Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 2 U 534/10 – Urteil vom 17.09.2014
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 21. November 2006 eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der 1971 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als selbstständiger Malermeister tätig. Der Prozessbevollmächtigte teilt mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 der Beklagten mit, dass der Versicherte am 21. November 2006 einen Unfall erlitten habe. Er sei auf einer Baustelle von einer Leiter auf ein am Boden liegendes Klebeband gestiegen und ausgerutscht. Dabei habe er sich den Fuß umgeknickt. Er habe sofort starke Schmerzen gehabt und nicht mehr in üblicher Art auftreten können. Auf Anraten des Hausarztes habe er (am 23. November 2006) das Krankenhaus A-Stadt aufgesucht. Es erfolgten operative Eingriffe am rechten Knie am 27. November und 1. Dezember 2006. Die Unfallanzeige des Klägers datiert vom 17. Januar 2007.
Der Durchgangsarzt Prof. Dr. H. diagnostizierte gemäß dem Durchgangsarztbericht vom 25. Januar 2007 eine Bursitis präpatellaris rechts (Knieschleimbeutelentzündung).
Der erstbehandelnde Hausarzt Dr. S. B. teilte am 5. März 2007 mit, dass der Kläger ihn am 21. November 2006 um 21.00 Uhr in Anspruch genommen habe. Er habe über akute Schmerzen im rechten Knie geklagt, die Beschwerden seien nach längerem Knien (wie schon des Öfteren) aufgetreten. Ein Unfallereignis sei nicht geschildert worden. Er habe ihn an den Chirurgen Dr. F. überwiesen. Dr. F. teilte der Beklagten auf Nachfrage am 26. Juli 2007 mit, dass er den Kläger am 22. November 2006 untersucht habe. Er habe keinen erkennbaren Hautschaden feststellen können, die Laboruntersuchungen hätten eine starke Vermehrung der weißen Blutkörperchen ergeben und er habe den Befund einer akuten Schleimbeutelentzündung am rechten Knie erhoben. Diese sei nicht durch ein erst vortägliches Schadensereignis zumal ohne Hautschaden zu erklären, sondern es handele sich um eine entzündliche Ursache.
Bei einem operativen Eingriff am 27. November 2006 wurde eine eitrige Bursitis rechts diagnostiziert, der Schleimbeutel wurde entfernt. Da der Kläger nach seinen Angaben seit Ende 2006 auch Schmerzen im Lendenwirbelsäulen-(LWS-)Bereich verspürte, wurde am 4. Juli 2007 eine Kernspintomographie durchgeführt, wobei sich ein Prolaps auf Höhe LWK 5/SWK 1 zeigte; Verletzungen wurden nicht festgestellt.
Der Arzt für Orthopädie Dr. L. behandelte den Kläger erstmals am 16. Januar 2007. Das von ihm veranlasste Magnetresonanztomogramm (MRT) des rechten Kniegelenks vom 1. Februar 2007 ergab eine 10 x 9 mm große Knorpelabsprengung im Condylengleitlager. Ein Zusammenhang mit dem angegebenen Unfall sei nicht auszuschließen. Eine Kernspintomographie der LWS vom 2. Juli 2007 zeigte einen Verschleißprozess der beiden caudalen Segmente LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1, in dem auch ein ausgeprägter subligamentärer Prolaps nach dorsomedial links sichtbar wurde.
Die Beklagte holte eine gutachterliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. P. vom 6. März 2007 nach ambulanter Untersuchung ein, der als Folge des Sturztraumas eine direkte Kontusion des rechten Kniegelenks annahm. Zur Frage der haftungsausfüllenden Kausalität des Sturztraumas bezüglich der im Kernspintomogramm festgestellten Knorpelveränderungen könne erst Stellung genommen werden, wenn ein lückenloser Auszug der Leistungskartei der Krankenkasse vorliege.
Die Beklagte holte zu weiteren ärztlichen Befunden eine ergänzende Stellungnahme des Dr. P. vom 21. August 2007 ein, der ausführte, zur Genese einer traumatischen Bursitis bedürfe es keiner äußeren Verletzung; das angegebene Trauma (direkte Kontusion) des vorderen Kniegelenkabschnitts sei durchaus adäquat.
Der Prozessbevollmächtigte wies mit Schriftsatz vom 1. Februar 2008 darauf hin, dass beim Kläger auch ein mittelgradig ausgeprägter Prolaps links auf Höhe LWK 5/SWK 1 diagnostiziert worden sei. Es sei definitiv davon auszugehen, dass dieser Bandscheibenvorfall ebenfalls schadensursächlich bedingt sei. Die Beklagte holte u.a. eine Leistungsauskunft der Krankenkasse (A. Krankenversicherungs-AG) vom 22. Februar 2008 ein. Beigezogen wurde ferner ein MRT der LWS vom 2. Juli 2007.
Die Beklagte beauftragte als Sachverständigen zur Zusammenhangsfrage den Orthopäden Dr. G. F. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens. Dieser führte in dem Gutachten vom 3. Juni 2008 aus, dass beim Kläger eine belastungsabhängige Beschwerdesymptomatik am rechten Kniegelenk aufgrund retropatellarer Knorpeldefektbildung sowie ein chronisches Lumbalsyndrom bei fortgeschrittener Bandscheibendegeneration und Bandscheibenvorfall am Segment L5/S1 sowie Bandscheibendegeneration am Segment L4/L5 bestünden. Das geschilderte Unfallereignis sei mit Wahrscheinlich ursächlich für eine posttraumatische Bursitis prä- und infrapatellaris rechts sowie eine retropatellare Knorpeldefektbildung, jedoch nicht für den Bandscheibenvorfall und die damit verbundenen klinischen Symptome. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage unter 10 v.H.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente ab. Durch den Unfall sei es zu einer Prellung des rechten Kniegelenks mit posttraumatischer Schleimbeutelentzündung und Knorpeldefektbildung im hinteren Bereich der rechten Kniescheibe gekommen. Als Unfallfolgen würden deshalb anerkannt: „Belastungsabhängige Beschwerdesymptomatik am rechten Kniegelenk aufgrund der retropatellaren Knorpeldefektbildung.“ Nicht als Unfallfolgen wurden die Bandscheibenschäden anerkannt.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2008 zurück. Unter Berücksichtigung der festgestellten Unfallfolgen sei gemäß dem Gutachten des Dr. F. eine rentenberechtigende MdE nicht gegeben.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht München erhoben. Es sei zu einer massiven Verschlechterung des unfallbedingten Schmerzzustandes gekommen; ferner seien insbesondere die Bandscheibenvorfälle auf das Unfallereignis zurückzuführen. Es bestehe daher ein Anspruch auf eine Verletztenrente.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. L. vom 21. Juli 2009 eingeholt. Insbesondere der Labordatenausdruck einer Blutprobe, die vom Hausarzt am Abend des 21. November 2006 bei „Schüttelfrost“ abgenommen habe, zeige die typische Konstellation eines hochakuten bakteriellen Infektes mit fast 20.000 Leukozyten (Normalwert: 4.000 – 9.400) bei gleichzeitig erhöhtem Harnsäure- und Blutzuckerwert. Es ergebe sich der dringende, sich fast zur Gewissheit verdichtende Verdacht, dass sich am Unfalltag lediglich eine schon einige Tage dahin schwelende, langsam und allmählich entstandene Bursitis präpatellaris verschlechtert habe. Hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden handele es sich ohne Frage um statische Beschwerden bei beginnenden, durchaus noch altersnormalen degenerativen Veränderungen der beiden untersten LWS-Segmente.
Falls ein Unfallereignis angenommen werde, sei es dadurch nur zu einer prellungsbedingten Verschlechterung einer bereits schwelenden präpatellaren Schleimbeutelentzündung am rechten Kniegelenk gekommen. Die Bewegungsmaße am rechten Kniegelenk hat der Sachverständige mit 0/0/145 (linkes Kniegelenk: 0/0/150) gemessen. Es habe zu keiner Zeit eine MdE bestanden.
Zu den klägerischen Einwendungen hat der Sachverständige am 18. September 2009 Stellung genommen, der an seinem Gutachten festgehalten hat.
Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte Orthopäde Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 7. Dezember 2009 die Gesamt-MdE auf 40 v.H. eingeschätzt, hierbei eine Einzel-MdE von 30 v.H. für die Beeinträchtigung des rechten Kniegelenks und 20 v.H. für die Beeinträchtigung der Wirbelsäule. Bei dem geschilderten Unfallgeschehen mit möglicher Distorsion der Wirbelsäule bestehe die Möglichkeit der Aktivierung auch bereits vorhandener Veränderungen mit nachfolgender schmerzhafter Belastungs- und Bewegungseinschränkung. Die Bewegungsmaße der Kniegelenke (10/0/120) wurden als gleich angegeben.
Im März 2010 ist der Kläger an der Bandscheibe operiert worden. MRT-Ausdrucke sind hierzu vorgelegt worden. Das Gericht hat dem Sachverständigen Dr. L. die aktuellen Befunde und Röntgenaufnahmen zur Auswertung vorgelegt. In der ergänzenden Stellungnahme vom 9. Oktober 2010 ist der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt, dass sich weder aus dem Gutachten des Dr. R. noch aus den Schriftsätzen des Klägerbevollmächtigten und den bildgebenden Befunden neue Gesichtspunkte ergeben, die zu einer Änderung seines Gutachtensergebnisses führen würden. Er hat erneut darauf hingewiesen, dass es sich um einen degenerativen Bandscheibenschaden handele.
Mit Urteil vom 21. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist dabei weitgehend dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. gefolgt. Dieser habe in Übereinstimmung mit dem Schrifttum festgestellt, dass die als Folgen des Arbeitsunfalls anerkannten Schäden am rechten Knie die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht derart beeinträchtigen, dass ein Grad der MdE von wenigstens 20 v.H. erreicht wird. Dabei hat das Sozialgericht ausdrücklich offen gelassen, ob die am 22. November 2006 diagnostizierte Schleimbeutelentzündung überhaupt als Folge eines Arbeitsunfalls anzuerkennen gewesen wäre. Jedenfalls hätten die von der Beklagten anerkannten Folgen des Arbeitsunfalls – also eine posttraumatische Schleimbeutelentzündung und die Knorpeldefektbildung im hinteren Bereich der rechten Kniescheibe – nicht zu einer MdE über die 26. Woche hinaus geführt. Hier habe bereits Dr. P. bei seiner für die Beklagte vorgenommene Untersuchung des Klägers am 16. März 2007 außer einer diskreten Reduzierung der rechten Ober- und Unterschenkelmuskulatur keine Beeinträchtigungen mehr festgestellt. Schon damals zeigte der Kläger ein flüssiges Gangbild ohne Hinken bzw. Rechtsbetonung und es konnten differenzierte Geh- und Stehqualitäten unbehindert durchgeführt werden.
Auch Dr. L. habe bei seiner Untersuchung am 21. Juli 2009 keinerlei Beeinträchtigung des Gangbildes und der Bewegungsfähigkeit festgestellt. Die vergleichenden Umfangmessungen an den Beinen haben an allen Messpunkten seitengleiche Werte gezeigt, was beweise, dass das rechte Bein entgegen den Angaben des Klägers nicht schmerzbedingt geschont werde.
Dr. L. komme auch schlüssig zu dem Ergebnis, dass es überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass die vom Kläger geklagten Wirbelsäulenbeschwerden unfallbedingt sein könnten. Es fehle bereits am Nachweis jeder Verletzungen in diesem Bereich, es sei nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar, wie Dr. L. zurecht darlege, wie ein jedenfalls im März 2007 ausgeheilter entzündlicher Schleimbeutel zu Wirbelsäulenbeschwerden führen solle.
Den Ausführungen von Dr. R. in seinem Gutachten nach § 109 vom 17.12.2009 hat sich die Kammer dagegen nicht anschließen können. Entgegen der offensichtlichen Auffassung von Dr. R. sei die MdE nach Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten.
Dr. R. habe bei seiner Untersuchung kaum Beeinträchtigungen festgestellt, er beschreibe selbst ein aufrechtes flüssiges Gangbild und konnte im Bereich der unteren Extremitäten keine nennenswerten Umfangdifferenzen feststellen. Selbst wenn man den von ihm gemessenen Bewegungsumfang des rechten Kniegelenks mit 10/0/120 als zutreffend und rein unfallbedingt ansehen würde, wäre die MdE nicht mit 20 v.H. zu bewerten (vgl. Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 8. Aufl. Seite 685); danach komme eine MdE von 20 v.H. erst bei einer Bewegungseinschränkung des Kniegelenks auf 0/0/90 in Betracht. Wenn Dr. R. trotz der auch von ihm selbst festgestellten geringfügigen Funktionseinschränkungen eine MdE allein für das Kniegelenk von 30 v.H. annimmt, zeige dies nur, dass ihm die Bewertungskriterien in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bekannt seien. Dies gelte ebenso für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen den Wirbelsäulenbeschwerden und dem Unfallgeschehen.
Für die Annahme eines Unfallzusammenhangs müsse der Primärschaden zunächst nachgewiesen sein und die daraus folgenden Gesundheitsschäden müssten zumindest wahrscheinlich sein. Dr. R. halte es offensichtlich für ausreichend, dass eine mögliche Distorsion eingetreten ist und dann die Möglichkeit einer Aktivierung besteht. Diese Ausführungen seien rechtlich nicht verwertbar, da Dr. R. offensichtlich die unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätsgrundsätze verkenne.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und im Rahmen der Begründung zunächst den Unfallhergang geschildert. Bis zu dem Unfall habe er beschwerdefrei gelebt. Sowohl die erheblichen Beeinträchtigungen des rechten Kniegelenks – als solche schon ausreichend – als auch die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule würden eine MdE von mehr als 20 v.H. bedingen. Auf das Gutachten des Dr. R. ist dabei Bezug genommen worden.
Der Senat hat Befundberichte des Neurochirurgen Dr. G., des Allgemeinarztes Dr. L., des Dr. D. (Wirbelsäulenzentrums am S.) sowie eine Bescheinigung der Zeiten von Arbeitsunfähigkeit der AOK Bayern für 1999 sowie der A. Krankenversicherungs-AG eingeholt und den Orthopäden Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens (Gutachten vom 10. Januar 2014) beauftragt. Dr. C. hat die Ansicht vertreten, dass es durch das Unfallgeschehen zu einer Prellung der rechten Knievorderseite mit traumatischer Schädigung des Schleimbeutels vor der Kniescheibe und sekundärer Infektion gekommen sei. Eine vorbestehende Bursitis/Infektion des Schleimbeutels am rechten Kniegelenk vor dem Unfallgeschehen sei auf Grund der Aktenlage nicht nachweisbar und müsse ausgeschlossen werden. Durch den Unfall sei es durch das stattgehabte Kontusionstrauma an der rechten Knievorderseite zu einer traumatischen Verletzung der Bursa gekommen; dies sei auch ohne begleitende Hautschädigung möglich.
Eine Aktivierung bzw. Verschlimmerung des vorbestehenden Knorpelschadens sei kausalrechtlich nicht bewertbar.
Auch eine Wirbelsäulenverletzung bzw. eine Verschlimmerung der vorbestehenden Verschleißschäden an der LWS müsse ausgeschlossen werden.
Beim Kläger hätten Schadensanlagen am rechten Kniegelenk sowie an der LWS vorgelegen. Die ab der 7. Woche nach dem Unfallgeschehen anhaltenden Beschwerden am rechten Kniegelenk seien maßgeblich auf die Schadensanlage in Form des vorbestehenden Knorpelschadens an der medialen Patellafacette zurückzuführen. Für die ab Juli 2007 festgestellten Beschwerden an der LWS seien ausschließlich die Schadensanlagen in Form vorbestehender Verschleißprozesse maßgeblich; das Unfallgeschehen habe hier zu keiner Verschlimmerung geführt.
Die Kniegelenksbeweglichkeit bei Streckung/Beugung hat der Sachverständige mit jeweils 10/0/140 gemessen. Eine MdE liege nicht vor, da sechs Wochen nach dem Unfallgeschehen die reinen Unfallfolgen, nämlich die Verletzung der präpatellaren Bursa, durch die operative Intervention und den komplikationslosen Heilungsverlauf folgenlos verheilt war. Die Schleimbeutelentzündung, die von der Beklagten als unfallbedingt anerkannt wurde, rechtfertige keine MdE.
Die Beklagte hat zuletzt mit Schriftsatz vom 5. Februar 2014 darauf verwiesen, dass ihrerseits weitaus mehr als Unfallfolgen und Arbeitsunfähigkeit anerkannt worden sei als nach dem Gutachten Dr. C. dem Kläger zustehe. Eine MdE liege nicht vor.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014 die Berufung aufrecht erhalten, da dem Gutachten des Dr. C. nicht Folge geleistet werden könne. Etliche Ausführungen des Gutachters würden bestritten. So sei z.B. die Auseinandersetzung des Sachverständigen mit dem Gutachten Dr. R. unzutreffend. Der Sachverständige verkenne ferner, dass der Kläger gestürzt sei und dabei heftig direkt mit dem Knie auf einen Fliesenboden aufgetroffen sei. Er hat ferner ein ärztliches Attest des Dr. L. vom 14. März 2014 vorgelegt, wonach der Kläger unter dauernden Beschwerden des rechten Kniegelenks sowie ausgeprägten LWS-Beschwerden leide.
Der Kläger hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20. August 2014 auf die Feststellungen des Dr. F. verwiesen, denen die von Dr. C. entgegen stünden. Dr. F. habe eindeutig als unfallbezogene Diagnosen eine posttraumatische Bursitis prä- und infrapatellaris rechts sowie eine retropatellare Knorpeldefektbildung festgestellt. Die Beklagte könne nicht die ursprünglich von ihr anerkannte Diagnose in Frage stellen. Der Knorpelschaden sei kausal auf das Schadensereignis zurückzuführen. Soweit die Beklagte hinsichtlich des Bandscheibenvorfalls auf eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) hinweise, hätte sie den Kläger hierüber rechtzeitig aufklären müssen. Jedenfalls habe er vor dem Schadensereignis keinerlei gesundheitlichen Probleme bezogen auf die Bandscheiben gehabt.
In einer Stellungnahme vom 4. September 2014 hat die Beklagte an ihrer Argumentation festgehalten. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2014 wird verwiesen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2008 zu verurteilen, festzustellen, dass belastungsabhängige Rückenschmerzen bei Läsion LWK 5/SWK 1 weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 21. November 2006 sind, und ihm aus Anlass dieses Arbeitsunfalls eine Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Der Klageantrag wurde zuletzt dahingehend erweitert, dass die Rückenbeschwerden bei festgestellter L5/S1 als weitere Unfallfolgen festzustellen sind. Es handelt sich um eine jedenfalls sachdienliche Klageerweiterung, da die dahinter stehende medizinische Frage bereits ein wesentlicher Gegenstand der erfolgten Begutachtungen gewesen ist. Der Klageantrag ist als zulässiger Antrag im Sinne einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. SGG) formuliert.
Rechtlich nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII, der in dem Ereignis vom 21. November 2006 zu sehen ist. Nicht streitgegenständlich ist das Vorliegen einer Berufskrankheit – hier evtl. nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Es handelt sich bei einem Arbeitsunfall und einer Berufskrankheit gemäß § 7 SGB VII um verschiedene Leistungsfälle; weder die Beklagte noch das Sozialgericht haben hierüber entschieden.
Der Arbeitsunfall sowie als Unfallfolgen „belastungsabhängige Beschwerdesymptomatik am rechten Kniegelenk aufgrund der retropatellaren Knorpeldefektbildung“ sind von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid anerkannt. Als Art der Verletzung ist anerkannt: „Prellung des rechten Kniegelenkes mit posttraumatischer Schleimbeutelentzündung und Knorpeldefektbildung im hinteren Bereich der rechten Kniescheibe.“
Streitig ist lediglich, wie hoch gemäß § 56 SGB VII die MdE aufgrund der Kniebeschwerden einzuschätzen ist und ob die Wirbelsäulenbeschwerden eine weitere Unfallfolge darstellen, die zu einer Erhöhung der MdE führen würde.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und sich sowohl hinsichtlich der MdE-Bewertung als auch hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden vor allem auf das Gutachten des Dr. L. gestützt. Insbesondere ist es mit ausführlicher und zutreffender Begründung nicht dem Gutachten des Dr. R. gefolgt. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch wenn der vom Senat beauftragte Dr. C. die Unfallfolgen bezüglich des Kniegelenks medizinisch teilweise abweichend als Dr. L. beurteilt, stimmen beide Gutachter darin überein, dass sich zum einen aus den das rechte Knie betreffenden Unfallfolgen keine MdE von mind. 20 v.H. ergibt; zum anderen bestätigt auch Dr. C. die Darlegung von Dr. L., dass die LWS-Beschwerden im Sinne eines Bandscheibenvorfalls im Segment LWK 5/SWK 1 nicht unfallbedingt, sondern als schadensanlagebedingt zu beurteilen sind. Es sind vorbestehende Verschleißprozesse gegeben, die für die aufgetretenen Schmerzen und Beschwerden einschließlich der Bandscheibenvorfälle verantwortlich sind. Darüber hinaus ist ein isolierter traumatischer Bandscheibenvorfall ausgeschlossen. Der Bandscheibenvorfall ist Folge eines anlagebedingten, mehrzeitigen Zerrüttungsprozesses ohne einen Unfallbezug.
Auch ist es nach Darlegung des Dr. C. durch das Unfallgeschehen nicht zu einer Verschlimmerung der WS-Beschwerden gekommen. Allein der zeitliche Zusammenhang mit einem Unfallereignis ist nicht ausreichend. Darüber hinaus findet sich ein entsprechender Befund erst im März 2007 im Rahmen einer Vorstellung im Krankenhaus F-Stadt und in dem Befundbericht des Neurochirurgen Dr. G. vom 20. März 2008 mit der Aussage des Klägers, seit Ende 2006 nach Weihnachten Schmerzen im LWS-Bereich zu haben. Bezogen auf den Unfall erfolgte eine Behandlung bis dahin allein des rechten Knies. Die Kernspintomographie der LWS vom 2. Juli 2007 zeigte einen Verschleißprozess der beiden caudalen Segmente LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1, in dem auch ein ausgeprägter subligamentärer Prolaps nach dorsomedial links sichtbar wurde. Der Sachverständige hat unter Berücksichtigung der umfangreichen Fachliteratur überzeugend ausgeführt, dass der isolierte traumatische Bandscheibenvorfall nach allen Untersuchungen ausgeschlossen werden muss. Beim Kläger konnte die für eine traumatische Verletzung der Bandscheibe notwendige Begleitverletzung des Bandapparates oder der knöchernen Strukturen im Rahmen der Kernspintomographie vom Juli 2007 eindeutig ausgeschlossen werden.
Maßgeblich für die MdE-Bewertung sind damit nur die Schäden am rechten Kniegelenk. Zwar dürfte nach dem Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung durch den Senat der Knorpelschaden keine Unfallfolge darstellen, doch ist dieser von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Bescheid anerkannt, worauf auch der Kläger zutreffend im Berufungsverfahren verweist; dies wird allerdings auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Unfallbedingt ist nach dem Gutachten des Dr. C. – mit schlüssiger Begründung – neben einer Prellung der rechten Knievorderseite eine traumatische Schädigung des Schleimbeutels vor der Kniescheibe und eine sekundäre Infektion. Insoweit gehen die Gutachten Dr. L. und Dr. C. nicht konform. Jedenfalls hat die Beklagte auch eine Bursitis als Unfallfolge anerkannt.
Zutreffend hat die Beklagte deshalb darauf hingewiesen, dass sie weitergehende Unfallfolgen anerkannt hat als von Dr. C. angenommen. Maßgebend ist somit die Frage, ob die insoweit von der Beklagten festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen eine MdE von mindestens 20 v.H. rechtfertigen. Allein die Verletzung der präpatellaren Bursa mit sekundärer Infektion bedingt nach dem Sachverständigen Dr. C. keine MdE, da diese durch die operative Intervention und den komplikationslosen Heilverlauf folgenlos nach sechs Wochen ausgeheilt ist. Auch eine „posttraumatische Schleimbeutelentzündung“ als solches bedingt keine MdE auf unbestimmte Zeit, da sie ausgeheilt ist. Entsprechendes gilt für eine „Prellung des rechten Kniegelenkes“, die ebenfalls innerhalb weniger Wochen folgenlos ausheilt.
Unter Berücksichtigung auch der durch einen Knorpelschaden bedingten Funktionsbeeinträchtigungen ergibt sich ebenfalls keine MdE von mind. 20 v.H. Auch hierzu hat das Sozialgericht zutreffend auf die Fachliteratur und die Messergebnisse beim Kläger hingewiesen. Die Beweglichkeit des rechten Knies ist auch nach Dr. C. nicht auf 0/0/90 eingeschränkt, sondern beträgt rechts wie links 10/0/140, so dass sich eine MdE von 20 v.H. nicht rechtfertigt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 654). Nach der Fachliteratur bedingt eine Bewegungseinschränkung eines Kniegelenks von 0/0/90 eine MdE von 15 bzw. 20 v.H. (so Mehrhoff, Unfallbegutachtung, 11. Aufl. 2005 S. 169), eine MdE von 10 v.H. ist bei einer Bewegungseinschränkung von 0/0/120 angezeigt. Auch aus den Messungen des Dr. L. (0/0/145 rechts gegenüber 0/0/150 links) und Dr. R. (links und rechts 10/0/120) ergibt sich hiernach keine unfallbedingte MdE. Auch die Umfangmaße im Bereich des Kniegelenks sind rechts nur geringfügig höher als links. Die Schrittlänge war gleich, ebenso die lange Belastungsphase beider Beine. Es war ein regelrechtes Abrollen der Füße erkennbar. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen der Untersuchung durch Dr. C. eine „augenscheinlich nur begrenzte Kooperation“ zeigte. Am rechten Kniegelenk zeigte sich im Rahmen der ambulanten Untersuchung nur ein mäßiger Patellaanpress- und Verschiebeschmerz sowie ein mäßiger lateraler, kein medialer Facettenschmerz, keine Schwellung oder Rötung.
Das Gutachten des Dr. C. ist schlüssig und überzeugend. Dr. C. setzt sich eingehend mit der Aktenlage und den vorliegenden Befunden, den Ergebnissen der bildgebenden Verfahren, den Vorgutachten und der Fachliteratur auseinander. Das vom Kläger geschilderte Unfallgeschehen wird von dem Sachverständigen zugrunde gelegt.
Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren auf das Gutachten des Dr. F. beruft, ist darauf hinzuweisen, dass auch dieser die MdE auf unter 10 v.H. bewertete. Dabei folgte die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid ausdrücklich diesem Gutachten: Dies betrifft zum einen die Unfallfolgen sowie die Nichtanerkennung des Bandscheibenvorfalls im LWS-Bereich, zum anderen die Höhe der MdE.
Der Senat folgt aus den Gründen, die das Sozialgericht dargelegt hat, nicht dem Gutachten des Dr. R..
Abweichendes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem zuletzt noch vorgelegten Attest des Dr. L. vom 14. März 2014. Dieses beschreibt weder einzelne Beschwerden noch geht es auf Kausalitätsfragen ein. Eine Verschlimmerung ist hieraus ebenfalls nicht erkennbar.
Soweit sich der Kläger zuletzt auf Bewertungen in der Fachliteratur hinsichtlich des „Grades der Behinderung (GdB)“ beruft, können diese für das Schwerbehindertenrecht geltenden Grundsätze nicht für die MdE nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung herangezogen werden.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.