Weitere Unfallfolgen – Nachweis der Kausalität
Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 30/19 – Urteil vom 29.01.2020
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v. H.
Der am … Januar 1953 geborene und als Bademeister tätige Kläger erlitt im Rahmen der Ausübung einer Wassergymnastik-Animation am Beckenrand am 4. Februar 2002 einen Unfall, als er nach einem Sprung mit dem rechten Bein nach schräg hinten wegrutschte. Der den Kläger behandelnde Arzt Dr. K. berichtete, dass sich der Kläger am 16. April 2002 bei ihm unter Hinweis auf eine neun Wochen zuvor erlittene Distorsion des rechten Knies vorgestellt habe. Die daraufhin veranlasste Magnetresonanztomographie (MRT) des rechten Kniegelenkes vom 24. April 2002 ergab nach dem Arztbericht vom 29. April 2002 einen Meniskusriss im Hinterhorn horizontal bis schräg verlaufend, von der Meniskusspitze in die Meniskusbasis ziehend und zusätzlich eine Spitzenläsion, eine Chondropathie Grad III retropatellar sowie einen Knorpel- oder Meniskusabrieb im Gelenk, einen Reizzustand mit gering bis mäßigem Gelenkerguss, einen Verdacht auf eine vordere Kreuzbandläsion im Sinne einer Teilruptur sowie Ganglien am hinteren Kreuzband intercondylär und parameniscal am Vorderhorn des Außenmeniskus.
Eine Operation erfolgte am 18. Juni 2002. Der Operateur Dr. B. von der Klinik … beschrieb in seinem Arthroskopiebericht vom 18. Juni 2002, dass man im medialen Meniskus multiple tiefe Einrisse im gesamten Hinterhornbereich erkennen könne. Die Kreuzbänder seien ohne Befund. Auch die übrigen Gelenkflächen, Kapseln und der laterale Meniskus seien ohne Befund. Die pathomorphologische Begutachtung durch Prof. Dr. V. ergab ein in seiner Grundsubstanz ausgeprägt mukoid und teils auch kleinzystisch degenerativ verändertes, herdförmig nekrotisiertes und aufgefasertes sowie eingerissenes Meniskusgewebe mit ganz initialen Zeichen einer reparativen Mesenchymzellprolieration und ohne Nachweis älterer Blutungsreste (nicht mehr ganz frische Meniskusläsion bei deutlicher Meniskusdegeneration). Eine Unfallanzeige gegenüber der Beklagten erfolgte erst am 21. August 2002. Im MRT-Befund vom 29. Dezember 2005 wurden u. a. eine Verkürzung des Hinterhorns und de Pars intermedia des Innenmeniskus postoperativ und eine Chondromalazie Grad III bis IV femorotibial medial beschrieben.
Die Krankenkasse des Klägers meldete am 22. September 2014 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an. Der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. Ba hatte zuvor in einer ärztlichen Stellungnahme vom 25. März 2014 eine Gonarthrose rechts bei bestehender Varusdeformität des rechten Knies diagnostiziert. Im MRT des rechten Knies vom 14. Oktober 2014 wurde eine mediale Gonarthrose mit Chondropathie 4. Grades femorotibial medial festgestellt. Offenbar liege ein Zustand nach Innenmeniskusteilresektion mit erneutem schrägen Riss in der Pars intermedia und Stufenbildung im Hinterhorn vor. Außerdem bestünden eine Chondropathia patellae Grad 2 und eine ältere Partialruptur des vorderen Kreuzbandes. Mit Befundbericht vom 10. November 2014 erklärte Dr. Ba, dass sich der Befund als medial betonte Gonarthrose des rechten Kniegelenkes bei Zustand nach Innenmeniskus-Teilresektion interpretieren lasse. Die bestehende leichtgradige Instabilität dürfte muskulär bedingt sein. Eine MdE in rentenberechtigendem Grade bestehe ebenso wenig wie ein spezieller Behandlungsbedarf.
Der Chirurg Dr. Bg erklärte in seinem Zusammenhangsgutachten vom 10. Februar 2015, dass bei dem Kläger eine Belastungsinsuffizienz des rechten Kniegelenkes mit endgradiger Streckhemmung bei nativradiologisch und kerspintomographisch nachgewiesener medial betonter Gonarthrose, eine stattgehabte Innenmeniskus-Teilresektion des rechten Kniegelenkes mit kernspintomographischen Verdacht auf Reruptur in der Pars intermedia und Stufenbildung im Hinterhorn und ein kernspintomographischer Verdacht einer älteren Teilruptur des vorderen Kreuzbandes vorlägen. Es habe sich bei dem Distorsionstrauma am 4. Februar 2002 eher um eine so genannte Bagatellverletzung gehandelt. Der Unfallverletzte habe sich zunächst über ca. acht Wochen nicht in ärztliche Behandlung begeben, ein Durchgangsarztbericht sei nicht aufgenommen worden. Arbeitsunfähigkeit habe in dieser Zeit wohl auch nicht vorgelegen. Der erstmalige Kernspintomographiebericht vom 29. April 2002 beschreibe bereits eine fortgeschrittene primäre Verschleißerkrankung. Insbesondere nach einem Verdrehtrauma könne eine solche in so kurzer Zeit nicht entstehen. Auch der beschriebene Meniskusschaden werde rückwirkend als degenerativ gewertet, da ein Horizontalriss vorliege. Gegebenenfalls habe sich der Unfallverletzte allenfalls die Teilruptur des vorderen Kreuzbandes im Rahmen der Verletzung zugezogen, die allerdings in der Folgezeit nicht klinisch relevant gewesen sei. Bei eingeschränkter Aktenlage schlage er eine Ablehnung des Ursachenzusammenhanges im Sinne der Entstehung als wesentliche Teilursache vor. Eine MdE in rentenberechtigendem Grade liege nicht vor.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 22. März 2016 den Unfall vom 4. Februar 2002 als Arbeitsunfall an, lehnte einen Anspruch auf Rente jedoch ab. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bestehe nicht. Als Folgen des Arbeitsunfalles erkannte die Beklagte eine vollständig verheilte Teilruptur des vorderen Kreuzbandes ohne Bandinstabilität und Behandlungsbedürftigkeit rechts an. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalles sah die Beklagte einen Meniskushinterhornriss am rechten Kniegelenk sowie eine medial betonte Chondropathie im Hauptgelenk und retropatellar bis VI. Grades an.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen seinen Beeinträchtigungen und dem Unfallereignis vom 4. Februar 2002 bestehe.
Auf Antrag des Klägers holte die Beklagte ein weiteres Zusammenhangsgutachten von der Orthopädin und Unfallchirurgin Dr. J. vom 6. September 2016 ein. Die kam zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine medial betonte Gonarthrose mit diskreter Varusfehlstellung vorliege. Der Kläger habe sich erstmals acht Wochen nach dem Unfall ärztlich behandeln lassen. Der erste Kernspintomographiebefund von 2002 zeige eine fortgeschrittene Verschleißerscheinung und einen Meniskusschaden, der histologisch als degenerativ bestätigt werde. Die einzige unfallbedingte Verletzung könne die Teilruptur des vorderen Kreuzbandes sein, die aber ohne klinische Relevanz sei, da das Kniegelenk stabil sei. Unfallunabhängig bestünden ein Knorpelschaden sowie eine Chondropathie dritten Grades retropatellar und im Hauptgelenk medial, da sie bereits vorbestehend gewesen seien. Die Vorschäden hätten eine so überragende Bedeutung, dass sie als allein wesentliche Ursache im Rechtssinne gälten und dem Ereignis vom 4. Februar 2002 lediglich die Bedeutung einer so genannten Gelegenheitsursache zukomme Das Unfallereignis sei lediglich eine Bagatellverletzung gewesen. Eine MdE in rentenberechtigender Höhe liege nicht vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2017 zurück. Sie bezog sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. J., das sich mit den Ausführungen von Dr. Bg decke. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 4. Februar 2002 und dem Knorpelschaden sowie der Meniskusverletzung des rechten Kniegelenkes bestehe nicht, da der MRT-Befund vom 24. April 2002 zum einen bereits fortgeschrittene unfallunabhängige Verschleißerscheinungen und zum anderen einen Meniskusschaden zeige, der histologisch degenerative – also vorbestehende – Veränderungen aufweise und somit ebenfalls als unfallunabhängig zu bewerten sei.
Der Kläger hat am 20. Februar 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Er hat vorgetragen, dass die Sachverständigen den Unfallmechanismus nicht hinreichend ermittelt hätten. Es habe ein relevanter Beuge-Dreh-Sturz vorgelegen. Außerdem seien histologische Zuordnungen vier bis fünf Monate nach dem Unfall für die unfallmedizinische Zusammenhangsfrage oft bedeutungslos. Ein Arztbesuch wäre damals sofort angebracht gewesen, aber er habe ihn hinausgezögert und seine selbst verordnete Wassertherapie durchgeführt. Darüber hinaus bestehe eine spezifische berufliche Betroffenheit. Über die Jahre sei zudem eine kausal schlüssige Verschleißchronologie zu erkennen, welche ihre Ursächlichkeit in dem Unfallereignis bzw. -schaden genommen habe. Zudem hat der Kläger die fehlende Qualität des medizinischen Gutachtens von Dr. J. und den Vertrauensverlust zu der Beklagten bemängelt. Bis zum Arbeitsunfall sei er trotz seiner regelmäßigen intensiven sportlichen Aktivitäten völlig beschwerdefrei gewesen. Hieraus lasse sich schließen, dass keine Vorschäden vorgelegen hätten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten von Dr. Ba und Dr. H. sowie eines unfallchirurgischen Gutachtens von Dr. D. vom 3. November 2017. Dr. D. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Würdigung aller Befunde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die vordere Kreuzbandläsion durch den Unfall verursacht worden sei. Demgegenüber sei der Meniskusschaden als vorbestehend einzugruppieren, da ein Horizontalriss vorgelegen habe und nicht z. B. ein Korbhenkelriss oder auch Radiärriss im Bereich der Pars intermedia. Gleichfalls seien im histologischen Bericht keine alten Blutungsreste dargestellt. Ebenfalls fehlten die typischen Symptome einer akuten Meniskusbeteiligung wie Einklemmungserscheinungen oder aber eine Ergussausbildung mit entsprechendem Schonungserfordernis und sofortiger Arbeitseinstellung. Dies gelte auch für einen sportlich trainierten Menschen wie den Kläger. Typischerweise habe sich nach der Operation der Zustand dann auch nicht verbessert, sondern eher verschlechtert und sei in eine mediale Gonarthrose unter weiterer Schädigung des Restmeniskus übergegangen. Aus dem Histologiebericht ergebe sich zudem ein degenerativer Umbau.
Des Weiteren hat das Gericht ein Gutachten nach § 109 SGG von dem Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. Al. vom 9. August 2018 eingeholt. Die Ausführungen von Dr. D. zur Unfalldynamik könnten bestätigt werden. Die diskrete Instabilität des vorderen Kreuzbandes könne als Gesundheitsstörung im Hinblick auf den Arbeitsunfall vom 4. Februar 2002 angesehen werden. Gesundheitsstörungen bezogen auf den Innenmeniskus ließen sich jedoch nicht auf das Unfallereignis zurückführen. Bereits zum Zeitpunkt des Unfalls hätten ausgeprägte degenerative Veränderungen im Bereich des Innenmeniskus vorgelegen. Diese ließen sich aufgrund der Bildstrukturierung, den klinisch zu erwartenden Aspekten wie zusätzlichen Bandverletzungen und den Grundlagenbedingungen der Reparation in der Medizin erklären. Der Gutachter hat das Ereignis als Anlassgeschehen gewertet. Eine unfallbedingte MdE habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Das Sozialgericht hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 9. Mai 2019 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. aufgrund der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 4. Februar 2002. Der Kläger habe bei diesem Unfall eine vordere Kreuzbandläsion erlitten, welche seine Erwerbsfähigkeit auf Dauer nicht in rentenberechtigender Höhe um wenigstens 20 v. H. mindere. Neben Dr. Bg und Dr. J. habe insbesondere der vom Gericht beauftragte Gutachter Dr. D. plausibel dargestellt, dass als eigentliche Unfallfolge nur eine geringe Lockerung des vorderen Kreuzbandes eingetreten sei, welche aber muskulär kompensiert werden könne, so dass der Sachverständige diese Unfallfolge zu Recht mit einer MdE von unter 10 v. H. bewertet habe. Die Einschätzung der Gutachter stehe in Übereinstimmung mit der in der Literatur vorherrschenden Auffassung zur Bewertung eines Kniebinnenschadens. Danach werde erst eine muskulär kompensierte Instabilität mit einer MdE von 10 v. H. bewertet. Eine muskulär nicht kompensierbare Instabilität – unfallbedingt – führe zur Anerkennung einer MdE von 20 v. H. Bei dem Kläger sei vorliegend bereits nicht von einer unfallbedingten Instabilität des Knies auszugehen, da lediglich ein gelockertes Kreuzband vorliege.
Eine Rente aufgrund der ebenfalls festgestellten Knorpelschäden und des Meniskusschadens könne nach einhelliger und nachvollziehbarer Auffassung sämtlicher den Kläger bisher begutachtenden Ärzte nicht festgestellt werden, da diese nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das Unfallereignis entstanden seien. Vorliegend sprächen die überwiegenden Umstände gegen einen Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und einem festgestellten Knorpel- und Meniskusschaden am rechten Knie. Gegen einen Zusammenhang spreche insbesondere, dass der aufgedeckte Meniskusschaden als vorbestehend einzugruppieren sei, da ein Horizontalriss vorgelegen habe. Zudem hätten im histologischen Bericht keine alten Blutungsreste, also Hinweise auf eine unfallbedingt-traumatische Schädigung, vorgelegen. Darüber hinaus spreche gegen einen Unfallzusammenhang, dass bereits auf dem MRT vom 24. April 2002 unfallzeitpunktnah eine Chondropathie dritten Grades erkennbar gewesen sei. Dies sei eine stark vorangeschrittene Knorpeldegeneration, die sich nicht innerhalb von wenigen Tagen nach dem Unfall hätte bilden können.
Gegen das ihm am 22. Juni 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Juni 2019 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass bislang nur eklatant unbrauchbare, medizinisch unfundierte und unschlüssige Gutachten existierten, weil nach allen Gutachten eine stark ausgeprägte Kniearthrose verheilt sei, was jedoch nach allgemeingültigen und naturwissenschaftlichen Erfahrungen unmöglich sei. Die Beklagte müsse die anspruchshindernde Tatsache einer bereits vorhandenen Schadenslage beweisen. Dr. D. stütze sich ausschließlich auf den bilderlosen MRT-Befund aus 2002, auf den MRT-Bildern von 2005 sei jedoch keine ausgeprägte retropatellare Chondromalazie zweiten bis dritten Grades zu erkennen, sondern erst auf den Bildern von 2014. Es entspreche zudem nicht dem Fairplay, dass Dr. D. den von ihm geschilderten Unfallmechanismus zugrunde gelegt habe. Denn der habe bestimmt nicht so vorgelegen, wie er es geschildert habe, da er sich nach 15 Jahren hieran nicht erinnern könne. Er habe sich diesen notgedrungen selbst experimentell zusammengebastelt. Es sei auch keinesfalls erwiesen, dass Horizontalrisse überwiegend degenerativer Natur seien. Nur aufgrund der Verletzung des vorderen Kreuzbandes komme schon eine MdE von 20 v. H. in Betracht, da das ausgedünnte weitgehend degenerierte vordere Kreuzband ständig potentiell rupturgefährdet sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Mai 2019 aufzuheben sowie den Bescheid vom 22. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2017 abzuändern und festzustellen, dass der bei ihm diagnostizierte Knorpelschaden und die Meniskusverletzung im rechten Knie Folge des Arbeitsunfalls vom 4. Februar 2002 sind und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift vom 29. Januar 2020 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen noch auf die Gewährung einer Rente wegen einer MdE.
Der Kläger erlitt am 4. Februar 2002 einen Arbeitsunfall, als er im Schwimmbad ausrutschte. Die Beklagte hat als Unfallfolge eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes rechts anerkannt. Einen Anspruch auf die weitere Anerkennung eines Knorpelschadens und einer Meniskusverletzung hat der Kläger hingegen nicht.
Ein Anspruch auf Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge nach § 102 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) besteht, soweit jemand einen Gesundheitsschaden erlitten hat, der im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einem Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und der Gesundheitserstschaden bzw. der Tod erwiesen sein. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 30. April 1985 – 2 RU 43/84, BSGE 58, 80). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R BSG, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG vom 18. Januar 2011, a.a.O.). Die Kausalitätsbeurteilung hinsichtlich zunächst klar zu definierender Gesundheitsstörungen hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen, ob also die behauptete Ursache-Wirkungs-Beziehung durch wissenschaftliche Erkenntnisse untermauert plausibel ist. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte ableitet (BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 – 2 RU 31/90, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Im vorliegenden Verfahren haben alle Gutachter – Dr. Bg, Dr. J., Dr. D. und Dr. Al. – übereinstimmend die Ansicht geäußert, dass der Meniskusschaden und die Knorpelschäden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit degenerativer Natur sind und nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden könnten. Überzeugend und nachvollziehbar begründet wurde dies zum einen damit, dass es sich um einen Horizontalriss gehandelt hat und nicht z. B. um einen Korbhenkel- oder Radiärriss im Bereich der Pars intermedia (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 656). Zum anderen fanden sich bei der histologischen Untersuchung keine alten Blutungsreste, also Hinweise auf eine unfallbedingt-traumatische Schädigung. Stattdessen wurde eine ausgeprägt mukoide Grundsubstanz und teils auch kleinzystisch degenerativ verändertes, herdförmig nekrotisiertes und aufgefasertes sowie eingerissenes Meniskusgewebe beschrieben. Trotz des langen Zeitablaufs zum Unfall spricht auch dies mehr für eine unfallunabhängige Ursache. Insbesondere wäre bei einer traumatischen Verletzung nach drei bis vier Monaten mit einer Narbenbildung und auch dem Verschwinden der Reparationsvorgänge zu rechnen gewesen und nicht mit einer dauerhaft bestehenden degenerativen Umbauveränderung. Darüber hinaus war bereits kurze Zeit nach dem Unfall auf dem MRT vom 24. April 2002 eine Chondropathie dritten Grades erkennbar, ein Zeichen einer stark vorangeschrittenen Knorpeldegeneration. Dr. D. und Dr. Al. haben zudem in Zweifel gezogen, dass der vom Kläger beschriebene Unfallablauf überhaupt geeignet gewesen ist, die streitigen Verletzungen beim Kläger auszulösen. Der Kläger beruft sich nunmehr diesbezüglich darauf, dass er den Unfallablauf lediglich selbst konstruiert habe, aber keine genaue Erinnerung mehr habe. Damit ist jedoch noch immer kein Unfallablauf vorgetragen, der geeignet wäre, zu einem Meniskus- und Knorpelschaden zu führen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen einer MdE von mindestens 20 v. H. Versicherte haben Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch <SGB VII>). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente.
Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSG, Urteil vom 26. November 1987 – 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27). Maßgeblich ist aber nicht die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten, sondern eine abstrakte Berechnung (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 3/2017, § 56 Rn. 10.1). Eine rentenberechtigende MdE konnte von keinem der Gutachter festgestellt werden. Die Teilbandruptur des Kreuzbandes ist ausgeheilt, ohne dass eine Bandinstabilität vorliegt (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfähigkeit und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 686). Die Beschwerden des Klägers sind auf die nicht unfallursächlichen Schäden am Meniskus und Knorpel zurückzuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.