Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Gerichtsurteil: Neue Hoffnung für MS-Patienten durch innovative Therapietechnologien
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Kostenübernahme eines neuen Hilfsmittels durch die Krankenkasse erfüllt sein?
- Was sind die Unterschiede zwischen therapeutischen Hilfsmitteln und Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich?
- Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn die Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Hilfsmittel ablehnt?
- Wie kann die medizinische Notwendigkeit eines Hilfsmittels rechtssicher nachgewiesen werden?
- Welche Rolle spielt der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Zulassung neuer Hilfsmittel?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Sozialgericht Köln
- Datum: 16.08.2024
- Aktenzeichen: S 24 KR 1058/23
- Verfahrensart: Sozialrechtliches Streitverfahren
- Rechtsbereiche: Sozialversicherungsrecht, Krankenversicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Die Versicherte, die an Multipler Sklerose leidet, argumentiert, dass der „Exopulse Mollii Suit“ ein notwendiges Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich ist und ihre Lebensqualität durch die Nutzung deutlich verbessert wurde.
- Beklagte: Die gesetzliche Krankenkasse, die die Kostenübernahme des „Exopulse Mollii Suits“ ablehnt, da das Hilfsmittel in Verbindung mit einer nicht anerkannten neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode steht.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin beantragte die Erstattung der Kosten für einen „Exopulse Mollii Suit“, ein Hilfsmittel, das ihre Spastische Tetraparese bei Multipler Sklerose lindern soll. Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab, da der therapeutische Nutzen nicht ausreichend nachgewiesen sei.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage ist, ob die Kosten für den „Exopulse Mollii Suit“ von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden müssen, obwohl er in Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode steht, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) noch nicht anerkannt wurde.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten durch die Krankenkasse.
- Begründung: Der „Exopulse Mollii Suit“ ist eng mit einer neuen und nicht anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethode verbunden und dient primär dem therapeutischen Nutzen, nicht dem Behinderungsausgleich. Eine positive Empfehlung des G-BA fehlt, weshalb keine Erstattungspflicht besteht.
- Folgen: Die Klägerin muss die Kosten für das Hilfsmittel selbst tragen, da die gesetzliche Krankenversicherung nicht zur Erstattung verpflichtet ist. Das Urteil bestätigt die Notwendigkeit einer G-BA-Anerkennung für neue Behandlungsmethoden.
Gerichtsurteil: Neue Hoffnung für MS-Patienten durch innovative Therapietechnologien
Multiple Sklerose (MS) stellt Betroffene vor große gesundheitliche Herausforderungen. Die Krankheit beeinträchtigt die Lebensqualität und Mobilität der Patienten erheblich, weshalb innovative Therapielösungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Adaptive Technologien wie der Exopulse Mollii Suit versprechen neue Wege in der neurologischen Rehabilitation.
Der Therapieanzug basiert auf dem Prinzip der elektrischen Muskelstimulation und zielt darauf ab, Schmerzen zu lindern, die Beweglichkeit zu verbessern und Betroffenen mehr Selbstständigkeit zu ermöglichen. Solche unterstützenden Technologien können MS-Patienten helfen, ihre körperlichen Einschränkungen zu kompensieren und ihre Lebensqualität zu steigern. Ein aktuelles Gerichtsurteil wirft nun ein interessantes Licht auf die Anschaffung und Kostenerstattung solcher innovativen Hilfsmittel.
Der Fall vor Gericht
Krankenkasse muss Multiple-Sklerose-Patientin Mollii Suit nicht bezahlen

Die gesetzliche Krankenkasse ist nicht verpflichtet, einer an Multipler Sklerose erkrankten Patientin die Kosten für einen „Exopulse Mollii Suit“ in Höhe von 8.575,10 EUR zu erstatten. Dies entschied das Sozialgericht Köln in einem aktuellen Urteil.
Therapieanzug sollte Spastiken und Schmerzen lindern
Die Patientin hatte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für den speziellen Therapieanzug beantragt. Nach ärztlicher Verordnung sollte das Hilfsmittel zur Behandlung einer spastischen Tetraparese eingesetzt werden. Bei einer Testversorgung hatte die Patientin deutliche Verbesserungen festgestellt: Sie war erstmals seit längerer Zeit schmerzfrei in alltäglichen Bewegungen, spürte mehr Kraft in Armen und Beinen und konnte eine erhebliche Minderung der Spastik feststellen. Dies führte zu einem verbesserten Gangbild sowie besserer Gang- und Standsicherheit.
Medizinischer Dienst sah fehlende Zulassung als Hindernis
Der Medizinische Dienst stufte den Mollii Suit als Neuartiges Hilfsmittel ein, das in untrennbarem Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode stehe. Da diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) noch nicht bewertet wurde, könne keine Empfehlung für eine Kostenübernahme ausgesprochen werden – trotz der nicht angezweifelten positiven Wirkungen bei der Patientin.
Gericht: Therapeutische Wirkung steht im Vordergrund
Das Sozialgericht Köln wies die Klage der Patientin ab. Nach Auffassung des Gerichts steht bei dem Mollii Suit nicht der Behinderungsausgleich, sondern die Therapeutische Wirkung im Vordergrund. Der Anzug werde nicht zur Ausübung gezielter Bewegungen getragen, sondern solle durch einstündiges Tragen alle zwei Tage einen nachhaltigen Effekt erzielen. Er ersetze damit keine ausgefallenen Körperfunktionen in konkreten Alltagssituationen, sondern ziele auf die Behandlung der Krankheitssymptome ab.
Fehlende G-BA-Empfehlung verhindert Kostenübernahme
Für solche therapeutischen Hilfsmittel ist eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderlich. Der G-BA teilte dem Gericht mit, dass bislang weder eine Empfehlung für die Behandlung mit dem Mollii Suit abgegeben wurde, noch ein Methodenbewertungsverfahren durchgeführt wird. Ohne diese Zulassung besteht keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch die Ausnahmeregelung für lebensbedrohliche Erkrankungen greift nach Ansicht des Gerichts nicht, da keine notstandsähnliche Situation vorliege, die sofortiges Handeln erfordere.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass ein Hilfsmittel wie der „Exopulse Mollii Suit“ trotz nachweislich positiver Wirkung nicht von der Krankenkasse übernommen werden muss, wenn es als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode eingestuft wird und noch keine Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorliegt. Die Entscheidung zeigt die klare Unterscheidung zwischen Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich und solchen, die der Krankenbehandlung dienen, wobei letztere strengeren Zulassungskriterien unterliegen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie an Multipler Sklerose leiden und die Anschaffung eines „Exopulse Mollii Suit“ erwägen, müssen Sie derzeit damit rechnen, die Kosten von rund 8.500 EUR selbst tragen zu müssen. Auch wenn Sie positive Effekte durch eine Testanwendung erfahren haben, wird die Krankenkasse die Kosten voraussichtlich nicht übernehmen, solange keine positive Bewertung durch den G-BA vorliegt. Es empfiehlt sich, vor der Anschaffung zu prüfen, ob alternative, bereits von den Krankenkassen anerkannte Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Bei geplanter Eigenanschaffung sollten Sie die erheblichen Kosten in Ihre finanzielle Planung einbeziehen.
Benötigen Sie Hilfe?
Krankenkasse verweigert die Kostenübernahme für notwendige Therapie?
Das Urteil im Fall des „Mollii Suit“ zeigt, wie schwierig es sein kann, die Kostenübernahme für innovative Behandlungsmethoden bei Multipler Sklerose durchzusetzen. Wir kennen die Hürden im Umgang mit Krankenkassen und setzen uns für Ihre Rechte ein. Gerade bei neuartigen Hilfsmitteln ist eine fundierte Rechtsberatung unerlässlich, um Ihre Ansprüche bestmöglich geltend zu machen.
Sprechen Sie mit uns. Wir prüfen Ihren individuellen Fall und beraten Sie zu den Erfolgsaussichten, damit Sie die bestmögliche Behandlung erhalten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Kostenübernahme eines neuen Hilfsmittels durch die Krankenkasse erfüllt sein?
Grundlegende Voraussetzungen
Ein Hilfsmittel muss im Einzelfall medizinisch notwendig sein und mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen:
- Den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern
- Einer drohenden Behinderung vorbeugen
- Eine bestehende Behinderung ausgleichen
Nachweis der Wirksamkeit
Bei neuen Hilfsmitteln, die als Bestandteil einer neuen Behandlungsmethode eingesetzt werden, muss zunächst eine positive Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorliegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Hilfsmittel primär therapeutische Zwecke verfolgt und nicht nur dem reinen Behinderungsausgleich dient.
Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis
Für die reguläre Kostenübernahme sollte das Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes gelistet sein. Allerdings ist dieses Verzeichnis nicht abschließend – auch nicht gelistete Hilfsmittel können in begründeten Einzelfällen von der Krankenkasse übernommen werden.
Antragstellung und Genehmigung
Die praktische Umsetzung erfordert folgende Schritte:
1. Ärztliche Verordnung: Sie benötigen ein Rezept von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
2. Kostenvoranschlag: Ein Kostenvoranschlag des Hilfsmittelanbieters muss vorgelegt werden.
3. Schriftlicher Antrag: Die Übernahme der Kosten muss bei der Krankenkasse schriftlich beantragt werden.
4. Genehmigung: Die Krankenkasse prüft den Antrag und erteilt bei positiver Entscheidung eine Kostenübernahme.
Wirtschaftlichkeitsgebot
Das beantragte Hilfsmittel muss dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen. Dies bedeutet, die Versorgung muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Wenn mehrere gleichwertige Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, hat die Krankenkasse nur die Kosten für die wirtschaftlichste Alternative zu übernehmen.
Was sind die Unterschiede zwischen therapeutischen Hilfsmitteln und Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich?
Therapeutische Hilfsmittel
Therapeutische Hilfsmittel dienen primär der Krankenbehandlung und werden eingesetzt, um den Erfolg einer medizinischen Therapie zu sichern. Ein typisches Beispiel sind Inhalationsgeräte oder Insulin-Pens, die unmittelbar der Behandlung einer Erkrankung dienen. Bei therapeutischen Hilfsmitteln steht der medizinische Behandlungserfolg im Vordergrund.
Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich
Bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich unterscheidet man zwei Kategorien:
Unmittelbarer Behinderungsausgleich: Diese Hilfsmittel ersetzen direkt die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion. Wenn Sie beispielsweise eine Hörbeeinträchtigung haben, dient ein Hörgerät dem unmittelbaren Ausgleich dieser Funktionseinschränkung. Bei dieser Art von Hilfsmitteln besteht ein Anspruch auf den aktuellen Stand der Technik.
Mittelbarer Behinderungsausgleich: Diese Hilfsmittel gleichen die Folgen einer Behinderung im täglichen Leben aus. Ein Rollstuhl beispielsweise ersetzt nicht die Gehfähigkeit direkt, ermöglicht aber die Mobilität im Alltag. Hier besteht nur Anspruch auf einen Basisausgleich.
Rechtliche Bewertung
Die Unterscheidung ist für die Kostenübernahme entscheidend. Bei therapeutischen Hilfsmitteln muss ein therapeutischer Nutzen nachgewiesen werden. Bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich haben Sie dagegen Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits.
Im Fall des Exopulse Mollii Suits bei Multipler Sklerose ist die Einordnung besonders relevant: Dient er therapeutischen Zwecken, muss seine medizinische Wirksamkeit nachgewiesen werden. Wird er als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich eingestuft, kommt es darauf an, ob er unmittelbar die Körperfunktion ersetzt oder nur mittelbar die Folgen der Behinderung ausgleicht.
Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn die Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Hilfsmittel ablehnt?
Widerspruchsverfahren als erster Schritt
Wenn Sie einen ablehnenden Bescheid von Ihrer Krankenkasse erhalten, können Sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und innerhalb der Frist bei der Krankenkasse eingehen. Die Frist beginnt mit dem Tag des Erhalts des Ablehnungsbescheids.
Ein formloser Widerspruch ist zunächst ausreichend. Sie können die ausführliche Begründung später nachreichen. Senden Sie den Widerspruch am besten per Einschreiben oder geben Sie ihn persönlich in der Geschäftsstelle ab – lassen Sie sich den Empfang dort bestätigen.
Bearbeitung des Widerspruchs
Die Krankenkasse hat drei Monate Zeit, über Ihren Widerspruch zu entscheiden. Der Widerspruch wird zunächst von der ursprünglich entscheidenden Stelle geprüft. Bleibt diese bei ihrer Ablehnung, geht der Fall automatisch an den unabhängigen Widerspruchsausschuss der Krankenkasse.
Während der Bearbeitungszeit versuchen Krankenkassen manchmal, Sie zur Rücknahme des Widerspruchs zu bewegen. Lassen Sie sich davon nicht beeinflussen.
Klageweg als zweite Stufe
Wird der Widerspruch abgelehnt, können Sie innerhalb eines Monats nach Erhalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht erheben. Die Klagefrist beginnt mit Zustellung des Widerspruchsbescheids.
Wenn die Krankenkasse nach drei Monaten noch nicht über den Widerspruch entschieden hat, können Sie eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht einreichen. Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist für Sie grundsätzlich kostenfrei.
Besondere Situation bei neuen Hilfsmitteln
Bei neuartigen Hilfsmitteln wie dem Exopulse Mollii Suit prüft die Krankenkasse besonders intensiv. Fehlt eine Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), lehnen Krankenkassen die Kostenübernahme häufig ab. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, im Widerspruchsverfahren detailliert zu begründen, warum das Hilfsmittel im konkreten Fall medizinisch notwendig ist.
Wie kann die medizinische Notwendigkeit eines Hilfsmittels rechtssicher nachgewiesen werden?
Grundvoraussetzungen für den Nachweis
Die medizinische Notwendigkeit eines Hilfsmittels muss durch objektive medizinische Befunde und Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Behandlung nachgewiesen werden. Bei der Versorgung mit einem Hilfsmittel wie dem Exopulse Mollii Suit müssen Sie nachweisen, dass es im Einzelfall erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen.
Erforderliche Dokumentation
Eine ärztliche Verordnung ist der erste wichtige Baustein. Diese muss folgende Elemente enthalten:
- Eine präzise Diagnose
- Die eindeutige Bezeichnung des Hilfsmittels
- Eine detaillierte Begründung der medizinischen Notwendigkeit
- Die Hilfsmittelnummer aus dem Hilfsmittelverzeichnis, falls vorhanden
- Angaben zur Anzahl und Nutzungsdauer
Besonderheiten bei neuartigen Hilfsmitteln
Bei neuartigen Hilfsmitteln wie dem Exopulse Mollii Suit ist zu beachten, dass der medizinische Nutzen nach dem aktuellen, allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nachgewiesen werden muss. Hierfür sind folgende Nachweise relevant:
- Klinische Studien oder systematische Übersichtsarbeiten
- Dokumentierte Anwendungsbeobachtungen
- Nachweis der Wirksamkeit im häuslichen Umfeld
Praktische Durchführung
Um die medizinische Notwendigkeit zu dokumentieren, sollten Sie:
Ein ausführliches Behandlungsprotokoll führen, das die Auswirkungen der Erkrankung auf Ihre Alltagsaktivitäten beschreibt. Bei Multiple-Sklerose-Patienten sind besonders die Einschränkungen durch Spastiken und deren Auswirkungen auf die Mobilität relevant.
Die Erprobung des Hilfsmittels sollte dokumentiert werden, etwa durch:
- Messbare Verbesserungen der Beweglichkeit
- Dokumentation der Schmerzreduktion
- Videoaufnahmen der verbesserten Mobilität
Der Medizinische Dienst prüft bei der Begutachtung, ob das beantragte Hilfsmittel erforderlich ist und ob es zu Ihrer Lebenssituation und zum Behandlungsziel passt.
Welche Rolle spielt der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Zulassung neuer Hilfsmittel?
Grundlegende Funktion
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) spielt eine zentrale Prüf- und Kontrollfunktion bei der Zulassung neuartiger Hilfsmittel. Seine Hauptaufgabe besteht darin zu bewerten, ob ein neues Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode ist.
Prüfungsverfahren
Wenn Sie als Hersteller ein neuartiges Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis aufnehmen lassen möchten, prüft zunächst der GKV-Spitzenverband, ob eine Klärung durch den G-BA erforderlich ist. Der G-BA muss dann innerhalb von sechs Monaten eine Entscheidung treffen.
Zwei zentrale Prüfaspekte stehen dabei im Fokus:
- Die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode
- Die Bewertung der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu bereits bestehenden Methoden
Bedeutung für die Versorgung
Wenn der G-BA feststellt, dass ein Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen Behandlungsmethode ist, wird es nur dann von den Krankenkassen übernommen, wenn der G-BA die Methode positiv bewertet hat. Dies gilt insbesondere für Hilfsmittel, die der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung dienen.
Ausnahmeregelungen
In besonderen Fällen, etwa bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung, können Ausnahmen von diesem Verfahren gemacht werden. Voraussetzung ist, dass keine anerkannte Standardtherapie zur Verfügung steht und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Spastische Tetraparese
Eine schwere Form der Bewegungsstörung, bei der eine krankhaft erhöhte Muskelspannung (Spastik) alle vier Gliedmaßen betrifft. Die Muskeln sind dabei dauerhaft angespannt und verhärtet, was Bewegungen stark einschränkt und Schmerzen verursachen kann. Die Erkrankung basiert meist auf einer Schädigung des zentralen Nervensystems, wie sie bei Multipler Sklerose auftreten kann. Geregelt ist die Behandlung in den Heilmittel-Richtlinien des G-BA. Beispiel: Betroffene haben Schwierigkeiten beim Gehen, da ihre Beinmuskulatur verkrampft ist und sich die Arme nur eingeschränkt bewegen lassen.
Neuartiges Hilfsmittel
Ein medizinisches Produkt oder Gerät, das innovative Technologien oder Behandlungsmethoden nutzt und noch nicht im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung gelistet ist. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 33 SGB V. Solche Hilfsmittel müssen vor einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bewertet und zugelassen werden. Ein klassisches Beispiel ist die Einführung von robotergestützten Exoskeletten für Rehabilitationszwecke.
Therapeutische Wirkung
Der heilende oder lindernde Effekt einer medizinischen Behandlung oder eines Hilfsmittels auf Krankheitssymptome. Im Krankenversicherungsrecht (§ 27 SGB V) unterscheidet man zwischen therapeutischer Wirkung und reinem Behinderungsausgleich. Bei therapeutischer Wirkung muss die Behandlungsmethode vom G-BA anerkannt sein. Beispiel: Ein Medikament, das Schmerzen nicht nur überdeckt, sondern die zugrundeliegende Erkrankung behandelt.
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
Die gesetzlich festgelegte Verpflichtung der Krankenkassen, bestimmte medizinische Leistungen für ihre Versicherten zu übernehmen. Grundlage ist das SGB V, insbesondere §§ 11-12. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Eine Kostenübernahme ist nur möglich, wenn die Behandlungsmethode vom G-BA anerkannt ist oder spezielle Ausnahmen vorliegen. Beispiel: Die Kostenübernahme für eine neue Krebstherapie erst nach positiver G-BA-Bewertung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 33 SGB V: Dieser Paragraph regelt die Versorgung der Versicherten mit notwendigen Hilfsmitteln, die dazu bestimmt sind, Behinderungen auszugleichen, zu mindern oder Fehlbildungen auszugleichen. Hilfsmittel müssen ärztlich verordnet und wirtschaftlich sein, um die Krankheitsbehandlung zu unterstützen und das Ausmaß der Behinderung zu verringern. Sie umfassen eine breite Palette von Produkten, von einfachen Gehhilfen bis hin zu komplexen medizinischen Geräten.
Im vorliegenden Fall beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für den „Exopulse Mollii Suit“ als Hilfsmittel zur Unterstützung ihrer Multiplen Sklerose. Die Beklagte lehnte die Versorgung jedoch ab, da der therapeutische Nutzen des Geräts nach § 139 SGB V nicht ausreichend nachgewiesen sei.
- § 139 SGB V: Dieser Paragraph beschäftigt sich mit der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Bevor solche Methoden von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden können, muss ihre Wirksamkeit und ihr therapeutischer Nutzen nach wissenschaftlichen Standards überprüft und bestätigt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) spielt hierbei eine zentrale Rolle bei der Bewertung und Zulassung.
Die Beklagte berief sich auf § 139 SGB V, um die Kostenübernahme des „Exopulse Mollii Suit“ abzulehnen, da eine positive Bewertung durch den G-BA noch aussteht und somit der therapeutische Nutzen nicht hinreichend belegt sei.
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Der G-BA ist das höchste Entscheidungsgremium im deutschen Gesundheitssystem und bestimmt maßgeblich, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Er bewertet neue medizinische Verfahren, Medikamente und Hilfsmittel auf ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit hin.
Im Fall des „Exopulse Mollii Suit“ wurde die Ablehnung der Kostenübernahme mit der fehlenden positiven Bewertung durch den G-BA begründet. Ohne eine solche Bewertung kann die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für das Hilfsmittel nicht übernehmen.
- Ärztliche Verordnung gemäß § 33 SGB V: Für die Kostenübernahme von Hilfsmitteln ist eine ärztliche Verordnung erforderlich, die den medizinischen Bedarf und die Notwendigkeit des Hilfsmittels für die Behandlung dokumentiert. Die Verordnung muss die Pflichtangaben enthalten und den individuellen Bedarf des Patienten nachvollziehbar machen.
Die Klägerin legte eine ärztliche Verordnung ihrer Neurologin vor, die den Bedarf an dem „Exopulse Mollii Suit“ zur Behandlung ihrer spastischen Tetraparese bei Multipler Sklerose bestätigte. Trotz der Verordnung erkannte die Beklagte den therapeutischen Nutzen nicht ausreichend an und lehnte die Kostenübernahme ab.
- Widerspruchsverfahren gemäß SGB V: Nach Ablehnung eines Leistungsanspruchs durch die Krankenkasse kann der Versicherte innerhalb einer bestimmten Frist Widerspruch einlegen. Im Rahmen dieses Verfahrens überprüft die Krankenkasse ihre Entscheidung noch einmal unter Berücksichtigung aller vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen.
Die Klägerin legte gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch ein und führte zusätzliche Nachweise über die positiven Auswirkungen des „Exopulse Mollii Suit“ vor. Trotz dieser zusätzlichen Informationen blieb die Beklagte bei ihrer ursprünglichen Entscheidung und wies den Widerspruch zurück.
Das vorliegende Urteil
SG Köln – Az.: S 24 KR 1058/23 – Urteil vom 16.08.2024
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