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Erwerbsminderungsrente – Voraussetzungen

SG Köln – Az.: S 37 R 273/17 – Urteil vom 30.10.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der im Jahre 1971 geborene Kläger ist gelernter Gummi- und Kunststoffauskleider. Im Zeitraum von 1995-2009 arbeitete er als Gießharzfacharbeiter. Seitdem ist er arbeitslos; derzeit bezieht der Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Buch. Am 31.03.2016 stellte der Kläger aufgrund vorgetragener Knie- und Lendenwirbelsäulenprobleme, Adipositas und einer Hypertonie (Myokardinfarkt 2011) bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. U vom ärztlichen Dienst der Beklagten hielt den Kläger in ihrer ärztlichen Stellungnahme vom 23.05.2016 für in der Lage, 6 Stunden und mehr leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten.

Mit Bescheid vom 25.05.2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, wogegen dieser unter dem 07.06.2016 Widerspruch einlegte. Der Kläger führte zur Begründung aus, dass die Beklagte seine psychische Situation nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die Beklagte holte daraufhin Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S sowie des Facharztes für Orthopädie Dr. L ein. Dr. S stellte in seinem Gutachten vom 9.08.2016 beim Kläger folgende Erkrankungen fest: Dysthymie mit chronisch depressiver Verstimmung leicht- bis mittelgradigen Ausmaßes, Arthrose, Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung mit abgel. Herzinfarkt sowie wiederkehrende Drehschwindelepisoden. Der Kläger sei noch in der Lage, körperlich überwiegend leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Die Tätigkeiten müssten geistig einfacher Natur sein ohne emotional belastenden Publikumsverkehr. Dr. L diagnostizierte beim Kläger eine Gonarthrose rechts mehr ausgeprägt als links, chronische Lendenwirbel- und Hüftgelenkschmerzen sowie eine Adipositas. Aus orthopädischer Sicht könne der Kläger arbeitstäglich über 6 Stunden überwiegend sitzend arbeiten. Seine Wegefähigkeit könne ebenfalls angenommen werden. Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2017 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 02.03.2017 Klage erhoben.

Zur Begründung führt er aus, dass die Beklagte bzw. die beauftragten Gutachter seine bei ihm am 31.05.2017 durchgeführte Herzoperation nicht hinreichend berücksichtigt hätten. Er habe im Juli 2017 einen erneuten Herzstillstand erlitten, woraufhin ihm 3 Stands eingesetzt worden seien. Er sei aufgrund seiner Herzschwäche schon nicht mehr in der Lage, einfache Tätigkeiten mehr als 3 Stunden arbeitstäglich zu verrichten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2017 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsminderung ab März 2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die eingeholten medizinischen Gutachten, die die für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vorausgesetzten Leistungseinschränkungen beim Kläger nicht bestätigen würden.

Die Kammer hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Der Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Dr. H hat in seinem unter dem 27.07.2017 erstellten Befundbericht festgestellt, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten von arbeitstäglich über 6 Stunden verrichten könne. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. C1, hält den Kläger auf nervenärztlichen Gebiet noch für erwerbsfähig. Der praktische Arzt Dr. T hat ins seinem Befundbericht vom 12.07.2017 keine Aussage zur Leistungsfähigkeit des Klägers getroffen. Der Kläger hat vom 28.08. bis 18.9.2017 eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme aufgrund seiner internistischen Erkrankungen absolviert. Nach dem vorgelegten Entlassungsbericht ist er in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mehr als 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Anschließend hat der Kläger Ende Januar 2018 eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme begonnen, die er aufgrund eines Unfalls und der damit einhergehenden orthopädischen Beeinträchtigungen vorzeitig abbrechen musste.

Die Kammer hat ein Gutachten auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet von Dr. Dr. C2 sowie ein Gutachten vom Facharzt für Innere Medizin, Psychotherapie und Rheumatologie Dr. L2 eingeholt. Der Sachverständige Dr. Dr. C2 hat in seinem Gutachten vom 01.08.2018 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: Anpassungsstörung mit Störung der Gefühle und der sozialen Integration, chronische Schmerzstörung bei orthopädischen Gesundheitsstörungen, Angst und depressive Störung gemischt nach Herzinfarkt, nicht organische Schlafstörung sowie Schwindel und Taumel ohne organneurologische Zuordnung. Der Kläger könne, so der Gutachter, noch leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen ohne Zwangshaltungen und ohne ständig hohe Anforderungen an die Umstellungsfähigkeit und die Stressbelastung sowie Publikumsverkehr vollschichtig verrichten. Die Arbeiten sollten geistig einfach bzw. gelegentlich mittelschwer sein. Der Sachverständige Dr. L2 hat in seinem unter dem 03.08.2018 angefertigten Gutachten folgende Erkrankungen festgestellt: Koronare Herzerkrankung mit Infarktgeschehen, kein Zeichen einer manifesten Herzleistungsminderung, fortgeschrittene Verschleißerkrankungen im Bereich der Kniegelenke sowie degenerative Wirbelsäulenveränderungen an Brust- und Lendenwirbelsäule. Auch dieser Gutachter hat den Kläger für der Lage gehalten, leichte Tätigkeiten primär im Sitzen und gelegentlich im Gehen bzw. Stehen ohne Zwangshaltungen vollschichtig auszuüben. Der Kläger sei auch wegefähig. Auf den Einwand des Klägers, dass der Sachverständige seine Herzerkrankung nicht ausreichend gewürdigt habe, hat der Sachverständige Dr. L in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.08.2018 dargelegt, dass eine kardiale Leistungsminderung nicht feststellbar sei.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte sowie die darin enthalten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Der Kläger ist durch den angegriffenen Bescheid nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI zu. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI kommt von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

I. Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Zur Überzeugung der Kammer steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Kläger unter folgenden Erkrankungen leidet: Anpassungsstörung mit Störung der Gefühle und der sozialen Integration, chronische Schmerzstörung bei orthopädischen Gesundheitsstörungen, Angst und depressive Störung gemischt nach Herzinfarkt, nicht organische Schlafstörung, Schwindel und Taumel ohne organneurologische Zuordnung, koronare Herzerkrankung mit Infarktgeschehen ohne Zeichen einer manifesten Herz-Leistungsminderungen, fortgeschrittene Verschleißerkrankungen im Bereich der Kniegelenke sowie degenerative Wirbelsäulenveränderungen an Brust- und Lendenwirbelsäule. Die Sachverständigen haben nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen noch in der Lage ist, körperlich leichte Tätigkeiten primär im Sitzen, gelegentlich im Gehen/ Stehen vollschichtig zu verrichten. Die Arbeiten dürfen nicht in Zwangshaltung und ohne ständig hohe Anforderungen an die Umstellungsfähigkeit und die Stressbelastung ausgeübt werden. Darüber hinaus muss es sich um geistig einfache bzw. gelegentlich mittelschwere Arbeiten handeln. Die Kammer geht damit davon aus, dass die beim Kläger festgestellten Erkrankungen die aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen zur Folge haben, eine quantitative Leistungseinbuße aber nicht vorliegt. Die Sachverständigen haben sämtliche beim Kläger festgestellten Erkrankungen auf psychiatrischem, internistisch/kardiologischem sowie orthopädischem Gebiet berücksichtigt und in ihre Leistungsbeurteilungen schlüssig einfließen lassen. Entgegen den vom Kläger vorgebrachten Einwendungen hat der Sachverständige Dr. L2 auch seine Herzerkrankung zutreffend festgestellt und bei seiner Leistungsbeurteilung hinreichend berücksichtigt. So hat er die kardiologischen Befunde gesichtet und zur Kenntnis genommen und darüber hinaus selbst auch eine Lungenfunktionsmessung und ein EKG beim Kläger durchgeführt. Die vom Kläger nur pauschal vorgetragene Kritik an den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L2 und dessen Kenntnisse und Schlussfolgerungen auf kardiologischem Gebiet vermögen die Kammer nicht auch nur ansatzweise zu überzeugen. So ist der Sachverständige als Internist durchaus in der Lage, Herzerkrankungen festzustellen und daraus notwendige Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit der zu beobachtenden Person zu ziehen. Der Sachverständige hat beim Kläger eine koronare Herzerkrankung mit Infarktgeschehen diagnostiziert, eine manifeste Herzleistungsminderung aber nicht feststellen können. Eine solche Leistungsminderung haben auch die durchgeführten Untersuchungen nicht begründen können. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach dem Sachverständigengutachten nur körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen sowie geistig einfache bzw. gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne stressbelastende Faktoren bzw. Publikumsverkehr zugemutet werden können, so dass eine besondere Belastung des Herz/Kreislaufsystems bereits aufgrund der qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeschlossen wird. Es ergeben sich zur Überzeugung der Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund seiner koronaren Herzerkrankung nicht einmal leichte Tätigkeiten im Umfang von 6 Stunden und länger arbeitstäglich verrichten kann. Auch die Tagesablaufschilderung des Klägers selbst spricht nicht für eine weiter ausgeprägte Leistungsminderung. Schließlich hat auch der behandelnde Kardiologe Dr. H ein Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden arbeitstäglich bescheinigt. Auch auf psychiatrischem Gebiet hat der Sachverständige Dr. Dr. C2 die Erkrankungen des Klägers überzeugend in seiner Leistungsbeurteilungen gewürdigt und berücksichtigt. Er hat die Leistungsbeurteilung des von der Beklagten beauftragten Gutachters Dr. S bestätigt, welche im Ergebnis auch nicht von der Einschätzung des den Kläger behandelnden Nervenarztes Dr. C1 abweicht.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

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