im vorliegenden Fall wurden mehrere Gutachten eingeholt, die zu unterschiedlichen Einschätzungen der Erwerbsfähigkeit des Klägers kamen.
- § 240 SGB V: Dieser Paragraph regelt die medizinische Rehabilitation. Ziel ist es, die Erwerbsfähigkeit von Versicherten wiederherzustellen, zu verbessern oder eine Verschlechterung zu verhindern. Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger eine medizinische Rehabilitation bewilligt, die aber nicht zu einer Verbesserung seiner Erwerbsfähigkeit führte.
- § 49 SGB XII: Dieser Paragraph regelt die Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II). Er ist relevant, da der Kläger nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes Arbeitslosengeld II bezog. Das Gericht musste prüfen, ob der Kläger aufgrund seiner Erwerbsminderung Anspruch auf eine Rente statt auf Arbeitslosengeld II hat.
- § 125 SGB III: Dieser Paragraph regelt die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Diese Leistungen sollen Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen dabei helfen, wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger eine Integrationsmaßnahme gewährt, die jedoch nicht erfolgreich war.
Das vorliegende Urteil
SG Karlsruhe – Az.: S 13 R 4239/13 – Urteil vom 07.10.2015
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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der 1969 geborene Kläger besuchte eine Förderberufsschule im Berufsbildungswerk M. und absolvierte eine Ausbildung zum Metallfeinbearbeiter. In den Jahren 1990 bis 2010 war er bei der Firma O. als Maschinenbediener, im Folgenden für ein halbes Jahr in einer Transfergesellschaft und im Mai 2011 bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Seit dem bezieht er Arbeitslosengeld I bzw. II. Die Firma O. bescheinigte ihm folgende Beschäftigung: „Zunächst wurde Herr A. im Bereich Montage- und Verbindungstechnik bis Ende März 1998 eingesetzt. Vom 1. April 1998 bis 31. Januar 2009 war er als Anlagebediener in der Gleitschleiferei tätig. Seine Hauptaufgaben waren dort Bedienung von sechs Tellerfliehkraftanlagen, Mitarbeit an Rundvibratoren und Troganlagen. Hr. A. übernahm die Verantwortung über die Strahlkabinen und führte sämtliche Strahlaufträge selbstständig durch. Seit 1.02.2009 wurde Herr A. als Springer eingesetzt und war zuständig für Aufsetzen von MIM-Grünlingen von Hand auf Keramikplatten unter Beachtung der Vorgaben zur Lage der Teile, Beschicken von Schraubenumspritzmaschinen.“ Die Kündigung erfolgte betriebsbedingt. Er wurde nach dem gültigen Tarifvertrag Schmuck und Uhren Entgeltgruppe 1 vergütet.
Die Beklagte hatte dem Kläger vom 6. Oktober bis 7. November 2011 eine medizinische Rehabilitation mit einer Belastungserprobung bewilligt. Aus Sicht der Klinik hatte bei Entlassung trotz einer Anpassungsstörung ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden. Im Anschluss hieran hatte die Beklagte von April bis November 2012 eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Integrationsmaßnahme beim Internationalen Bund in P. gewährt. Im Rahmen dessen absolvierte er ein sechswöchiges Praktikum als Maschinenbediener.
Am 11. Februar 2013 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Er begründete seinen Antrag mit seinen körperlichen und psychischen Leiden. Daraufhin holte die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger durch die Internistin Dr. S. untersuchen und begutachten. Trotz einer Anpassungsstörung, Bluthochdruck und chronischen rezidivierenden Lumboischialgien stellte Dr. S. noch ein über sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten fest.
Durch Bescheid vom 1. März 2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Die erforderliche Wartezeit mit fünf Jahren anrechenbaren Zeiten sei dagegen erfüllt.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, die Hausärztin attestiere eine verminderte psychische Belastbarkeit bei kognitiven Beeinträchtigungen. Eine Berufstätigkeit sei ihm nicht mehr möglich.
Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. Sch. begutachten. Aus Sicht des Gutachters bestehe beim Kläger eine frühkindlich erworbene grenzwertig niedrige Intelligenz sowie eine Anpassungsstörung. Dennoch sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich mittelschwere und geistig-seelisch einfache Tätigkeiten gegeben. Im Folgenden wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Dezember 2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Die behandelnden Ärzte gingen von einem aufgehobenen Leistungsvermögen aus und empfehlen eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2013 zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag vom 11. Februar 2013 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Ausführungen und trägt vor, die medizinischen Ermittlungen des Gerichts hätten ihre bisherige Auffassung bestätigt.
Das Gericht hat zunächst die von dem Kläger als behandelnden Ärzte benannten Mediziner im Wege schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen gehört. Auf den Inhalt der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. und Dr. V. wird Bezug genommen.
Anschließend hat das Gericht die Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. veranlasst. Dieser hat in seinem im Oktober 2014 erstatteten Gutachten folgende Diagnosen erhoben: leichte Intelligenzminderung, Anpassungsstörung mit rezidivierenden leichten depressiven Episoden. Es bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Der Kläger beantragte die Einholung eines Gutachtens gem. § 109 SGG beim Psychiater Dr. B. sowie ein psychologisches Zusatzgutachten bei Dr. A.. Aus Sicht der Gutachter lägen beim Kläger eine leichte Intelligenzminderung mit ausgeprägten kognitiven Teilleistungsstörungen sowie eine Anpassungsstörung vor. Es bestehe ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen im Hinblick auf eine arbeitstägliche Arbeitszeit von 3 bis unter 6 Stunden.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2015 hat der Kläger erklärt, er habe sich auf Anregung des Arbeitsamts bei der Firma O. beworben und ein übliches Bewerbungsverfahren samt Probezeit durchlaufen. Persönliche oder verwandtschaftliche Beziehungen zu einem Mitarbeiter dieser Firma habe er nicht. Er sei jeweils in einer Gruppe mit bis zu ca. 8 Arbeitern eingesetzt gewesen, wobei zwei eine Vorarbeiter-/Meisterfunktion ausgeübt hätten. Die übrigen Arbeiter hätten dieselbe Tätigkeit wie er verrichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte und der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid vom 1. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
(1) voll oder teilweise erwerbsgemindert sind (medizinische Voraussetzung),
(2) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt haben und
(3) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-).
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
1. Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben ist der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts 46 Jahre alte Kläger nicht erwerbsgemindert, da er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verfügt.
Die im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme ermittelten Gesundheitsstörungen mit Schwerpunkt auf psychiatrisch-neurologischem Gebiet schränken das qualitative Leistungsvermögen des Klägers ein, berühren aber seine quantitative körperliche und geistige Leistungsfähigkeit für die Verrichtung leichter Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Die Kammer macht sich diesbezüglich die Einschätzung des Dr. E. nach eigener kritischer Urteils- und Überzeugungsbildung zu eigen. Die bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. S. und Dr. Sch. verwertet die Kammer dabei im Wege des Urkundsbeweises.
Nach Überzeugung des Gerichts verfügt der Kläger sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht über ein vollschichtiges Leistungsvermögen von arbeitstäglich sechs Stunden für körperlich leichte bis mittelschwere, einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Gegen eine Einschränkung des Leistungsvermögens spricht insbesondere die vom Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 20 Jahre ausgeübte Tätigkeit bei der Firma O..
a) Der Kläger leidet seit seiner Geburt unter einer leichten Intelligenzminderung. Hinzu kam durch den Verlust des Arbeitsplatzes im Jahr 2010 eine Anpassungsstörung mit rezidivierenden leichten depressiven Episoden. Schließlich besteht ein medikamentös behandelter Bluthochdruck. Aus diesen Erkrankungen ergeben sich nach Überzeugung des Gericht qualitative Leistungseinschränkungen. Nicht mehr möglich sind dem Kläger schwere körperliche Tätigkeiten, Tätigkeiten in Wechselschicht, Akkord- und Fließbandarbeiten, geistig oder seelisch belastende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Konzentration, Arbeiten mit mehr als geringen Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit und das Umstellungsvermögen, Arbeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers, seiner behandelnden Ärzte und dem Gutachten von Dr. B. folgt aus den bestehenden Erkrankungen aber keine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht.
aa) Dagegen lassen sich zunächst die schlüssigen und nachvollziehbaren Darstellungen der Gutachter Dr. E., Dr. Sch. und Dr. S. anführen. Zunächst konnten diese erheben, dass der Kläger trotz seiner Einschränkungen in der Lage ist seinen Tagesablauf hinreichend zu strukturieren. Zwar unterhält er ca. einmal im Monat Unterstützung durch den sozialpsychiatrischen Dienst, im Übrigen ist er aber in der Lage sich selbst zu versorgen und den Haushalt zu führen. So hat er angegeben, er stehe kurz vor 9 Uhr auf, gehe einkaufen, mache den Haushalt, versorge die Wellensittiche, sitze am Computer, koche, gehe nachmittags spazieren, gelegentlich treffe er sich mit Bekannten. Dr. E. hat nur leichte Auffassungserschwernisse feststellen können, der Antrieb und der Affekt des Klägers waren unauffällig. Hiervon konnte sich das Gericht auch durch den persönlichen Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2015 überzeugen.
bb) Gegen eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögen sprechen die erreichten Ergebnisse des Klägers in der durchgeführten medizinischen Rehabilitation samt Belastungserprobung. Dort wird bescheinigt, dass „bei einfacher Aufgabengestaltung die Handlungsplanung, Handlungsorganisation sowie das Aufgabenverständnis als gut zu bezeichnen sind“. Bei komplexeren Aufgabenstellungen hat der Kläger vermehrt Hilfestellungen und klare Arbeitsanweisungen benötigt. Zwar war sein Arbeitstempo verlangsamt, aber die Arbeitsqualität war gut. Erst bei wachsenden Anforderungen an Konzentration, Reaktion, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit ist es zu Auffälligkeiten, aber durch Wiederholung und Training konnte die Leistungsfähigkeit gesteigert werden. Nach nachvollziehbarer Einschätzung des Reha-Trägers bestand ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
bb) Entscheidend für das Gericht ist aber, dass der Kläger trotz der bereits von Geburt an bestehenden leichten Intelligenzminderung, bereits über 20 Jahre auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig gewesen ist. Denn die nach dem Verlust des Arbeitsplatzes 2010 erstmals aufgetretene Anpassungsstörung erreicht nach den vorliegenden Befunden und Feststellungen der Ärzte nicht einen solchen Schweregrad, der eine Aufhebung oder Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens begründen könnte. Eine Antriebs- oder Affektstörung ließ sich gerade nicht nachweisen, und auch der hinreichend strukturierte Tagesablauf sprechen gegen eine schwergradige Anpassungsstörung.
Die tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen erheblichen Beweiswert dar. Das BSG führt hierzu aus, dass medizinischen Befunden in der Regel kein so starker Beweiswert zu komme wie dem Umstand, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit tatsächlich noch ausübt.(vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1975 – 12 RJ 208/74 –, SozR 2200 § 1247 Nr 12, Rn. 15) Dies gilt nur dann nicht, wenn der dem Kläger zur Verfügung gestellte Arbeitsplatz eine vom Regelfall abweichende günstige Arbeitsgelegenheit darstellt oder das Beschäftigungsverhältnis nur vergönnungsweise begründet oder fortgesetzt wird. Für eine Tätigkeit „vergönnungsweise“ können zum einen enge verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sprechen. Wichtiger ist, ob der Arbeitnehmer noch in der Lage ist, die ihm übertragenen Arbeiten vollwertig auszuüben. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass es eine gewisse „Spanne“ von Arbeitsqualität gibt, die dem gezahlten Lohn noch entspricht, sodass nicht jedes Zurückbleiben hinter einer Arbeitsleistung von mittlerer Art und Güte auf eine atypisch günstige Arbeitsgelegenheit schließen lassen muss. Wesentliches Kriterium ist daher immer, ob der Arbeitgeber die geleistete Arbeit (trotz Abstrichen) noch als dem gezahlten Arbeitslohn entsprechend bewertet. (vgl. Ulrich Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 89)
Orientiert an diesen gesetzlichen Vorgaben bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der vom Kläger für die Firma O. ausgeübten Tätigkeit nicht um eine dem Regelfall entsprechende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gehandelt hat.
Dagegen spricht zum einen das dem Kläger über die Tätigkeit ausgestellte Arbeitszeugnis. Dort wird beschrieben, welche Aufgaben der Kläger im Bereich Montage- und Verbindungstechnik im vollschichtigen Zwei-Schichtbetrieb ausgeübt hat. Hieraus ist nicht erkennbar, dass er nicht den allgemeinen Anforderungen der von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeit erfüllt hat. So bescheinigt der Arbeitgeber: „Die ihm übertragenen Arbeiten wurden immer zuverlässig und stets zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgeführt.“
Desweiteren wurde der Kläger nach dem Tarif Schmuck und Uhren Entgeltgruppe 1 vergütet. Er war vollschichtig 35 Wochenstunden tätig. Der Arbeitsvertrag ist nicht aufgrund eines persönlichen Näheverhältnisses zum Arbeitgeber entstanden, sondern der Kläger hat ein normales Bewerbungsverfahren samt Probezeit durchlaufen.
Für das Gericht steht fest, dass die Tätigkeit bei der Firma O. eine dem Regelfall entsprechende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt war und damit der Kläger tatsächlich bereits trotz der bestehenden Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 20 Jahre hat Fuß fassen können.
cc) Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist den behandelnden Ärzten und dem Gutachter Dr. B. und Dr. A. nicht zuzustimmen, die aufgrund der leichten Intelligenzminderung von einen eingeschränkten bzw. aufgehobenen Leistungsvermögen ausgehen wollen. Sie nehmen jeweils an, dass die Intelligenzminderung seit Geburt bzw. spätestens seit der frühkindlichen Entwicklung bestanden hat und damit vom Kläger gewissermaßen von Beginn an in das Arbeitsleben eingebracht worden ist.
Der Einschätzung, hierdurch sei sein zeitliches Leistungsvermögen eingeschränkt oder gar aufgehoben, steht aber die tatsächlich über 20 Jahre ausgeübte Tätigkeit des Klägers bei der Firma O. entgegen. Hier hat er gezeigt, dass er trotz seiner insbesondere kognitiven Einschränkungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen konnte. Da sich sein Gesundheitszustand in Bezug auf die Intelligenzminderung nicht wesentlich geändert, insbesondere verschlechtert hat, und die Anpassungsstörung, wie zuvor ausgeführt infolge des geringen Ausprägungsgrades, nicht zur zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögen führen kann, sind damit die Einschätzungen von Dr. B. und Dr. A. sowie der behandelnden Ärzte weder schlüssig noch nachvollziehbar.
c) Auch die Wegefähigkeit des Klägers, d.h. die Fähigkeit von seiner Wohnung zu einem Arbeitsplatz und zurück zu gelangen, ist erhalten. Er ist noch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m binnen höchsten 15 Minuten zu Fuß zurückzulegen und darüber hinaus auch zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel selbständig zu benutzen. Es liegen keine Erkrankungen vor, die sich auf die Gehfähigkeit des Klägers erheblich auswirken könnten.
d) Im Ergebnis verfügt der Kläger daher über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von 6 Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche im Hinblick auf eine leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung.
2. Dem Kläger steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu, weil er – wie oben bereits erläutert – körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich über sechs und mehr Stunden ohne Gefahr für seine Restgesundheit verrichten kann.
3. Die Klage konnte aus den oben genannten Gründen keinen Erfolg haben und war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.