Landessozialgericht NRW – Az.: L 10 KR 361/20 – Beschluss vom 19.05.2021
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.03.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um Krankengeld (KG) für die Zeit ab dem 08.10.2013 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.
Die am 00.00.1959 geborene Klägerin, die seit dem 26.07.2005 eine große Witwenrente bezieht, war vom 30.11.2011 bis zum 18.12.2013 und erneut vom 26.12.2013 bis zum 01.01.2014 bei der Beklagten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld I gesetzlich krankenversichert. In der Zeit vom 19.12.2013 bis zum 25.12.2013 und erneut vom 02.01.2014 bis zum 30.06.2019 war sie als Rentnerin gesetzlich krankenversichert. Seit dem 01.07.2019 bezieht sie Arbeitslosengeld II.
Am 12.03.2012 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig (au) und befand sich vom 12.03.2012 bis zum 14.03.2012 im Klinikum Dortmund. Als arbeitsunfähigkeitsbegründende Diagnose nannte das Klinikum ein Reizdarmsyndrom mit Diarrhö. Im Anschluss an den stationären Aufenthalt wurde der Klägerin weiterhin Arbeitsunfähigkeit (AU) mit verschiedenen Diagnosen bescheinigt.
Mit Bescheid vom 13.06.2012 in Gestalt eines Abhilfebescheids vom 26.07.2012 lehnte es die Beklagte ab, KG für die Zeit vom 12.03.2012 bis 22.04.12 zu zahlen, da der Anspruch in diesem Zeitraum ruhe. Die Klägerin habe die entsprechenden AU-Bescheinigungen verspätet eingereicht. Ab dem 23.04.2012 zahlte die Beklagte der Klägerin KG. Mit Bescheid vom 02.10.2013 stellte die Beklagte das Ende des KG-Anspruches zum 07.10.2013 fest.
In der Zeit vom 12.3.2012 bis zum 07.10.2013 bescheinigten verschiedene Ärzte und Ärztinnen der Klägerin AU unter Angabe einer Vielzahl von Diagnosen, ua : „Reizdarmsyndrom mit Diarrhö“, „Nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis, nicht näher bezeichnet“, „Chronische Gastritis, nicht näher bezeichnet“, „Kandidose Darm“ und „Krankheit des Verdauungssystems, nicht näher bezeichnet“. Für den Zeitraum vom 30.09.2013 bis 25.10.2013 ist AU durch die Ärztin T ua wegen „Krankheit des Verdauungssystems nicht näher bezeichnet“ bescheinigt. Ferner wurde ab dem 08.10.2013 AU unter Angabe der Diagnosen „Akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisationen der oberen Atemwege“, „Chronische Sinusitis“ und „Bronchitis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet“ bescheinigt.
Einen Überprüfungsantrag der Klägerin von Mai 2017 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2017/Widerspruchsbescheid vom 30.05.2018 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Anspruch der Klägerin auf KG am 07.10.2013 geendet habe. In den letzten drei Jahren vor dem 12.03.2012 seien keine AU-Zeiten wegen der Erkrankung „Reizdarmsyndrom“ zu verzeichnen gewesen. Daher laufe die Blockfrist für diese Erkrankung vom 12.03.2012 bis zum 11.03.2015. Innerhalb der Blockfrist sei die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen am 08.09.2013 erreicht worden. Bei der Höchstbezugsdauer sei die Zeit, in der der Anspruch der Klägerin auf KG geruht habe, anzurechnen gewesen. Die Zahlung des KG bis zum 07.10.2013 sei rechtsirrtümlich erfolgt. Von einer Rückforderung werde unter Vertrauensschutzgesichtspunkten abgesehen. Zudem handele es sich bei der Atemwegserkrankung, wegen der zum 08.10.2013 AU festgestellt worden sei, um eine hinzugetretene Krankheit, die die Leistungsdauer nicht verlängert habe. Ab dem 02.01.2014 sei die Klägerin ferner als Rentnerin krankenversichert gewesen und habe daher keinen Anspruch auf KG gehabt.
Die Klägerin hatte bereits am 29.12.2017, unmittelbar gegen den Bescheid vom 31.05.2017, Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben.
Sie hat vorgetragen, die Höchstanspruchsdauer von 78 Wochen sei erst ab dem 23.04.2013 – dem Tag, ab dem der Anspruch auf KG nicht mehr geruht habe – zu berechnen. Im Übrigen sei ihr unverständlich, wieso wegen des Umstandes, dass sie ab dem 02.01.2014 als Rentnerin krankenversichert gewesen sei, kein Anspruch auf KG bestanden haben solle.
Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid vom 31.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 02.10.2013 zurückzunehmen und ihr ab dem 08.10.2013 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat sich geweigert, dem SG die sie behandelnden Ärzte zu benennen und diese von deren Schweigepflicht zu entbinden.
Mit Urteil vom 10.03.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) darauf, dass die Beklagte den bestandskräftigen Bescheid vom 02.10.2013 aufhebt und ihr KG ab dem 08.10.2013 zahlt. Die Beklagte habe mit Erlass des Bescheides vom 02.10.2013 weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Es sei vielmehr zutreffend, dass die Klägerin keinen Anspruch auf KG über den 08.09.2013 hinaus gehabt habe, weil dieser wegen Erreichung der Anspruchshöchstdauer gemäß § 48 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) mit Ablauf dieses Tages erschöpft gewesen sei. Gemäß § 44 Abs 1 S 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf KG, wenn eine Krankheit sie au mache. Der KG-Anspruch bestehe grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der AU wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der AU an – § 48 Abs 1 S 1 SGB V -. Trete während der AU eine weitere Krankheit hinzu, werde die Leistungsdauer nach § 48 Abs 1 S 2 SGB V nicht verlängert. Die Klägerin sei erstmals wegen eines Reizdarmsyndroms mit Diarrhö am 12.03.2012 au gewesen. Die am 12.03.2012 die AU auslösende Krankheit „Reizdarmsyndrom“ sei in den letzten drei Jahren vor dem 12.03.2012 nicht aufgetreten. Der insofern maßgebende 3-Jahres-Zeitraum (Blockfrist) umfasse die Zeit vom 12.03.2012 bis zum 11.03.2015. Innerhalb der Blockfrist sei der KG-Höchstanspruch von 78 Wochen (546 Kalendertage) am 08.09.2013 erschöpft gewesen. Bei der Feststellung der Leistungsdauer des KG seien auch Zeiten, in denen der Anspruch auf KG geruht habe, zu berücksichtigen – § 48 Abs. 3 S. 1 SGB V -. Der Klägerin habe in der Zeit, in der sie über den Bezug ihrer Witwenrente gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V versichert gewesen sei (19.12.2013 – 25.12.2013; 02.01.2014 – 30.06.2019), kein Anspruch auf KG zugestanden. Sie habe neben dem Rentenbezug keine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt, aus der sie Arbeitsentgelt oder -einkommen erzielt habe, das der Beitragsberechnung unterlegen habe. Rentner und Rentenantragsteller seien nur dann mit Anspruch auf KG versichert, wenn sie aus einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit Arbeitsentgelt oder -einkommen erzielten, das der Beitragsberechnung unterliege. Das folge aus der Regelung über die Höhe und Berechnung des Krankengeldes – § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V -. Auch für die weiteren streitgegenständlichen Zeitabschnitte sei weder zu erkennen, dass das Recht unrichtig angewandt wurde, noch dass von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Ab dem 09.09.2013 komme ein Anspruch auf KG nur in Betracht, wenn es sich bei der, die weitere AU bedingende, Krankheit nicht um eine zu der ursprünglich die AU begründende Krankheit hinzugetretene und nicht um dieselbe Krankheit, die die AU zuerst begründete, bzgl derer die maximale Anspruchsdauer ausgeschöpft wurde, gehandelt habe. Es sei nicht nachgewiesen, dass es sich bei der Erkrankung nach dem 08.09.2013 um eine andere Krankheit als das Reizdarmsyndrom gehandelt habe. Für den gesamten Zeitraum ab dem 12.03.2012 lägen eine Vielzahl von AU-Bescheinigungen vor, die als Diagnose Erkrankungen, die den Magen-Darm-Trakt betreffen, nennen würden. Es sei davon auszugehen, dass allen diesen Diagnosen dieselbe Krankheitsursache zugrunde liege. Zeitlich mit der AU vom 30.09.2013 bis zum 25.10.2013 überschneidend, sei ab dem 08.10.2013 bis zum 17.01.2014 AU unter Angabe der Diagnosen chronische Sinusitis, Bronchitis, Akute Laryngopharyngitis bescheinigt gewesen. Diese Erkrankungen seien der Erkrankung des Verdauungssystems am 08.10.2013 hinzugetreten und führten gemäß § 48 Abs 1 S 2 SGB V nicht zu einer Verlängerung der schon in Ansehung der ersten Krankheit maßgeblichen (grundsätzlich begrenzten und hier ausgeschöpften) Leistungsdauer.
Die Klägerin hat gegen das ihr am14.04.2020 zugestellte Urteil am 14.05.2020 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ausführt, die erste, die ursprüngliche AU begründende Diagnose sei falsch interpretiert worden. Sie sei iü nunmehr bereit, den damals behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.03.2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2018 zu verurteilen, den Bescheid vom 02.10.2013 zurückzunehmen und ihr ab dem 08.10.2013 Krankengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten.
II.
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs 4 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Änderung des Bescheides vom 02.10.2013 nach § 44 Abs 1 SGB X, denn dieser ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil diese keinen Anspruch auf KG für die Zeit ab dem 09.10.2013 hatte.
Zur Begründung nimmt der Senat nach § 153 Abs 2 SGG auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die Berufungsbegründung führt zu keiner anderen tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Es kann dahinstehen, ob die am 30.09.2013 und 08.10.2013 bescheinigte AU wegen dergleichen oder anderer Krankheiten als derjenigen, die zunächst die AU begründeten, bestand, ob also im September/Oktober 2013 neue Gesundheitsstörungen aufgetreten sind. Neue Erkrankungen wären jedenfalls am 30.09.2013 bzw 08.10.2013 zu den seit 2012 bestehenden Erkrankungen hinzugetreten und verlängerten die Höchstbezugsdauer für das Krankengeld nicht – § 48 Abs 1 S 2 SGB V -. Insoweit wird auf die vorliegenden AU-Bescheinigungen hingewiesen, die bis 20.12.2013 lückenlos sind.
Dafür, dass in der Zeit vom 21.12.2013 bis 26.12.2013, für die keine AU-Bescheinigung vorliegt, Arbeitsfähigkeit bestand, ist nichts vorgetragen und nichts ersichtlich. Zudem erfolgte die Krankschreibung ab dem 27.12.2013 als sog Folgebescheinigung zu der vorherigen AU-Bescheinigung vom 02.12.2013 und dementsprechend auch für die gleichen, weiterbestehenden Erkrankungen. Iü könnte für eine Zeit, in der Arbeitsfähigkeit bestand, keinesfalls Krankengeld beansprucht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG.