Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Statusfeststellung und Sozialversicherungspflicht: GmbH unterliegt bei Betriebsprüfung wegen vermeintlich Selbstständigen
- Hintergrund des Falls: Betriebsprüfung deckt vermeintliche Scheinselbstständigkeit auf
- Die Tätigkeit von Herrn X.: Technische Beratung und Konstruktion im Maschinenbau
- Kern des Streits: Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung
- Das „Honorarvertrag“ Konstrukt: Gericht misst tatsächlichen Verhältnissen mehr Gewicht bei
- Entscheidende Kriterien für abhängige Beschäftigung: Eingliederung und Weisungsgebundenheit
- Keine Revision zugelassen: Urteil des Landessozialgerichts ist rechtskräftig
- Bedeutung des Urteils für Betroffene: Sorgfältige Statusprüfung unerlässlich
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Kriterien sind entscheidend, um festzustellen, ob eine Person selbstständig oder abhängig beschäftigt ist?
- Was bedeutet „Eingliederung in die Betriebsorganisation“ konkret und wie wirkt sie sich auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung aus?
- Wie kann ich als Unternehmer das Risiko minimieren, dass ein vermeintlich Selbstständiger nachträglich als abhängig beschäftigt eingestuft wird?
- Welche Rolle spielt der Honorarvertrag bei der Beurteilung der Selbstständigkeit und welche anderen Faktoren sind wichtiger?
- Was ist eine Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund und wann ist es sinnvoll, diese zu beantragen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
- Datum: 15.03.2023
- Aktenzeichen: L 8 BA 132/19
- Verfahrensart: Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV
- Rechtsbereiche: Sozialversicherungsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine GmbH, ein Maschinenbauunternehmen. Sie wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung.
- Beklagte: Nicht näher bezeichnet (vermutlich ein Sozialversicherungsträger). Sie fordert Beiträge für die Tätigkeit des Beigeladenen.
- Beigeladener zu 1): X., ein technischer Berater, der von der Beklagten als sozialversicherungspflichtig eingestuft wurde. Er arbeitete für die Klägerin im Zeitraum vom 01.03.2014 bis 31.05.2016.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Beklagte forderte im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) (X.) im Zeitraum vom 01.03.2014 bis 31.05.2016. X. war zuvor in verschiedenen Positionen bei einem anderen Unternehmen tätig und hatte später ein Gewerbe im Bereich der technischen Beratung angemeldet.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin im genannten Zeitraum als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzustufen ist und ob die Klägerin daher zu Recht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgefordert wurde.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.04.2019 wurde zurückgewiesen.
- Folgen: Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
Statusfeststellung und Sozialversicherungspflicht: GmbH unterliegt bei Betriebsprüfung wegen vermeintlich Selbstständigen

In einem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Az.: L 8 BA 132/19) wurde eine Maschinenbau-GmbH zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für einen vermeintlich selbstständigen Mitarbeiter verurteilt. Das Gericht wies die Berufung der GmbH gegen ein Urteil des Sozialgerichts Duisburg zurück und bestätigte damit die Sozialversicherungspflicht des Mitarbeiters. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die schwierige Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung und die Konsequenzen für Unternehmen bei fehlerhafter Einstufung.
Hintergrund des Falls: Betriebsprüfung deckt vermeintliche Scheinselbstständigkeit auf
Auslöser des Verfahrens war eine Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bund (Beklagte) bei der Maschinenbau-GmbH (Klägerin). Diese Prüfung erfolgte im Nachgang zu einer Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes, bei der Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Tätigkeit eines Herrn X. (Beigeladener zu 1) aufgefallen waren. Das Finanzamt hatte aufgrund regelmäßiger Zahlungen und ähnlicher Tätigkeitsbeschreibungen den Verdacht geäußert, dass Herr X. möglicherweise nicht selbstständig, sondern abhängig beschäftigt sein könnte.
Die Tätigkeit von Herrn X.: Technische Beratung und Konstruktion im Maschinenbau
Herr X., ein Maschinenbauingenieur im Ruhestand, war seit März 2014 für die GmbH tätig. Laut Honorarvertrag sollte er „Erstellung und Überprüfung von Konstruktionen im Bereich Maschinenbau“ sowie „technische Beratung“ leisten. Die GmbH argumentierte, dass Herr X. selbstständig agierte, keinen Weisungen unterlag, seine Arbeitszeit und -ort frei bestimmen konnte und nicht in den betrieblichen Ablauf eingegliedert war. Die GmbH zahlte Herrn X. monatlich 1.500 Euro Honorar zuzüglich Mehrwertsteuer.
Kern des Streits: Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob Herr X. als selbstständiger Auftragnehmer oder als abhängig beschäftigter Mitarbeiter der GmbH einzustufen ist. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Sozialversicherungspflicht. Selbstständige tragen ihre Sozialversicherungsbeiträge selbst, während Unternehmen für ihre abhängig Beschäftigten Beiträge abführen müssen. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass Herr X. abhängig beschäftigt war und forderte Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von März 2014 bis Mai 2016 nach.
Das „Honorarvertrag“ Konstrukt: Gericht misst tatsächlichen Verhältnissen mehr Gewicht bei
Die GmbH berief sich auf den Honorarvertrag, der die Selbstständigkeit von Herrn X. festschrieb. Das Gericht stellte jedoch klar, dass die vertragliche Bezeichnung allein nicht ausschlaggebend ist. Entscheidend seien die tatsächlichen Verhältnisse der Zusammenarbeit. Das Gericht prüfte eine Vielzahl von Kriterien, um den Status von Herrn X. zu beurteilen.
Entscheidende Kriterien für abhängige Beschäftigung: Eingliederung und Weisungsgebundenheit
Das Landessozialgericht bestätigte die Einschätzung der Beklagten und des Sozialgerichts, dass Herr X. abhängig beschäftigt war. Ausschlaggebend waren folgende Punkte:
- Eingliederung in die Betriebsorganisation: Obwohl Herr X. formal frei in der Gestaltung seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsortes war, sah das Gericht eine faktische Eingliederung in den Betrieb der GmbH. Seine Tätigkeiten waren eng mit den betrieblichen Abläufen verbunden.
- Weisungsgebundenheit: Auch wenn keine expliziten Weisungen erteilt wurden, sah das Gericht eine implizite Weisungsgebundenheit. Herr X. war in die betrieblichen Entscheidungsstrukturen eingebunden und seine Tätigkeit war auf die Bedürfnisse der GmbH ausgerichtet.
- Kein unternehmerisches Risiko: Herr X. trug kein wesentliches unternehmerisches Risiko. Er erhielt ein festes monatliches Honorar, unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg der GmbH oder von seinem eigenen Aufwand. Er investierte nicht in eigene Betriebsmittel und trat am Markt nicht unternehmerisch in Erscheinung.
- Ausschließlichkeit der Tätigkeit: Obwohl der Vertrag formal keine Ausschließlichkeit vorsah, arbeitete Herr X. faktisch fast ausschließlich für die Klägerin. Dies deutet auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit hin.
Keine Revision zugelassen: Urteil des Landessozialgerichts ist rechtskräftig
Das Landessozialgericht wies die Berufung der GmbH zurück und ließ die Revision nicht zu. Damit ist das Urteil rechtskräftig und die GmbH muss die geforderten Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, trägt die Klägerin. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 18.795,74 Euro festgesetzt.
Bedeutung des Urteils für Betroffene: Sorgfältige Statusprüfung unerlässlich
Das Urteil des Landessozialgerichts unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Statusprüfung bei der Beauftragung von freien Mitarbeitern oder Freelancern. Unternehmen sollten sich nicht allein auf vertragliche Vereinbarungen verlassen, sondern die tatsächlichen Arbeitsbedingungen genau analysieren. Eine fehlerhafte Einstufung kann zu erheblichen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen führen, wie dieser Fall zeigt.
Für Selbstständige und Freelancer bedeutet das Urteil, dass auch sie sich ihrer tatsächlichen Stellung bewusst sein sollten. Wenn die Arbeitsrealität eher einer abhängigen Beschäftigung entspricht, könnte dies sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen haben, auch wenn formal ein freier Vertrag geschlossen wurde. Im Zweifel ist es ratsam, eine verbindliche Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu beantragen, um Rechtssicherheit zu gewinnen. Dies gilt sowohl für Unternehmen als auch für Auftragnehmer.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung als selbstständige Tätigkeit die tatsächliche Durchführung entscheidend ist, nicht der Vertragstext. Eine Abhängige Beschäftigung liegt vor, wenn regelmäßige, gleichbleibende Zahlungen erfolgen, Berichtspflichten bestehen und die Tätigkeit nahezu ausschließlich für einen Auftraggeber ausgeübt wird. Unternehmer sollten beachten, dass Scheinselbstständigkeit zu erheblichen Beitragsnachforderungen führen kann, auch wenn ein „Honorarvertrag“ geschlossen wurde.
Benötigen Sie Hilfe?
Klare Verhältnisse im Arbeitsverhältnis sichern?
Die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung kann weitreichende sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Eine fehlerhafte Statusfeststellung birgt das Risiko unerwarteter Nachforderungen und sorgt für Unsicherheiten bei der Einordnung der tatsächlichen Arbeitsverhältnisse.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre individuelle Situation präzise zu analysieren und die wesentlichen Aspekte Ihres Arbeitsverhältnisses zu klären. Mit sachlicher und transparenter Beratung verschaffen wir Ihnen einen umfassenden Überblick über Ihre rechtlichen Optionen – damit Sie informierte Entscheidungen treffen können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Kriterien sind entscheidend, um festzustellen, ob eine Person selbstständig oder abhängig beschäftigt ist?
Die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung ist entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Person. Hierbei spielen mehrere Kriterien eine wichtige Rolle:
- Weisungsgebundenheit: Wenn jemand weisungsgebunden arbeitet, bedeutet das, dass der Arbeitgeber oder Auftraggeber die Art und Weise der Arbeit bestimmt. Dies ist typisch für abhängig Beschäftigte, die Anweisungen befolgen müssen.
- Eingliederung in die Betriebsorganisation: Eine Person, die fest in die betriebliche Organisation eingegliedert ist, arbeitet oft wie ein Arbeitnehmer. Dies kann durch feste Arbeitszeiten, regelmäßige Teilnahme an Meetings oder die Verwendung von Unternehmensressourcen gekennzeichnet sein.
- Unternehmerisches Risiko: Selbstständige tragen in der Regel ein Unternehmerrisiko, was bedeutet, dass sie Gewinne oder Verluste aus ihrer Arbeit erleiden. Abhängig Beschäftigte hingegen haben in der Regel feste Bezüge und keine Verlustbeteiligung.
- Freie Gestaltung der Arbeit: Selbstständige können ihre Arbeitszeit und -weise im Wesentlichen frei gestalten. Abhängig Beschäftigte haben oft feste Arbeitszeiten und müssen sich an vorgegebene Prozesse halten.
- Wirtschaftliche Abhängigkeit: Wenn eine Person den Großteil ihrer Einnahmen von einem einzigen Auftraggeber erhält, kann dies auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit hinweisen, die eher für abhängige Beschäftigung spricht.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht der Vertrag allein entscheidend ist, sondern die tatsächliche Ausgestaltung der Arbeitsbeziehung. Gerichte und Sozialversicherungsträger werten alle Umstände des Einzelfalls aus, um eine Entscheidung zu treffen.
Was bedeutet „Eingliederung in die Betriebsorganisation“ konkret und wie wirkt sie sich auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung aus?
Eingliederung in die Betriebsorganisation bezieht sich darauf, wie eng ein Mitarbeiter in die betrieblichen Abläufe eines Unternehmens integriert ist. Diese Integration kann durch verschiedene Faktoren gekennzeichnet sein, wie z.B. die Nutzung betrieblicher Einrichtungen, die Zusammenarbeit mit Stammmitarbeitern oder die Einbindung in die betriebliche Hierarchie und Organisation.
Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung:
Die Eingliederung in die Betriebsorganisation spielt eine wichtige Rolle bei der Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung. Wenn ein Mitarbeiter stark in die betrieblichen Abläufe eingebunden ist, kann dies darauf hindeuten, dass er als Arbeitnehmer und nicht als Selbstständiger gilt. Dies liegt daran, dass Arbeitnehmer typischerweise in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingegliedert sind und einem Weisungsrecht unterliegen.
Beispiele für Eingliederung:
- Nutzung betrieblicher Einrichtungen: Wenn ein Mitarbeiter die gleichen Arbeitsräume und Pausenräume wie die Stammmitarbeiter nutzt.
- Zusammenarbeit: Wenn er eng mit den Stammmitarbeitern zusammenarbeitet, um den Betriebszweck zu erfüllen.
- Weisungsgebundenheit: Wenn er Anweisungen hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort seiner Arbeit erhält.
Rechtliche Auswirkungen:
Die Eingliederung kann dazu führen, dass ein Mitarbeiter sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer eingestuft wird, was bedeutet, dass er Anspruch auf Sozialleistungen wie Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosengeld hat. Dies ist besonders wichtig, da es sich auf die rechtliche und finanzielle Situation des Mitarbeiters auswirkt.
Für Sie bedeutet das, dass eine starke Eingliederung in die Betriebsorganisation oft mit einer abhängigen Beschäftigung einhergeht, was wiederum sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen hat.
Wie kann ich als Unternehmer das Risiko minimieren, dass ein vermeintlich Selbstständiger nachträglich als abhängig beschäftigt eingestuft wird?
Um das Risiko zu minimieren, dass ein vermeintlich Selbstständiger nachträglich als abhängig beschäftigt eingestuft wird, sollten Sie folgende Schritte beachten:
1. Sorgfältige Vertragsgestaltung:
- Vertragsinhalt: Stellen Sie sicher, dass der Vertrag klar und eindeutig die Selbstständigkeit des Auftragnehmers definiert. Der Vertrag sollte die unternehmerische Unabhängigkeit und das Risiko des Selbstständigen betonen.
- Tatsächliche Durchführung: Achten Sie darauf, dass die tatsächliche Arbeitsweise mit dem Vertragsinhalt übereinstimmt. Die Rechtsprechung legt großen Wert auf die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit, nicht nur auf den Vertragstext.
2. Dokumentation der Arbeitsweise:
- Nachweis der Selbstständigkeit: Halten Sie fest, wie der Selbstständige seine Arbeitszeit gestaltet, ob er eigenes Kapital einsetzt und ob er unternehmerisches Risiko trägt. Dies kann durch Dokumentation von Geschäftsentscheidungen und Eigeninitiativen geschehen.
3. Förderung unternehmerischen Handelns:
- Eigenständige Entscheidungen: Geben Sie dem Selbstständigen die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen, wie z.B. die Akquise von Kunden oder die Gestaltung der Arbeitsprozesse.
- Unternehmerisches Risiko: Stellen Sie sicher, dass der Selbstständige tatsächlich unternehmerisches Risiko trägt, z.B. durch die Verwendung eigener Ressourcen oder die Übernahme von Verlusten.
4. Regelmäßige Überprüfung:
- Vertragsgestaltung überprüfen: Überprüfen Sie regelmäßig, ob die Vertragsgestaltung noch den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Passen Sie den Vertrag bei Bedarf an, um Missverständnisse zu vermeiden.
5. Anfrageverfahren zur Statusklärung:
- Rechtssicherheit: Nutzen Sie das Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, um rechtssicher festzustellen, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder abhängig beschäftigt eingestuft wird. Dies kann vorab Klarheit schaffen und spätere Nachforderungen vermeiden.
Durch diese Maßnahmen können Sie das Risiko einer nachträglichen Einstufung als abhängige Beschäftigung minimieren und rechtliche Unsicherheiten vermeiden.
Welche Rolle spielt der Honorarvertrag bei der Beurteilung der Selbstständigkeit und welche anderen Faktoren sind wichtiger?
Ein Honorarvertrag ist ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Selbstständigkeit, aber er ist nicht das einzige Kriterium. Der Vertrag selbst ist ein Indiz für Selbstständigkeit, da er die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit zwischen einem Auftraggeber und einem freien Mitarbeiter regelt und keine Weisungsgebundenheit vorsieht. Allerdings sind die tatsächlichen Verhältnisse der Zusammenarbeit entscheidend.
Wichtige Faktoren für die Beurteilung der Selbstständigkeit sind:
- Weisungsgebundenheit: Ob der Auftragnehmer frei in seiner Arbeitsweise ist oder Anweisungen befolgen muss.
- Abhängigkeit vom Auftraggeber: Ob die Arbeit hauptsächlich für einen Auftraggeber erfolgt, was auf eine Scheinselbstständigkeit hindeuten könnte.
- Eigenes Unternehmerrisiko: Ob der Auftragnehmer eigenes Risiko trägt, wie z.B. Investitionen in Ausrüstung oder die Verantwortung für Fehler.
- Freie Auswahl der Aufträge: Ob der Auftragnehmer frei entscheiden kann, welche Aufträge er annimmt oder ablehnt.
Ein Honorarvertrag kann nicht automatisch eine abhängige Beschäftigung verschleiern. Die Finanzbehörden prüfen, ob die tatsächliche Zusammenarbeit den Kriterien einer selbständigen Tätigkeit entspricht oder ob es sich um eine Scheinselbstständigkeit handelt.
Was ist eine Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund und wann ist es sinnvoll, diese zu beantragen?
Eine Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist ein Verfahren, das dazu dient, den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Person zu klären. Es wird durchgeführt, um festzustellen, ob jemand als Arbeitnehmer (sozialversicherungspflichtig) oder als Selbstständiger (sozialversicherungsfrei) gilt. Dieses Verfahren ist besonders wichtig, wenn der Status nicht eindeutig ist, wie bei Gesellschafter-Geschäftsführern, Fremdgeschäftsführern, Vorständen von Aktiengesellschaften oder mitarbeitenden Familienangehörigen.
Wann ist eine Statusfeststellung sinnvoll?
Es ist sinnvoll, eine Statusfeststellung zu beantragen, wenn:
- Unklarheiten bestehen: Wenn es unklar ist, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder abhängig beschäftigt gilt, kann eine Statusfeststellung Rechtssicherheit schaffen.
- Langfristige Aufträge: Bei langfristigen Aufträgen oder Arbeitsverhältnissen, die Merkmale beider Statusformen aufweisen, kann eine Statusfeststellung helfen, Beitragspflichten und Leistungsansprüche klarzustellen.
- Tätigkeiten, die typischerweise von Arbeitnehmern ausgeführt werden: Wenn Aufgaben typischerweise von Arbeitnehmern erledigt werden, kann eine Statusfeststellung notwendig sein, um den Status rechtssicher zu klären.
Vorteile und Nachteile
Vorteile:
- Rechtssicherheit: Eine Statusfeststellung schafft Klarheit über den sozialversicherungsrechtlichen Status, was Beitragspflichten und Leistungsansprüche betrifft.
- Planungssicherheit: Sie ermöglicht eine bessere Planung der Altersvorsorge und privaten Absicherung.
Nachteile:
- Offenlegung der Verhältnisse: Der Prozess erfordert eine umfassende Offenlegung der Arbeitsbedingungen und -verhältnisse.
- Mögliche Nachforderungen: Wenn die Prüfung ergibt, dass jemand versicherungspflichtig beschäftigt ist und keine Beiträge gezahlt wurden, können Nachforderungen drohen.
Antragstellung
Der Antrag auf eine Statusfeststellung kann sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftragnehmer gestellt werden. In einigen Fällen, wie bei Gesellschafter-Geschäftsführern oder mitarbeitenden Familienangehörigen, erfolgt die Prüfung automatisch bei der Anmeldung des Arbeitsverhältnisses.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Statusfeststellung
Die Statusfeststellung ist ein formales Verfahren zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status einer Person, also ob diese als abhängig beschäftigt oder selbstständig einzustufen ist. Sie kann von Auftraggebern, Auftragnehmern oder Sozialversicherungsträgern beantragt werden und wird von der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt. Die rechtliche Grundlage bildet § 7a SGB IV.
Beispiel: Ein Unternehmen engagiert einen externen Berater und möchte vorab Rechtssicherheit erlangen, ob dieser tatsächlich als Selbstständiger gilt oder ob Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Es beantragt daher eine Statusfeststellung, die alle relevanten Umstände der Tätigkeit prüft.
Sozialversicherungspflicht
Die Sozialversicherungspflicht bezeichnet die gesetzliche Verpflichtung zur Teilnahme an den Systemen der Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung) und zur Zahlung entsprechender Beiträge. Sie besteht grundsätzlich für alle Personen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 2 SGB IV. Die Beiträge werden prozentual vom Arbeitsentgelt berechnet und in der Regel je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen.
Beispiel: Ein Angestellter mit 3.000 € Bruttogehalt ist sozialversicherungspflichtig. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen jeweils ihren Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen, was etwa 20% des Bruttogehalts ausmacht.
Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV
Das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV ist eine regelmäßige Überprüfung von Arbeitgebern durch die Träger der Rentenversicherung, um die korrekte Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen sicherzustellen. Dabei werden unter anderem Beschäftigungsverhältnisse, Entgeltabrechnungen und die Einstufung von Mitarbeitern kontrolliert. Die Prüfung erfolgt in festgelegten Zeitabständen oder bei konkretem Anlass und kann bis zu vier Jahre rückwirkend erfolgen.
Beispiel: Bei der Prüfung eines Unternehmens entdecken die Prüfer, dass ein als „freier Mitarbeiter“ geführter Berater tatsächlich wie ein Angestellter in den Betriebsablauf integriert ist und fordert nachträglich Sozialversicherungsbeiträge für die letzten drei Jahre.
Scheinselbstständigkeit
Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine Person formal als Selbstständiger auftritt, aber tatsächlich in einer abhängigen Beschäftigung tätig ist. Entscheidend sind die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit, nicht die vertragliche Gestaltung. Kennzeichen sind u.a. die Weisungsgebundenheit, die Integration in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers und das Fehlen unternehmerischer Eigenverantwortung. Die rechtliche Beurteilung stützt sich auf § 7 Abs. 1 SGB IV.
Beispiel: Ein Softwareentwickler arbeitet ausschließlich für ein Unternehmen, hat dort einen festen Arbeitsplatz, muss regelmäßige Arbeitszeiten einhalten und erhält monatlich die gleiche Vergütung. Trotz „Honorarvertrag“ handelt es sich um eine scheinselbstständige Tätigkeit.
Beitragsnachforderung
Eine Beitragsnachforderung ist die nachträgliche Einforderung von nicht oder nicht vollständig gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen durch die zuständigen Sozialversicherungsträger. Sie erfolgt, wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung oder Statusfeststellung festgestellt wird, dass Beiträge zu Unrecht nicht entrichtet wurden. Gemäß § 25 SGB IV haftet der Arbeitgeber für die gesamten Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) der letzten vier Jahre.
Beispiel: Nach einer Betriebsprüfung stellt sich heraus, dass ein Unternehmen mehrere Personen fälschlicherweise als selbstständig eingestuft hat. Für den gesamten Prüfzeitraum von vier Jahren muss das Unternehmen nun Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe nachzahlen.
Abhängige Beschäftigung
Die abhängige Beschäftigung ist laut § 7 Abs. 1 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber. Wesentliche Merkmale sind die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung sowie eine fehlende unternehmerische Entscheidungsfreiheit. Sie ist abzugrenzen von der selbstständigen Tätigkeit und löst Sozialversicherungspflicht aus.
Beispiel: Ein Ingenieur arbeitet in einem Maschinenbauunternehmen, muss zu festgelegten Zeiten anwesend sein, bekommt seine Aufgaben zugewiesen, benutzt Arbeitsmittel des Unternehmens und berichtet regelmäßig an seinen Vorgesetzten – dies sind typische Merkmale einer abhängigen Beschäftigung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 SGB IV: Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere im Arbeitsverhältnis. Kennzeichnend für eine Beschäftigung ist die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers und die Eingliederung in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste prüfen, ob X. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin als abhängig beschäftigt und nicht als selbstständig einzustufen ist, was sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen hätte.
- § 28p Abs. 1 SGB IV: Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern regelmäßig, ob diese ihre Meldepflichten und Beitragszahlungspflichten ordnungsgemäß erfüllen (Betriebsprüfung). Im Rahmen dieser Prüfung können Beitragsnachforderungen für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge festgesetzt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Betriebsprüfung der Beklagten gemäß § 28p SGB IV ist der Auslöser des Rechtsstreits, da die Beklagte eine Beitragsnachforderung aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen X. bei der Klägerin feststellte.
- Kriterien der Scheinselbstständigkeit (entwickelt durch Rechtsprechung zu § 7 SGB IV): Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine Person zwar formal als selbstständig auftritt, tatsächlich aber wie ein Arbeitnehmer abhängig beschäftigt ist. Wichtige Kriterien sind u.a. Weisungsgebundenheit, Eingliederung in den Betrieb, keine unternehmerische Entscheidungsfreiheit und Tätigkeiten, die sonst von Arbeitnehmern verrichtet werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste anhand der Kriterien der Scheinselbstständigkeit beurteilen, ob die vertragliche Vereinbarung als Honorarvertrag der tatsächlichen Beziehung zwischen der Klägerin und X. entsprach oder ob es sich um eine verdeckte abhängige Beschäftigung handelte.
Das vorliegende Urteil
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 8 BA 132/19 – Urteil vom15.03.2023
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