Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Gesetzliche Unfallversicherung: Long Covid als neue Berufskrankheit im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Voraussetzungen müssen für die Anerkennung von Long-Covid als Berufskrankheit erfüllt sein?
- Ab welchem Grad der Erwerbsminderung besteht ein Rentenanspruch bei Long-Covid?
- Wie läuft das Antragsverfahren für eine Berufskrankheitenrente bei Long-Covid ab?
- Welche medizinischen Nachweise sind für einen erfolgreichen Rentenantrag erforderlich?
- Was sind die Rechte bei Ablehnung des Rentenantrags durch die Berufsgenossenschaft?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: SG Heilbronn
- Datum: 12.12.2024
- Aktenzeichen: S 2 U 426/24
- Verfahrensart: Sozialgerichtsverfahren zur Gewährung einer Verletztenrente und Feststellung gesundheitlicher Folgestörungen im Rahmen einer anerkannten Berufskrankheit
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Arbeitsmedizin, Berufskrankheitenverordnung
- Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein 1963 geborener ehemaliger Krankenpfleger, der nach einer Covid-19-Erkrankung ab Dezember 2020 gesundheitliche Folgeschäden erlitt; er fordert die Gewährung einer Verletztenrente und die Feststellung eines Post‑Covid-Syndroms (inklusive Fatigue, kognitiver Störung und reaktiv ausgelöster depressiver Störung) als Folgen der anerkannten Berufskrankheit.
- Beklagte: Die Institution, die den ursprünglichen Bescheid erlassen hatte und nun aufgrund des geänderten Urteils dazu verpflichtet wird, die beantragten Leistungen und die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger, der als Krankenpfleger tätig war, erkrankte im Dezember 2020 an Covid-19. Nach Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung beantragte er eine Verletztenrente sowie die Feststellung weiterer gesundheitlicher Folgen, die mit einem Post‑Covid-Syndrom einhergehen.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob dem Kläger ab dem 22.03.2022 eine Verletztenrente zu gewähren und ein Post‑Covid-Syndrom mit den genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Folge der anerkannten Berufskrankheit festzustellen ist.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht hat die ursprüngliche Bescheidform abgelehnt und verordnet, dass die Beklagte dem Kläger ab dem 22.03.2022 eine Verletztenrente bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 % zu gewähren. Ferner wurde festgestellt, dass ein Post‑Covid-Syndrom mit Fatigue-Syndrom, kognitiver Störung sowie einer reaktiv ausgelösten depressiven Störung als Folge der anerkannten Berufskrankheit vorliegt. Zudem ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
- Folgen: Die Entscheidung sichert dem Kläger die finanzielle Absicherung durch die Verletztenrente und die Anerkennung weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen infolge der Berufskrankheit zu. Gleichzeitig verpflichtet sie die Beklagte zur Kostenerstattung und etabliert, dass gesundheitliche Folgestörungen im Zusammenhang mit Covid-19 als Berufskrankheit anerkannt werden können.
Gesetzliche Unfallversicherung: Long Covid als neue Berufskrankheit im Fokus
Die Diskussion um Gesetzliche Unfallversicherung und Berufskrankheit gewinnt mit Long Covid bzw. Post-Covid-Syndrom zunehmend an Relevanz. Immer mehr Betroffene müssen sich mit Ansprüchen bei Berufskrankheiten, Reha-Maßnahmen nach Covid-19 und Fragen zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auseinandersetzen.
Erkrankungen nach Covid-19, wie die Symptome von Long Covid oder psychische Folgen, werfen auch Fragen zu Entschädigung, Schadenersatz Berufskrankheit und präventiven Maßnahmen in der betrieblichen Gesundheitsförderung auf. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt.
Der Fall vor Gericht
Krankenpfleger erhält Rente wegen Long-Covid als Berufskrankheit

Ein 60-jähriger Krankenpfleger aus dem Raum Heilbronn hat erfolgreich eine Verletztenrente aufgrund einer berufsbedingten Covid-19-Erkrankung erstritten. Das Sozialgericht Heilbronn verurteilte die Berufsgenossenschaft, dem Mann eine Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 Prozent zu gewähren.
Schwerwiegende Folgen der Corona-Infektion
Der Krankenpfleger infizierte sich im Dezember 2020 während seiner Tätigkeit im Klinikum mit dem Coronavirus. Die Berufsgenossenschaft erkannte die Erkrankung zwar als Berufskrankheit an, lehnte jedoch eine Rentenzahlung ab. Nach einem ersten Versuch der Arbeitsrückkehr im Juni 2021 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Pflegers deutlich. Er litt unter zunehmender Erschöpfung, Müdigkeit, Atemnot, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen.
Medizinische Befunde bestätigen Post-Covid-Syndrom
Eine neurologische Rehabilitationsmaßnahme von März bis September 2022 diagnostizierte bei dem Pfleger ein Post-Covid-Syndrom mit schweren kognitiven Störungen und einer ausgeprägten Erschöpfungssymptomatik (Fatigue). Ein Neuropsychologe stellte im April 2023 fest, dass eine Rückkehr in den Beruf aufgrund der schweren kognitiven Störungen und der Fatigue-Symptomatik in absehbarer Zeit nicht möglich sei.
Gerichtliche Entscheidung stützt sich auf Gutachten
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf ein nervenärztliches Gutachten. Der Sachverständige bestätigte, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers auf die Covid-19-Infektion zurückzuführen sind. Das Post-Covid-Syndrom ist inzwischen als Berufskrankheit anerkannt. Die festgestellten Beeinträchtigungen – Fatigue-Syndrom, kognitive Störungen und eine reaktive Depression – rechtfertigen nach medizinischen Erfahrungswerten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 Prozent.
Rentenanspruch rückwirkend gewährt
Die Berufsgenossenschaft muss dem Krankenpfleger rückwirkend ab März 2022 eine Verletztenrente zahlen. Das Gericht wies die Einwände der Berufsgenossenschaft zurück, die argumentiert hatte, es gebe noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Long-Covid. Inzwischen liegen medizinische Leitlinien vor, die Post-Covid als eigenständiges Krankheitsbild anerkennen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Rechte von Beschäftigten im Gesundheitswesen, die an Long-Covid erkrankt sind. Es zeigt, dass auch Spätfolgen wie ein Fatigue-Syndrom, kognitive Störungen und depressive Episoden als Folgen einer berufsbedingten Covid-19-Infektion anerkannt werden können. Das Gericht bestätigt einen Rentenanspruch bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30% und die Verpflichtung der Berufsgenossenschaft, diese Folgeerkrankungen anzuerkennen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie im Gesundheitswesen tätig sind und nach einer berufsbedingten Covid-19-Infektion unter anhaltenden Beschwerden leiden, haben Sie gute Chancen auf Anerkennung dieser Folgen als Berufskrankheit. Sie können nicht nur Anspruch auf eine Verletztenrente haben, sondern auch die Anerkennung von Spätfolgen wie chronische Erschöpfung, Konzentrationsstörungen oder psychische Probleme einfordern. Die Berufsgenossenschaft muss dabei die Gesamtheit Ihrer Beschwerden berücksichtigen und kann sich nicht auf die unmittelbaren Folgen der Corona-Infektion beschränken. Dokumentieren Sie Ihre Beschwerden sorgfältig und lassen Sie sich ärztlich gut betreuen – diese Nachweise sind wichtig für die Durchsetzung Ihrer Ansprüche.
Benötigen Sie Hilfe?
Rechtliche Unterstützung bei beruflich bedingten Gesundheitseinschränkungen
Die komplexen Herausforderungen, die mit der Anerkennung von Berufskrankheiten und damit verbundenen Rentenansprüchen einhergehen, betreffen insbesondere Beschäftigte im Gesundheitswesen. Sollte sich Ihre Situation durch anhaltende gesundheitliche Einschränkungen verschärfen und Berufsunfähigkeit eine Rolle spielen, können daraus vielfältige rechtliche Fragestellungen entstehen. Aktuelle medizinische Leitlinien und fundierte Gutachten bieten in solchen Fällen eine wichtige Grundlage, um Ihre Ansprüche zu überprüfen und mögliche Wege der Durchsetzung zu erkennen.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre individuelle Situation strukturiert zu analysieren und Ihre Rechte präzise zu erfassen. Durch eine sachliche und transparente Beratung ermöglichen wir es Ihnen, fundiert die nächsten Schritte abzuwägen und sich im Gespräch umfassend über mögliche rechtliche Strategien zu informieren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Voraussetzungen müssen für die Anerkennung von Long-Covid als Berufskrankheit erfüllt sein?
Grundvoraussetzungen für die Anerkennung
Eine Long-Covid-Erkrankung kann als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn Sie in einem der folgenden beruflichen Tätigkeitsfelder arbeiten:
- im Gesundheitsdienst
- in der Wohlfahrtspflege
- in einem Laboratorium
- in einer Tätigkeit mit vergleichbar hohem Infektionsrisiko
Medizinische Nachweise
Für die Anerkennung müssen Sie folgende medizinische Kriterien erfüllen:
Der Nachweis der Corona-Infektion muss durch einen qualifizierten Test erfolgen:
- Ein PCR-Test oder
- Ein von medizinischem Fachpersonal durchgeführter Antigen-Schnelltest
- Ein Selbsttest reicht nicht aus
Die Erkrankung muss Symptome verursachen – eine symptomlose Infektion genügt nicht für die Anerkennung.
Kausalitätsnachweis
Sie müssen nachweisen können, dass die Infektion beruflich bedingt ist:
- Die Ansteckung muss während der Arbeitszeit erfolgt sein
- Es dürfen keine privaten Infektionsquellen in der Inkubationszeit vorliegen
- Der Kontakt zu einer infizierten Person (Indexperson) am Arbeitsplatz muss dokumentiert sein
Zeitliche Kriterien für Long-Covid
Die gesundheitlichen Einschränkungen müssen:
- länger als vier Wochen nach der Infektion andauern oder
- ab einer Zeit von vier Wochen nach Infektion neu auftreten
Aktuelle Rechtsprechung
Nach einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom Dezember 2024 können auch typische Long-Covid-Symptome wie Fatigue-Syndrom und kognitive Störungen als Folge der Berufskrankheit anerkannt werden. Die Unfallversicherung muss in diesen Fällen eine Verletztenrente zahlen, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 Prozent gemindert ist.
Ab welchem Grad der Erwerbsminderung besteht ein Rentenanspruch bei Long-Covid?
Bei Long-Covid richtet sich der Rentenanspruch nicht nach einem prozentualen Grad der Erwerbsminderung, sondern nach der täglichen Arbeitsfähigkeit in Stunden.
Volle Erwerbsminderungsrente
Sie erhalten eine volle Erwerbsminderungsrente, wenn Sie weniger als 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können. Dies gilt unabhängig von Ihrem bisherigen Beruf.
Teilweise Erwerbsminderungsrente
Eine teilweise Erwerbsminderungsrente steht Ihnen zu, wenn Sie zwischen 3 und unter 6 Stunden täglich arbeiten können. Wichtig: Wenn Sie in diesem Fall arbeitslos sind, können Sie auch eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten.
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen
Für einen Rentenanspruch müssen Sie zusätzlich folgende Bedingungen erfüllen:
- Mindestens 5 Jahre Versicherungszeit vor Eintritt der Erwerbsminderung
- Mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge in den letzten 5 Jahren vor der Erwerbsminderung
Hinzuverdienstgrenzen 2025
Ab Januar 2025 gelten folgende jährliche Hinzuverdienstgrenzen:
- Bei voller Erwerbsminderungsrente: 18.558,75 Euro
- Bei teilweiser Erwerbsminderungsrente: 37.117,50 Euro
Die Erwerbsminderungsrente wird in der Regel zunächst befristet bewilligt. Seit Januar 2025 können Sie eine sechsmonatige Probearbeit absolvieren, ohne Ihren Rentenanspruch zu verlieren.
Wie läuft das Antragsverfahren für eine Berufskrankheitenrente bei Long-Covid ab?
Erstmeldung und Anerkennung der Berufskrankheit
Bei einer COVID-19-Erkrankung mit Langzeitfolgen müssen Sie zunächst die Anerkennung als Berufskrankheit erreichen. Dafür ist eine Berufskrankheitenanzeige (Formular F6000) erforderlich, wenn Sie im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind und folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Nachgewiesener Kontakt mit SARS-CoV-2-infizierten Personen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit
- Positiver Corona-Test durch qualifizierten Antigen-Schnelltest oder PCR-Test
- Auftreten von Krankheitssymptomen
- Keine anderen Infektionsquellen im privaten Umfeld während der Inkubationszeit
Dokumentation der Langzeitfolgen
Nach der Anerkennung als Berufskrankheit ist für einen Rentenanspruch entscheidend, dass die Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20% gemindert ist. Die Langzeitfolgen müssen durch ärztliche Befunde dokumentiert werden, wobei typische Long-COVID-Symptome wie Fatigue-Syndrom oder kognitive Störungen als Folgen der Berufskrankheit anerkannt werden können.
Antragstellung und Begutachtung
Der weitere Prozess gestaltet sich wie folgt:
- Nach 78 Wochen kann ein Antrag auf Verletztenrente bei der zuständigen Berufsgenossenschaft gestellt werden
- Die Berufsgenossenschaft veranlasst eine medizinische Begutachtung zur Feststellung der Folgeschäden
- Ein Sachverständigengutachten wird zur Beurteilung der Kausalität und des Grades der Erwerbsminderung eingeholt
- Die Entscheidung über die Rentenbewilligung erfolgt auf Basis der Gutachten
Wichtig: Die Rente wird in der Regel zunächst befristet bewilligt. Eine unbefristete Gewährung kommt nur in Betracht, wenn eine Genesung unwahrscheinlich ist.
Welche medizinischen Nachweise sind für einen erfolgreichen Rentenantrag erforderlich?
Für einen erfolgreichen Rentenantrag wegen Long-Covid benötigen Sie verschiedene medizinische Nachweise, die Ihre gesundheitlichen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf Ihre Erwerbsfähigkeit dokumentieren.
Ärztlicher Befundbericht
Der ärztliche Befundbericht (ÄBB) Ihres behandelnden Arztes ist das zentrale Dokument für Ihren Rentenantrag. Dieser Bericht muss:
- Die Hauptdiagnose klar benennen
- Alle Funktionsstörungen detailliert beschreiben
- Die bisherigen Behandlungen dokumentieren
- Eine eindeutige Einschätzung Ihrer Leistungsfähigkeit enthalten
Nachweis der Corona-Infektion
Bei Long-Covid müssen Sie die ursprüngliche Infektion nachweisen durch:
- Einen positiven PCR-Test oder
- Einen qualifizierten Antigen-Schnelltest, der von medizinischem Fachpersonal durchgeführt wurde
Dokumentation der Langzeitfolgen
Die Dokumentation der Langzeitfolgen muss folgende Aspekte umfassen:
- Verlaufsdokumentation der Symptome über mindestens 12 Wochen
- Nachweis der durchgeführten Therapien und Rehabilitationsmaßnahmen
- Medizinische Gutachten zu spezifischen Funktionseinschränkungen
Gutachterliche Beurteilung
Die Deutsche Rentenversicherung legt besonderen Wert auf:
- Eine fundierte Kausalitätsbeurteilung zwischen Corona-Infektion und aktuellen Beschwerden
- Eine klare Abgrenzung zu möglichen Vorerkrankungen
- Eine Prognose zur weiteren Entwicklung der Erwerbsfähigkeit
Wenn Sie im Gesundheitswesen tätig sind, müssen zusätzliche Unterlagen vorgelegt werden, die den beruflichen Zusammenhang der Erkrankung belegen.
Die Rentenversicherung kann während des Verfahrens weitere Gutachten anfordern. Sie sind nicht verpflichtet, diese Gutachten auf eigene Kosten zu beschaffen – die Rentenversicherung muss die Kosten tragen und die Gutachten selbst einholen.
Was sind die Rechte bei Ablehnung des Rentenantrags durch die Berufsgenossenschaft?
Bei Ablehnung eines Rentenantrags durch die Berufsgenossenschaft steht Ihnen ein mehrstufiger Rechtsweg zur Verfügung. Gegen die Ablehnung können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids Widerspruch einlegen.
Einlegung des Widerspruchs
Der Widerspruch muss schriftlich bei der Berufsgenossenschaft eingereicht werden. Um die Frist zu wahren, können Sie zunächst einen formlosen Widerspruch ohne Begründung einreichen. Die detaillierte Begründung und relevante Dokumente können Sie innerhalb einer Frist von zwei Wochen nachreichen.
Prüfung durch den Widerspruchsausschuss
Nach Eingang Ihres Widerspruchs prüft ein Ausschuss, bestehend aus Vertretern der Versicherung, der Versicherten und der Arbeitgeber, den gesamten Sachverhalt erneut. Der Ausschuss kann mit Stimmenmehrheit die ursprüngliche Entscheidung aufheben oder weitere Prüfungen veranlassen.
Klageweg bei negativem Widerspruchsbescheid
Wird Ihr Widerspruch abgelehnt, können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang des Widerspruchsbescheids Klage beim zuständigen Sozialgericht erheben. Die Erfolgsaussichten im Klageverfahren sind durchaus beachtlich – mehr als ein Drittel der Klageverfahren enden zugunsten der Antragsteller.
Berufungsverfahren
Sollte die Klage abgewiesen werden, steht Ihnen der Weg der Berufung offen. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat nach Zustellung des Urteils. Berufungsverfahren dauern durchschnittlich ein Jahr und enden in etwa 20 Prozent der Fälle erfolgreich.
Bei Long-Covid als Berufskrankheit ist besonders zu beachten: Die Berufsgenossenschaft muss von sich aus prüfen, ob ein Rentenanspruch besteht. Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um mindestens 20 Prozent gemindert ist.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Berufskrankheit
Eine Erkrankung, die nachweislich durch berufliche Tätigkeiten verursacht wurde und in der offiziellen Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung) aufgeführt ist. Die Anerkennung erfolgt durch die zuständige Berufsgenossenschaft und kann Anspruch auf Entschädigungsleistungen begründen. Grundlage ist §9 SGB VII.
Beispiel: Covid-19-Erkrankungen bei medizinischem Personal, die sich nachweislich während der Berufsausübung infiziert haben.
Minderung der Erwerbsfähigkeit
Bezeichnet den Grad der Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit. Wird in Prozent angegeben und ist maßgeblich für die Höhe der Verletztenrente. Die Beurteilung erfolgt nach medizinischen und beruflichen Kriterien gemäß §56 SGB VII.
Beispiel: Eine MdE von 30% bedeutet, dass die betroffene Person nur noch 70% ihrer ursprünglichen Erwerbsfähigkeit hat.
Verletztenrente
Eine monatliche Entschädigungsleistung der gesetzlichen Unfallversicherung für Personen, die durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit dauerhaft in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind. Die Höhe richtet sich nach dem Grad der MdE und dem bisherigen Arbeitsentgelt. Geregelt in §56-62 SGB VII.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält nach Anerkennung einer Berufskrankheit mit 30% MdE eine monatliche Verletztenrente.
Fatigue-Syndrom
Ein schwerwiegender Erschöpfungszustand, der sich durch normale Erholung nicht bessert und mit erheblichen Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit einhergeht. Charakteristisch sind anhaltende Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und verminderte Belastbarkeit.
Beispiel: Ein Long-Covid-Patient kann trotz ausreichend Schlaf keine längeren Tätigkeiten mehr ausführen und leidet unter ständiger Erschöpfung.
Post-Covid-Syndrom
Langanhaltende gesundheitliche Beschwerden, die über 12 Wochen nach einer Covid-19-Infektion fortbestehen. Umfasst verschiedene Symptome wie Fatigue, kognitive Störungen, Atemnot und psychische Beeinträchtigungen. Seit 2021 von der WHO als eigenständiges Krankheitsbild klassifiziert (ICD-Code U09.9).
Beispiel: Ein Patient leidet Monate nach überstandener Covid-Infektion weiterhin unter Konzentrationsstörungen und Erschöpfung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) Nr. 3101): Die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) regelt die Anerkennung und die damit verbundenen Ansprüche von Mitarbeitern, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bestimmte Krankheiten erleiden. Die Nr. 3101 umfasst Infektionskrankheiten, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in Laboratorien auftreten können. Diese Verordnung ermöglicht es Betroffenen, eine anerkannte Berufskrankheit geltend zu machen und entsprechende Leistungen zu erhalten. Sie legt fest, welche Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt werden und welche Schritte zur Anerkennung erforderlich sind.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte eine Covid-19-Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 3101 anerkannt. Dies bildet die Grundlage für die Gewährung der Verletztenrente und die Feststellung weiterer gesundheitlicher Folgen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers.
- Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)): Das SGB VII regelt die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland. Es umfasst Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, einschließlich Heilbehandlungen, Verletztengeld und Rentenzahlungen bei dauerhaften Erwerbsminderung. Das Gesetz legt die Rechte und Pflichten von Versicherten sowie die Verantwortlichkeiten der Unfallversicherungsträger fest.
Im vorliegenden Fall erfolgt die Anerkennung der Covid-19-Erkrankung als Berufskrankheit nach SGB VII, wodurch der Kläger Anspruch auf eine Verletztenrente und weitere Leistungen aufgrund der dauerhaften Erwerbsminderung von 30 % erhält.
- Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)): Das SGB IX befasst sich mit der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Es zielt darauf ab, die Teilhabe am Arbeitsleben und am gesellschaftlichen Leben zu fördern und Diskriminierungen zu verhindern. Das Gesetz regelt Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation, zur beruflichen Wiedereingliederung und zur Sicherstellung von Hilfsmitteln und Assistenzleistungen.
Der Kläger befindet sich trotz Anerkennung der Berufskrankheit weiterhin in medizinischer Behandlung und Rehabilitation, wie es im SGB IX vorgesehen ist. Die Feststellung weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen und die Unfähigkeit zur Wiedereingliederung in den Beruf sind ebenfalls durch das SGB IX abgedeckt.
- Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)): Das SGB VI regelt die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland. Es umfasst die Leistungen bei Erwerbsminderung, Altersrenten und Hinterbliebenenrenten. Das Gesetz definiert die Voraussetzungen für Rentenansprüche und die Berechnung der Rentenhöhe auf Basis der Versicherungszeiten und eingezahlten Beiträge.
Im vorliegenden Fall wird dem Kläger eine Verletztenrente gemäß SGB VI gewährt, die auf der anerkannten Berufskrankheit und der daraus resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit basiert. Die Rentenleistung sichert dem Kläger finanzielle Unterstützung aufgrund seiner verminderten Arbeitsfähigkeit.
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)): Die VwGO regelt das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in Deutschland. Sie legt die Zuständigkeiten, die Verfahrensabläufe und die Rechte der Beteiligten im Verwaltungsrecht fest. Das Gesetz garantiert einen ordnungsgemäßen Rechtsweg bei Streitigkeiten zwischen Bürgern und öffentlichen Behörden.
Der Kläger hat den Bescheid der Beklagten angefochten und der Fall wurde vor dem Sozialgericht Heilbronn verhandelt. Die Anwendung der VwGO stellt sicher, dass das Verfahren ordnungsgemäß abläuft und der Kläger seine Ansprüche rechtlich durchsetzen kann.
Das vorliegende Urteil
SG Heilbronn – Az.: S 2 U 426/24 – Urteil vom 12.12.2024
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