Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 19 R 434/06 – Urteil vom 07.04.2011
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.02.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger über den 31.08.2003 hinaus Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente (arbeitmarktbezogen) hat.
Der 1958 geborene Kläger ist von Beruf ausgebildeter Sozialversicherungsfachangestellter und war in diesem Beruf auch durchgängig tätig. Seit Ostern 2001 bestand Arbeitsunfähigkeit.
Am 20.03.2002 stellt er bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Schmerzen und Druckgefühl im linken Hoden bei längerem Sitzen, nach ca. einer Stunde. Aufgrund eines sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. K. vom 07.02.2002, aus der sich als Diagnosen ein Hoden- und Leistenschmerz linksseitig unklarer Ätiologie sowie urologischerseits mitgeteilte chronische Epididymitis links mit erheblicher Blasenhalshypertropie mit pathologisch abgesenkten Uroflow ergaben, holte die Beklagte zunächst ein neurologisches Gutachten von Dr. S. ein. Dieser kam am 22.07.2002 zu dem Ergebnis, dass ein Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung bei Verdacht auf zwanghaft-perfektionistische Persönlichkeitsstruktur und Tinnitus aurium vorliege. Der Kläger sei seit fast einem Jahr krank geschrieben, so dass sicherlich eine gewisse Chronifizierung seines Schmerzzustandes eingetreten sei. Die Tätigkeit als Sozialversicherungsfachangestellter könne er nur noch unter drei Stunden ausüben, für den allgemeinen Arbeitsmarkt liege eine Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden vor. Eine Besserung sei in den nächsten Monaten bei entsprechender Behandlung (Schmerztherapie/berufliche Entlastung) möglich. Die Beklagte holte des Weiteren ein urologisches Gutachten von Dr. S. ein, der am 31.07.2002 zu dem Ergebnis kam, dass nur geringgradige urologische Veränderungen vorlägen. Der Kläger könne seine letzte Tätigkeit im Umfang von mehr als sechs Stunden ausüben, ebenfalls Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mehr als sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen.
Die Beklagte lehnte daraufhin zunächst mit Bescheid vom 13.09.2002 den Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente ab. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27.09.2002 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass er im August 2001 einen Arbeitsversuch unternommen habe, den er jedoch nach nur einer Woche wieder habe abbrechen müssen. Gerade die sitzende Tätigkeit eines Sachbearbeiters sei für ihn nicht mehr ausführbar. Ferner habe der Medizinische Dienst der Krankenkasse (MdK) in seinem Gutachten vom 15.07.2002 festgestellt, dass Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 51 SGB V vorliege. Vorgelegt wurde ferner ein Kurzbericht von Dr. L. vom 24.09.2002, wonach beim Kläger seit Ostern 2001 ohne bekannte Ätiologie neuralgieforme Beschwerden im linken Hoden mit Ausstrahlungen in die linke Leiste vorlägen. Die stechenden Schmerzen von weniger Sekunden Dauer träten vor allem nach längerem Sitzen im Laufe des Tages auf; nachts und in liegender Position sei der Patient beschwerdefrei. Durch die von Dr. L. durchgeführte Serie von Blockaden paravertebral in Höhe L1/L2 links an dem Nervus genito-femoralis bzw. Nervus ilio-inguinalis habe eine deutliche Schmerzreduktion erzielt werden können. Die Fortführung und Ergänzung der bisherigen therapeutischen Maßnahmen halte er für erforderlich. Aufgrund der vorgelegten Befunde holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von Frau L. ein, die zu dem Ergebnis kam, dass im Hinblick des MDK-Gutachtens und der Aussagen der behandelnden Ärzte dem Widerspruch abzuhelfen sei und insoweit dem Gutachten Dr. S. gefolgt werden müsse. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 05.11.2002 dem Kläger auf den Antrag vom 20.03.2002 hin Rente wegen voller Erwerbsminderung (arbeitsmarktbezogen) beginnend ab dem 01.03.2002 und befristet bis zum 31.08.2003.
Am 24.04.2003 beantragte der Kläger die Fortgewährung seiner Erwerbsminderungsrente. Sein Gesundheitszustand habe sich seit Rentenbeginn nur unwesentlich gebessert. Er befände sich seit Mai 2002 in regelmäßiger Behandlung beim Schmerztherapeuten Dr. L. in W.. Durch diese Behandlung werde erreicht, dass er keine schweren Medikamente mehr zu sich nehmen müsse. Damit werde der Körper nicht mehr durch diese Medikamente geschädigt. Das eigentliche Krankheitsgeschehen werde dadurch aber nicht beeinflusst. Hier stagnierten weiterhin alle Behandlungsansätze.
Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. F. ein, der am 30.06.2003 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger sowohl den letzten Beruf als Sozialversicherungsfachangestellter als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Es bestehe der Verdacht auf eine Neuralgie des Nervus genito-femoralis, ein leichtgradiges chronisches Lumboischialgiesyndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen ohne neurologisches Defizit, ein episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp sowie der Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung. Da der Kläger angebe, unter Benutzung eines Sitzringes eine deutliche Besserung der Beschwerdesymptomatik zu verspüren, könnten sitzende Tätigkeiten unter Zuhilfenahme des besagten Sitzringes erfolgen. Es werde die Durchführung einer beruflichen Wiedereingliederungsmaßnahme empfohlen, da der Versicherte schon nahezu zwei Jahre keine geregelte Tätigkeit mehr ausgeübt habe.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.08.2003 den Fortgewährungsantrag des Klägers ab. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22.08.2003 Widerspruch ein. Er versuche alles um wieder arbeitsfähig zu werden, doch leider hätten die bisherigen Behandlungen nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Er habe sich auf Empfehlung seines Arztes Dr. E. in die Behandlung durch Dr. M. von der Deutschen Klinik für Diagnostik in W. begeben, um feststellen zu lassen, was tatsächlich die Ursache für die Schmerzen sei. Aus dem von der Beklagten daraufhin beigezogenen Befundbericht von Dr. M. ergab sich, dass bisher nur „frustrale Therapieversuche jeder Art unternommen worden seien, Psychotherapie und osteopathische Krankengymnastik“. Die Frage nach der Besserung der Leistungsfähigkeit war verneint, da „die Leistungsfähigkeit nicht nur Focus der Krankheit“ sei. Dies sei die falsche Fragestellung bei CPPS/Phobie. Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Befundberichte wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.08.2003 mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2004 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der hiergegen am 21.04.2004 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dass er trotz einer intensiven fachärztlichen Behandlung nach wie vor einen ausgeprägten Beckenbodenschmerz habe und keinesfalls eine sitzende Tätigkeit verrichten könne. Er sei in engmaschiger Behandlung des Schmerztherapeuten Dr. L.. Zu der seltenen Erkrankung des Klägers habe der behandelnde Arzt Dr. M. ein Ärztebuch verfasst. Er vertrete eindeutig den Standpunkt, dass der Kläger in seinem Berufsbild nicht leistungsfähig sei. Zu dieser Erkrankung sei eine psychische Erkrankung hinzugetreten.
Das SG hat nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte von Dr. E., der eine deutliche Beschwerdebesserung auf internistischem Gebiet beschrieb, und von Dr. M., der ebenfalls eine deutliche Besserung konstatierte, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. K. eingeholt, der am 11.05.2005 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger sowohl seine letzte Tätigkeit als Sozialversicherungsfachangestellter als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Beim Kläger bestehe eine Somatisierungsstörung. Eine typische Neuralgie des Nervus genitofemoralis links liege nicht vor. Das Schmerzsyndrom sei im Rahmen der Somatisierungsstörung zu sehen. Eine tiefgreifende depressive Symptomatik sei nicht nachweisbar. Im Vordergrund stehe eine deutliche Selbstbeobachtungs- und Somatisierungstendenz. Weiterhin bestehe ein Spannungskopfschmerzsyndrom, ein rezidivierendes LWS-Syndrom ohne Defizit sowie ein Tinnitus beidseits ohne Dekompensationselemente. Die Leistungsbeurteilung der Beratungsärztin Frau L. vom 14.10.2002 werde als krasse Fehlbeurteilung eingeschätzt. Durch die Bewilligung der Rente habe sich beim Kläger das Krankheitsbild chronifiziert, sei fixiert und sei somit einer therapeutischen Intervention kaum mehr zugänglich. Gleichwohl bestehe vollschichtige Einsatzfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf wie auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Im Vordergrund solle die ambulante nervenärztliche, psychotherapeutische und hausärztliche Betreuung stehen.
Auf Antrag des Klägers wurde sodann ein urologisches Gutachten von Dr. M. eingeholt, der am 22.10.2005 zu dem Ergebnis kam, dass beim Kläger eine somatoforme Schmerzstörung im Sinne eines CPPS (chronic pelvic pain syndrome = chronisches Beckenbodenschmerzsyndrom) vorliege sowie eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode. Der Kläger leide unter einer psychischen Beeinträchtigung (depressive Störung) in deren Folge sich eine somatoforme Schmerzstörung entwickelt habe, die sich vor allem auf den Unterbauch in den Genitalbereich fokussiere. Entsprechend schildere der Kläger auch Schmerzen im Unterbauch, beim Geschlechtsverkehr und beim Sitzen. Eine Berührung dieser Region werde als unangenehm empfunden (deshalb toleriere er keine eng anliegende Kleidung). Es sei eine entsprechende, die Fehlfunktionen gezielt bewusst machende und zur Eigenkorrektur auffordernde Therapie indiziert. Dies seien die von ihm veranlasste Biofeedbacktherapie zur Pelvic-floor-re-education und die osteopathische Therapie zur Rebalancierung der Muskelgruppen aus Level I (Beckenboden) bis Level III (Kiefergelenke). Ein durchschlagender Erfolg der Therapie sei nur bei Einbeziehung einer Psychotherapie erreichbar. Diese habe jedoch gerade erst begonnen. Damit sei zwar eine Schmerzlinderung eingetreten, was der Kläger auch bestätige, jedoch keine Schmerzfreiheit. Wenn man die Befunde aus 2003 und der jetzigen gutachterlichen Untersuchung vergleiche sei eine objektive Besserung zu verzeichnen, jedoch keine entscheidende durchgängige Lösung des Problems. Offen sei nämlich noch die eigentlich auslösende Causa für die psychische Beeinträchtigung. Denkbar sei z.B. eine psychische Überforderung im Beruf. Der Kläger habe weitgehend selbstständig gearbeitet, was Entscheidungsfähigkeit und -freude voraussetze, aber auch das Risiko von Fehlentscheidungen, die belasteten, einschließe. Ferner bestehe aufgrund der überbordenden Sozialgesetzgebung und der wirtschaftlichen Zwänge ein zunehmendes Spannungsfeld für einen verantwortungsbewussten Sozialversicherungsfachangestellten. Somatisierungen solcher psychischen Spannungen kämen häufig vor. Die Enge der Gesetzgebung könne somatisiert-bildlich die enge Kleidung am Arbeitsplatz widerspiegeln. Eine chronische Überlastung sei also denkbar, die die Symptomkette in Gang gesetzt habe. Einer psychiatrischen Diagnose auf der Basis einer laufenden Psychotherapie könne und solle damit jedoch nicht vorgegriffen werden. Der Kläger sei unverändert weiterhin arbeitsunfähig. Er könne möglicherweise wieder arbeitsfähig werden, wenn es gelänge, den zugrunde liegenden psychischen Konflikt zu lösen. Da Psychotherapien gerade bei Somatisierungsstörungen zeitaufwändig seien, werde eine weitere Berentung bis mindestens Ende 2007 vorgeschlagen.
Das SG hat sodann eine ergänzende Stellungnahme von Dr. K. zu dem Gutachten von Dr. M. eingeholt. Dr. K. verblieb am 09.01.2006 bei den im Gutachten vom 11.05.2005 gefundenen sozialmedizinischen Beurteilungen des Klägers.
Das SG hat daraufhin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2006 die Klage gegen den Bescheid vom 13.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2004 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es dem Gutachten Dr. K. folge. Beim Kläger lägen nur geringfügige Beeinträchtigungen auf psychischem Gebiet vor, die jedoch ihn weiterhin befähigten, seine bisherige Tätigkeit im Umfang von mindestens sechs Stunden auszuüben. Dem Gutachten von Dr. M. werde nicht gefolgt. Dieser habe die Bedeutung der Frage nach der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht richtig erfasst. Im Gutachten vom 22.10.2005 werde angeführt, dass der Kläger die Tätigkeit als Büroangestellter nicht ausüben könne, weil dieser vorwiegend sitzend zu erfolgen habe. Auch nach ausführlichem Hinweis des Gerichts auf die Bedeutung dieser Fragestellung habe der Gutachter keine klare Stellungnahme zur Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abgegeben. Eine Berufsunfähigkeit liege nicht vor. Zwar solle der Kläger nach Ansicht des Gutachters Dr. K. keine Tätigkeiten mit intensivem Publikumsverkehr mehr verrichten. Es stehe deshalb zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger seine letzte berufliche Tätigkeit als Sachbearbeiter im Schalterbereich einer Krankenkasse, welche zwangsläufig den permanenten persönlichen Kontakt mit Versicherten und Arbeitgebern erfordere, nicht mehr ausüben könne. Gleichwohl könne er noch Sachbearbeiter in der Aktenbearbeitung bleiben. Die hierfür geltenden qualitativen Einschränkungen könnten dabei beachtet werden. Im Übrigen könne der Kläger auch auf die Tätigkeit eines angelernten Registraturmitarbeiters verwiesen werden.
Zur Begründung der hiergegen am 22.06.2006 beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung weist der Klägerbevollmächtigte darauf hin, dass alle behandelnden Ärzte und der Sachverständige Dr. M. übereinstimmend der Auffassung seien, dass der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr im Umfang von sechs Stunden und mehr verrichten könne. Dr. M. kenne den Kläger und seine gesundheitliche Problematik ausführlich und könne deshalb sowohl in urologischer als auch in psychologischer Hinsicht das Leistungsvermögen umfassend beurteilen. Bestätigt werde die Beurteilung des Dr. M. darüber hinaus auch durch den unabhängigen Psychiater und Neurologen Dr. V..
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen und sodann Dr. D. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 05.01.2011 zu folgenden Diagnosen:
1. Undifferenzierte Somatisierungsstörung.
2. Rezidivierende depressive Störung.
3. Tinnitus aurium.
4. Verdacht auf Psoriasis vulgaris.
Trotz dieser Störungen sei der Kläger nach Ansicht von Dr. D. in der Lage, die Tätigkeit eines Sozialversicherungsfachangestellten sowie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig zu verrichten. Aufgrund einer verminderten Stresstoleranz seien insbesondere nervlich belastende Tätigkeiten, beispielsweise Tätigkeiten unter Zeitdruck, im Akkord, mit regelmäßigen Überstunden, am Fließband, in der Nachtschicht sowie in besonderen Konflikt- und Verantwortungsbereichen zu vermeiden. Zu vermeiden seien auch Tätigkeiten ausschließlich im Sitzen, Gehen oder Stehen. Entlastende Haltungswechsel sollten möglich sein, wobei überwiegendes Sitzen durchaus geeignet sei. Zu vermeiden sei auch Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Lasten ohne Hilfsmittel. Die Notwendigkeit längerer Arbeitspausen als üblich bestehe nicht. Allerdings sei auf ausreichende Erholungszeit am Feierabend und am Wochenende zu achten, d.h. regelmäßige Überstunden oder regelmäßiges Arbeiten an Wochenenden seien nicht geeignet. Ebenfalls sollten regelmäßige Zwangshaltungen vermieden werden. Aufgrund einer zwanghaft psychischen Persönlichkeitsstruktur bestehe in der Persönlichkeit des Klägers sicherlich ein gewisser Mangel an Flexibilität, was die Einstellung auf neue Situationen erschwere. Dennoch sei grundsätzlich die Umstellungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Die festgestellten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit bestünden im Wesentlichen bereits seit Ende der zeitlich befristeten Berentung im August 2003. Zur Symptombesserung sollte eine Heilbehandlung in einer psychosomatisch-psychotherapeutischen Einrichtung mit dem konsequenten Angebot kombinierter Therapiemaßnahmen erfolgen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.02.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit über den 31.08.2003 hinaus weiterzugewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.02.2006 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Würzburg hat zu Recht im Urteil vom 08.02.2006 einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente über den 31.08.2003 hinaus abgelehnt, denn der Kläger ist nicht im rentenrechtlich relevanten Sinne erwerbsgemindert.
Gemäß § 43 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Aufgrund des eingeholten Gutachtens von Dr. D. vom 05.01.2011 ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger noch in der Lage ist, seinen letzten Beruf als Sozialversicherungsfachangestellter ebenso wie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Er ist deshalb nicht erwerbsgemindert.
Nach den von Dr. D. getroffenen Diagnosen liegt beim Kläger eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, eine rezidivierende depressive Störung, ein Tinnitus aurium sowie der Verdacht auf Psoriasis vulgaris vor. Diese Diagnosen decken sich im Wesentlichen mit den im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren getroffenen Diagnosen der Vorgutachter. Soweit der Gutachter Dr. M. den entscheidenden Schwerpunkt auf die Erkrankung CPPS legt, weist Dr. D. zutreffend darauf hin, dass es sich hierbei um eine unspezifische Beschreibung eines chronischen Unterbauchschmerzes und des Beckens in Verbindung mit Tonuserhöhung der abdominellen und Unterbauchmuskulatur auf funktioneller Grundlage handelt. Ein strukturelles oder somatisches Korrelat für die Beschwerden konnte bei urologischer Abklärung und umfassender neurologischer Diagnostik nicht gefunden werden. Demgemäß liegt der Schwerpunkt der Erkrankung auf psychischem Fachgebiet. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung von Dr. M., der den Schwerpunkt ebenfalls in der Psychosomatik der Erkrankung. Als Auslöser sehen die Gutachter durchgehend die Auseinandersetzung des Klägers mit Stresssituationen, die sich auch in der Eigenanamnese des Klägers deutlich zeigt. Zudem wird diese durch eine ängstlich-anankastische Persönlichkeitsstruktur des Klägers begünstigt. Der Sachverständige Dr. D. legt aber im Einzelnen dar, dass bislang noch nicht von einer konsequenten Behandlung der Erkrankung des Klägers gesprochen werden kann. So weist er nach, dass sich aus den bisherigen Aktenunterlagen und Befundberichten ergibt, dass bereits im Jahr 2003 die Diagnose eines psychosomatischen Beschwerdekreises gestellt und hier eine ambulante Psychotherapie und ambulante schmerztherapeutische Behandlung angefangen wurde. Die schmerztherapeutische Behandlung wurde mittlerweile aufgegeben, ohne dass sich hier eine Änderung der Beschwerden eingestellt hatte und die psychotherapeutische Behandlung erfolgt aktuell lediglich niederfrequent in mehrwöchigem Abstand. Eine stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung sei bisher noch nicht in Anspruch genommen worden. Das konsequente Erlernen von Entspannungsverfahren oder die dauernde Anwendung eines Biofeedback-Verfahrens erfolgte offenbar ebenfalls nicht. Im Hinblick auf begleitende depressive und Angstsymptome sei eine durchaus indizierte psychopharmakologische Behandlung ebenfalls nicht in ausreichendem Maße erkennbar. Bei der Einnahme von Duloxetin werde gerade mal die Startdosis von 30 mg verabreicht. Die wirksame bzw. Erhaltungsdosis liege jedoch zwischen 60 und 120 mg pro Tag. Insofern sei auch diesbezüglich eine adäquate Behandlung nicht erkennbar. Der Sachverständige kommt gleichwohl zu der Erkenntnis, dass gegenüber dem Zeitraum 2001 bis 2003 durchaus eine gewisse Besserung der Symptomatik festzustellen ist. Dies wird von einzelnen Ärzten auch in ihren Befundberichten bestätigt, so z.B. Dr. E., G., Dr. K. und Dr. F. und auch in dem Befundbericht von Dr. M.. Auch der Kläger selbst gab im Rahmen der Eigenanamnese an, dass er auch deswegen nicht arbeitsfähig gewesen sei, da er mit „Schlabberhosen“ nicht hätte in die Arbeit gehen können. Dies sei fünf Jahre lang so gewesen. Erst jetzt sei er in der Lage, normale Kleidung zu tragen. Der Kläger arbeitet im Übrigen seit dem 01.06.2006 im Umfang von 20 Wochenstunden bei seinem bisherigen Arbeitgeber als TMP-Akquisiteur.
Die beim Kläger zweifellos bestehenden psychischen Einschränkungen können im Rahmen der vom Gutachter Dr. D. festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen Berücksichtigung finden. Eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens des Klägers in rentenrechtlich relevanter Hinsicht ist jedoch nicht gegeben, so dass weder eine Rente wegen teilweiser, noch wegen voller Erwerbsminderung in Betracht kommt. Auch eine Rentengewährung auf der Grundlage des § 240 SGB VI scheidet aus, da der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sozialversicherungsfachangestellter noch vollschichtig unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten kann. Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.02.2006 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.