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Erwerbsminderungsrente – Voraussetzung der Annahme einer Erwerbsminderung

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 19 R 147/11 – Urteil vom 09.04.2014

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 01.02.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Der 1960 geborene Kläger begann zunächst eine Ausbildung als Werkzeugmacher vom 15.12.1976 bis 30.06.1978. Die Ausbildung wurde nicht beendet. Danach war der Kläger nach eigenen Angaben seit 1981 als Lagerarbeiter und Staplerfahrer tätig und hatte Einsätze im Rahmen einer Zeitarbeitsfirma als Kommissionierer, Bürohilfskraft und Ähnliches. Ab 01.09.2008 folgten Arbeitsunfähigkeits- und Arbeitslosigkeitszeiten.

Am 11.12.2008 beantragte der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Erwerbsminderungsrente - Voraussetzung der Annahme einer Erwerbsminderung
Symbolfoto: Von Ralf Liebhold /Shutterstock.com

Die Beklagte beauftragte Dr.S. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr.S. diagnostizierte am 06.02.2009 eine Schuppenflechte mit stark ausgeprägtem Befall des gesamten Körpers, arterielle Hypertonie, hypertensive Herzerkrankung, LWS-Syndrom mit ausreichender Funktion ohne Hinweis auf radikuläre Symptomatik. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten, ohne längerfristige Zwangshaltungen des Achsenorgans, ohne hautreizende Stoffe, ohne Tragen von Gummihandschuhen oder Gummistiefeln, ohne Einfluss von Nässe, Feuchtigkeit, stärkerer Sonneneinstrahlung, Nachtschicht, Absturzgefahr, Eigen- und Fremdgefährdung verrichten.

Mit Bescheid vom 16.02.2009 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 04.03.2009 Widerspruch. Während des laufenden Widerspruchsverfahrens absolvierte der Kläger eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Laut Reha-Entlassungsbericht vom 15.07.2009 wurde eine Schuppenflechte diagnostiziert. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wenigstens 6 Stunden täglich mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen verrichten. Zu vermeiden seien bezüglich der Haut mechanische Belastungen sowie ständige Nässe, Hautirritationen, Fibrationen oder extrem schwankende Temperaturen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2009, eingegangen am 26.10.2009 beim Sozialgericht Würzburg (SG), Klage erhoben. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, wegen eines ausgeprägten Bluthochdrucks und Schwindelerscheinungen sei er nicht mehr in der Lage, noch wenigstens 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein.

Das SG hat von dem Kläger mehrfach die Beantwortung eines Fragebogens zu medizinischen und beruflichen Fragen angefordert. Ein Rücklauf erfolgte nicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.02.2011 hat das SG nach Anhörung die Klage abgewiesen. Aufgrund der Aktenlage sei ein Anspruch auf Erwerbsminderung nicht ersichtlich. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens 6 Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen tätig sein.

Dagegen hat der Kläger am 11.02.2011 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er hat im Wesentlichen vorgetragen, das SG hätte weiter ermitteln müssen.

Der Senat hat einen Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin W. vom 17.06.2013 eingeholt und den Internisten und Arbeitsmediziner Dr.C. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dr.C. hat am 13.01.2014 folgende Diagnosen gestellt:

– Hypertensive Herzkrankheit mit Blutdruckregulationsstörungen, Schwindelzuständen und Kopfschmerzen,

– Verschleißveränderungen im Bereich des Bewegungsapparates,

– Schuppenflechte,

– Störung des Zucker- und Harnsäurestoffwechsels.

Der Kläger sei jedoch in der Lage, noch wenigstens 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen zu verrichten.

Die Beklagte hat sich der sozialmedizinischen Beurteilung durch Dr.C. angeschlossen.

Der Kläger hat mitgeteilt, er vermöge das Gutachten von Dr.C. nicht zu akzeptieren, aus Geldmangel könne kein Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt werden.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des SG Würzburg vom 01.02.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag vom 11.12.2008 hin die gesetzlichen Leistungen einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Würzburg vom 01.02.2011 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Beklagtenakte und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller, bzw. teilweiser Erwerbsminderung hat, denn der Kläger kann noch wenigstens 6 Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.

Gemäß § 43 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur Überzeugung des Senats stellt sich das Leistungsvermögen des Klägers folgendermaßen dar: Der Kläger ist noch in der Lage, wenigstens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen in geschlossenen Räumen zu verrichten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit dauernden körperlichen Zwangshaltungen wie Bücken, Knien, Hocken, über Augenhöhe, dauerhaftes Stehen, und besondere Laufbelastungen. Er darf keine Tätigkeiten verrichten, die als hautbelastend anzusehen sind (Feuchtarbeit, Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe, Notwendigkeit häufiger Reinigung und/oder Desinfektion der Haut; starke mechanische Hautbeanspruchung), ebenso keine Arbeiten in Gefahrenbereichen mit Absturzgefahr, sicherheitsrelevante Tätigkeiten und Führen von Fahrzeugen.

Der Senat stützt sich insoweit auf das überzeugende Gutachten von Dr.C.. Dr.C. hat am 13.01.2014 folgende Diagnosen gestellt:

– Hypertensive Herzkrankheit mit Blutdruckregulationsstörungen, Schwindelzuständen und Kopfschmerzen,

– Verschleißveränderungen im Bereich des Bewegungsapparates,

– Schuppenflechte,

– Störung des Zucker- und Harnsäurestoffwechsels.

Er hat jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass diese Gesundheitsstörungen nicht mit einer Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens einhergehen.

Im Vordergrund des subjektiven Beschwerdebildes des Klägers stünden Schwindelzustände, die sich insbesondere bei rascher Änderung der Körperhaltung (Hinstellen, Aufrichten), gelegentlich aber auch im Sitzen ereigneten. Es komme dabei immer wieder zu Stürzen, im Jahre 2013 zehn- bis zwanzigmal nach Angaben des Klägers. Es komme nicht zu Bewusstseinsverlusten, zu ernsthaften Verletzungen sei es im Zusammenhang mit den Stürzen noch nicht gekommen. Arztkontakte wegen Folgen der angegebenen Stürze habe es nicht gegeben.

Der Bluthochdruck werde medikamentös gut therapeutisch behandelt. Eine wesentliche Einschränkung der Herzleistung sei auszuschließen.

Hinsichtlich der Kopfschmerzen erfolge keine regelmäßige Behandlung mit Schmerzmitteln. Der Kläger habe deswegen auch nicht wesentlich beeinträchtigt oder schmerzgeplagt gewirkt.

Hinsichtlich der Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des Bewegungsapparates, hauptsächlich im rechten Schultergelenk, weniger ausgeprägt auch im Lendenabschnitt der Wirbelsäule, habe zwar die Elevation des rechten Armes endgradig nur mit Schmerzen erfolgen können, ebenso werde der Nackengriff rechts nur beschwerlich und unter Schmerzäußerung auch nicht komplett ausgeführt. Die Armbeugung im Ellenbogengelenk gegen Widerstand sei mit Schmerzen im rechten Schultergelenk verbunden. Insofern erfolge jedoch lediglich eine Beschränkung auf körperlich leichte Tätigkeiten. Die Wirbelsäulenveränderungen führten immer wieder zu mehr oder minder ausgeprägten Schmerzzuständen, hielten sich jedoch nach eigener Einschätzung des Klägers „in Grenzen“, er stehe deswegen auch nicht in ärztlicher Behandlung.

Hinsichtlich der Schuppenflechte sei ein ausgedehnter Befall festzustellen. Allerdings erfolge insofern seit 2009 keine hautärztliche Behandlung mehr, eine äußerliche Behandlung der Haut nur sporadisch. Dies führe jedoch nicht zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens, sondern lediglich zu den o.g. qualitativen Einschränkungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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