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Grenzen der Ermittlungspflicht in Verfahren des Schwerbehindertenrechts

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – Az.: L 13 SB 290/15 – Urteil vom 09.11.2017

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die 1974 geborene Klägerin begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches mit Merkzeichen G seit Juli 2003.

Am 20. September 2011 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Feststellung des GdB und auf Zuerkennung des Merkzeichens G rückwirkend seit Juli 2003. Mit Bescheid vom 9. November 2012 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 30 fest, traf weiter die Feststellung, es liege eine dauerhafte Einbuße der körperlichen Beweglichkeit vor, lehnte aber im Übrigen die Zuerkennung des Merkzeichens G und die Festsetzung eines höheren GdB ab. Hierbei ging der Beklagte von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen aus, denen er verwaltungsintern den aus dem jeweiligen Klammerzusatz ersichtlichen Einzel-GdB zugrunde legte:

  • Entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn) (30) sowie
  • Schilddrüsenüberfunktion (10).

Auf den Widerspruch der Klägerin stellte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 2. April 2013 den GdB von 30 und das Vorliegen der dauerhaften Einbuße der körperlichen Beweglichkeit bereits seit dem 1. Juli 2003 fest. Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 9. November 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2013 zurück. Auch den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 2. April 2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2013 zurück.

Mit der am 17. Juni 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt sowie Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. G. In seinem Gutachten vom 27. Mai 2015 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin habe durchgängig ein GdB von 30 vorgelegen. Dieser beziehe sich auf die Funktionsbeeinträchtigung Morbus Crohn. Zu keinem Zeitpunkt hätten bei der Klägerin die Voraussetzungen des Merkzeichens G vorgelegen. Dem ist die Klägerin mit dem Vortrag entgegen getreten, sie habe insbesondere auch in der Zeit bis 2003 stärkste Bauchschmerzen mit Durchfällen bis zu zehn mal pro Tag gehabt und im Jahr 2006 einen erneuten körperlichen Einbruch erlitten. Sie sei stark entkräftet gewesen und daher in ihrer Gehfähigkeit stark beeinträchtigt.

Mit Urteil vom 21. September 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Insoweit hat es sich im Wesentlichen die Einschätzung des Sachverständigen zu Eigen gemacht und ergänzend ausgeführt, die Klägerin habe sich im Jahr 2003 in der H-Klinik in B E aufgehalten. Der Entlassungsbericht vom 25. August 2003 führe aus, dass die Klägerin in sehr gutem Allgemeinzustand in ihre weitere hausärztliche Betreuung hätte entlassen werden können. Daher sei nach der Erstdiagnose im Juli 2003 schon im August 2003 eine deutliche Besserung der Erkrankung eingetreten. Zwar habe die Klägerin 2006 einen erneuten körperlichen Einbruch erlitten, doch sei dieser ausweislich des Entlassungsberichts des V-Klinikums vom 6. September 2006 im Wesentlichen auf eine Salmonellen-Infektion zurückzuführen gewesen. Weitere medizinische Unterlagen über die Zeit seit Juli 2003, die die Darstellungen der Klägerin stützen könnten, lägen nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30. September 2015 zugestellt worden ist.

Mit der am 30. Oktober 2015 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie tritt der Einschätzung des Sozialgerichts entgegen und bringt hierzu vor, die vom Sozialgericht angenommene deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes bereits im August 2003 sei unrealistisch. Der Klinikbericht enthalte die Feststellung, die Klägerin leide seit ca. einem Jahr unter schleimigen Durchfällen; die Cortisontherapie zeige Nebenwirkungen. Bei dem nachweislich erheblich eingeschränkten Allgemeinzustand der Klägerin im Zeitpunkt der Diagnose könne nicht davon ausgegangen werden, dass im Wege einer dreiwöchigen Reha-Maßnahme ein sehr guter Allgemeinzustand hätte erzielt werden können. Im Jahr 2006 sei eine erneute Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verzeichnen gewesen. Die Klägerin habe zehn Kilogramm Gewicht verloren, unter erheblichen Schmerzen gelitten und bis zu sechs Durchfälle am Tag beschrieben. Erst die Umstellung auf ein neues Medikament im Jahr 2007 habe zu einer Besserung geführt. Die Verschlechterung des Allgemeinzustandes rechtfertige die Gewährung des Merkzeichens G. Soweit das Sozialgericht diese gesundheitliche Verschlechterung auf eine Salmonellenerkrankung zurückgeführt habe, lasse dies außer Acht, dass eine Umstellung des Medikamentes gegen Morbus Crohn erfolgt sei und in einem Krankenhausbericht vom 6. September 2006 auf die Wahrscheinlichkeit eines akuten Schubes Bezug genommen worden sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 9. November 2012 in der Fassung des Bescheides vom 2. April 2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14. Mai 2013 und 5. Juni 2013 zu verpflichten, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 50 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches mit Merkzeichen G seit dem 1. Juli 2003 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin die Zuerkennung eines GdB über 30 und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G begehrt. Der Senat nimmt insoweit voll umfänglich auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug, denen er folgt, und sieht gem. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer Darstellung der weiteren Entscheidungsgründe ab.

Soweit die Klägerin die Zuerkennung eines GdB von 50 und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzung des Merkzeichens G für die Zeit ab 2007 begehrt, findet dies in ihrem eigenen Vortrag keinerlei Grundlage. Sie selbst beschreibt nach der Umstellung des Medikamentes im Jahr 2007 eine deutliche Besserung ihres Leidens und hat mit Schriftsatz vom 3. August 2015 vorgetragen, streitig sei noch der Zeitraum 2002 bis 2007. In dieser Zeit habe sie unter erheblichen Durchfällen mit begleitenden erheblichen Gelenkbeschwerden gelitten. Für den Zeitraum 2002 bis 2007 sei von schweren Auswirkungen der Erkrankung auszugehen, so dass eine Bewertung mit einem GdB von 50 zu erfolgen habe. Der Einschätzung des Sachverständigen, wonach sie seit 2007 weitgehend beschwerdefrei sei, ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

Auch soweit die Klägerin die schriftliche Erklärung von Zeugen über ihren Gesundheitszustand vorlegt, ergeben sich daraus keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Vielmehr stützen beide Erklärungen, die sich ohnehin ausdrücklich nur auf einen Zeitraum bis 2003 beziehen, die Einschätzung des Sachverständigen und ihr folgend des Sozialgerichts, wonach eine Besserung nach dem Krankenhausaufenthalt der Klägerin eingetreten sei. Konkrete weitere Anhaltspunkte, die eine Einstufung der Funktionsbeeinträchtigung im Rahmen der AHP bzw. nunmehr der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) ermöglichten und aus denen sich gar Erkenntnisse in Bezug auf eine erhebliche Einschränkung des Gehvermögens der Klägerin ergäben, enthalten beide Erklärungen nicht. Nachdem beide Erklärungen auch wie o.a. den Zeitraum bis einschließlich 2003 betreffen, hat der Senat auch keine Veranlassung gesehen, durch Nachfrage oder gar Vernehmung der beiden Zeugen von Amts wegen weitere Ermittlungen anzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Berufung gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

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