Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Herausforderungen bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente im Detail
- Der Fall vor Gericht
- Rentenantrag einer 53-jährigen wegen psychischer und körperlicher Erkrankungen abgelehnt
- Umfangreiche medizinische Begutachtung durch mehrere Fachärzte
- Gerichte bestätigen Ablehnung des Rentenantrags
- Berufungsgericht sieht ausreichendes Leistungsvermögen
- Diagnosen allein nicht entscheidend für Rentenanspruch
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche gesundheitlichen Voraussetzungen müssen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt sein?
- Was passiert bei der medizinischen Begutachtung durch die Rentenversicherung?
- Wie wird die Arbeitsfähigkeit in Stunden berechnet und bewertet?
- Welche Rechtsmittel sind nach einer Ablehnung des Rentenantrags möglich?
- Welche Bedeutung haben die ärztlichen Gutachten für die Entscheidung der Rentenversicherung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Weitere Beiträge zum Thema
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Hamburg
- Datum: 12.03.2024
- Aktenzeichen: L 3 R 12/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Rentenrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine Frau, die am 20. August 2012 einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellte. Sie argumentiert, dass sie an mehreren gesundheitlichen Einschränkungen leidet, die ihre Arbeitsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Ihre Beschwerden umfassen Bluthochdruck, psychische Störungen, orthopädische Probleme und andere physische Beschwerden. Sie behauptet, diese Beeinträchtigungen würden verhindern, dass sie unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann.
- Beklagte: Die für die Gewährung von Erwerbsminderungsrenten zuständige Versicherungsträgerin. Sie hat den Antrag auf Erwerbsminderungsrente mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin trotz ihrer Gesundheitsprobleme noch mindestens sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin beantragte eine Erwerbsminderungsrente, da sie an mehreren gesundheitlichen Einschränkungen leidet, die ihrer Meinung nach ihre Fähigkeit, täglich sechs oder mehr Stunden zu arbeiten, mindern. Zu ihren Gesundheitsproblemen zählen bluthochdruckbedingte Symptome, psychische Störungen, orthopädische Beschwerden und chronische Schmerzen. Trotz mehrfacher medizinischer Begutachtungen, die teilweise verschiedene Diagnosen und Bewertungen des Leistungsvermögens ergaben, blieb die Bekte bei ihrer Entscheidung, den Rentenantrag abzulehnen.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage ist, ob die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen als teilweise oder voll erwerbsgemindert im Sinne des Sozialgesetzbuches gilt und somit Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente hat.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg wurde zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten, den Antrag auf Erwerbsminderungsrente abzuweisen, wurde als rechtmäßig bestätigt.
- Begründung: Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Klägerin zwar gesundheitliche Einschränkungen hat, diese jedoch nicht ausreichen, um von einer Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinn zu sprechen. Die Klägerin kann nach den eingeholten Gutachten noch leichte Tätigkeiten mit gewissen Einschränkungen im erforderlichen Umfang verrichten. Diagnosen wie Zervikobrachialsydrom oder Dysthymie wurden als vorhanden anerkannt, begründen jedoch keine ausreichende Einschränkung des Leistungsvermögens.
- Folgen: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die gewünschte Rente wegen Erwerbsminderung. Die Entscheidung zieht keine Revisionsmöglichkeit nach sich, da die gesetzlich relevanten Kriterien für eine Nichterwerbsfähigkeit nicht erfüllt wurden. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin selbst.
Herausforderungen bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente im Detail
Die Erwerbsminderungsrente ist eine wichtige Leistung der Rentenversicherung für Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Die Voraussetzungen für den Erhalt dieser Rente sind vielfältig und setzen voraus, dass der Antragsteller einen Nachweis über seine Erwerbsminderung erbringt. Dabei wird zwischen einer teilweisen und einer vollen Erwerbsminderungsrente unterschieden, abhängig davon, in welchem Umfang die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist.
Um einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente geltend zu machen, müssen verschiedene Kriterien erfüllt werden, darunter der Nachweis des Gesundheitszustands und gegebenenfalls die Durchführung von Reha-Maßnahmen. Ein Bescheid der Rentenversicherung entscheidet schließlich über die Gewährung der finanziellen Unterstützung. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Herausforderungen und Gegebenheiten bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente veranschaulicht.
Der Fall vor Gericht
Rentenantrag einer 53-jährigen wegen psychischer und körperlicher Erkrankungen abgelehnt
Das Landessozialgericht Hamburg hat eine Klage auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zurückgewiesen. Die 1961 geborene Klägerin hatte im August 2012 einen entsprechenden Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt und geltend gemacht, sie leide unter Bluthochdruck, Wassereinlagerungen, psychischen Störungen, Wirbelsäulenproblemen sowie Einschränkungen der Schulter- und Armfunktion.
Umfangreiche medizinische Begutachtung durch mehrere Fachärzte
Die Rentenversicherung ließ die Antragstellerin durch mehrere medizinische Gutachter untersuchen. Die Fachärzte diagnostizierten unter anderem eine wiederkehrende depressive Störung mittlerer Schwere, Bluthochdruck, Wirbelsäulenprobleme sowie Gelenkbeschwerden. Die Gutachter kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten ausüben könne.
Gerichte bestätigen Ablehnung des Rentenantrags
Nachdem die Rentenversicherung den Antrag abgelehnt hatte, klagte die Versicherte zunächst vor dem Sozialgericht Hamburg. Dieses holte weitere fachärztliche Gutachten ein, die das Ergebnis der ersten Untersuchungen bestätigten. Die Klage wurde daraufhin abgewiesen.
Berufungsgericht sieht ausreichendes Leistungsvermögen
Das Landessozialgericht Hamburg folgte in der Berufungsverhandlung der Einschätzung der Vorinstanz. Nach Auffassung der Richter ist die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Diese müssen allerdings bestimmte Bedingungen erfüllen: Die Tätigkeiten sollten überwiegend im Sitzen erfolgen, keine schwere körperliche Arbeit erfordern und nicht mit erhöhtem Stress oder Schichtarbeit verbunden sein.
Diagnosen allein nicht entscheidend für Rentenanspruch
Das Gericht betonte in seiner Urteilsbegründung, dass für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nicht allein die medizinischen Diagnosen ausschlaggebend seien. Entscheidend seien vielmehr die tatsächlichen funktionellen Einschränkungen. Die bei der Klägerin festgestellten Beeinträchtigungen seien nicht so schwerwiegend, dass sie zu einer erheblichen Minderung der Erwerbsfähigkeit führen würden.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente sind nicht die medizinischen Diagnosen allein ausschlaggebend, sondern die tatsächlichen funktionellen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit. Auch eine langjährige Arbeitsunfähigkeit für den bisherigen Beruf bedeutet nicht automatisch einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, solange noch andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens 6 Stunden täglich ausgeübt werden können. Die Gerichte prüfen dabei sehr genau anhand mehrerer unabhängiger medizinischer Gutachten, ob die vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen tatsächlich zu einer erheblichen Minderung der Erwerbsfähigkeit führen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie eine Erwerbsminderungsrente beantragen möchten, sollten Sie nachweisen können, dass Ihre gesundheitlichen Einschränkungen Sie konkret daran hindern, mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten – und zwar in jeglicher Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Rentenversicherung und Gerichte lassen dabei ausschließlich Medizinische Gutachten als Nachweis gelten, nicht die Einschätzung Ihres behandelnden Arztes zur Arbeitsunfähigkeit. Eine erfolgreiche Antragstellung erfordert daher, dass mehrere unabhängige Gutachter Ihre funktionellen Einschränkungen bestätigen. Bereiten Sie sich darauf vor, dass verschiedene Fachärzte Ihr Leistungsvermögen umfassend prüfen werden und dabei auch untersuchen, welche alternativen Tätigkeiten für Sie noch in Frage kommen könnten.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche gesundheitlichen Voraussetzungen müssen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt sein?
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente orientieren sich an Ihrer täglichen Arbeitsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
Ein medizinisches Gutachten durch einen von der Deutschen Rentenversicherung beauftragten Arzt bestimmt Ihre gesundheitliche Leistungsfähigkeit. Bei dieser Untersuchung wird festgestellt, wie viele Stunden Sie täglich noch arbeiten können:
- Unter 3 Stunden: Sie haben Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente
- 3 bis unter 6 Stunden: Sie können eine teilweise Erwerbsminderungsrente erhalten
- Ab 6 Stunden: Es besteht kein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente
Prüfung der Leistungsfähigkeit
Bei der Beurteilung wird nicht nur Ihr bisheriger Beruf berücksichtigt. Die Prüfung bezieht sich auf jede mögliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die gesundheitlichen Einschränkungen müssen dabei für mindestens sechs Monate bestehen.
Reha-Maßnahmen
Vor der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente wird nach dem Grundsatz „Reha vor Rente“ geprüft, ob Ihre Arbeitsfähigkeit durch medizinische Rehabilitation oder berufliche Förderung wiederhergestellt werden kann. Eine meist dreiwöchige Rehabilitationsmaßnahme dient dabei auch der genaueren Beurteilung Ihrer gesundheitlichen Situation.
Was passiert bei der medizinischen Begutachtung durch die Rentenversicherung?
Die medizinische Begutachtung ist ein zentraler Bestandteil im Entscheidungsprozess über Ihren Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Nach Eingang Ihres Antrags beauftragt die Deutsche Rentenversicherung einen Facharzt mit der Erstellung eines Gutachtens.
Ablauf der Begutachtung
Der Gutachtertermin dauert in der Regel länger als ein normaler Arztbesuch. Zu Beginn werden Sie nach Ihrer Krankengeschichte und den aktuellen Beschwerden befragt. Einige Gutachter verwenden dabei auch standardisierte Fragebögen.
Die körperliche Untersuchung umfasst verschiedene medizinische Tests und Untersuchungen, die für die Beurteilung Ihrer Leistungsfähigkeit relevant sind. Dazu können Ultraschalluntersuchungen, Röntgenaufnahmen oder andere diagnostische Verfahren gehören.
Beurteilungskriterien
Der Gutachter prüft insbesondere Ihre verbleibende Arbeitsfähigkeit in Stunden pro Tag. Dabei wird nicht nur Ihr bisheriger Beruf berücksichtigt, sondern jede mögliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Folgende Aspekte werden dabei besonders berücksichtigt:
- Ihre körperliche und psychische Belastbarkeit
- Vorhandene medizinische Befunde und Therapieverläufe
- Auswirkungen der Erkrankungen auf Ihre Arbeitsfähigkeit
- Prognose Ihres Gesundheitszustands
Dokumentation und Entscheidung
Der Gutachter erstellt einen ausführlichen Bericht, der alle Untersuchungsergebnisse und seine Einschätzung Ihrer Erwerbsfähigkeit enthält. Dieses Gutachten ist die Grundlage für die Entscheidung der Rentenversicherung über Ihren Antrag.
Bei psychischen Erkrankungen kann zusätzlich eine psychologische Begutachtung erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung bezieht zunehmend auch Psychologen in die Beurteilung der erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit ein.
Wie wird die Arbeitsfähigkeit in Stunden berechnet und bewertet?
Die Deutsche Rentenversicherung bewertet Ihre Arbeitsfähigkeit nach einem dreistufigen Stundenmodell, das sich auf einen normalen Arbeitstag in einer Fünf-Tage-Woche bezieht.
Bewertungsstufen der Arbeitsfähigkeit
Wenn Sie weniger als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten können, gelten Sie als voll erwerbsgemindert. In diesem Fall haben Sie Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente.
Bei einer Arbeitsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich liegt eine teilweise Erwerbsminderung vor. Sie erhalten dann eine Teilerwerbsminderungsrente, die als Ergänzung zu einem möglichen Teilzeiteinkommen gedacht ist.
Können Sie sechs oder mehr Stunden täglich arbeiten, besteht kein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
Besondere Bewertungskriterien
Die Beurteilung Ihrer Arbeitsfähigkeit erfolgt unabhängig von Ihrem bisherigen Beruf. Die Deutsche Rentenversicherung prüft dabei nicht nur die reine Arbeitszeit, sondern auch weitere Faktoren wie:
- Die Fähigkeit, den Weg zur Arbeit zurückzulegen
- Den Bedarf an betriebsunüblichen Pausen
- Qualitative Leistungseinschränkungen
Bei einer Arbeitsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden können Sie unter bestimmten Umständen dennoch eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten, wenn Sie keinen entsprechenden Teilzeitarbeitsplatz finden. Dies wird als verschlossener Arbeitsmarkt bezeichnet.
Die Bewertung erfolgt durch medizinische Gutachten, die Ihre gesundheitliche Leistungsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes beurteilen. Die Rentenbewilligung ist in der Regel zunächst auf drei Jahre befristet.
Welche Rechtsmittel sind nach einer Ablehnung des Rentenantrags möglich?
Nach einer Ablehnung des Rentenantrags steht Ihnen der Widerspruch als erstes Rechtsmittel zur Verfügung. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Zugang des Ablehnungsbescheids bei der Rentenversicherung eingehen.
Widerspruchsverfahren
Der Widerspruch ist formlos und kostenlos möglich. Er muss folgende Angaben enthalten:
- Versicherungsnummer
- Name und Anschrift des Versicherungsträgers
- Datum des Bescheids
- Begründung
Die detaillierte Begründung kann nachgereicht werden, sollte aber im ersten Schreiben bereits angekündigt werden. Zur Vorbereitung der Begründung können Sie Einsicht in die entscheidungsrelevanten Unterlagen, wie etwa medizinische Gutachten, beantragen.
Prüfung des Widerspruchs
Die Zentrale Widerspruchsstelle prüft den Fall erneut. Ein Ausschuss, bestehend aus Vertretern der Rentenversicherung, der Versicherten und der Arbeitgeber, kann die ursprüngliche Entscheidung aufheben oder weitere Prüfungen veranlassen.
Klageweg
Wird der Widerspruch abgelehnt, können Sie Klage vor dem Sozialgericht erheben. Die Klagefrist beträgt einen Monat nach Erhalt des Widerspruchsbescheids. Im Gerichtsverfahren wird ein neutraler Gutachter bestellt, dessen Einschätzung häufig ausschlaggebend ist.
Besonders wichtig: Fehlt im ursprünglichen Rentenbescheid ein Hinweis auf das Widerspruchsrecht, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.
Welche Bedeutung haben die ärztlichen Gutachten für die Entscheidung der Rentenversicherung?
Ärztliche Gutachten bilden die zentrale Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente durch die Deutsche Rentenversicherung. Sie dokumentieren objektiv den Gesundheitszustand und die daraus resultierenden Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit.
Funktion der Gutachten
Die Gutachten erfassen Ihre individuelle Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung aller medizinischen Befunde, Ihrer persönlichen Angaben sowie vorliegender Arztberichte und Untersuchungsergebnisse. Ein qualifizierter Gutachter bewertet dabei sowohl körperliche als auch psychische Einschränkungen.
Bewertungskriterien
Die Gutachter untersuchen insbesondere:
- Den aktuellen Gesundheitszustand und dessen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit
- Die Schwere und Dauer der gesundheitlichen Einschränkungen
- Die verbleibende Arbeitsfähigkeit in Stunden pro Tag
Interdisziplinäre Begutachtung
Bei komplexen Krankheitsbildern werden häufig mehrere Fachärzte in die Begutachtung einbezogen. Diese interdisziplinäre Herangehensweise ermöglicht eine umfassende Beurteilung Ihres Gesundheitszustands aus verschiedenen medizinischen Perspektiven.
Rechtliche Dimension
Die Gutachten dienen als maßgebliches Beweismittel in Gerichtsverfahren und sind für die Durchsetzung von Rentenansprüchen oft unverzichtbar. Wenn die Gutachten zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, werden auch die Befundberichte der behandelnden Ärzte in die Gesamtbewertung einbezogen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Erwerbsminderungsrente
Eine Sozialleistung der gesetzlichen Rentenversicherung für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur eingeschränkt erwerbstätig sein können. Es gibt zwei Arten: Die volle Erwerbsminderungsrente (weniger als 3 Stunden Arbeitszeit täglich möglich) und die teilweise Erwerbsminderungsrente (3-6 Stunden Arbeitszeit täglich möglich). Die rechtliche Grundlage findet sich in §§ 43 ff. SGB VI. Ein typischer Fall wäre etwa ein 50-jähriger Bauarbeiter, der nach einem schweren Bandscheibenvorfall dauerhaft nicht mehr als 2 Stunden täglich arbeiten kann.
Funktionelle Einschränkungen
Konkrete Beeinträchtigungen der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, die sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken. Anders als reine Diagnosen beschreiben sie die tatsächlichen Auswirkungen auf Bewegung, Konzentration oder Belastbarkeit gemäß § 43 SGB VI. Ein Beispiel wäre die nachgewiesene Unfähigkeit, länger als 30 Minuten zu stehen oder schwere Lasten zu heben. Diese Einschränkungen sind maßgeblich für die Beurteilung der Erwerbsminderung.
Medizinische Gutachten
Fachärztlicheustands und der Leistungsfähigkeit einer Person, die als Beweismittel im Sozialgerichtsverfahren dienen. Sie basieren auf § 106 SGG und müssen objektiv, neutral und nachvollziehbar sein. Ein Gutachter untersucht beispielsweise, wie lange ein Patient sitzen oder stehen kann, welche Gewichte er heben darf oder wie belastbar er psychisch ist.
Leistungsvermögen
Die verbleibende Fähigkeit einer Person, trotz gesundheitlicher Einschränkungen bestimmte Arbeiten auszuführen. Gemäß § 43 SGB VI wird dies in Stunden pro Tag gemessen und ist entscheidend für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Beispielsweise kann jemand trotz Rückenproblemen noch 6 Stunden täglich leichte Bürotätigkeiten im Sitzen ausführen, was gegen eine Erwerbsminderung sprechen würde.
Fachärztliche Begutachtung
Ein standardisiertes Untersuchungsverfahren durch medizinische Spezialisten zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit. Basierend auf § 21 SGB X werden körperliche und psychische Funktionen systematisch untersucht und dokumentiert. Dabei werden verschiedene Tests durchgeführt, etwa Belastungs-EKG, psychologische Tests oder Beweglichkeitsprüfungen, um die Arbeitsfähigkeit objektiv einzuschätzen.
Reha-Maßnahmen
Medizinische, berufliche oder soziale Rehabilitationsleistungen, die vor Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente geprüft und durchgeführt werden müssen (Grundsatz „Reha vor Rente“ nach § 9 SGB VI). Dazu gehören zum Beispiel Physiotherapie, Psychotherapie oder berufliche Umschulungen, um die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen oder zu verbessern.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 43 SGB VI: Diese Vorschrift regelt die Voraussetzungen für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Um eine Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten, müssen Versicherten nachweisen, dass sie aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage sind, mindestens 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Im Fall der Klägerin war die Entscheidung der Beklagten, dass sie noch 6 Stunden fähig sei zu arbeiten, ausschlaggebend für die Ablehnung ihres Antrags.
- § 5 SGB VI: Dieser Paragraph beschreibt die allgemeine Anspruchsvoraussetzung für eine Rente, einschließlich der Wartezeit. Für die Erwerbsminderungsrente muss der Versicherte mindestens 5 Jahre lang in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein. Die Klägerin hatte diesen Zeitraum erfüllt, was für die rechtliche Prüfung ihres Antrags von Bedeutung war.
- § 2 SGB IX: Hier wird das Teilhaberecht von Menschen mit Behinderungen thematisiert. Es enthält Regelungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben und zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Der Zusammenhang zum Fall besteht darin, dass trotz der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin keine entsprechenden Leistungen zur Teilhabe angeraten wurden, was die Ablehnung des Antrags verdeutlicht.
- § 44 SGB I: Diese Vorschrift befasst sich mit der Überprüfung von rentenrechtlichen Ansprüchen bei bestehenden Gesundheitsstörungen. Sie ist wichtig, um die Rentenansprüche im Lichte neuer medizinischer Befunde zu bewerten. Im Fall der Klägerin wurden mehrere Gutachten eingeholt, die jedoch alle zu dem Schluss kamen, dass noch leistungsfähig sei, was die Entscheidung der Beklagten untermauerte.
- § 109 SGB X: Dieser Paragraph regelt die Mitwirkungspflichten der Antragsteller im Rahmen des Verwaltungsverfahrens. Antragsteller müssen relevante Informationen und Unterlagen bereitstellen. Die Klägerin berief sich auf nicht berücksichtigte Befunde ihrer behandelnden Ärzte, jedoch wurde festgestellt, dass die Beklagte ausreichende Informationen eingeholt hatte, was die Ablehnung der Klage rechtfertigte.
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Das vorliegende Urteil
Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 3 R 12/21 – Urteil vom 12.03.2024
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