Skip to content
Menü

Gewährung Erwerbsminderungsrente – Voraussetzungen

Ein 53-jähriger Kfz-Mechaniker scheiterte vor dem Hessischen Landessozialgericht mit seiner Klage auf Erwerbsminderungsrente. Trotz Depressionen und Schmerzen attestierten Gutachter ihm ein ausreichendes Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten. Der Mann konnte Spaziergänge von bis zu sechs Kilometern unternehmen und an einer Selbsthilfegruppe teilnehmen, was nach Ansicht des Gerichts gegen eine rentenrelevante Beeinträchtigung sprach.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Datum: 27.05.2024
  • Aktenzeichen: L 5 R 107/21
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren zur Gewährung einer Erwerbsminderungsrente
  • Rechtsbereiche: Sozialrecht, Rentenrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein 1970 geborener Kfz-Mechaniker, der aufgrund gesundheitlicher Probleme eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt hat. Er argumentiert, dass er seit November 2015 aufgrund von schweren Depressionen, somatoformer Schmerzstörung und Fibromyalgie nicht mehr in der Lage ist, länger als drei Stunden täglich zu arbeiten.
  • Beklagte: Die gesetzliche Rentenversicherung, die den Antrag auf Erwerbsminderungsrente des Klägers abgelehnt hat. Sie argumentiert, dass das vorhandene Leistungsvermögen des Klägers ausreicht, um auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich arbeiten zu können, und bestreitet die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Kläger beantragte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, da er sich aufgrund einer Kombination aus psychischen und physischen Erkrankungen seit November 2015 für erwerbsunfähig hielt. Verschiedene ärztliche Gutachten wurden eingeholt, um das Leistungsvermögen des Klägers zu beurteilen, die zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangten.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob der Kläger als voll erwerbsgemindert anzusehen ist, und ob er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Berufung der Rentenversicherung hatte Erfolg, das Urteil des Sozialgerichts Marburg wurde aufgehoben, und die Klage des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht folgte der Einschätzung der Beklagten, dass der Kläger trotz seiner Gesundheitsprobleme nicht in einem rentenrelevanten Umfang arbeitsunfähig war, und bewertete die vorliegenden medizinischen Gutachten dahingehend, dass kein an Sicherheit grenzender Nachweis für eine volle Erwerbsminderung gegeben sei. Zudem wurden die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, da die erforderlichen Beitragszeiten nicht vorhanden waren.
  • Folgen: Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 31. Juli 2022. Weitere Rechtsmittel sind nicht zugelassen worden, sodass das Urteil rechtskräftig ist.

Erwerbsminderungsrente: Herausforderungen und Ansprüche im Fokus eines Falles

Die Erwerbsminderungsrente ist eine wichtige soziale Absicherung für Menschen, deren Gesundheitszustand sie nicht mehr in die Lage versetzt, einer regulären Berufstätigkeit nachzugehen. Sie bietet finanzielle Unterstützung, wenn die Erwerbsfähigkeit aufgrund von Krankheit oder Behinderung erheblich eingeschränkt ist.

Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente setzt voraus, dass Versicherte ihre bisherige Tätigkeit oder eine vergleichbare Beschäftigung nicht mehr ausüben können. Die Rentenversicherung prüft dabei individuelle Faktoren wie Gesundheitszustand, Qualifikationen und Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation. Je nach Schweregrad der Erwerbsminderung kann eine Teil- oder Vollrente gewährt werden.

Der nun folgende Fall wirft ein konkretes Licht auf die komplexen Voraussetzungen und Herausforderungen bei der Beantragung dieser wichtigen sozialen Leistung.

Der Fall vor Gericht


Berufung erfolgreich – Gericht weist Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab

Das Hessische Landessozialgericht hat die Klage eines 53-jährigen Kfz-Mechanikers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vollständig abgewiesen. Mit seinem Urteil vom 27. Mai 2024 (Az.: L 5 R 107/21) hob das Gericht die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Marburg auf.

Medizinische Gutachten belegen keine rentenrelevante Einschränkung

Der ausgebildete Kfz-Mechaniker hatte seinen Rentenantrag im Juni 2017 damit begründet, seit November 2015 wegen schwerer Depression, somatoformer Schmerzstörung und Fibromyalgie erwerbsgemindert zu sein. Die Deutsche Rentenversicherung lehnte den Antrag jedoch ab, da der behandelnde Facharzt ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigte.

Eine neurologische Gutachterin bestätigte im Januar 2018 diese Einschätzung. Sie attestierte dem Kläger die Fähigkeit, leichte bis mittelschwere Arbeiten mit gewissen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Lediglich für seinen erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker sah sie ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden.

Sozialmedizinische Beurteilung der Beschwerden

Die Gutachterin stellte bei ihrer Untersuchung zwar eine Somatoforme Schmerzstörung fest, fand aber keine überzogene Inanspruchnahme des Gesundheitswesens oder andere Anzeichen für einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf. Der Patient war in der Lage, seinen Tag zu strukturieren, soziale Kontakte zu pflegen und geistigen Interessen nachzugehen.

Das Landessozialgericht folgte dieser Einschätzung und sah den Nachweis einer rentenrelevanten Leistungsminderung als nicht erbracht an. Auch spätere Gutachten konnten eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht mit der erforderlichen Sicherheit belegen.

Tagesablauf widerspricht schwerer Beeinträchtigung

Für die richterliche Bewertung war besonders bedeutsam, dass der Kläger trotz seiner Beschwerden zu verschiedenen Aktivitäten des täglichen Lebens in der Lage war. Er konnte Spaziergänge von bis zu sechs Kilometern unternehmen, besuchte regelmäßig eine Sauna und nahm an einer Selbsthilfegruppe teil. Dies sprach nach Auffassung des Gerichts gegen das Vorliegen gravierender gesundheitlicher Einschränkungen, die sein Leistungsvermögen rentenrelevant beeinträchtigen würden.

Rechtliche Konsequenzen

Mit der Abweisung der Klage bestätigte das Landessozialgericht die ursprüngliche Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, da keine grundsätzliche Bedeutung des Falls vorlag. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass für die Bewertung einer Erwerbsminderung die Gesamtheit der medizinischen Gutachten und Befunde maßgeblich ist, nicht einzelne Atteste. Eine Depression mit somatoformer Schmerzstörung und Fibromyalgie führt nicht automatisch zu einer Erwerbsminderungsrente, wenn die Gutachten noch eine Restarbeitsfähigkeit von mindestens 6 Stunden täglich für leichte Tätigkeiten bescheinigen. Besonders wichtig ist die Feststellung, dass auch bei mehreren gesundheitlichen Einschränkungen das verbleibende Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt entscheidend ist, nicht die Arbeitsfähigkeit im erlernten Beruf.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie aufgrund gesundheitlicher Probleme eine Erwerbsminderungsrente beantragen möchten, müssen Sie nachweisen, dass Sie weniger als 6 Stunden täglich arbeiten können – und zwar bezogen auf jede denkbare leichte Tätigkeit, nicht nur Ihren bisherigen Beruf. Dabei reicht es nicht aus, einzelne ärztliche Atteste vorzulegen. Die Rentenversicherung wird Ihre gesamte gesundheitliche Situation durch Gutachter prüfen lassen. Auch wenn Sie mehrere Erkrankungen haben, kommt es darauf an, was Sie arbeitstäglich noch leisten können.

Benötigen Sie Hilfe?

Ihnen wurde die Erwerbsminderungsrente abgelehnt?

Die Ablehnung eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente ist oft ein schwerer Schlag und wirft viele Fragen auf. Gerade bei komplexen Krankheitsbildern mit Depressionen, Schmerzen und körperlichen Einschränkungen ist die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit schwierig. Wir unterstützen Sie dabei, die Entscheidung der Rentenversicherung zu überprüfen und Ihre Rechte wahrzunehmen. Gemeinsam analysieren wir Ihre individuelle Situation, bewerten die medizinischen Gutachten und erarbeiten die bestmögliche Strategie für Ihr weiteres Vorgehen.

Sprechen Sie uns an, um Klarheit zu gewinnen und Ihre Chancen auf eine Erwerbsminderungsrente zu erhöhen.

Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche gesundheitlichen Voraussetzungen müssen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt sein?

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente orientieren sich ausschließlich an Ihrer verbleibenden Arbeitsfähigkeit in Stunden pro Tag. Dabei wird zwischen zwei Stufen unterschieden:

Volle Erwerbsminderung

Sie liegt vor, wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen weniger als 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten können.

Teilweise Erwerbsminderung

Diese wird anerkannt, wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen zwischen 3 und unter 6 Stunden täglich arbeiten können.

Beurteilung der gesundheitlichen Einschränkungen

Die Deutsche Rentenversicherung prüft Ihre gesundheitliche Situation in einem mehrstufigen Verfahren:

Der medizinische Gutachter untersucht dabei zwei zentrale Aspekte:

  • Die Art und Schwere Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen
  • Die konkrete Auswirkung auf Ihre Arbeitsfähigkeit im Stundenmaß

Wichtig ist: Die bloße Diagnose einer Erkrankung reicht für die Anerkennung nicht aus. Entscheidend ist ausschließlich, wie stark die Erkrankung Ihre Arbeitsfähigkeit einschränkt.

Zeitliche Komponente

Die gesundheitlichen Einschränkungen müssen für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten bestehen oder zu erwarten sein. Die Rente wird in der Regel zunächst befristet gewährt.

Die Deutsche Rentenversicherung prüft vor der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente stets, ob Ihre Erwerbsfähigkeit durch medizinische Rehabilitation oder berufliche Wiedereingliederung wiederhergestellt werden kann. Erst wenn diese Maßnahmen keine Aussicht auf Erfolg haben, kommt eine Erwerbsminderungsrente in Betracht.


zurück

Welche Bedeutung haben ärztliche Gutachten bei der Entscheidung über eine Erwerbsminderungsrente?

Ärztliche Gutachten bilden die zentrale medizinische Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente. Die Deutsche Rentenversicherung beauftragt dafür speziell qualifizierte Gutachter, die Ihre gesundheitliche Situation nach standardisierten Kriterien beurteilen.

Ablauf der Begutachtung

Nach Antragstellung werden Sie zu einem sachverständigen Arzt eingeladen. Dieser untersucht zwei wesentliche Aspekte:

  • Ihr qualitatives Leistungsvermögen: Welche Tätigkeiten können Sie noch ausüben?
  • Ihr quantitatives Leistungsvermögen: Wie viele Stunden täglich können Sie arbeiten?

Bewertungskriterien

Der Gutachter prüft, ob Sie aus gesundheitlichen Gründen:

  • weniger als 3 Stunden täglich arbeiten können (volle Erwerbsminderung)
  • 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten können (teilweise Erwerbsminderung)
  • 6 oder mehr Stunden täglich arbeiten können (keine Erwerbsminderung)

Bedeutung für die Entscheidung

Die Gutachten sind zwar maßgeblich, aber nicht allein entscheidend. Die Rentenversicherung bewertet das Gutachten im Gesamtkontext:

  • Alle relevanten medizinischen Unterlagen werden einbezogen
  • Die Prognose der künftigen Entwicklung wird berücksichtigt
  • Bei komplexen Fällen können mehrere Gutachten eingeholt werden

In vielen Fällen wird auch geprüft, ob durch medizinische oder berufliche Rehabilitation Ihre Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden kann, bevor eine Rente bewilligt wird.


zurück

Welche Rechtsmittel kann ich nach Ablehnung des Antrags auf Erwerbsminderungsrente einlegen?

Widerspruch als erstes Rechtsmittel

Nach einer Ablehnung des Antrags auf Erwerbsminderungsrente können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Ablehnungsbescheids Widerspruch einlegen. Wenn Sie im Ausland leben, verlängert sich diese Frist auf drei Monate. Der Widerspruch muss schriftlich bei der Deutschen Rentenversicherung eingereicht werden.

Für den Widerspruch benötigen Sie zunächst keine ausführliche Begründung. Sie können diese später nachreichen. Kündigen Sie das Nachreichen der Begründung im Widerspruchsschreiben an und beantragen Sie Einsicht in die entscheidungserheblichen Unterlagen wie medizinische Gutachten.

Klageverfahren als zweites Rechtsmittel

Wird der Widerspruch abgelehnt, können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage beim zuständigen Sozialgericht erheben. Das zuständige Gericht finden Sie in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids.

Die Klage muss folgende Elemente enthalten:

  • Ihre Bezeichnung als Kläger und die beklagte Behörde
  • Den Streitgegenstand
  • Einen konkreten Antrag
  • Die Bezeichnung des angefochtenen Bescheids
  • Die Beweismittel zur Begründung

Besonderheiten des Verfahrens

Vor dem Sozialgericht fallen keine Gerichtskosten an. Das Gericht bestellt in der Regel einen neutralen medizinischen Gutachter. Dieser begutachtet Ihren Gesundheitszustand unabhängig von den Gutachtern der Rentenversicherung.

Über den Widerspruch sollte die Rentenversicherung innerhalb von drei Monaten entscheiden. Ist dies nicht der Fall und liegt kein nachvollziehbarer Grund für die Verzögerung vor, können Sie eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht einreichen.


zurück

Wie wird das Restleistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt beurteilt?

Grundsätzliche Beurteilung

Das Restleistungsvermögen wird ausschließlich nach der Leistungsfähigkeit im Arbeitsleben beurteilt, nicht nach der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Beurteilung erfolgt durch Ärzte der Rentenversicherung, bei Bedarf unterstützt durch externe Gutachter.

Maßstab der Beurteilung

Bei der Bewertung wird das gesamte Gebiet des Erwerbslebens betrachtet. Wenn Sie noch einfache Tätigkeiten wie Zureichen, Verpacken, Sortieren oder Reinigen ausüben können, werden Sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen. Die subjektive Zumutbarkeit einer Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung und des bisherigen beruflichen Status spielt dabei keine Rolle.

Zeitliche Einstufung

Die Einstufung erfolgt nach folgendem Schema:

  • Unter 3 Stunden täglich: volle Erwerbsminderung
  • 3 bis unter 6 Stunden täglich: teilweise Erwerbsminderung
  • 6 Stunden und mehr täglich: keine Erwerbsminderung

Besondere Faktoren

Die Beurteilung berücksichtigt auch die Wegefähigkeit zum Arbeitsplatz. Wenn Sie nur noch Fußwege von weniger als 500 Metern zurücklegen können, liegt in der Regel eine schwere Leistungseinschränkung vor.

Eine volle Erwerbsminderung kann auch vorliegen, wenn Sie zwar theoretisch 3 bis unter 6 Stunden arbeiten könnten, aber aufgrund der Arbeitsmarktbedingungen keinen geeigneten Arbeitsplatz finden können. Dies wird als sogenannte Arbeitsmarktrente bezeichnet.

Die Beurteilung muss nach gesetzlichen Vorgaben vollständig und umfassend erfolgen. Besonders bei seltenen Krankheiten oder bei Erkrankungen, die sich schwer durch Untersuchungen nachweisen lassen, ist die Beurteilung komplex.


zurück

Welche Rolle spielen Alltagsaktivitäten bei der Beurteilung der Erwerbsminderung?

Die Alltagsaktivitäten sind ein zentrales Kriterium bei der sozialmedizinischen Beurteilung der Erwerbsminderung. Wenn Sie eine Erwerbsminderungsrente beantragen, müssen Ihre Angaben zu Schmerzen und Einschränkungen in einem plausiblen Verhältnis zu Ihren tatsächlichen Alltagsaktivitäten stehen.

Beurteilungskriterien

Bei der Begutachtung werden Ihre Alltagsaktivitäten in drei wesentlichen Dimensionen betrachtet:

  • Der körperliche Untersuchungsbefund wird mit der Beobachtung Ihrer komplexen Bewegungsabläufe verglichen
  • Ihre geschilderten Beschwerden werden den dokumentierten Alltagsaktivitäten gegenübergestellt
  • Die klinischen und technischen Befunde müssen mit Ihrem Aktivitätsniveau übereinstimmen

Dokumentation der Aktivitäten

Bei der Begutachtung wird ein detailliertes Bild Ihres Tagesablaufs erstellt. Dabei werden typische Aktivitäten wie:

  • Morgendliche Routinen
  • Haushaltsführung
  • Einkaufen
  • Freizeitaktivitäten
  • Soziale Kontakte
  • Körperliche Aktivitäten wie Spaziergänge

Bedeutung für die Entscheidung

Die Beurteilung der Alltagsaktivitäten ist besonders wichtig, weil sie Aufschluss über Ihr tatsächliches Leistungsvermögen gibt. Wenn Sie beispielsweise angeben, dass Sie wegen starker Schmerzen nicht arbeiten können, aber gleichzeitig einen aktiven Alltag mit regelmäßigen Tätigkeiten führen, kann dies gegen eine Erwerbsminderung sprechen.

Die Gutachter achten besonders darauf, ob eine nachvollziehbare Beziehung zwischen:

  • Ihren Angaben zur Leistungsfähigkeit
  • Ihren dokumentierten Alltagsaktivitäten
  • Den medizinischen Befunden besteht

Dabei wird auch berücksichtigt, ob Einschränkungen in Ihren Alltagsaktivitäten tatsächlich auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen sind oder ob andere Faktoren, wie etwa die wirtschaftliche Situation, ausschlaggebend sind.


zurück


Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erwerbsminderungsrente

Eine Sozialleistung der Deutschen Rentenversicherung für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr oder nur eingeschränkt erwerbstätig sein können. Die rechtliche Grundlage findet sich in §§ 43 ff. SGB VI. Je nach Schwere der Einschränkung wird zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderungsrente unterschieden. Entscheidend ist, wie viele Stunden täglich der Versicherte noch arbeiten kann. Beispiel: Bei einem Leistungsvermögen unter 3 Stunden täglich wird eine volle Erwerbsminderungsrente gewährt, bei 3-6 Stunden eine teilweise.


Zurück

Rentenrelevante Leistungsminderung

Eine gesundheitliche Einschränkung, die so schwerwiegend ist, dass sie einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente rechtfertigt. Nach § 43 SGB VI muss die Erwerbsfähigkeit auf weniger als 6 Stunden täglich gesunken sein. Die Beurteilung erfolgt durch medizinische Gutachter anhand objektiver Kriterien. Beispiel: Eine schwere Depression mit völliger Arbeitsunfähigkeit wäre rentenrelevant, leichtere psychische Beschwerden, die noch Teilzeitarbeit erlauben, hingegen nicht.


Zurück

Somatoforme Schmerzstörung

Eine psychosomatische Erkrankung, bei der Patienten unter starken körperlichen Schmerzen leiden, ohne dass sich dafür eine ausreichende organische Ursache finden lässt. Die Diagnosekriterien sind in der ICD-10 unter F45.4 definiert. Die Schmerzen sind real, werden aber stark durch psychische Faktoren beeinflusst. Beispiel: Ein Patient klagt über starke Rückenschmerzen, obwohl bildgebende Verfahren keine entsprechenden Schäden zeigen.


Zurück

Sozialmedizinische Beurteilung

Eine umfassende medizinische Bewertung der Erwerbsfähigkeit durch speziell qualifizierte Gutachter. Sie basiert auf § 14 SGB IX und berücksichtigt körperliche, psychische und soziale Faktoren. Neben medizinischen Befunden werden auch Alltagskompetenzen und berufliche Anforderungen einbezogen. Beispiel: Ein Gutachter beurteilt, welche Tätigkeiten ein Patient trotz seiner Erkrankung noch ausüben kann und wie lange pro Tag.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) § 43 – Erwerbsminderungsrente): Das SGB VI regelt die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland. § 43 spezifiziert die Bedingungen und Leistungen der Erwerbsminderungsrente, die Personen zusteht, deren Erwerbsfähigkeit durch gesundheitliche Probleme dauerhaft eingeschränkt ist. Diese Rente soll finanzielle Sicherheit bieten, wenn die Betroffenen nicht mehr in vollem Umfang arbeiten können. Im vorliegenden Fall beantragt der Kläger eine Erwerbsminderungsrente aufgrund seiner schweren gesundheitlichen Einschränkungen, wodurch diese Vorschrift direkt anwendbar ist.
  • Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe): Das SGB IX fördert die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben und der Gesellschaft. Es umfasst Maßnahmen zur medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation, die darauf abzielen, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Der Kläger hat eine Rehabilitationsmaßnahme absolviert und beruft sich auf eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands, was die Bestimmungen des SGB IX relevant macht.
  • Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) § 44 – Feststellung der Erwerbsminderung): § 44 SGB VI regelt die medizinische und versicherungsrechtliche Begutachtung zur Feststellung der Erwerbsminderung. Es legt fest, welche Kriterien und Verfahren angewendet werden, um die Höhe der Erwerbsminderung zu bestimmen. Im vorliegenden Fall sind mehrere ärztliche Gutachten entscheidend für die Bewertung der Arbeitsfähigkeit des Klägers, wodurch diese Vorschrift eine zentrale Rolle spielt.
  • Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) – Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben): Dieses Werkbuch des SGB IX umfasst verschiedene Leistungen, die Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen unterstützen, im Arbeitsleben verbleiben zu können. Dazu gehören zum Beispiel Anpassungen am Arbeitsplatz oder technische Hilfsmittel. Der Kläger weist in seinem Antrag auf spezifische Einschränkungen hin, die seine Arbeitsfähigkeit beeinflussen, was diese Regelungen relevant macht.
  • Sozialgerichtsgesetz (SGG) § 41 – Kostenfreiheit vor den Sozialgerichten): Das SGG regelt das Verfahren vor den Sozialgerichten, einschließlich der Bestimmungen zur Kostentragung. Nach § 41 ist in bestimmten Fällen die Kostenübernahme zwischen den Parteien ausgeschlossen. Im Urteil wird festgehalten, dass keine Kosten erstattet werden müssen, was auf diese Vorschrift zurückzuführen ist und den Ablauf des Rechtsstreits verdeutlicht.

Das vorliegende Urteil


Hessisches Landessozialgericht – Az.: L 5 R 107/21 – Urteil vom 27.05.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Sozialrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Sozialrecht. Wir beraten uns vertreten Sie in sozialrechtlichen Fragen. Jetzt Ersteinschätzung anfragen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Beiträge aus dem Sozialrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!