Pflichtverstöße von Hartz IV-Empfängern
Jeder, der Arbeitslosengeld II (auch Hartz IV genannt) bezieht, muss bestimmte Pflichten erfüllen. Wird diesen Pflichten nicht nachgekommen, kann das zuständige Jobcenter verschiedene Sanktionen verhängen. Im schlimmsten Fall kann es hierbei sogar zur Streichung der Hartz IV-Bezüge für die betreffende Person kommen. Hartz 4 Strafen sind daher, im Sozialrecht, ein immer wiederkehrendes Thema für Streitigkeiten vor den Sozialgerichten. Bis diese Höchststrafe (der Streichung der Bezüge) ausgesprochen wird, müssen in aller Regel jedoch eine Vielzahl von Verstößen vorliegen, die wegen ihrer Art und Schwere eine komplette Streichung des Hartz IV-Satzes rechtfertigen. Aufgrund der hohen Hürden für die Kürzung oder Streichung von Hartz IV sind die Sanktionen oftmals nicht gerechtfertigt. In bestimmten Fällen kann es sich deshalb lohnen, gegen den Bescheid vorzugehen.
Die verschiedenen Pflichtverletzungen
Bei den vom Jobcenter verhängten Sanktionen handelt es sich um sogenannte Strafmaßnahmen, die im Falle angeblicher Pflichtverletzungen durch den Hartz IV-Leistungsbezieher verhängt werden. Solche Verletzungen lassen sich grundsätzlich in Verhaltenspflichtverstöße und in bestimmte Melde- und Mitwirkungspflichtverstöße unterscheiden. In welchen Fällen eine Sanktion durch das Jobcenter ausgesprochen wird, regelt § 31 SGB II. Zu den dort aufgeführten Pflichtverstößen zählen unter anderem die Weigerung, eine bestimmte Arbeit anzutreten, Verstöße gegen die Eingliederungsvereinbarung oder mangelnde Mitwirkung bei der Stellensuche. Zu beachten ist, dass dem Jobcenter bzw. dem zuständigen Sachbearbeiter ein gewisser Ermessensspielraum zusteht.
Die Rechtsfolgenbelehrung
Bevor das Jobcenter eine Strafmaßnahme aussprechen darf, muss eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung vorangehen. Hierbei reicht es nicht aus, wenn der Sachbearbeiter ganz allgemein mit Sanktionen droht. Die Belehrung zu den Rechtsfolgen muss sich vielmehr konkret auf den Einzelfall beziehen und die möglichen Rechtsfolgen verständlich und ausreichend begründen. Erfolgt keine oder eine fehlerhafte Rechtsfolgenbelehrung, sind sämtliche Strafmaßnahmen nichtig. Adressaten solcher Bescheide sollten unbedingt Widerspruch einlegen und die Nichtigkeit gegebenenfalls durch ein Gericht feststellen lassen.
Die Verletzung von Verhaltenspflichten
Der Arbeitslose im Hartz IV-Bezug ist insbesondere dazu verpflichtet, aktiv an allen Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Schöpft der Betroffene jedoch nicht sämtliche Möglichkeiten zur Beendigung oder Reduzierung seiner Hilfsbedürftigkeit aus, sieht das SGB II Sanktionen vor. Bei einem erstmaligen Verstoß gegen zentrale Verhaltenspflichten schreibt das Gesetz beispielsweise eine Kürzung der Regelbezüge um 30 % vor. Zu den Pflichtverstößen, die eine Leistungskürzung in Höhe von 30 % veranlassen, zählen in jedem Falle
- die Weigerung, Eigenbemühungen zur Aufnahme einer Arbeit zu ergreifen und nachzuweisen
- eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme nicht aufzunehmen oder nicht weiterzuführen
- die vorzeitige, selbstverschuldete Beendigung einer zumutbaren Bildungs- oder Weiterbildungsmaßnahme
Verletzt ein Leistungsbezieher seine Verhaltenspflichten innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr ein zweites Mal, droht ihm eine Kürzung seines Regelsatzes um 60 %. Jede weitere Pflichtwidrigkeit binnen eines Jahres führt dazu, dass der Anspruch auf Hartz IV-Leistungen vollständig ruht. In solch einem Fall hat das Jobcenter allerdings die Möglichkeit, die Minderung im Rahmen seines Ermessens bei 60 % zu belassen.
Der Verstoß gegen Meldepflichten
Weitere Fälle, die Strafmaßnahmen in Bezug auf Hartz IV begründen, sind Meldeversäumnisse. Eine Verletzung der Meldepflicht liegt vor, wenn der Arbeitslosengeld II-Bezieher trotz vorheriger Belehrung zu Terminen nicht erscheint, die folgenden Maßnahmen dienen:
- Berufsberatung
- Arbeitsvermittlung
- Vorbereitung auf die Teilnahme an aktiven Arbeitsförderungsleistungen
- Entscheidungsfindung im Leistungsverfahren
- Prüfung der Voraussetzungen für den Erhalt von Hartz IV
- ärztlichen oder psychologischen Untersuchungsterminen
Generell werden Meldeverstöße nicht so hart bestraft wie Verhaltenspflichtverstöße, da der Betreffende bei Letzterem immer gegen seine vordergründige Verpflichtung zur Eingliederung in Arbeit zuwiderhandelt. Aus diesem Grund werden bei Terminversäumnissen die Leistungen des Regelsatzes auch nur um zehn Prozent gekürzt. Kann der Betroffene einen wichtigen Grund nachweisen, der die Einhaltung des Termins unmöglich machte, wird keine Sanktion ausgesprochen. Ein wichtiger Grund ist zum Beispiel eine Krankheit des erwerbslosen, die jedoch mit einer ärztlichen Bescheinigung belegt werden muss. Bei wiederholter Verletzung der Meldepflicht droht ebenfalls die Reduzierung der Regelbezüge über die 10 % bei einmaligem Verstoß hinaus.
Sonderfälle
Neben den explizit geregelten Verstößen der Verhaltenspflicht und der Meldepflicht sind in § 31 II SGB II eine Reihe besonders geregelter Sonderfälle genannt. Hierbei handelt es sich um Sanktionsfälle, denen in der Praxis eine enorme Bedeutung zukommt. Obwohl diese Sonderfälle weder zu den Verhaltens- noch zu den Meldepflichten gehören, sind sie ihnen im Rahmen ihrer Strafmaßnahmen gleichgestellt. Gemäß § 31 II SGB II können auch Sanktionen verhängt werden, wenn ein Hartz IV-Bezieher sein Einkommen oder sein Vermögen absichtlich verringert, um einen Anspruch oder eine Erhöhung von Arbeitslosengeld II zu erwirken. Im Zuge dessen kann auch unwirtschaftliches Verhalten mit einer Strafe belegt werden. Darüber hinaus führt der Bezug von Hartz IV während einer Sperrzeit des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I ebenfalls zu Strafmaßnahmen.
Der Ausschluss von Sanktionen aus triftigem Grund
Das Verhängen von Hartz 4 Strafen und Sanktionen ist hingegen nicht möglich, wenn der Leistungsempfänger sein pflichtwidriges Verhalten mit einem triftigen Grund entschuldigen kann. Ob der Pflichtverstoß tatsächlich entschuldigt werden kann, muss durch eine Abwägung ermittelt werden. Diese Abwägung muss im Einzelfall ein besonderes Überwiegen der für den Leistungsbezieher sprechenden Gesichtspunkte ergeben. Vor allem im Bereich der Verhaltenspflichten erkennt das Jobcenter deshalb nur in Ausnahmefällen das Vorliegen von wichtigen Gründen an.
Gerade bei der Weigerung, eine vom Jobcenter als zumutbar eingestufte Tätigkeit anzunehmen, kann sich das Finden eines triftigen Grundes als schwierig erweisen. Als wichtige Gründe kommen hier lediglich die Erziehung eines Kindes unter drei Jahren, die Pflege eines nahen Angehörigen sowie geistige, seelische oder körperliche Beeinträchtigungen in Betracht.
Strafen bei Leistungsbeziehern unter 25 Jahren
Wenn Hartz IV-Empfänger unter 25 Jahren gegen ihre Verhaltenspflichten verstoßen, unterliegen sie verschärften Sanktionsandrohungen. So verhängt das Jobcenter beispielsweise schon bei einer einmaligen Pflichtverletzung eine Strafe in Form des vollständigen Wegfalls der Regelleistung. Während der Zeit des Wegfalls übernimmt der Leistungsträger lediglich die Kosten für Unterkunft und Heizung. Im Falle einer weiteren Verletzung von Verhaltenspflichten können die Leistungen sogar komplett gestrichen werden. Die komplette Streichung sämtlicher Mittel samt Unterkunft und Heizung kann nur abgewendet werden, wenn der Hartz IV-Bezieher sich nachträglich bereit erklärt, seine Pflichten zu erfüllen.
Die Verfassungskonformität der Hartz IV-Strafmaßnahmen
Die Regelsatzkürzungen führen dazu, dass in vielen Fällen das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet wird. Deswegen stellt sich für zahlreiche Politiker, Verfassungsrechtler und sozialverbände die Frage, ob die Hartz IV-Sanktionen überhaupt verfassungskonform sind. Sie halten die Sanktionspraxis der Jobcenter für verfassungswidrig und fordern die Abschaffung der Leistungskürzungen. Ob eine sanktionsfreie Mindestsicherung gegen das Grundgesetz verstößt, kann letztendlich nur das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beantworten. Obwohl ein abschließendes Urteil noch aussteht, liegen derzeit einige Verfassungsbeschwerden bezüglich der Hartz IV-Sanktionen vor. Über kurz oder lang muss sich das Bundesverfassungsgericht also mit dieser Thematik auseinandersetzen.
Widerspruch und Klage
Bei einer Hartz IV-Sanktion oder Strafe handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Dies bedeutet, dass der Adressat gegen die behördliche Entscheidung prinzipiell Widerspruch einlegen kann. Der Widerspruch muss binnen eines Monats schriftlich beim Jobcenter eingehen und sollte idealerweise mit einer Begründung, warum der Sanktionsbescheid nicht gerechtfertigt ist, versehen sein. Die zuständige Behörde ist nun verpflichtet, den Sachverhalt erneut zu prüfen. In rund 27 % aller Fälle kommt die Widerspruchsbehörde zu dem Ergebnis, dass die Strafmaßnahme ungerechtfertigt war. Dies hat zur Folge, dass die Sanktion aufgehoben wird. Hält das Jobcenter den Sanktionsbescheid weiterhin für rechtmäßig, ergeht ein schriftlicher Widerspruchsbescheid per Verwaltungsakt. Gegen diesen Widerspruchsbescheid kann der Betroffene Klage zum Sozialgericht erheben. Und auch hier sind die Erfolgsaussichten gar nicht so schlecht: fast 40 % aller Klagen gegen Hartz IV-Sanktionen sind erfolgreich. Wurde eine Sanktion oder Hartz 4 Strafe gegen Sie verhängt? Dann wenden Sie sich an uns! Wir prüfen die Zulässigkeit und beraten Sie über die weitere Vorgehensweise. Als Rechtsanwaltf ür Sozialrecht vertreten wir Sie selbstverständlich auch bei einem Verfahren vor dem Sozialgericht.