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Fortbestehen Arbeitsunfähigkeit – Anspruch auf Weiterzahlung von Krankengeld

Krankengeld-Anspruch nach Arbeitslosigkeit: Gericht prüft Arbeitsfähigkeit

Krankengeld ist eine wichtige Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, die Arbeitnehmern finanziell unter die Arme greift, wenn sie aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig sind. Es sichert einen Teil des entgangenen Einkommens und ermöglicht es, sich auf die Genesung zu konzentrieren. Die Höhe und Dauer der Zahlung richten sich nach verschiedenen Faktoren wie der Dauer der Krankenversicherung und dem Arbeitsverhältnis.

Ein zentraler Aspekt ist die Frage, wann jemand als arbeitsunfähig gilt und somit Anspruch auf Krankengeld hat. Die Beurteilung erfolgt anhand medizinischer Gutachten, die die Fähigkeit zur Ausübung der bisherigen Tätigkeit bewerten. Je nach Einzelfall kann auch die Zumutbarkeit einer anderen Beschäftigung relevant sein. Insbesondere bei Arbeitslosen stellt sich die Frage, welche Tätigkeiten noch zumutbar sind.

Im Folgenden wird ein konkreter Fall behandelt, der diese Thematik beleuchtet und Klarheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen schafft.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: L 1 KR 53/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Ablehnung der Berufung: Das Landessozialgericht Hamburg bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und wies die Berufung des Klägers zurück.
  2. Keine Erstattung außergerichtlicher Kosten: Im Berufungsverfahren wurden die außergerichtlichen Kosten nicht erstattet.
  3. Keine Revision zugelassen: Das Gericht ließ keine Revision zu, wodurch die Entscheidung rechtskräftig ist.
  4. Kern des Streits: Der Streitfall betrifft die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und den damit verbundenen Anspruch auf Weiterzahlung von Krankengeld.
  5. Medizinische Einschätzung: Verschiedene medizinische Berichte und Gutachten spielten eine zentrale Rolle, insbesondere zur Frage, ob der Kläger in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auszuführen.
  6. Sozialrechtliche Beurteilung: Es wurde festgestellt, dass der Kläger als arbeitslos gemeldet und dementsprechend nur leichte Tätigkeiten ausführen muss, für die er sich der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat.
  7. Einschätzung des Gerichts: Das Gericht folgte der Einschätzung, dass der Kläger leichte Tätigkeiten ausführen kann und daher kein Anspruch auf Krankengeld ab dem genannten Datum besteht.
  8. Berücksichtigung der beruflichen Vorgeschichte: Die letzte berufliche Tätigkeit des Klägers und seine Meldung beim Arbeitsamt waren entscheidend für die Beurteilung seiner Arbeitsfähigkeit.
  9. Entscheidung bezüglich Krankengeld: Der Kläger hat ab dem 5. Januar 2018 keinen Anspruch auf Weiterzahlung von Krankengeld, basierend auf den medizinischen und rechtlichen Einschätzungen.

➜ Der Fall im Detail


Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit und Ansprüche auf Krankengeld

Der Fall dreht sich um einen ehemals selbstständigen Berater im Vertrieb von Photovoltaik-Anlagen, der ab Dezember 2016 seine Tätigkeit aufgrund von Gesundheitsproblemen einschränkte und schließlich Arbeitslosengeld bezog.

Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit
(Symbolfoto: Antonio Guillem /Shutterstock.com)

Nachdem seine Arbeitsunfähigkeit durch eine Glaskörperblutung im Mai 2017 attestiert wurde, zahlte die Krankenkasse ihm zunächst Krankengeld. Der Fall eskalierte, als nach ärztlichen Einschätzungen und sozialmedizinischen Begutachtungen Zweifel an der weiterhin bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufkamen, insbesondere nachdem eine geplante Urlaubsreise und die berichtete medizinische Verbesserung seine Arbeitsfähigkeit in Frage stellten. Die zentrale rechtliche Herausforderung bestand darin, die Arbeitsfähigkeit des Klägers zu bewerten und die Rechtmäßigkeit der Einstellung des Krankengelds durch die Krankenkasse zu überprüfen.

Urteilsbegründung des Landessozialgerichts Hamburg

Das Landessozialgericht Hamburg bestätigte in seinem Urteil die Entscheidung der Krankenkasse, die Zahlungen einzustellen. Die Gerichtsentscheidung stützte sich auf umfassende medizinische Bewertungen und sozialrechtliche Bestimmungen. Es wurde festgestellt, dass der Kläger in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auszuführen und somit nicht als arbeitsunfähig im Sinne des Gesetzes gelte. Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst und die Beurteilung durch behandelnde Ärzte ergaben, dass eine leichte Tätigkeit ohne spezielle Anforderungen an das Sehvermögen des Klägers möglich wäre. Diese Einschätzung war ausschlaggebend für die Gerichtsentscheidung.

Rechtliche Erwägungen und sozialmedizinische Bewertung

Die rechtliche Diskussion im Verfahren konzentrierte sich auf die Definition und die Anforderungen an die Arbeitsunfähigkeit. Laut Sozialgesetzbuch V ist ein Versicherter arbeitsunfähig, wenn er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausführen kann. Hierbei ist entscheidend, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit kein Beschäftigungsverhältnis mehr hatte und seine Versicherung aus der Arbeitslosenversicherung folgte. Das Gericht wies darauf hin, dass die Versicherung die Arbeitsunfähigkeit im Kontext der verfügbaren Arbeitsmarktchancen und nicht der bisher ausgeübten Tätigkeit bewerten muss.

Medizinische Gutachten und ihre Rolle im Verfahren

Die medizinischen Gutachten, insbesondere die Einschätzungen des Medizinischen Dienstes, spielten eine entscheidende Rolle für die gerichtliche Entscheidung. Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass der Kläger trotz seiner Sehminderung zumindest leichte Tätigkeiten ausführen könne. Diese Bewertung basierte auf einer detaillierten Analyse der medizinischen Unterlagen und Befundberichte. Es wurde betont, dass der Kläger eine angepasste Tätigkeit ohne erhöhte Anforderungen an das Sehvermögen aufnehmen könne, was die Grundlage für die Entscheidung der Krankenkasse bildete, die Zahlung des Krankengeldes zu beenden.

Urteil und dessen direkte Folgen

Das endgültige Urteil des Landessozialgerichts Hamburg fiel zugunsten der Krankenkasse aus. Es wurde festgestellt, dass der Kläger nicht länger arbeitsunfähig im Sinne des Gesetzes sei und somit kein Anspruch auf Weiterzahlung des Krankengeldes bestehe. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der medizinischen und sozialrechtlichen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit in Fällen, wo Gesundheitszustand und Arbeitsmarktchancen eng miteinander verknüpft sind. Der Fall zeigt, wie komplex die Bewertung von Arbeitsunfähigkeit sein kann und dass jede Entscheidung einer detaillierten Betrachtung medizinischer wie rechtlicher Aspekte bedarf.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter Arbeitsunfähigkeit im Kontext des Krankengeldanspruchs?

Arbeitsunfähigkeit im Kontext des Krankengeldanspruchs bedeutet, dass eine Person aufgrund einer Krankheit oder eines anderen medizinischen Problems nicht in der Lage ist, ihre beruflichen Pflichten auszuüben. In diesem Fall hat die betroffene Person Anspruch auf Krankengeld als finanzielle Unterstützung während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit.

Um Krankengeld zu beziehen, müssen Beschäftigte das Fortbestehen einer Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse lückenlos nachweisen, in der Regel durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) eines Arztes. Während der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit zahlt der Arbeitgeber in der Regel das volle Gehalt weiter (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall). Danach übernimmt die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld, sofern die Arbeitsunfähigkeit andauert.

Die Höhe des Krankengeldes beträgt in der Regel 70 % des Bruttogehalts, jedoch nicht mehr als 90 % des Nettoeinkommens. Die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld ist grundsätzlich unbefristet, jedoch gilt für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben oder einer währenddessen hinzugetretenen Krankheit eine zeitliche Begrenzung (Blockfristen). Diese Fristen werden vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an gerechnet.

Wichtig: Der Anspruch auf Krankengeld besteht nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt bescheinigt wurde und die Krankenkasse über die Arbeitsunfähigkeit informiert wurde.

Bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit kann die Krankenkasse verlangen, dass der Versicherte eine medizinische Untersuchung oder ein Gutachten vorlegt, um den Anspruch auf Krankengeld zu überprüfen. Wenn die Krankenkasse Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hat, kann sie auch eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) veranlassen.

Wenn die Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit länger als 78 Wochen innerhalb von drei Jahren andauert, endet in der Regel der Anspruch auf Krankengeld. In diesem Fall sollten Betroffene sich rechtzeitig beraten lassen, wie es nach dem Ende des Krankengeldes weitergeht, zum Beispiel durch eine Rehabilitationsmaßnahme oder den Bezug von Erwerbsminderungsrente.

Bei Problemen oder Streitigkeiten mit der Krankenkasse im Zusammenhang mit dem Krankengeld sollten Betroffene zunächst das Gespräch mit der Krankenkasse suchen. Wenn das Gespräch nicht zum gewünschten Ergebnis führt, kann ein Widerspruch gegen den Bescheid der Krankenkasse eingelegt werden. In einigen Fällen kann es auch sinnvoll sein, sich an einen Anwalt oder eine Beratungsstelle zu wenden.

Hinweis: Die Regelungen zum Krankengeld können sich je nach Krankenkasse und individuellen Tarifen unterscheiden. Daher sollten sich Versicherte im Zweifelsfall direkt an ihre Krankenkasse wenden, um detaillierte Informationen zu erhalten.

Wie wird die Arbeitsfähigkeit medizinisch und sozialrechtlich bewertet?

Die Bewertung der Arbeitsfähigkeit in medizinischer und sozialrechtlicher Hinsicht ist ein komplexer Prozess, der sowohl die medizinische Diagnose als auch die beruflichen Anforderungen und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Dies ist entscheidend für die Feststellung der Berechtigung zum Bezug von Krankengeld.

Medizinische Bewertung der Arbeitsfähigkeit

Die medizinische Bewertung der Arbeitsfähigkeit erfolgt in der Regel durch den behandelnden Arzt, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt. Diese Bescheinigung ist der Ausgangspunkt für den Anspruch auf Krankengeld. Der Arzt bewertet, ob der Patient aufgrund seiner Erkrankung seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausführen kann. Dabei werden sowohl physische als auch psychische Aspekte berücksichtigt.

In Fällen, in denen die Krankenkasse Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hat oder die Arbeitsunfähigkeit länger andauert, kann der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeschaltet werden. Der MDK führt eine unabhängige Begutachtung durch, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Diese Begutachtung basiert oft auf der Aktenlage, kann aber auch eine körperliche Untersuchung umfassen.

Sozialrechtliche Bewertung der Arbeitsfähigkeit

Sozialrechtlich wird die Arbeitsfähigkeit im Kontext des Sozialgesetzbuches (SGB) bewertet. Nach § 44 SGB V besteht ein Anspruch auf Krankengeld, wenn die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde und dadurch das Erwerbseinkommen wegfällt. Die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen definieren auch, wie lange und in welcher Höhe Krankengeld gezahlt wird. Die Begutachtungsanleitung des GKV-Spitzenverbandes und die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses geben detaillierte Vorgaben zur Bewertung der Arbeitsunfähigkeit.

Rolle von ärztlichen Attesten und medizinischen Gutachten

Ärztliche Atteste und medizinische Gutachten spielen eine zentrale Rolle im Prozess der Leistungsbewilligung. Das ärztliche Attest ist der primäre Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Bei Zweifeln oder lang andauernder Arbeitsunfähigkeit werden jedoch medizinische Gutachten durch den MDK erforderlich, um den Anspruch auf Krankengeld weiterhin zu begründen.

Die Bewertung der Arbeitsfähigkeit ist also ein interdisziplinärer Prozess, der medizinische, berufliche und rechtliche Aspekte integriert, um eine gerechte und angemessene Entscheidung über den Anspruch auf Krankengeld zu treffen.

Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Entscheidung über Krankengeldansprüche?

Medizinische Gutachten spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewertung und Entscheidung über Krankengeldansprüche. Sie dienen als zentrales Instrument, um die Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten objektiv zu beurteilen und sind oft ausschlaggebend für die Entscheidungen der Krankenkassen bezüglich der Fortsetzung oder Einstellung der Krankengeldzahlungen.

Einfluss auf die Entscheidungen der Krankenkassen

Die Krankenkassen sind gesetzlich verpflichtet, bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten oder bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einzuschalten. Der MDK erstellt dann ein Gutachten, das die Arbeitsunfähigkeit bewertet. Diese Gutachten sind in der Regel für die Krankenkassen bindend und bilden die Grundlage für die Entscheidung, ob Krankengeld weitergezahlt wird oder nicht.

Qualität und Kritik der Gutachten

Obwohl die Gutachten des MDK eine hohe Relevanz haben, gibt es auch Kritik an der Qualität und der Vorgehensweise bei der Erstellung dieser Gutachten. Es wird bemängelt, dass einige Gutachten lediglich auf Aktenlage basieren und ohne persönliche Untersuchung des Versicherten erstellt werden. Dies kann besonders bei psychischen Erkrankungen problematisch sein, da solche Zustände oft eine persönliche Begutachtung erfordern, um eine angemessene Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zu gewährleisten.

Rechtliche Auseinandersetzungen

In Fällen, in denen Versicherte mit der Entscheidung ihrer Krankenkasse, basierend auf dem Gutachten des MDK, nicht einverstanden sind, können sie Widerspruch einlegen. Dies führt häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen die Gerichte die Gültigkeit und Angemessenheit der MDK-Gutachten überprüfen. In der Praxis zeigt sich, dass die Gerichte in einigen Fällen die Einschätzungen des MDK nicht unterstützen, was zu einer Fortsetzung der Krankengeldzahlungen führen kann.

Zusammengefasst sind medizinische Gutachten des MDK von zentraler Bedeutung für die Entscheidung über Krankengeldansprüche. Sie beeinflussen maßgeblich, ob und wie lange Krankengeld gezahlt wird. Trotz ihrer Wichtigkeit sind sie jedoch auch Gegenstand von Kritik und rechtlichen Überprüfungen, insbesondere wenn die Gutachten ohne persönliche Untersuchung des Betroffenen erstellt wurden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 44 Abs. 1 SGB V (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch): Regelt die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld, insbesondere die Bedeutung der Arbeitsunfähigkeit. Im Kontext des Falles ist dies zentral, da der Anspruch auf Krankengeld direkt von der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abhängt.
  • § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V: Bestimmt, dass Personen, die Arbeitslosengeld I beziehen, pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Dies ist relevant, da der Kläger zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosengeld bezog und somit unter diese Regelung fiel.
  • Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Arbeitsunfähigkeit: Insbesondere die Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und den damit verbundenen Krankengeldanspruch. Diese Rechtsprechung bildet die Grundlage für die gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Fall.
  • Medizinische Gutachten und deren Einfluss auf die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit: Die Analyse und Bewertung der Arbeitsfähigkeit durch medizinische Gutachter sind entscheidend für den Verlauf des Krankengeldanspruchs, da sie die Grundlage für die Entscheidung der Krankenkasse zur Fortzahlung oder Einstellung des Krankengeldes bilden.
  • Richtlinien zur sozialmedizinischen Begutachtung der Arbeitsfähigkeit: Diese Richtlinien beeinflussen, wie medizinische Gutachten erstellt und interpretiert werden, insbesondere im Hinblick auf die Einschätzung, ob und welche Tätigkeiten der Versicherte noch ausüben kann.
  • Grundsatzentscheidungen zur Auslegung von Arbeitsunfähigkeit und Krankengeldanspruch im Kontext der Arbeitslosenversicherung: Klärt, wie der Anspruch auf Krankengeld zu behandeln ist, wenn der Versicherte während des Bezugs von Arbeitslosengeld I arbeitsunfähig wird und keine unmittelbare Beschäftigung mehr hat.


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 1 KR 53/22 D – Urteil vom 18.03.2024

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit und der daran anknüpfende Anspruch auf Weiterzahlung von Krankengeld.

Der am xxxxx 1967 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger war bis zum 15. Dezember 2016 im Hauptgewerbe als selbstständiger Berater im Vertrieb von Photovoltaik-Anlagen, der Prüfung von Objekten und Planung derartiger Anlagen tätig und bei der Beklagten freiwillig im Tarif KG Klassik 22 gegen Krankheit versichert. Gegenüber dem Gewerbeamt teilte der Kläger am 3. Januar 2017 mit, dass die selbstständige Tätigkeit ab dem 16. Dezember 2016 nur noch als Nebentätigkeit ausgeübt werde. Ab dem 16. Dezember 2016 bezog der Kläger Arbeitslosengeld (ALG) von der Bundesagentur für Arbeit. Mit Schreiben vom 9. Februar 2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Teilnahme am Tarif KG Klassik 22 zum 15. Dezember 2016 beendet worden sei.

Während des weiterlaufenden Bezugs von ALG wurde ab dem 8. Mai 2017 und dann fortlaufend die Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen einer Glaskörperblutung rechts (ICD-10-Code: H43.1 G R) attestiert. Nach Ende der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit zahlte die Beklagte dem Kläger Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 57,64 Euro brutto / 57,35 Euro netto ab dem 19. Juni 2017.

Auf Nachfrage der Beklagten berichtete der behandelnde Augenarzt Dr. F. mit Schriftsatz vom 6. Juli 2017, dass die Arbeitsunfähigkeit noch bestehe und eine Vitrektomie im A. Klinikum B. (A1) geplant sei. Auf weitere Nachfrage der Beklagten berichtete Dr. F. mit Schriftsatz vom 8. November 2017, eine Wiederaufnahme der Arbeitsfähigkeit sei weiterhin nicht absehbar, es werde eine Therapie mit Glaupax Tabletten, P. und N. durchgeführt. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (M., jetzt: Medizinischer Dienst, MD) kam in einer Stellungnahme vom 23. November 2017 zu der Einschätzung, dass weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestehe. Gleichzeitig wurde um Wiedervorlage mit weiteren ärztlichen Verlaufsberichten gebeten, die am selben Tag von Dr. F. und Dr. S. (Chefarzt Augenabteilung A1) angefordert wurden.

Mit Schreiben vom 23. November 2017 beantragte der Kläger die Zustimmung zu einer für die Zeit vom 27. November bis zum 13. Dezember 2017 geplante Urlaubsreise nach S1. Die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung gelte bis zum 15. Dezember 2017. Der behandelnde Arzt Dr. F. bestätigte in einem beigefügten Kurzbrief, dass keine Bedenken bestünden. Mit E-Mail vom 28. November 2017 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die Reise storniert worden sei, weshalb eine Zustimmung nicht mehr erforderlich sei.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den M. erneut mit einer Stellungnahme im Rahmen einer Sozialmedizinischen Fallberatung, mit dem Zusatz: „Mitglied hätte eine 3-wöchige Reise nach S1 machen können, kann sich aber nicht AF bei der AFA melden? Baldige AF möglich?“

Mit Stellungnahme vom 28. Dezember 2017 führte der M.-Gutachter Dr. P. aus, als maßgebliche Tätigkeit sei hier eine leichte Tätigkeit heranzuziehen. Eine leidensadäquate Tätigkeit ohne vermehrte Anforderungen an das Sehvermögen sei wieder möglich. Eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 5. Januar 2018 erscheine möglich.

Aufgrund der sozialmedizinischen Stellungnahme des M. stellte die Beklagte das Ende des Anspruchs des Klägers auf Krankengeld mit dem 5. Januar 2018 mit Bescheid vom 28. Dezember 2017 fest. Außerdem wurde dem behandelnden Arzt Dr. F. mit Schreiben vom selben Tag das Ergebnis der sozialmedizinischen Stellungnahme mitgeteilt; er wurde aufgefordert, die Beklagte unter Darlegung der medizinischen Gründe zu informieren, falls er damit nicht einverstanden sei.

Während Dr. F. ausweislich eines Telefonvermerks vom 15. Januar 2018 gegenüber der Beklagten angab, keinen Widerspruch erstellen zu wollen, legte der Kläger gegen die Einstellung des Krankengelds Widerspruch ein. Er sei nicht in der Lage, seiner bisher ausgeübten Tätigkeit weiter nachzugehen. Hierauf sei bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit abzustellen. Der Kläger reichte einen weiteren nach Untersuchung am 16. Februar 2018 erstellten Arztbrief von Dr. F. zur Akte, aus dem hervorging, dass der postoperative Visusanstieg noch nicht ausreichend sei für eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit.

Mit von der Beklagten beauftragtem Widerspruchsgutachten vom 6. April 2018 stellte der M. fest, dass aus sozialmedizinischer Sicht Arbeitsfähigkeit bestehe. Im Rahmen der Vorgeschichte wurde aufgeführt, es bestehe eine Sehschärfe von 0,5p rechts und 0,1 links bei den Diagnosen: H36.0 Retinopathia diabetica R, proliferativ, sowie als weitere Diagnosen: Zustand nach PpV bei GK-Blutung, GK-Blutung, Z.n. Triamcinolon Injektion L, Z.n. Zentralvenenthrombose, Myopie, Astigmatismus. Als Berufsanamnese wurde aufgeführt, der Kläger sei seit dem 16. Dezember 2016 arbeitslos und stehe dem Arbeitsmarkt vollschichtig zur Verfügung. Im Rahmen der sozialmedizinischen Beurteilung wurde unter anderem ausgeführt, der Kläger sei durch seine Sehminderung in seiner qualitativen Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Sehleistung könnten nicht ausgeübt werden. Durch die Seheinschränkung bestehe darüber hinaus keine quantitative Einschränkung. Eine vollschichtige Tätigkeit erscheine möglich. Durch die Ausübung einer körperlich leichten Tätigkeit sei keine Verschlimmerung der Augenerkrankung zu erwarten. Von einer persönlichen Begutachtung seien keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten. Ein aktueller augenärztlicher Bericht liege vor, weitere die Arbeitsunfähigkeit begründenden Diagnosen seien nicht angegeben.

Die Beklagte übersandte das Sozialmedizinische Gutachten dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 25. April 2018 teilte dieser mit, der Widerspruch bleibe aufrechterhalten. Für die Beurteilung eines Versicherten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen seien auch in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit alle Beschäftigungen, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt habe, maßgeblich. Die Arbeitslosigkeit des Klägers sei innerhalb dieser sechs Monate eingetreten, so dass als Vergleichsarbeitstätigkeiten die Tätigkeit als Vertriebsleiter/Bereichsleiter heranzuziehen sei. Hierzu seien Fahrtüchtigkeit und uneingeschränkte Sehfähigkeit für die erforderliche EDV-Tätigkeit notwendig. Dies liege beim Kläger nicht vor.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2018 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass die Visuseinschränkung nunmehr 0,25 rechts und 0,1 links betrage.

Der hierzu im Rahmen einer sozialmedizinischen Fallberatung befragte Gutachter Herr Hopf des M. führte hierzu aus, dass weiterhin leidensadäquate Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an das Sehvermögen möglich seien.

Unter Bezugnahme hierauf wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2018 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 13. August 2018 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und sein Begehren auf Witerzahlung von Krankengeld über den 5. Januar 2018 hinaus bis einschließlich 4. Juli 2018 (die von Dr. F. attestierte Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 2. Juli 2018 an, vom 28. Juni bis zum 4. Juli 2018 wurde Arbeitsunfähigkeit durch einen Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen nach Zahnextraktionen bescheinigt) weiterverfolgt.

Es sei nicht berücksichtigt worden, für welche Tätigkeiten sich der Kläger bei der Arbeitsagentur gemeldet habe. Der M. hätte den Kläger persönlich untersuchen müssen. Die Beklagte habe im Verwaltungsverfahren bei der Einschaltung des M. ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten.

Das SG hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. F. und Dr. K. sowie der Augenambulanz des A1 eingeholt. Dr. F. hat in seinem Befundbericht angegeben, der Kläger sei im Zeitraum 6. Januar 2018 bis 2. Juli 2018 arbeitsunfähig gewesen. Dr. S., Chefarzt aus dem A1, hat mitgeteilt, dass der Kläger zwischen dem 23. November 2017 und dem 23. Mai 2018 nicht vorstellig gewesen sei. Der Oberarzt Dr. Al-Samir aus dem A1 hat angegeben, der Kläger habe nach den Feststellungen des Dr. F. am 12. Januar 2018 einen Visus von 0,5 rechts und 0,2 links gehabt. Es sei anzunehmen, dass er bei diesem Visus leichten Tätigkeiten habe nachgehen können. Dr. K. hat angegeben, er könne zur Arbeitsfähigkeit im Zeitraum Juli 2017 bis August 2018 keine Angaben machen.

Nach weiteren Stellungnahmen durch den Kläger hat das Gericht einen weiteren Befundbericht mit ergänzender Stellungnahme bei Dr. F. eingeholt. Dieser hat auf die Frage nach der Möglichkeit einer Aufnahme einer Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt für den Kläger ausgeführt, dass bei einer Sehschärfe von 50 % auf dem rechten Auge und von 10 % auf dem linken Auge keine Arbeitsfähigkeit gegeben sei.

Das SG hat am 23. August 2019 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt und nach deren diesbezüglicher Anhörung die Klage durch Gerichtsbescheid vom 25. April 2022 als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung hat das SG Folgendes ausgeführt:

Die Beklagte hat die Zahlung von Krankengeld für den streitigen Zeitraum zu Recht abgelehnt. Der Kläger ist demnach durch die streitigen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt (§ 54 SGG).

Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht, oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden (§ 44 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). Der Umfang des Versicherungsschutzes wird aus dem jeweils bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestehenden Versicherungsverhältnis abgeleitet. Arbeitsunfähigkeit liegt grundsätzlich vor, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann (BSG v. 14.02.2001 – B 1 KR 30/00 R). Voraussetzung ist hierfür jedoch das Fortbestehen des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses. Endet das Arbeitsverhältnis vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ändert sich der rechtliche Maßstab. Denn der Maßstab richtet sich grundsätzlich nach dem Umfang des bestehenden Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis, welches von der Beschäftigungssituation abhängig ist. Bei Personen die Arbeitslosengeld I beziehen folgt die Versicherung aus § 5 Abs 1 Nr. 2 SGB V. Es besteht Pflichtversicherung in der Krankenversicherung für Arbeitslose (KVdA).

Um ein solches Mitglied der KVdA handelte es sich bei dem Kläger. Die Arbeitsunfähigkeit hat über fünf Monate nach dem Beginn der Arbeitslosigkeit begonnen, so dass der Kläger durch die Beklagte zurecht als in der KVdA pflichtversichert erfasst wurde. Soweit der Kläger zuletzt vorgetragen hat, er sei in Nebentätigkeit weiter in seiner alten Tätigkeit selbstständig gewesen, ändert dies an seiner Mitgliedschaft in der KVdA nichts, da der Kläger durch den Bezug von Arbeitslosengeld I nach § 5 Abs 1 Nr. 2 SGB V pflichtversichert gewesen ist. Eine Weiterversicherung in der freiwilligen Versicherung etwa zu dem Tarif KG Klassik 22 kommt daneben nicht in Betracht. Der Kläger hat sich um Arbeitslosengeld I zu beziehen vollschichtig zur Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt verfügbar gemeldet, sofern er tatsächlich seine selbstständige Tätigkeit weiterhin in erheblichem Umfang ausgeübt hätte, hätte er für den genannten Zeitraum das Alg I zu Unrecht bezogen, wovon das Gericht hier nicht ausgeht.

Ein in der KVdA nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherter Arbeitsloser ist arbeitsunfähig im Sinne von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Hierbei darf die Krankenkasse im Regelfall davon ausgehen, dass sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung auch für leichte Arbeiten zur Verfügung gestellt hat.

Das Krankengeld stellt keinen Ersatz für Ausfall des früher auf Grund Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts, sondern Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit dar. Die Frage, ob in der KVdA Versicherte einen krankenversicherungsrechtlichen Berufsschutz besteht, ist durch das Bundessozialgericht in der auch vom Bevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren zitierten Entscheidung vom 04.04.2006 (B 1 KR 21/05 R) explizit verneint worden. Begründet wird dies damit, dass auch in der Arbeitslosenversicherung an die Stelle eines solchen Berufsschutzes seit dem 1.01.1997 ein abgestufter Arbeitsentgeltschutz getreten sei. Somit gelte auch im Arbeitslosenversicherungsrecht kein Schutz des Versicherten weiterhin eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, sondern vielmehr seien dem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen grundsätzlich auch zumutbar. Der im Arbeitslosenversicherungsrecht geltende abgestufte Entgeltschutz erhalte seine besondere Bedeutung insoweit erst bei einem konkreten Arbeitsangebot im Zusammenwirken mit einer im Recht der Arbeitslosenversicherung möglichen Sanktion einer Sperrzeit. Damit bleibt nach dem Bundessozialgericht jedoch kein Raum mehr für ein Fortbestehen eines besonderen krankenversicherungsrechtlichen Berufsschutzes. „Denn der Arbeitslose hätte bei Anerkennung eines besonderen krankenversicherungsrechtlichen Berufsschutzes Anspruch auf Krg bereits dann, wenn bei ihm in den ersten drei bzw sechs Monaten krankheitsbedingte Leistungseinschränkungen eintreten, die es ausschließen, einer der letzten Beschäftigung vergleichbare, zB schwere oder mittelschwere Arbeit zu verrichten, obwohl der Arbeitslose – wie vorliegend – für leichte Arbeiten durchaus noch vollschichtig leistungsfähig, damit arbeitslosenversicherungsrechtlich verfügbar und mithin Alg-berechtigt wäre.“

Das Bundessozialgericht führt zu dem Bezugspunkt für die Arbeitsunfähigkeit aus: „Dem Arbeitslosen sind damit zunächst alle Arbeiten zumutbar, die seiner früheren Beschäftigung entsprechen und zu deren Verrichtung er gesundheitlich in der Lage ist. Dies gilt erst recht für alle weiteren Arbeiten, die ihn in gesundheitlicher Hinsicht weniger belasten als die zuletzt ausgeübte Beschäftigung und für die er arbeitslosenversicherungsrechtlich verfügbar sein muss. (..) Insbesondere führt § 121 Abs 3 SGB III nicht dazu, dass die Verfügbarkeit, dh. das dem Arbeitslosen „Zumutbare“ auf Arbeiten beschränkt wird, die dem bisherigen Beschäftigungsprofil entsprechen, weil der Arbeitslose bisher zB schwere oder mittelschwere Arbeiten verrichtet hat; dies würde zu einer erheblichen Reduzierung der in Betracht kommenden Arbeitsplätze führen. Auch kann ein Arbeitsloser seine Verfügbarkeit und damit den Kreis der ihm zumutbaren Arbeiten nicht entsprechend einschränken, etwa, weil er annimmt, nur mit schweren oder mittelschweren Arbeiten an das frühere Verdienstniveau anknüpfen zu können. (…)“

Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt im Falle des Eintritts der Erkrankung bei bestehendem Arbeitslosengeld-Anspruch unabhängig von der Dauer der Arbeitslosigkeit somit nur vor, wenn der Arbeitslose gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in dem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den er sich zuvor zwecks Erlangung des Arbeitslosengeld-Anspruches zur Verfügung gestellt hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitslose sich bei der Agentur für Arbeit mit einem verminderten Leistungsvermögen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat, wovon der Kläger jedoch nichts erwähnt hat, und die Beklagte im Regelfall nicht auszugehen hat. Vielmehr darf die Krankenkasse im Regelfall davon ausgehen, dass sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung auch für leichte Arbeiten zur Verfügung gestellt hat. Hat die Krankenkasse allerdings Anlass hieran zu zweifeln, weil gegenteiliges vorgetragen bzw. von der Bundesagentur mitgeteilt wird oder sonst auf der Hand liegt, muss die Krankenkasse prüfen, mit welchem gesundheitlichen Leistungsvermögen sich der Bezieher einer Leistung der Bundesagentur der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hatte, um Alg zu erlangen (Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 44 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 85). Soweit der Bevollmächtigte des Klägers im Widerspruchsverfahren vorgetragen hat, der Kläger habe sich für eine Vermittlung in eine Tätigkeit als Vertriebsleiter, Bereichsleiter, Sales Manager zur Verfügung gestellt, ist nicht erkennbar, dass die Auswahl aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen erfolgt wäre, deutlich wird vielmehr dass sie aufgrund der vorgehenden Tätigkeit des Klägers erfolgte. Somit ist davon auszugehen, dass sich der Kläger, wie im Regelfall zur Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat und er lediglich im Hinblick auf eine Arbeitslosenversicherungsrechtliche Zumutbarkeit etwaiger Arbeitsangebote, welche lediglich unter dem Gesichtspunkt des Entgeltschutzes arbeitslosenversicherungsrechtlich zu würdigen wären, vorgetragen hat. Derartige Zumutbarkeitskriterien sind jedoch wie bereits ausgeführt für das Krankenversicherungsrecht unerheblich.

Voraussetzung für die Arbeitsunfähigkeit ist damit im hiesigen Fall, dass der Kläger nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in einem Umfang (zB. vollschichtig) zu verrichten. Dies ist im Fall des Klägers nicht erwiesen. Insoweit legt das Gericht, wie auch schon der M. für seine Beurteilung die durch den die Arbeitsunfähigkeit attestierenden Arzt Dr. F. Diagnosen und Funktionseinschränkungen zu Grunde, kommt jedoch zu einer anderen Bewertung dieser Einschränkungen. Dr F. hat insoweit auch in seiner gutachterlichen Äußerung nicht konkret zu dem an die Arbeitsunfähigkeit anzulegenden Maßstab Stellung genommen und die Arbeitsunfähigkeit letztendlich ausschließlich mit der Visuseinschränkung begründet. Dies überzeugt das Gericht nicht.

Das Gericht folgt insoweit der Einschätzung des M., der in seinem Widerspruchsgutachten zunächst den Maßstab für den Anknüpfungspunkt der Arbeitslosigkeit richtig wiedergegeben hat. Insoweit ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger Tätigkeiten mit besonderen Anforderung an die Sehfähigkeit nicht hat ausüben können und somit einer qualitativen Einschränkung unterlag. Dies ergibt sich aus der von Dr. F. festgestellten Visuseinschränkung ohne weiteres. Eine Tätigkeit wie sie der Kläger vor seiner Arbeitslosigkeit ausgeübt hat, konnte der Kläger damit auch im streitigen Zeitraum nicht ausüben. Anders ist dies jedoch mit leichten körperlichen Arbeiten, welche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf in der Regel ergonomisch ausgestalteten Arbeitsplätzen ausgeübt werden. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger durch seine Augenerkrankung in derartigen Tätigkeiten eingeschränkt gewesen sein soll. So hat im Übrigen auch ein den Kläger behandelnden Arzt ausgeführt, dass diesem derartige Tätigkeiten wohl möglich gewesen seien. Eine quantitative Einschränkung hinsichtlich der Ausübung einer solchen Tätigkeit lässt sich aus der Augenerkrankung des Klägers ebenfalls nicht ableiten. Der sehr schwache Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit attestierenden ärztlichen Stellungnahmen, bei denen es sich um ein Beweismittel wie jedes andere handelt, ist damit durch das M.-Gutachten widerlegt (zur Möglichkeit: BSG, Urteil vom 08. November 2005 – B 1 KR 18/04 R).

Das Gericht hat insoweit auch den die Arbeitsunfähigkeit feststellenden Dr. F. in einer gutachterlichen Äußerung auch noch einmal zu einer weiteren Begründung der Arbeitsunfähigkeit aufgefordert. Dieser hat lediglich auf die Visusminderung abgestellt, welche durch den M. bereits gewürdigt worden ist. Diese Stellungnahme überzeugt das Gericht im Hinblick auf die dargelegten leichten körperlichen Tätigkeiten daher nicht.

Ein Sachverständigengutachten war hier nicht einzuholen, da das Gericht nicht erkennen kann, welcher Sachverhalt durch den Sachverständigen hier beurteilt werden sollte. Die vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen sind unstreitig und durch den M. in seinem Gutachten gewürdigt worden. Auch die dadurch entstehenden Einschränkungen sind insoweit unstreitig, werden jedoch durch das Gericht, wie auch schon durch den M. anders gewürdigt, als durch den behandelnden Arzt. Soweit der Kläger im Laufe des Verfahrens noch anderweitige Leiden geschildert hat, ist auszuführen, dass diese zumindest in den eingeholten Befundberichten keine Abbildung finden, so, dass es an einer verobjekivierbaren Befundlage fehlt, welche einer Würdigung durch einen Sachverständigen zugänglich wäre. Insoweit erscheint es jedoch darüber hinaus unwahrscheinlich, dass eine dreiwöchige Reise nach S1 gesundheitlich durchführbar ist, jedoch keine leichte körperliche Tätigkeit ausgeübt werden kann.

Soweit der Kläger rügt, dass die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hat, ist insoweit auszuführen, dass diesbezüglich nicht ersichtlich ist, welche Ermessensfehler die Beklagte begangen haben soll. Insbesondere ist die Heranziehung des M. zur medizinischen Begutachtung nach § 275 Abs 1 SGB V gesetzlich vorgesehen. Auch ist nicht ersichtlich, dass eine Beweisvereitelung durch etwaige durch den Kläger behauptete Fehler in der Sachverhaltsaufklärung durch die Beklagte entstanden wären. Vielmehr wurden, wie bereits ausgeführt, die von den Ärzten des Klägers diagnostizierten Einschränkungen übernommen und in die Entscheidung mit einbezogen, wenn auch mit anderem Ergebnis.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, zumindest für den Zeitraum 28.06.2018 bis 04.07.2018 sei durch seinen Kieferchirurgen Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden, hat dies für die hiesige Entscheidung keine Bedeutung. Der Kläger war ab dem 06.01.2018 nicht mehr nach § 192 Abs 1 NR. 2 SGB V wegen des Bezuges von Krankengeld Mitglied bei der Beklagten. Bei einem erneuten Bezug von Alg I und einer daraus erwachsenen neuen Mitgliedschaft in der KVdA könnte zwar grundsätzlich für diesen Zeitraum zu einem Krankengeldanspruch führen, jedoch wäre hier zunächst die Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit seitens der Bundesagentur für Arbeit heranzuziehen, so dass kein Anspruch auf Krankengeld ersichtlich ist. Gleiches gilt für eine etwaig ab Mai 2018 eingetretene weitere Verschlechterung des Visus, welche durch den M. jedoch in einer sozialmedizinischen Stellungnahme auch gewürdigt worden ist.

Gegen diesen, ihm am 28. April 2022 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 27. Mai 2022 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er an seiner Ansicht festhält, dass bei der Beurteilung seiner Arbeitsfähigkeit nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, sondern auf die vor Beginn seiner Arbeitslosigkeit zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Vertriebsleiter Fotovoltaik abzustellen sei. Er rügt, dass das SG kein Sachverständigengutachten eingeholt habe, dass sein Grad der Behinderung von 60 keine Berücksichtigung gefunden habe, sieht sich dadurch unter Verstoß gegen völkerrechtliche Regelungen diskriminiert und trägt weiter vor, dass es im fraglichen Zeitraum schon an der Wegefähigkeit gefehlt habe, weil er öffentliche Verkehrsmittel ohne Begleitung nicht habe benutzen können. Sein Sehvermögen sei praktisch aufgehoben gewesen, sodass er auch aus sehr kurzer Entfernung selbst relativ große Schrift nicht habe lesen können. Darüber hinaus verweist der Kläger darauf, dass im fraglichen Zeitraum wegen der Visusminderung auch Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen sowie erhebliche psychische Beeinträchtigungen mit negativen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden hätten. Zumindest in der Zusammenschau aller Beeinträchtigungen habe Arbeitsunfähigkeit vorgelegen.

Der Kläger überreicht einen Ausdruck der M. GmbH, aus dem sich ergibt, dass dort 2018 – nach Angaben des Klägers im Mai/Juni – eine Sprechstunde stattgefunden habe. Der Kläger sei aus eigenem Antrieb gekommen. Es seien eine diagnostische Abklärung sowie Beratung bzgl. einer weiteren Behandlung erfolgt. Suizidalität werde klar und glaubhaft verneint. Des Weiteren erklärt der Kläger, dass er im Mai 2018 einen ersten Arbeitsversuch unternommen habe und ab 5. Juli 2018 nach dem Ende der hier streitigen Arbeitsunfähigkeitszeiten einen weiteren, den er sich „über sein Netzwerk“ besorgt habe. Er sei als Sachbearbeiter tätig geworden und habe von Anfang an Probleme mit dem Lesen gehabt. Er habe sich schlecht konzentrieren können, sei schnell ermüdbar gewesen und auch hin und wieder in den Kurzschlaf gefallen. Alles an Texten habe er sich entweder auf dem PC größer ziehen oder größer ausdrucken lassen müssen. Letztendlich habe er dann bei der am 5. Juli 2018 angetretenen Arbeitsstelle auch die Probezeit nicht überstanden. Während der Pandemie sei es denn noch schwieriger gewesen auf dem Arbeitsmarkt, sodass er Arbeitslosengeld II bezogen habe. Seit Anfang 2023 sei er bis aktuell als Sachbearbeiter im Bereich Arbeitnehmerüberlassung bei einem Energieversorger tätig.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2018 aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihm Krankengeld über den 5. Januar 20218 hinaus bis zum 4. Juli 2018 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Befundberichts von Dr. F. sowie eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst zweier ergänzender Stellungnahmen von dem Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des U. Dr. S1, der unter dem 15. Dezember 2022, 2. Juni 2023 sowie zuletzt 11. August 2023 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Zugrundelegung des von Dr. F. am 16. Februar 2018 erhobenen Befundes (Visus rechts 0,5, links 0,1) hätte ausüben können, unter Zugrundelegung des am 23. Mai 2018 erhobenen Befundes (Visus rechts 0,25, links 0,1) nur dann, wenn keine Anforderungen das Sehvermögen gestellt würden.

Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 19. Dezember 2023 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet(§ 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes ).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 18. März 2024 sowie die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst weiterem Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift vorliegenden Akten und Unterlagen.

Entscheidungsgründe

Die statthafte (§§ 105 Abs. 2 S. 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 S. 1, 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu Recht und mit zutreffender Begründung als unbegründet abgewiesen. Der erkennende Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Weder das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren noch das Ergebnis der vom erkennenden Senat durchgeführten Beweisaufnahme geben Anlass zu einer hiervon abweichenden rechtlichen Bewertung.

Zum einen ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Frage des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit bei dem zu deren Eintritt sich bereits seit etwa 5 Monaten im Arbeitslosengeldbezug befindenden Kläger danach beurteilt, ob ihm im streitigen Zeitraum auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich waren (siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 21/05 R –, juris; Sonnhoff/Pfeiffer in jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand: 20. Juli 2022, § 44 Rn. 84 ff., vgl. seit dem 23. Dezember 2006 auch § 2 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie).

Zum anderen hat die vom erkennenden Senat durchgeführte Beweisaufnahme die auf die von der Beklagten eingeholten M.-Gutachten gestützte Einschätzung des SG dahingehend bestätigt, dass dem Kläger jedenfalls unter Zugrundelegung des im Februar 2018 von Dr. F. erhobenen Befundes (Sehkraft linkes Auge 0,1, Sehkraft rechtes Auge 0,5) vollschichtig leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich waren, mithin keine Arbeitsunfähigkeit bestand. Dass dies unter Zugrundelegung des im Mai 2018 erhobenen Befundes (linkes Auge 0,1, rechtes Auge 0,25) nur auf Arbeitsplätzen ohne besondere Anforderungen an das Sehvermögen der Fall gewesen wäre, vermag keinen zu einem späteren Zeitpunkt einsetzenden Krankengeldanspruch zu begründen, weil der Kläger nach Erschöpfung seines Arbeitslosengeldanspruchs im Januar 2018 keinen Versicherungsschutz mit Krankengeldanspruch mehr besaß. Da für den Zeitraum vor Februar 2018 (und auch danach bis Mai 2018) keine schlechteren Befunde vorliegen, kann der im Mai 2018 erhobene Befund mit stärkerer Visuseinschränkung rechts (die Visuseinschränkung links bestand unverändert bereits seit dem Jahr 2007, hinderte den Kläger also nicht an seiner jahrelangen selbstständigen Tätigkeit als Vertriebsleiter Fotovoltaik) erst ab dem Zeitpunkt seiner Erhebung einer Beurteilung zugrunde gelegt werden.

Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S1 sind widerspruchsfrei begründet, schlüssig und geeignet, die diesbezügliche volle Überzeugung des Senats zu begründen. Sie fügen sich in das Gesamtbild nach Aktenlage ein, das dem SG bereits für dessen eigene Überzeugungsbildung ausgereicht hat. Für eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers sprechen letztlich „nur“ die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen des Dr. F., der allerdings auf das Schreiben der Beklagten vom 28. Dezember 2017 hin ausweislich eines Telefonsvermerk der Beklagten vom 15. Januar 2018 keinen Widerspruch gegen die abweichende Bewertung des M. einlegen wollte. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. S1 stimmt hingegen überein mit derjenigen des M. sowie derjenigen des vom SG befragten, den Kläger behandelnden Oberarztes der A. Klinik B. Dr. A2.

Anhaltspunkte dafür, dass bei diesem Leistungsvermögen die Wegefähigkeit des Klägers aufgehoben gewesen sein soll, sind nicht ersichtlich. Wenn der eingeschränkte Visus leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne die Einschränkung „ohne besondere Anforderungen an die Sehfähigkeit“ erlaubt – so die schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen bezogen auf den Februar 2018 –, ist von dem Vorliegen von Wegefähigkeit auszugehen. Das Gegenteil lässt sich jedenfalls nicht feststellen, was sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Ungunsten des Klägers auswirkt. Der Kläger differenziert bei seinen Ausführungen, wonach sein Sehvermögen praktisch aufgehoben gewesen sei und er auch große Schrift nicht habe lesen und deshalb ohne Begleitung öffentliche Verkehrsmittel nicht habe nutzen können, nicht hinsichtlich der Zeiträume, in denen dies der Fall gewesen sei. Aus den aktenkundigen Befunden und dem Sachverständigengutachten ergibt sich, dass das Sehvermögen im streitigen Zeitraum nicht gleichbleibend schlecht war. Deutlich für das Bestehen von Wegefähigkeit jedenfalls im Februar 2018 spricht der Umstand, dass der Kläger sich erstmals im Mai 2018 erfolgreich um eine – wenn auch nicht erfolgreiche – Probearbeit bemühte, also zu einem Zeitpunkt, als sein Sehvermögen deutlich schlechter war als im Februar 2018. Der Kläger wird sich die Probearbeit nicht nur zugetraut, sondern diese auch aufgesucht haben müssen. Auch die für Ende 2017 geplante und lediglich wegen eines kurzfristig aufgetretenen Infekts stornierte dreiwöchige S1reise spricht gegen das Fehlen von Wegefähigkeit, auch wenn der Kläger die doch nicht unerhebliche Anforderungen stellende Reise in Begleitung angetreten hätte.

Soweit der Kläger auf im betreffenden Zeitraum bestehende psychische Beeinträchtigungen verweist, die zumindest in der Zusammenschau mit der Visuseinschränkung Arbeitsunfähigkeit begründet hätten, vermag der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Zum einen ist der Schweregrad der psychischen Beeinträchtigungen auch nach dem Beibringen des Ausdrucks der M. GmbH vollkommen unklar. Aus diesem ergeben sich weder Befunde noch Diagnosen und auch kein Behandlungszeitpunkt bzw. -zeitraum. Soweit der Kläger die einmalige Vorstellung auf den Zeitraum Mai/Juni 2018 einordnet, gilt entsprechend das oben Gesagte. Eine eventuell bestehende Arbeitsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt wäre nicht mehr geeignet, einen Krankengeldanspruch zu begründen, nachdem die Leistungseinschränkungen jedenfalls im Februar 2018 deutlich geringer ausgeprägt waren. Darüber hinaus ist der Umstand, dass just in diesem Zeitraum eine erste Probearbeit angetreten wurde, geeignet, deutliche Zweifel am Bestehen von Arbeitsunfähigkeit zu begründen. Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen wurde auch nicht ärztlicherseits bescheinigt. Zweifel am Vorliegen anspruchsbegründender Umstände gehen, wie bereits ausgeführt, zulasten des Klägers. Eine Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner bestehenden Behinderung und einen Verstoß gegen völkerrechtliche Regelungen hierdurch vermag das Gericht nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

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