I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 26. Januar 2021 abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1970 geborene Kläger, ausgebildeter Kfz-Mechaniker (1. August 1985 bis 31. Juli 1988), war mit Ausnahme einer Tätigkeit als Betriebsschlosser/ Maschineneinsteller (1989 bis 1990) und der Ableistung seines Wehrdienstes (1990/91) durchgängig in seinem Ausbildungsberuf beschäftigt. Am 16. November 2015 erkrankte er arbeitsunfähig.
Seinen am 26. Juni 2017 gestellten Rentenantrag begründete der Kläger damit, sich seit dem 16. November 2015 wegen schwerer Depression, somatoformer Schmerzstörung und Fibromyalgie für erwerbsgemindert zu halten. Zur Stütze seines Rentenbegehrens legte der Kläger den hausärztlichen Befundbericht vom 3. August 2017 nebst Krankenunterlagen vor, darunter der Entlassungsbericht der MEDIAN D.-Klinik (Abteilung Psychosomatik), C-Stadt, vom 19. Juli 2017 über seinen dortigen stationären Aufenthalt vom 25. April 2017 bis 2. Juni 2017, aus dem er ausgehend von den Diagnosen
– mittelgradige depressive Episode,
– anhaltende somatoforme Schmerzstörung,
– Fibromyalgie: mehrere Lokalisationen,
– Senk-Spreizfuß beidseits,
mit einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen (ohne Nachtschicht, ohne häufiges Bücken, ohne dauerhafte Überkopf- und Überschulterarbeiten, ohne dauerhafte Zwangshaltungen, ohne Heben, Tragen und Bewegen von ständig mittelschweren und schweren körperlichen Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ohne erhöhte emotionale Belastungen, nicht unter Zeitdruck <fließband- akkordarbeit=““>, keine Tätigkeiten in Kälte, Nässe, Zugluft und unter extrem schwankenden Temperaturen) entlassen worden war, als Kfz-Mechaniker jedoch unter drei Stunden arbeitstäglich.
In seiner Stellungnahme nach Aktenlage vom 24. August 2017 schloss sich der Facharzt für Innere Medizin, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen Dr. med. E. einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an, wobei er die Diagnosen wie folgt formulierte: depressive Episode, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Fibromyalgie.
Darauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 11. September 2017 ab.
Zur Begründung seines hiergegen am 27. September 2017 erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass sich seit dem Abschluss der Reha-Maßnahme am 2. Juni 2017 sein Gesundheitszustand weiter deutlich verschlechtert habe. Zur Stütze seines Vorbringens reichte er das Gutachten des Dipl. Psychologen H. vom 27. Juli 2017 zur Akte, der ihm bescheinigte, auf keinen Fall in absehbarer Zeit mehr als drei Stunden pro Tag arbeiten zu können. Außerdem gelangte noch der Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales (HAVS) Gießen vom 9. November 2017 über die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 1. Januar 2016 sowie der Bericht des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) vom 20. April 2016 über die dortige teilstationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung des Klägers vom 9. Februar 2016 bis 20. April 2016 zur Akte.
In ihrem daraufhin auf Veranlassung der Beklagten erstellten Gutachten vom 29. Januar 2018 gelangte die Ärztin für Neurologie, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen F. im Anschluss an eine ambulante Untersuchung am selben Tag ausgehend von der Diagnose
– somatoforme Schmerzstörung
zu der Einschätzung, dass der Kläger noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen (ohne Zwangshaltungen, keine besonderen Anforderungen an die seelische Belastbarkeit) in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr zu verrichten. Als Kfz-Mechaniker sei der Kläger nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich erwerbsfähig.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13. März 2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Zur Begründung seiner am 5. April 2018 vor dem Sozialgericht Marburg erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, wegen der im Vordergrund stehenden psychischen Beschwerden nicht mehr in der Lage zu sein, körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als drei Stunden täglich zu verrichten. Darüber hinaus werde seine Leistungsfähigkeit auch durch ein Fibromyalgie-Syndrom stark eingeschränkt. Zur Stütze seines Vorbringens hat der Kläger den hausärztlichen Bericht des Dr. med. G. – Facharzt für Allgemeinmedizin – vom 9. April 2018 zur Akte gereicht.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das Sozialgericht beim Hausarzt Dr. med. G. die dort vorhandenen Krankenunterlagen beigezogen und Befundberichte des Therapiezentrums J. GmbH vom 18. Juli 2018, des Facharztes für Orthopädie Dr. med. K. vom 17. Juli 2018 und der MEDIAN D.-Klinik, C-Stadt, vom 30. Juli 2018 eingeholt. Anstatt des bei ihm angeforderten Befundberichts hat der Dipl. Psychologe H. sein Gutachten vom 27. Juli 2017 zur Akte gereicht.
Sodann hat das Gericht von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Dr. med. M. – Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie – vom 3. April 2019, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung am 27. März 2019 ausgehend von den psychiatrischen Diagnosen
– chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren,
– Fibromyalgie-Syndrom,
– chronische Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik,
– chronische Schlafstörung,
– chronischer Erschöpfungszustand mit psychophysischer Minderbelastbarkeit,
– Z.n. depressiver Episode im engeren Sinne,
auf somatischem Fachgebiet:
– V.a. bursaseitige Partialruptur der Supraspinatussehne,
– fortgeschrittene aktivierte AC-Gelenksarthrose,
– Hüftdysplasie,
– Vitamin D-Mangel,
– Bandscheibendegeneration der LWS,
zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger nur noch weniger als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte Arbeiten verrichten könne. Es hätten sich erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Klägers ergeben, sich an die Erfordernisse im Erwerbsleben anzupassen bzw. sich umzustellen. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, eine Fußwegstrecke von mehr als 500 Meter viermal täglich zurückzulegen, ohne dass dies mit einem übermäßig angespannten Willen einherginge bzw. zu vermehrten Schmerzen führe. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei der Kläger bereits seit November 2015 durchgehend nicht mehr leistungsfähig, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne festgehalten werden, dass dies bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 26. Juni 2017 der Fall gewesen sei. Als gesicherter Eintrittszeitpunkt hinsichtlich des aktuell festgestellten Leistungsvermögens könne der Tag der Untersuchung am 27. März 2019 konkret benannt werden. Es sei relativ unwahrscheinlich, aber grundsätzlich möglich, dass sich eine Besserung des Gesundheitszustandes erzielen lasse und sich die Leistungsfähigkeit des Klägers auf sechs Stunden täglich erhöhe. Hierfür würde er allerdings mindestens 18 Monate benötigen. Die Begutachtung auf einem anderen medizinischen Fachgebiet werde nicht für erforderlich gehalten.
Während der Kläger sich durch das Sachverständigengutachten in seinem Vorbringen bestätigt gesehen hat, hat die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. med. L. vom 11. Juli 2019 ausgeführt, den gutachterlichen Ausführungen nicht folgen zu können.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. September 2019 hat der Sachverständige Dr. med. M. an seiner Leistungsbeurteilung festgehalten, der sich die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. med. L. vom 29. Oktober 2019 auch weiterhin nicht hat anschließen können. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab dem 1. September 2020 nicht mehr erfüllt seien (Versicherungsverlauf vom 19. Januar 2021).
Durch Urteil vom 26. Januar 2021 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 11. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2018 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger aufgrund eines Leistungsfalles vom 27. März 2019 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 31. Juli 2022 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger seit dem 27. März 2019 im rentenrechtlichen Sinne voll erwerbsgemindert sei. Der Nachweis, dass sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden arbeitstäglich gesunken sei, sei durch die eingeholten Befundberichte und insbesondere auch durch das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. med. M. und dessen ergänzender Stellungnahme erbracht. Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Einwände überzeugten hingegen nicht. Als Eintritt des Leistungsfalles sei der Tag der Untersuchung des Klägers bei dem Sachverständigen Dr. med. M. anzunehmen. Ein früherer Zeitpunkt lasse sich dem umfangreichen und ausführlichen medizinischen Berichtswesen nicht entnehmen. Die dem Kläger zuerkannte Rente sei zu befristen gewesen, weil keine ausreichenden Unterlagen vorliegen würden, die belegen könnten, dass es gänzlich unwahrscheinlich sei, dass sich der Gesundheitszustand noch bessern lasse. Ausgehend von der Einschätzung des Sachverständigen Dr. med. M. halte die Kammer die Befristung der Erwerbsminderungsrente für 18 Monate, ausgehend vom Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, für angemessen, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, sämtliche therapeutischen Maßnahmen auszuschöpfen. Eine zügigere Genesung des Klägers sei nicht zu erwarten. Als Beginn der befristeten Rente sei der 1. Oktober 2019 zu bestimmen gewesen.
Gegen das ihr am 29. März 2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. April 2021 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung führt sie aus, daran festzuhalten, dass ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen nicht nachgewiesen sei. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. M. weise Widersprüche und Lücken in der Begründung auf und beinhalte keine klaren Diagnosen. Von einer stark eingeschränkten Lebensweise könne beim Kläger keine Rede sein. Weshalb der Kläger unter einer adäquaten medikamentösen Therapie mindestens 18 Monate benötigen würde, um wieder ein Leistungsvermögen von sechs und mehr Stunden täglich zu erlangen, sei ebenso wenig nachvollziehbar wie die Annahme einer eingeschränkten Wegefähigkeit. Ergänzend verweist die Beklagte noch auf die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. med. L. vom 12. April 2021.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 26. Januar 2021 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Der Senat hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Dr. med. P. – Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie – vom 11. April 2022, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung des Klägers am 10. März 2022 ausgehend von den Diagnosen
– anhaltende somatoforme Schmerzstörung,
– rezidivierend depressive Störung mittelgradiger Ausprägung
Fremddiagnose:
– Fibromyalgiesyndrom,
zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger noch in der Lage sei, mindestens drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich leichte bis kurzfristig mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Die quantitative Leistungseinschränkung ergebe sich aus der eingeschränkten Ausdauer und Spannkraft wie auch aus der verlangsamten Psychomotorik. Sowohl durch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung als auch durch die rezidivierende depressive Störung sei der Kläger auch funktionell eingeschränkt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er zum Beispiel als Warensortierer, Warenaufmacher, Versandfertigmacher, Pförtner, Telefonist, Mitarbeiter einer Poststelle eines Betriebs oder einer Behörde, Verwaltungshilfskraft sowie als Sortierer in der Metall- und Elektroindustrie tätig sein, jedoch sollte die Tätigkeit leidensgerecht sein in wechselnder Körperhaltung und ohne schwere Hebe- oder Bückarbeit. Betriebsunübliche Einsatzbeschränkungen oder Einschränkungen bezüglich der Wegefähigkeit ergäben sich nicht. Durch eine Intensivierung der psychotherapeutischen Behandlung sei eine Besserung der quantitativ eingeschränkten Erwerbsfähigkeit wahrscheinlich. Da sich für eine Rückdatierung auf das Datum der Rentenantragstellung (26. Juni 2017) oder auf die Untersuchung bei dem Sachverständigen Dr. med. M. keine belastbaren und eindeutigen Befunde ergäben, gelte das so festgestellte Leistungsvermögen seit der eigenen Begutachtung am 10. März 2022. Die Begutachtung des Klägers auf einem anderen medizinischen Fachgebiet werde für nicht erforderlich gehalten. Zweifel an der Fähigkeit des Klägers, sich an die Erfordernisse des Erwerbslebens anzupassen bzw. sich umzustellen, hätten sich dem Grunde nach nicht ergeben.
Hiergegen hat der Kläger eingewandt, nicht nachvollziehen zu können, weshalb der Sachverständige Dr. med. P. trotz des schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. M. von einer Rückdatierung abgesehen habe, dem somit weiterhin zu folgen sei. Die vom Sachverständigen Dr. med. P. aufgeführten Tätigkeiten könne er aufgrund seiner nachgewiesenen Erkrankungen nicht ausüben. Demgegenüber hat die Beklagte ausgeführt, aus sozialmedizinischer Perspektive dem Sachverständigen Dr. med. P. sehr gut folgen zu können (Stellungnahme der Ärztin für Neurologie, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen F. vom 13. Juni 2022). Ein Rentenanspruch ergebe sich daraus aber nicht, weil bei Eintritt des Leistungsfalles am 10. März 2022 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Nachfolgend hat der Kläger geltend gemacht, dass weitere Anrechnungszeiten in sein Versichertenkonto gespeichert werden müssten, da er vom 6. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 und vom 1. Januar 2019 bis 9. Dezember 2019 ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet gewesen sei (Schreiben der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit Marburg vom 25. Oktober 2022). Daraufhin hat die Beklagte einen korrigierten Versicherungsverlauf vom 5. Dezember 2022 zur Akte gereicht, verbunden mit dem Hinweis, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch weiterhin nicht erfüllt seien. Im maßgeblichen Zeitraum vom 1. September 2015 bis 9. März 2022 seien nur 34 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.
Sodann ist auf Antrag des Klägers weiter Beweis erhoben worden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Dr. med. S. – Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin – vom 9. Mai 2023, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung am 11. April 2023 und 12. April 2023 ausgehend von den Diagnosen
– Fibromyalgiesyndrom,
– rezidivierende depressive Störung derzeit mittelgradig,
zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger derzeit nur unter drei Stunden arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit Einschränkungen (keine körperlich belastenden Tätigkeiten, Einschränkungen betreffend die kognitiven Funktionen, das Durchhaltevermögen, die Konzentration, die Wahrnehmung und den Schlaf) erwerbstätig sein könne. Der Versuch, eine Wegstrecke von 500 Meter zurückzulegen, sei nicht gelungen. Es sei nicht auszuschließen, dass nach einer nochmaligen mehrwöchigen multimodalen Therapie des Fibromyalgiesyndroms eine gewisse Besserung eintrete. Der 26. Juni 2017 könne ein sinnvoller Zeitpunkt sein, um die Einschränkung zu terminieren. Die rückwirkende Leistungsbeurteilung sei zwar immer problematisch, sie ergebe sich aber vor allem aus der Aktenlage, aus den Schilderungen des Klägers und aus der Erfahrung mit ähnlich gelagerten Krankheitsfällen. Eine weitere Begutachtung sei nicht notwendig.
Die Beklagte hat der Rückdatierung des Leistungsfalles widersprochen (Stellungnahme der Ärztin für Neurologie, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen F. vom 2. August 2023). Daraufhin ist auf Antrag des Klägers bei dem Sachverständigen Dr. med. S. die ergänzende Stellungnahme vom 19. Dezember 2023 eingeholt worden, mit der er seine Einschätzung eines unter dreistündigen Leistungsvermögens verteidigt hat. Allerdings könne er sehen, dass bezüglich des Eintritts des Leistungsfalles in der Vergangenheit eine präzise Festlegung im Nachhinein nur mit weniger Sicherheit möglich sei. Nachfolgend hat sich die Beklagte weiterhin weder dem Zeitpunkt des Leistungsfalles noch dem Umfang des zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens anschließen können (Stellungnahme der Ärztin für Neurologie, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen F. vom 16. Februar 2024). Dem wiederum ist der Kläger entgegengetreten mit dem Hinweis darauf, dass ihm vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit Marburg schon im Jahr 2017 ein aufgehobenes Leistungsvermögen attestiert worden sei (Sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme vom 26. Juli 2017).
Seinen Antrag, bei dem Sachverständigen Dr. med. S. eine weitere ergänzende Stellungnahme einzuholen, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1, § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz ) der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 26. Januar 2021 kann nicht aufrechterhalten bleiben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen (voller) Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. Juli 2022. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 11. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2018 (§ 95 SGG) ist insoweit rechtmäßig ergangen und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.
Da ausschließlich die Beklagte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg eingelegt hat, ist streitgegenständlich allein eine auf zwei Jahre und zehn Monate befristete Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines am 27. März 2019 eingetretenen Leistungsfalles, mithin ein Rentenanspruch des Klägers für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. Juli 2022 (§ 101 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch ). Hinsichtlich des weitergehenden, nämlich unbefristeten Rentenbegehrens, das der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 26. Januar 2021 erstinstanzlich bis zuletzt verfolgt hat, ist das insoweit klageabweisende Urteil des Sozialgerichts mangels Berufungseinlegung durch ihn hingegen in Rechtskraft erwachsen und sind die Beteiligten hieran gebunden (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Dabei ist unschädlich, dass das Sozialgericht in der Urteilsformel (§ 136 Abs. 1 Nr. 4 SGG) die Klage nicht im Übrigen abgewiesen hat. Denn aus den Entscheidungsgründen (§ 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG) ergibt sich hinreichend deutlich, dass dem Kläger kein weitergehender Rentenanspruch als ausgeurteilt zusteht („in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang“) und die Klage insoweit keinen Erfolg gehabt hat (vgl. zur Auslegung der Urteilsformel: BSG, Urteil vom 22. November 1956, 8 RV 23/55, BSGE 4, 121; Hessisches LSG, Urteil vom 10. Februar 2012, L 5 R 207/11, juris Rdnr. 28 m.w.N.). Dass das Sozialgericht zur Begründung seiner Kostenentscheidung darauf abgestellt hat, dass der Kläger vollständig obsiegt habe, vermag daran nichts zu ändern, weil dies auf einer rechtsirrigen Auslegung des Klagebegehrens (§ 123 SGG) beruht. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine Klage auf die Gewährung einer nur befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtet haben könnte, ergeben sich für den Senat weder aus seinen erstinstanzlich eingereichten Schriftsätzen noch aus der Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts. Der Kläger hat insbesondere auch nicht die Feststellungen des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. med. M. zum Anlass genommen, um sein Klagebegehren zeitlich zu beschränken.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch
1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der für den Nachweis der sogenannten Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche Fünfjahreszeitraum verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sogenannten Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungszeiten und Ersatzzeiten). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge vorzeitig erfüllt ist (z.B. wegen eines Arbeitsunfalls). Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es hingegen keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist.
Der Kläger kann vom 1. Oktober 2019 bis 31. Juli 2022 keine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen, weil er in diesem Zeitraum die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (teilweiser oder voller) Erwerbsminderung nicht erfüllt hat. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger jedenfalls bis zum 31. Januar 2022 unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen konnte. Ob er hierzu auch für die Zeit ab dem 1. Februar 2022 noch in der Lage war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil bei einem erst dann (oder noch später) eingetretenen Leistungsfall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt sind.
Die Fähigkeit des Klägers, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), ist zwar durch verschiedene Gesundheitsstörungen beeinträchtigt. Zur Überzeugung des Senats steht allerdings fest, dass das Leistungsvermögen des Klägers in Folge dieser Einschränkungen jedenfalls bis zum 31. Januar 2022 nicht rentenrelevant eingeschränkt war. Stattdessen ist davon auszugehen, dass er seinerzeit noch in der Lage war, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen (ohne Zwangshaltungen, keine besonderen Anforderungen an die seelische Belastbarkeit) für die Dauer von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände des hiesigen Falles aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten.
In ihrem Gutachten vom 29. Januar 2018 ist die Ärztin für Neurologie F. im Anschluss an eine ambulante Untersuchung vom selben Tag zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger damals unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen (ohne Zwangshaltungen, keine besonderen Anforderungen an die seelische Belastbarkeit) in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr erwerbsfähig war. Dass das Leistungsvermögen des Klägers nicht rentenbegründend eingeschränkt war, folgt dabei überaus nachvollziehbar aus den von der Neurologin F. erhobenen Befunden. Während sich in der körperlichen Untersuchung keinerlei pathologische Auffälligkeiten zeigten, gab der Kläger bezüglich des Nervensystems lediglich bei der Sensibilitätsprüfung eine wechselnde Hypästhesie an den Oberschenkelvorderseiten und eine „wellenförmig veränderte“ Berührungsempfindung an den Außenseiten der Oberarme an. Ansonsten war auch der neurologische Befund regelrecht. Insbesondere waren weder Paresen noch Störungen der Feinmotorik feststellbar sowie die Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar bei beidseits negativem Zeichen nach Babinski. Die Koordinations- und Gleichgewichtsprüfung ergab ebenfalls einen regelrechten Befund. Bezüglich der Psyche ist in dem Gutachten vom 29. Januar 2018 weiter festgehalten, dass der Kläger seine Beschwerden sachlich, offen und geordnet schilderte und er bei der körperlichen Untersuchung gut mitarbeitete. Der Kläger war bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert, im Kontakt freundlich zugewandt sowie im Rapport ausführlich und detailreich. Die affektive Schwingungsfähigkeit war erhalten sowie Antrieb und Grundstimmung ausgeglichen. Überdies war der formale Gedankengang geordnet und stringent sowie das inhaltliche Denken unauffällig ohne Hinweise auf Störungen der Wahrnehmung oder des Ich-Erlebens. Allerdings war der Kläger erkennbar geprägt durch eine ausgesprochene Fokussierung auf die eigene Befindlichkeit und verschiedenste Körpersensationen, was sich beispielsweise neben der „wellenförmig veränderten“ Empfindlichkeit der Haut an den Armen auch in einem Gefühl äußerte, dass alle Sehnen angespannt seien und er nicht mehr entspannen könne. Gleichwohl ergab sich bei der Anamneseerhebung kein Anhalt für alltagsrelevante Störungen der intellektuellen oder Gedächtnisfunktionen. Aufmerksamkeit und Konzentration blieben während der Begutachtung erhalten.
Ausgehend hiervon konnte die Neurologin F. – anders als der behandelnde Psychotherapeut H. und die psychosomatischen Kliniken, in denen der Kläger seit dem Jahr 2016 behandelt wurde – im psychopathologischen Querschnittsbefund keine depressive Symptomatik feststellen. Diagnostisch hielt sie stattdessen eine somatoforme Schmerzstörung für angemessen, wobei sie von einem insgesamt leichteren und eher unkomplizierten Verlauf ausging. Dies begründete sie in jeder Hinsicht einleuchtend damit, dass keine überzogene oder unangemessene Inanspruchnahme des Gesundheitswesens mit ständigen Konsultationen von Ärzten verschiedenster Fachrichtungen erfolgte, der Kläger nicht auf einer ständigen weiteren organmedizinischen Diagnostik bestand, er nicht ständig seine behandelnden Ärzte wechselte und kein ausgeprägtes katastrophisierendes Denken oder Folgeschäden sichtbar waren. Stattdessen merkte die Neurologin F. sogar an, dass trotz wiederholter Feststellung einer mindestens mittelgradig ausgeprägten Depression in der Vergangenheit niemals eine medikamentös-antidepressive Therapie versucht wurde und auch andere noch mögliche Therapieoptionen – beispielsweise die Vorstellung bei einem spezialisierten Schmerztherapeuten zur Erarbeitung eines koordinierten Programms aus symptomorientiert aktivierender Physiotherapie im Verbund mit der stützenden Psychotherapie – nicht ausgeschöpft wurden. Dies spricht nach Auffassung des Senats nicht für einen besonders stark ausgeprägten Leidensdruck und damit nicht für das Vorliegen von erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Das bestätigt letztlich auch der von der Neurologin F. explorierte Tagesablauf des Klägers, der seinerzeit in der Lage war, seinen Tag zu strukturieren, angenehme Aktivitäten, soziale Kontakte, eine Partnerschaft und auch anspruchsvolle geistige Interessen zu pflegen.
Dass sich nachfolgend bis zum 31. Januar 2022 der Gesundheitszustand des Klägers erheblich im Sinne einer Rentenrelevanz verschlechtert haben könnte, ist nicht nachgewiesen. Der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist nur erbracht, wenn die behauptete Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn für das Vorliegen der rentenerheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. hierzu schon: BSG, Urteil vom 28. November 1957, 4 RJ 186/56, BSGE 6, 144).
Anders als das Sozialgericht meint ist der Nachweis eines am 27. März 2019 eingetretenen Leistungsfalles – dem Tag der Untersuchung des Klägers bei dem Sachverständigen Dr. med. M. – nicht erbracht. Dessen Ausführungen sind nicht geeignet, um mit der erforderlichen, an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer rentenrelevanten Leistungsminderung schließen zu können.
Ungeachtet der Richtigkeit der von ihm gestellten Diagnosen folgt dies zur Überzeugung des Senats jedenfalls daraus, dass der Sachverständige Dr. med. M. die schmerzbedingten, seiner Ansicht nach ein aufgehobenes Leistungsvermögen begründenden Beeinträchtigungen ungeprüft aus den subjektiven Angaben des Klägers abgeleitet hat. Das genügt aber nicht den Anforderungen, die an eine leitliniengerechte Schmerzbegutachtung gestellt werden. Denn bei Schmerzen kommt es für den Beweiswert einer gutachtlichen Leistungsbeurteilung maßgeblich darauf an, ob der Sachverständige die Angaben des Versicherten zu dessen individuellem Schmerzerleben weitergehend – im Sinne einer Konsistenzprüfung – mit der Arbeits- und Sozialanamnese, der speziellen Schmerzanamnese, der (schmerzbezogenen) Behandlungsanamnese als Indiz für den jeweiligen Leidensdruck, den Aktivitäten im täglichen Leben sowie der Partizipation in verschiedenen Lebensbereichen abgleicht, um die sozialmedizinisch relevanten Funktions- und Fähigkeitsstörungen objektiv beurteilen zu können (vgl. Steiner in: Francke/Gagel/Bieresborn, Der Sachverständigenbeweis im Sozialrecht, 2. Aufl. 2017, § 3 Rdnr. 53 m.w.N.). Dem ist der Sachverständige Dr. med. M. weder mit seinem Gutachten vom 3. April 2019 noch mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. September 2019 nachgekommen. Das gilt namentlich für seinen pauschalen Hinweis auf das Vorliegen einer „vita minima“, die jedoch der im Berufungsverfahren von Amts wegen gehörte Sachverständigen Dr. med. P. zu Recht als „eigene Interpretation“ bezeichnet, weil hierbei unberücksichtigt geblieben ist, dass es dem Kläger durchaus gelingt, unterschiedliche Verrichtungen auszuüben, die mit Freude verbunden sind. Hierzu gehören nicht nur seine monatlichen Besuche einer von ihm mitgegründeten Selbsthilfegruppe und regelmäßige Telefonate mit ehemaligen Mitpatienten, sondern auch das tägliche Spazierengehen und das einmal wöchentliche Einkaufen. Der Kläger fährt offenkundig mit dem Pkw zum Aartalsee und geht dort spazieren, wobei er immerhin – wenn auch mit Pausen – eine Strecke in ebenem Gelände von 6 km zurücklegen kann. Auch besucht er regelmäßig einmal in der Woche die Sauna und kann sich außerdem Unterstützung im Bekanntenkreis für Haushaltstätigkeiten und Einkäufe organisieren, was durchaus für gewisse soziale Aktivitäten spricht. Diese Fähigkeiten hat der Sachverständige Dr. med. M. bei seiner Leistungsbeurteilung schlichtweg unberücksichtigt gelassen. Zwar ist ihm zuzugeben, dass aus dem Umstand, dass der Kläger beispielsweise in der Lage ist, in ebenem Gelände 6 km spazieren zu gehen, freilich keine Erwerbsfähigkeit abgeleitet werden kann. Darauf kommt es vorliegend aber auch nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass durch die aufgezeigten Aktivitäten des Klägers einerseits auf das Vorhandensein einer willentlichen Steuerbarkeit der geklagten Beschwerden geschlossen werden kann und sich andererseits Hinweise für eine Diskrepanz zwischen der Beschwerdeschilderung des Klägers anlässlich der Untersuchungssituation sowie seinen körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigungen im Alltag ergeben. Dann aber bestehen durchaus Zweifel daran, ob der Kläger tatsächlich an einer derart gravierenden Schmerzerkrankung leidet, die sein Leistungsvermögen rentenrelevant beeinträchtigt. In Anbetracht dessen kommt es nicht darauf an, dass die regelmäßigen Spaziergänge therapeutischen Zwecken dienen, wie der Sachverständige Dr. med. M. meint.
Aus den Feststellungen und Ausführungen des auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. S. lässt sich eine rentenrelevante Leistungsminderung ebenfalls nicht mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ableiten. Zwar geht aus seinem Gutachten vom 9. Mai 2023 hervor, dass der Kläger nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich erwerbsfähig sei. Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob jene Leistungsbeurteilung nachvollziehbar und widerspruchsfrei aus den anlässlich der ambulanten Untersuchung des Klägers am 11. April 2023 und 12. April 2023 gestellten Diagnosen und erhobenen Befunde abgeleitet worden ist. Denn selbst wenn dem so sein sollte, wäre dann allenfalls von einem erst am 12. April 2023 eingetretenen Leistungsfall auszugehen, der aber nicht nur außerhalb des hier streitigen Zeitraums (1. Oktober 2019 bis 31. Juli 2022) liegen würde, sondern auch nach dem 31. Januar 2022, also dem Zeitpunkt, zu dem letztmalig die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Zur Überzeugung des Senats ist gerade nicht nachgewiesen, dass der Leistungsfall bereits am 26. Juni 2017, dem Datum der Rentenantragstellung, eingetreten ist. Diese Annahme des Sachverständigen Dr. med. S. hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Für den Eintritt eines Leistungsfalles in der Vergangenheit gilt, dass der Beweiswert einer rückschauenden Leistungsbeurteilung umso größer ist, je genauer seitens des Sachverständigen differenziert wird zwischen den anlässlich der (eigenen) Untersuchung getroffenen aktuellen Feststellungen und der daraus bezogen auf diesen Zeitpunkt abgeleiteten Beurteilung einerseits sowie der hiervon ausgehend – unter Zuhilfenahme von geeigneten Anknüpfungspunkten im medizinischen Berichtswesen – entwickelten Einschätzung hinsichtlich der Vergangenheit andererseits. Je lückenloser die Kette der so genannten Brückensymptome in die Vergangenheit zurückreicht und je eingehender die Aussagekraft von Untersuchungsberichten aus früheren Zeiten im Gutachten erläutert wird, umso nachvollziehbarer, einleuchtender und schließlich auch überzeugender kann eine rückschauende Leistungsbeurteilung sein mit der Folge eines dann nachvollziehbar auch in der Vergangenheit eingetretenen Leistungsfalles (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 7. Mai 2021, L 5 R 206/18, juris Rdnr. 86; Urteil vom 5. Februar 2021, L 5 R 399/18, juris Rdnr. 58 m.w.N.). Auch der Eintritt eines Leistungsfalles in der Vergangenheit muss im Sinne eines Vollbeweises nachgewiesen sein, wovon – wie bereits ausgeführt – allerdings nur ausgegangen werden kann, wenn die behauptete Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt. Gelingt der Nachweis eines in der Vergangenheit eingetretenen Leistungsfalles nicht, geht dies zu Lasten des insoweit beweisbelasteten Rentenbewerbers. Denn die Nichterweislichkeit einer Tatsache belastet im Zweifel denjenigen Beteiligten, der aus ihr eine günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2021, B 5 R 1/21 R – SozR 4-2600 § 53 Nr. 2).
Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen und Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. S. zur Rückwirkung des von ihm festgestellten, aufgehobenen Leistungsvermögens nicht einmal ansatzweise. Seiner Ansicht nach könnte der 26. Juni 2017 ein „sinnvoller“ Zeitpunkt sein, um die (auch quantitative) Einschränkung zu terminieren, weil die entscheidende Verschlechterung im November 2015 nach der Trennung von der Partnerin und einer überfordernden Situation im Beruf stattgefunden habe. Abgesehen davon, dass es dann durchaus naheliegen würde, dass der Kläger schon seit November 2015 voll erwerbsgemindert ist, reicht die bloße Annahme, dass der Eintritt des Leistungsfalles zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit „sinnvoll“ sei, keinesfalls für den Vollbeweis einer rückwirkenden Leistungsbeurteilung aus. Das gilt umso mehr, als der Sachverständige Dr. med. S. den Eintritt der Erwerbsminderung auf einen Zeitpunkt datiert hat, der beinahe sechs Jahre vor seiner eigenen Untersuchung am 11. April 2023 und 12. April 2023 liegt. Konkrete Brückensymptome, anhand derer der von ihm angenommene Leistungsfall lückenlos festgemacht werden könnte, benennt er nicht. Die Schlüssigkeit seiner Annahme hätte zudem erfordert, sich nicht nur kritisch mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. P. auseinanderzusetzen, sondern vor allem auch mit den Ausführungen der Ärztin für Neurologie F. in ihrem Gutachten vom 29. Januar 2018, die dem Kläger bescheinigt hatte, über ein zeitlich uneingeschränktes Leistungsvermögen zu verfügen. Dies ist der Sachverständige Dr. med. S. gänzlich schuldig geblieben. Dass es ihm letztlich nicht möglich ist, das von ihm festgestellte Leistungsvermögen mit der erforderlichen, an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auf den 26. Juni 2017 rückzudatieren, räumt der Sachverständige Dr. med. S. überdies sogar ausdrücklich ein, indem er einerseits in seinem Gutachten vom 9. Mai 2023 eine rückwirkende Leistungsbeurteilung als „immer problematisch“ bezeichnet und er andererseits in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2023 der Beklagten beipflichtet, dass sich vorliegend – „wie immer im rückblickenden Verlauf“ – eine präzise Einordnung „kaum mit hoher Sicherheit“ treffen lassen wird. Letztlich erweist sich somit seine Annahme eines bereits am 26. Juni 2017 eingetretenen Leistungsfalles ohne belastbare bzw. sogar gegenteilige Anhaltspunkte im medizinischen Berichtswesen als rein spekulativ und lediglich gegriffen, was für einen Nachweis im Sinne eines Vollbeweises nicht genügt. Daran ändert nichts, dass der Sachverständige Dr. med. S. den Kläger – sofern er ihn schon während der vom 25. April 2017 bis 2. Juni 2017 dauernden Rehabilitationsmaßnahme in der D.-Klinik untersucht hätte – wegen seiner nicht nur psychiatrischen Sichtweise möglicherweise anders beurteilt hätte als seinerzeit im Entlassungsbericht vom 19. Juli 2017 geschehen. Auch insoweit handelt es sich um eine bloße Vermutung, die nicht zum Nachweis einer Tatsache genügt.
Daran ändert nichts, dass auch die sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit Marburg vom 26. Juli 2017 dem Kläger ein unter dreistündiges Leistungsvermögen bescheinigt. Das folgt daraus, dass der Gutachter N. jenes Leistungsvermögen allein anhand einer Auswertung von Befundunterlagen festgestellt hat. Um welche Unterlagen es sich hierbei im Einzelnen gehandelt hat lässt sich der Stellungnahme indes nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich geworden, ob dem Gutachter N. auch der nur kurz vorher erstellte Entlassungsbericht der MEDIAN D.-Klinik vom 19. Juli 2017 zur Auswertung vorlag, deren Ärzte im Anschluss an den dortigen stationären Aufenthalt vom 25. April 2017 bis 2. Juni 2017 noch von einem zeitlich uneingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis sogar mittelschwere Arbeiten ausgegangen waren. Dies hat der Gutachter N. nicht substantiiert entkräftet. Seine Leistungsbeurteilung ist im Übrigen auch deshalb wenig aussagekräftig, weil sie ohne Bezug zu einer bestimmten Arbeitsschwere und ohne Nennung der qualitativen Leistungseinschränkungen abgegeben worden ist.
Anders als die Beklagte meint ist allerdings auch nicht nachgewiesen, dass der Kläger seit dem 10. März 2022 erwerbsgemindert ist. Denn der Sachverständige Dr. med. P. hat das zeitliche Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich auf leichte bis kurzfristig mittelschwere Arbeiten bezogen. Der Nachweis einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung ist allerdings nur dann erbracht, wenn die Ressourcen des Rentenbewerbers in zeitlicher Hinsicht wirklich bezogen auf jede denkbare Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes im gesetzlichen Ausmaß limitiert sind (vgl. Steiner in: Franke/Gagel/Bieresborn, a.a.O., § 3 Rdnr. 91). Erforderlich ist also stets die Feststellung, dass die zeitliche Begrenzung auch für ausschließlich leichte Tätigkeiten gilt. Da der Sachverständige Dr. med. P. eine derartige Feststellung nicht getroffen hat, lässt sich demzufolge mit seinem Gutachten ein nachweislich am 10. März 2022 eingetretener Leistungsfall gerade nicht begründen. Ungeachtet dessen würde sich daraus aber auch deshalb kein Rentenanspruch des Klägers ergeben, weil dann nicht nur die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt wären, sondern dem Kläger lediglich eine befristete Erwerbsminderungsrente zustehen würde. Das folgt aus § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI. Denn während dem Kläger bei einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich die Rente wegen voller Erwerbsminderung allein wegen der Verschlossenheit des Teilzeitmarktes gewährt wird – also gerade nicht unabhängig von der Arbeitsmarktlage – und die Rente deshalb stets zu befristen ist, hat der Sachverständige Dr. med. P. aus ärztlicher Sicht ausgeführt, dass mittels Intensivierung der psychotherapeutischen Behandlung eine Besserung der quantitativ eingeschränkten Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht unwahrscheinlich ist. Bei bestehender Besserungsaussicht besteht aber ebenfalls nur ein Anspruch auf befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden allerdings gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt des Leistungsfalles geleistet. Damit würde vorliegend aufgrund eines am 10. März 2022 eingetretenen Leistungsfalles die Rente des Klägers frühestens am 1. Oktober 2022 beginnen können, also erst zu einem Zeitpunkt, der nach Ablauf des hier streitgegenständlichen Zeitraums am 31. Juli 2022 liegen würde.
In Anbetracht dieser Ausführungen bleibt insgesamt festzuhalten, dass sich bis zum 31. Januar 2022 ein zeitlich gemindertes oder gar aufgehobenes Leistungsvermögen des Klägers nicht nachweisen lässt.
Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für zielgerichtete weitere Ermittlungen auf medizinischem Fachgebiet. Der Senat hat sich nicht dazu gedrängt fühlen müssen, von Amts wegen ein weiteres Gutachten einzuholen. Denn das Gericht ist in der Würdigung von Sachverständigengutachten grundsätzlich frei und kann auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Dezember 1989, 2 BU 146/89 – juris Rdnr. 5 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 23. Mai 2006, B 13 RJ 272/05 B – juris Rdnr. 5 m.w.N.), sofern es sich mit den gutachtlichen Ausführungen auseinandersetzt, denen es nicht folgt.
Das erstinstanzliche Urteil kann auch nicht etwa deshalb aufrechterhalten bleiben, weil bei dem Kläger bis zum 31. Januar 2022 nachweislich besondere Umstände vorlagen bzw. eingetreten sind, welche die Ausübung einer leichten Erwerbstätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschwert haben. Weder lässt sich aufgrund der im Gutachten der Neurologin F. vom 29. Januar 2018 festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen – ohne Zwangshaltungen, keine besonderen Anforderungen an die seelische Belastbarkeit – eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung feststellen (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83, SozR 2200 § 1246 Nr. 117 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82, SozR 2200 § 1246 Nr. 104), noch fällt der Kläger wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter heraus (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79; BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 – beide veröffentlicht in juris). Denn er war die weit überwiegende Zeit seines bisherigen Erwerbslebens in seinem erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker beschäftigt.
Die Entscheidung des Sozialgerichts ist schließlich auch nicht etwa deshalb rechtmäßig ergangen, weil die Resterwerbsfähigkeit des Klägers im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr verwertbar gewesen ist. Dass der Kläger bis zum 31. Januar 2022 nicht mehr in der Lage gewesen sein könnte, in Betrieben unter üblichen Arbeitsbedingungen Tätigkeiten zu verrichten (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 27. Mai 1977, 5 RJ 28/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 19), er nicht mehr uneingeschränkt wegefähig im rentenversicherungsrechtlichen Sinne war (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R, juris Rdnr. 20 m.w.N.) oder dass vorliegend einer der weiteren, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Seltenheitsfälle (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 25. Juni 1986, 4a RJ 55/84, juris Rdnr. 16 m.w.N.) gegeben sein könnte, ist nicht ersichtlich geworden. Wenn der Kläger gleichwohl bis zum 31. Januar 2022 keinen Arbeitsplatz gefunden hatte, den er nach seinem Leistungsvermögen noch ausfüllen konnte, so ergab sich daraus allenfalls ein Anspruch auf Leistungen der Arbeitsförderung bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende, nicht aber ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegen die Beklagte als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung.
Insgesamt bleibt somit festzuhalten, dass bei dem Kläger der Eintritt einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung bis spätestens 31. Januar 2022 nicht nachgewiesen ist. Ob er nach diesem Zeitpunkt erwerbsgemindert geworden ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil dann das Rentenbegehren des Klägers jedenfalls daran scheitern würde, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Denn bei Eintritt des Leistungsfalles ab dem 1. Februar 2022 ist weder die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI für die Gewährung einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderungsrente erforderliche Vorversicherungszeit (drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) noch einer der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmetatbestände gegeben.
Der Kläger hat dem unbestrittenen Versicherungsverlauf vom 5. Dezember 2022 zufolge in der gesetzlichen Rentenversicherung letztmals für den um insgesamt 18 Monate verlängerten Vorbelegungszeitraum vom 1. Juli 2015 bis 30. Januar 2022 die erforderlichen 36 Monate Pflichtbeiträge zurückgelegt. Sein Versicherungskonto weist Pflichtbeiträge lediglich bis zum 30. September 2017 und nochmals vom 4. November 2017 bis 5. Juli 2018 sowie Aufschubzeiten im Sinne von § 43 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug) vom 1. Oktober 2017 bis 31. Oktober 2017 und vom 1. August 2018 bis 9. Dezember 2019 aus. Obwohl der Kläger auch vom 1. November 2017 bis 3. November 2017 und vom 6. Juli 2018 bis 31. Juli 2018 ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet war und diese Zeiten ebenfalls in seinem Versicherungskonto gespeichert sind, verlängert sich der Vorbelegungszeitraum nicht um weitere zwei Monate. Denn die beiden Monate November 2017 und Juli 2018 zählen nicht zu den Aufschubzeiten, da sie mit Blick auf das Monatsprinzip (§ 122 Abs. 1 SGB VI) zugleich mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit im Sinne von § 43 Abs. 4 SGB VI belegt sind, die der Kläger hat vom 4. November 2017 bis 30. November 2017 und vom 1. Juli 2018 bis 5. Juli 2018 durch den Bezug von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zurückgelegt hat. Auch Beitragszeiten nach § 3 SGB VI kommen bei § 43 Abs. 4 SGB VI als verlängerungsschädliche Pflichtbeiträge in Betracht.
Da sich auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein von weiteren Aufschubzeiten im Sinne von § 43 Abs. 4 SGB VI ergeben, scheidet eine Verlängerung des Vorbelegungszeitraums auf die Zeit vor dem 1. Juli 2015 aus.
Auf den Nachweis der für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich erforderlichen Vorversicherungszeit nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 4 SGB VI kann vorliegend nicht verzichtet werden, weil die Voraussetzungen der einschlägigen Ausnahmebestimmungen nicht erfüllt sind. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge einer der in § 43 Abs. 5 i. V. m. § 53 SGB VI angesprochenen Fallkonstellationen (Arbeitsunfall oder dergleichen) eingetreten sein könnte. Des Weiteren gehört der Kläger nicht zu denjenigen Versicherten, welche die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Maßgabe des § 241 Abs. 2 SGB VI erfüllen können. Denn nach dem Versicherungsverlauf vom 5. Dezember 2022 ist bereits die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) vor dem 1. Januar 1984 nicht erfüllt, weil der Kläger überhaupt erst ab dem 1. August 1985 Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat. Im Übrigen ist eine Erwerbsminderung des Klägers auch nicht vor dem 1. Januar 1984 eingetreten. Ebenso wenig kommt schließlich die Ausnahmevorschrift des § 43 Abs. 6 SGB VI zum Tragen, da der Kläger nicht bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert gewesen ist.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht dem heute 53-jährigen Kläger schon deshalb nicht zu, weil er nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Auch unter diesem Gesichtspunkt kann somit das erstinstanzliche Urteil nicht wenigstens teilweise Bestand haben.
Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten nicht ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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