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Kapitalleistungen betriebliche Direktversicherung – Beitragspflicht in Krankenversicherung

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 1 KR 75/19 – Urteil vom 04.06.2020

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X), ob der Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2013 auf die Kapitalleistungen betrieblicher Direktversicherungen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen hatte.

Der am … 1940 geborene Kläger ist seit dem 01.01.2003 als Rentner bei der Beklagten pflichtversichert. Neben der gesetzlichen Rente erhält der Kläger einen monatlichen Versorgungsbezug von der ZVK des Baugewerbes AG in Höhe von 83,90 €. Ende Dezember 2003 zahlte die H. Lebensversicherung AG zudem an den Kläger aus drei kapitalbildenden Lebensversicherungen (Nrn. …-00, -01 und -02) Beträge in Höhe von 1.782,53 €, 6.166,74 € und 27.960,06 €, insgesamt mithin 35.909,33 € aus. Die Versicherungsverträge bei der H. Lebensversicherung AG waren seinerzeit von der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers, der … GmbH & Co., als betriebliche Direktversicherung (laut Versicherungsschein „Gehaltsumwandlung“, vom Kläger bestritten) abgeschlossen und bis zum 31.12.2002 auch von dieser geführt worden. Zum 01.01.2003 waren die Verträge auf den Kläger übertragen und im gleichen Zuge beitragsfrei gestellt worden, sodass der Kläger seither keine Beitragszahlungen vorgenommen hatte.

Mit Bescheid vom 20.08.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass diese Kapitalleistungen ebenso wie die monatlichen Versorgungsbezüge der ZVK des Baugewerbes AG beitragspflichtig seien und die Einmalzahlung auf 10 Jahre (120 Monate) umzurechnen, mithin als beitragspflichtiges Einkommen in Höhe von monatlich 296,99 € anzusetzen sei. Widerspruch wurde hiergegen nicht eingelegt.

Zum 01.01.2014 endete die Beitragspflicht aus der Kapitalleistung wegen Ablauf der 120 Monate. Damit beendete die Beklagte auch die Beitragsfestsetzung aus dem Versorgungsbezug der ZVK des Baugewerbes AG unter Hinweis auf das Unterschreiten der beitragspflichtigen Untergrenze der Einnahmen.

Mit Schreiben vom 24.10.2017 bat der Kläger um Überprüfung der Beitragspflicht aus den benannten Kapitalleistungen. Die Direktversicherung habe auf einer vertraglich vereinbarten einmaligen Kapitalauszahlung ohne jegliches Rentenwahlrecht bei Fälligkeit basiert. Die eigenfinanzierte Lebensversicherung könne daher kein Versorgungsbezug sein, weshalb die Rückzahlung der hierauf erhobenen Beiträge gefordert werde.

Mit Bescheid vom 01.12.2017 teilte die Beklagte mit, dass der Beitragspflicht nicht entgegenstehe, dass die Versicherung von vornherein als einmalige Kapitalauszahlung vereinbart gewesen sei. Es spiele keine Rolle, ob das Wahlrecht bei Vertragsbeginn oder aber bei Fälligkeit ausgeübt werde, da beide Arten der Beitragspflicht unterlägen. Daher werde der Antrag auf Rückzahlung der Beiträge abgelehnt.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 14.12.2017 Widerspruch ein. Eine aus eigenem Kapitalvermögen finanzierte Direktversicherung mit ausschließlich einmaliger Kapitalauszahlung ohne Rentenwahlrecht könne niemals einen Versorgungsbezug darstellen. Es handle sich um eine private Altersversorgung, weshalb eine zusätzliche Verbeitragung nicht gerechtfertigt sei. Dies ergebe sich auch aus der Tatsache, dass die kapitalbildende Lebensversicherung im Todesfall an die Erben als Bezugsberechtigte vererbbar sei.

Nach Ermittlungen bei der H. Lebensversicherung AG informierte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass eine Leistung aus einer Direktversicherung nur dann nicht vollständig beitragspflichtig wäre, wenn es mindestens einen Wechsel zwischen privater und betrieblicher Vertragsführung gegeben habe, mithin der Kläger selbst Versicherungsnehmer gewesen wäre und er die Beiträge in dieser Zeit ausschließlich selbst getragen hätte. Zwar seien alle drei Versicherungsverträge auf den Kläger zum 01.01.2003 übertragen worden, jedoch seien sie zugleich auch beitragsfrei gestellt worden. Daher resultierten die kompletten Ablaufleistungen aus der Zeit, als der Arbeitgeber des Klägers Versicherungsnehmer gewesen sei, weshalb die drei Kapitalleistungen komplett der Beitragspflicht unterlägen.

Mit Bescheid vom 19.06.2018 konkretisierte die Beklagte die bisher ergangenen Beitragsbescheide für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2013 dahingehend, dass nunmehr die drei Kapitalleistungen gesondert aufgeführt wurden und die daraus resultierenden Beitragsverpflichtungen einzeln und nicht mehr in der Summe berechnet wurden. Das hierdurch aufgrund von Rundungsdifferenzen entstandene Guthaben von 0,66 € wurde dem Kläger mitgeteilt.

Anschließend wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2018 als unbegründet zurück. Die dem Kläger ausgezahlten Kapitalleistungen stellten eine einmalige Leistung der betrieblichen Altersversorgung dar, weil jeweils ein Bezug zum früheren Berufsleben gegeben sei. Die Versicherungsleistungen resultierten aus den von der ehemaligen Arbeitgeberin zu Gunsten des Klägers abgeschlossenen Direktversicherungen. Derartige Kapitalleistungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als Versorgungsbezug beitragspflichtig, soweit der Arbeitgeber Versicherungsnehmer der Direktversicherung gewesen sei. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe dies als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. Da die Beitragspflicht mit dem 01. des auf die Auszahlung der Kapitalleistung folgenden Monats beginne, habe der Kläger seit 01.01.2004 mit 1/120 des Betrages der Beitragspflicht unterlegen. Dies habe bis zum 31.12.2013 gegolten.

Am 18.09.2018 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben, die er im Wesentlichen damit begründet hat, dass es sich bei den drei kapitalbildenden Lebensversicherungen ohne jegliches Rentenwahlrecht nicht um beitragspflichtige Versorgungsbezüge handle. Dies widerspreche dem Gesetzestext des § 229 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V), der auf eigenfinanzierte Lebensversicherungen niemals zutreffe. Es gebe daher keine gesetzliche Grundlage zur Verbeitragung einer eigenfinanzierten Lebensversicherung.

Die Beteiligten haben sich im Wege eines Teilvergleichs bereit erklärt, eine rechtskräftige Entscheidung bezüglich des Krankenversicherungsbeitrags dem Grunde nach auch hinsichtlich des zu entrichtenden Pflegeversicherungsbeitrags zu akzeptieren.

Nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 11.06.2019 als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht habe die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 20.08.2004 nebst sämtlicher Folgebescheide nach § 44 SGB X abgelehnt.

Der Kläger habe auf die Kapitalzahlungen der H. Lebensversicherung AG Beiträge zur Krankenversicherung in der von der Beklagten festgestellten Höhe zu entrichten gehabt. Rechtsgrundlage hierfür sei § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 237 (SGB V). Beitragspflichtige Einnahmen seien in der Krankenversicherung der versicherungspflichtigen Rentner gemäß § 237 S. 1 Nr. 2 SGB V unter anderem der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge).

Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gölten nach § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt würden. Zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V gehörten wiederum auch Renten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 (BetrAVG) gezahlt würden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12.12.2007 – B 12 KR 6/06 R).

Um eine solche Direktversicherung handele es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen werde und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt seien. Sie sei dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezwecke, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen solle. Dieser Versorgungszweck könne sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung sei bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung gegeben (Hinweis auf BSG, a.a.O.).

Der Kläger sei ab dem 01.01.2003 als Rentner bei der Beklagten pflichtversichert gewesen. Auch handele es sich bei der kapitalbildenden Lebensversicherung der H. Lebensversicherung AG um eine Direktversicherung der betrieblichen Altersversorgung, wie sich insbesondere auch nochmals aus den drei Versicherungsscheinen der H. Lebensversicherung AG ergebe, die der Kläger der Klagschrift als Anlagen 3 bis 5 beigefügt habe, und damit um einen Versorgungsbezug im Sinne des § 237 S. 1 Nr. 2 SGB V. Denn die drei Versicherungsverträge seien von der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers abgeschlossen worden, der auch bis zum 31.12.2002 Versicherungsnehmer gewesen sei.

Die Beitragspflicht besteht unabhängig davon, wer die Beiträge für die Kapitalversicherung tatsächlich gezahlt habe, solange der Arbeitgeber die Direktversicherung durchgehend als Versicherungsnehmer geführt habe (Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 06.09.2010 – 1 BvR 739/08 – und vom 28.09.2010 -1 BvR 1660/08 -). Unerheblich sei daher, sollten die Beiträge vom Gehalt des Klägers direkt an die Direktversicherung gezahlt worden sein. Dies allein mache die betriebliche Altersversorgung aus vorgenannten Gründen nicht zu einer privaten Altersversorgung. Hierfür wäre vielmehr die Übertragung des Versicherungsvertrages bzw. hier der Versicherungsverträge vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer erforderlich gewesen. Vorliegend seien die Verträge aber erst für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2003 auf den Kläger selbst übertragen worden. Eine Weiterfinanzierung mit privaten Mitteln sei in dieser Zeit nicht erfolgt, denn die die drei Versicherungsverträge seien seitdem beitragsfrei gestellt gewesen. Ein durch private Beiträge erwirtschafteter Versorgungsbezug, während der Zeit als der Kläger selbst Versicherungsnehmer gewesen sei, sei damit gerade nicht vorhanden.

Für die bis 31.12.2002 erwirtschafteten Versorgungsbezüge bestehe dagegen ein ausreichender Zusammenhang zur früheren Erwerbstätigkeit des Klägers für eine Direktversicherung als betriebliche Altersvorsorge. Entscheidend sei der faktische Abschluss einer Direktversicherung. Wer steuerliche Vorteile nutzen wolle, müsse auch die mit dieser Gestaltungsvariante verbundenen sozialrechtlichen Konsequenzen in Kauf nehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sei die gesetzliche Regelung der krankenversicherungsrechtlichen Beitragspflicht von Renten und den Renten vergleichbaren Bezügen dahingehend zu verstehen, dass nicht auf den im Einzelfall jeweils nachweisbaren Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben abzustellen, sondern typisierend von einem solchen allgemeinen Zusammenhang auszugehen sei. Die gesetzliche Regelung unterwerfe mit den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungsbezügen im Sinne von § 229 Abs. 1 S. 1 SGB V grundsätzlich Bezüge bestimmter Institutionen und aus vergleichbaren Sicherungssystemen der Beitragspflicht, bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu diesem System und einer Erwerbstätigkeit bestehe. Diese sog. institutionelle Abgrenzung orientiere sich allein daran, ob die Rente bzw. die einmalige Kapitalleistung von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung bezahlt werde, und lasse Modalitäten des individuellen Rechtserwerbs unberücksichtigt (Hinweis auf BSG, Urteile vom 30.03.2011 – B 12 KR 16/10 R – und vom 12.11.2008 – B 12 KR 6/08 R -). In diesem Sinne hätten sich vorliegend auch der Kläger und seine Arbeitgeberin nicht irgendeiner Form der privaten Kapitalanlage bedient, sondern der nach § 1 i.V.m. § 1b Abs. 2 BetrAVG ausschließlich als Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung definierten Direktversicherung. Wer sich zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Institutionen der betrieblichen Altersversorgung und der hiermit verbundenen Vorteile bediene, müsse sich dann aber in der Konsequenz auch bezüglich der an diesen institutionellen Rahmen geknüpften beitragsrechtlichen Folgen festhalten lassen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.03.2011, a.a.O.).

Da die drei Direktversicherungen auch im 64. Lebensjahr des Klägers und nach dessen Renteneintritt zur Auszahlung gekommen seien, seien die Kapitalzahlungen auch wegen der Altersversorgung des Klägers erzielt worden und der jeweilige Charakter als „Versorgungsbezug“ gewahrt. Das BSG sehe insbesondere bereits für eine zum 60. Lebensjahr erbrachte Zuwendung einen Bezug zur Altersabsicherung als hinreichend gegeben an (Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.04.2007 – B 12 KR 25/05 R).

Für die Einstufung der Direktversicherung als Rente der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V sei es entgegen der Auffassung des Klägers auch unerheblich, dass die kapitalbildende Lebensversicherung der H. Lebensversicherung AG vertragsgemäß keine Rentenzahlung, sondern eine Einmalzahlung vorsehe. Das BSG habe in diversen Urteilen ausgeführt, dass auch eine Kapitalleistung aus einem Direktversicherungsvertrag bzw. eine Einmalzahlung als Versorgungsbezug beitragspflichtig sei, soweit der Arbeitgeber Versicherungsnehmer gewesen sei und ein Bezug zum Arbeitsleben bestehe (Hinweis auf z.B. BSG, Urteil vom 04.09.2018 – B 12 KR 20/17 R-). Dies sei hier der Fall gewesen.

Soweit der Kläger unter Berufung auf den Wortlaut des Gesetzes und die Gesetzesbegründungen meine, diese Kapitalauszahlungen von Lebensversicherungen seien auch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht der Beitragspflicht zu unterwerfen, sei dies eine Rechtsansicht, die jedoch nicht mit der Gesetzesauslegung durch das BSG und das BVerfG übereinstimme. Dieser Gesetzesauslegung sei nach Ansicht der Kammer jedoch zu folgen.

Dies berücksichtigt handele es sich bei den Einnahmen aus den Lebensversicherungsverträgen des Klägers um einmalig gezahlte Versorgungsbezüge aus der betrieblichen Altersversorgung, die mit der Rente vergleichbar seien und daher der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterlägen.

Trete, wie vorliegend, an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder sei eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart oder zugesagt worden, gelte ein 120stel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 S. 3 SGB V). Die Beklagte habe die Einmalzahlung zutreffend aufgeteilt auf 120 Monate beginnend ab dem Folgemonat der Auszahlung, mithin ab 01.01.2004.

Die sich danach ergebenden monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V überschritten bis 31.12.2013 insgesamt auch die Bagatellgrenze des § 226 Abs. 2 SGB V von insgesamt einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch (SGB IV).

Hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung im Einzelnen werde auf die Berechnungen der Beklagten im Bescheid vom 19.06.2018 verwiesen. Für Fehler bei der konkreten Berechnung der Beiträge bestünden weder Anhaltspunkte noch würden solche vom Kläger behauptet.

Gegen diesen ihm am 11.06.2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15.06. 2019 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Bei den streitgegenständlichen Lebensversicherungen handle es sich um keine Versorgungsbezüge, sondern rein private Sparanlagen. Da es an einer Versorgungszusage des Arbeitgebers fehle, liege schon keine betriebliche Alterssicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG vor. Bei der Entscheidung des SG sowie den entsprechenden Entscheidungen anderer Gerichte bis hin zum BSG und BVerfG handle es sich um „Richterprosa“ ohne gesetzliche Grundlage, durch die das Recht gebeugt und der „Betrug“ der Beklagten und anderer Krankenkassen zulasten der Rentner gedeckt werde. Hinsichtlich der Bedeutung des Wortes „solche“ im Gesetzestext des § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V nimmt er Bezug auf eine von ihm überreichte Stellungnahme der Gesellschaft für deutsche Sprache vom 17.01.2019 sowie ein Sprachgutachten des Germanisten PD Dr. B.. Danach könne sich das Demonstrativpronomen „solche“ nur auf eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung beziehen, die an die Stelle der Versorgungsbezüge trete, nicht jedoch auf eine von vornherein vereinbarte Einmalleistung. Darüber hinaus rügt er Verfahrensfehler des SG, das insbesondere nicht durch Gerichtsbescheid habe entscheiden dürfen, weil er zuvor eine mündliche Verhandlung verlangt habe.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juni 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 20. August 2004 nebst sämtlichen Folgebescheiden in der Fassung des Bescheids vom 19. Juni 2018 insoweit aufzuheben, als hierin Beiträge auf die Auszahlungsbeträge der Kapitallebensversicherungen Nrn. …-00, -01 und -02 erhoben wurden, sowie die hierauf gezahlten Beiträge nebst 4 % Zinsen gemäß § 27 SGB IV zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 23. August 2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Juni 2020 sowie die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst weiterem Inhalt der Prozessakte.

Entscheidungsgründe

Die statthafte (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung als unbegründet abgewiesen. Der erkennende Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und ergänzt nur, dass etwaige Verfahrensverstöße des SG, die jedoch nicht ersichtlich sind, ohne Belang wären, weil diese durch ein ordnungsgemäßes Berufungsverfahren als weitere Tatsacheninstanz geheilt werden könnten.

In der Sache kann nur bekräftigt werden, dass die seit ihrer Einführung mit Wirkung zum 01.01.2004 umstrittene Fassung des § 229 Abs. 2 S. 3 SGB V in der Fassung vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) zwar ihrem Wortlaut nach auch im Sinne des klägerischen Verständnisses ausgelegt werden kann, dass dies jedoch bei Leibe nicht zwingend ist und unter Heranziehung weiterer juristischer Auslegungsmethoden, hier insbesondere der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) und des Zwecks (teleologische Auslegung), anders auszulegen ist, wie es in einer Vielzahl von Entscheidungen aller Instanzen vielfach entschieden und bekräftigt worden ist, auch durch das BSG und das BVerfG (s. nur BSG, Urteile vom 12.11.2008 – B 12 KR 10/08 R, SozR 4-2500 § 229 Nr. 6, und vom 30.03.2011 – B 12 KR 16/10 R, BSGE 108, 63; zuletzt BSG, Urteil vom 01.04.2019 – B 12 KR 19/18 R, juris, sowie Beschluss vom 25.07.2019 – B 12 KR 27/19 B, juris; BVerfG, Beschlüsse vom 06.09.2010 – 1 BvR 739/08, SozR 4-2500 § 229 Nr. 10, vom 28.09.2010 – 1 BvR 1660/08, SozR 4-2500 § 229 Nr. 11, vom 16.11.2017 – 1 BvR 672/17, juris, vom 09.07.2018 – 1 BvL 2/18, BetrAV 2018, 507, vom 14.06.2018 – 1 BvR 478/15, juris, sowie vom 27.06.2018 – 1 BvR 100/15 und 249/15, NJW 2018, 3169; s.a. Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2019 – L 1 KR 31/18, juris). Der Begriff „eine solche Leistung“ kann sich dem Wortlaut nach auch nur auf die Wortgruppe „nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung“ beziehen, ohne dass zwingend die Wortgruppe „tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge“ mit einzubeziehen wäre. Für diese Auslegung spricht die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1525 S. 139), die im Rahmen der Wiedergabe der damaligen BSG-Rechtsprechung auf zwei Umgehungsmöglichkeiten der Beitragspflicht hinweist, zum einen, wenn der Anspruch auf die Kapitalleistung vor Eintritt des Versicherungsfalls zugesichert wird (dies ist die Variante, die der Kläger als allein vom Wortlaut erfasst ansieht), zum anderen jedoch auch, wenn die einmalige Leistung von vornherein als solche vereinbart oder zugesagt worden war (originäre Kapitalleistung wie die vorliegenden Direktkapitallebensversicherungen). Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck der Gesetzesänderung, mit der die gesehene Lücke aus Gründen der gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen geschlossen werden sollte, und führt am ehesten zu Ergebnissen, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) vereinbar sind (verfassungskonforme Auslegung). Es ist nicht ersichtlich, warum die Beitragspflicht davon abhängen sollte, ob von vornherein eine einmalige Kapitalleistung zur Alterssicherung vereinbart wird, eine Rentenleistung oder zunächst eine Rentenleistung, die dann nach Eintritt des Versicherungsfalls oder aufgrund einer Vereinbarung vor dessen Eintritt durch eine einmalige Leistung ersetzt wird.

Die in ständiger Rechtsprechung unter anderem des BSG und des BVerfG, der sich der erkennende Senat bereits angeschlossen hat und weiter anschließt, für rechtmäßig erachtete typisierende, sogenannte institutionelle Abgrenzung macht es gerade überflüssig, auf arbeitsrechtliche Absprachen zurückzugreifen, insbesondere darauf, ob die eingezahlten Beiträge von der Versorgungszusage des Arbeitgebers umfasst waren (s. nur BVerfG, Beschluss vom 06.09.2010 – 1 BvR 739/08, a.a.O.; BSG, Urteil vom 30.03.2011 – B 12 KR 16/10 R, a.a.O.). Dem Kläger ist nicht in seiner Einschätzung zu folgen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Lebensversicherungen im rein private Sparanlagen gehandelt habe. Dies gilt unabhängig davon, ob seine Behauptung richtig ist, die Beiträge seien nicht im Wege der Gehaltsumwandlung gezahlt worden, obwohl eben dies aus den Versicherungsscheinen so hervorgeht. Wenn eine rein private Geldanlage vorgenommen worden wäre, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger dies selbst getan hätte und nicht über seine damalige Arbeitgeberin. Aus diesem Modell wird er (gegebenenfalls neben den Steuer- und Beitragsvorteilen durch die Gehaltsumwandlung) weitere Vorteile gezogen haben. In Betracht kommen zum Beispiel häufig mit Verträgen im Rahmen der betrieblichen Alterssicherung verbundene Vorteile wie geringere Verwaltungs- oder Abschlusskosten, eine vereinfachte Gesundheitsprüfung, Pfändungsschutz in der Ansparphase und Vorteile bei den Freibeträgen im Falle des Grundsicherungsbezugs im Rentenalter.

Dass die für den Kläger unerwartete Gesetzesänderung seine erwartete Rendite vermindert oder gar aufgezehrt haben dürfte, ändert nichts an der nach der seit Jahren immer wieder bestätigten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu konstatierenden Rechtmäßigkeit der vorliegend angegriffenen Entscheidungen der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

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