Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Kindergeld und Kaserne: Bundesfinanzhof schafft Klarheit für freiwillig Wehrdienstleistende
- Der Weg durch die Instanzen: Vom Finanzgericht zum BFH
- Die Kernfragen auf dem Prüfstand des BFH
- Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs: Ein wegweisendes Urteil
- Die richterliche Lupe: Die Begründung des BFH im Detail
- Das kleine ABC des Kindergeldrechts für volljährige Kinder
- Bedeutung des Urteils: Was hat sich geändert?
- „Was bedeutet das jetzt konkret für mich?“ – Praktische Auswirkungen
- Kindergeld im FWD: Klarheit vom BFH, aber Belege bleiben Pflicht

Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Wenn Ihr Kind freiwilligen Wehrdienst (FWD) leistet, erhalten Sie dafür nicht automatisch Kindergeld. Sie können aber weiterhin Kindergeld bekommen, wenn Ihr Kind während des Wehrdienstes aktiv einen Studienplatz oder Ausbildungsplatz sucht.
- Betroffen sind Eltern von volljährigen Kindern (bis 25 Jahre), die freiwilligen Wehrdienst leisten oder planen.
- Sie müssen der Familienkasse nachweisen, dass Ihr Kind sich ernsthaft um eine Ausbildung bemüht. Sammeln Sie Belege wie Bewerbungen, Einladungen oder Schriftwechsel mit Hochschulen oder Betrieben und reichen Sie diese ein.
- Es gab Unsicherheit darüber, ob FWD als Grund für Kindergeld gilt und ob die militärische Grundausbildung als abgeschlossene Ausbildung zählt, die den Anspruch einschränkt. Das höchste Finanzgericht hat dies nun klargestellt.
- Die militärische Grundausbildung zählt nicht als abgeschlossene erste Berufsausbildung. Das ist wichtig, weil Kinder nach einer abgeschlossenen Erstausbildung nur eingeschränkt nebenbei arbeiten dürfen, um Kindergeld zu erhalten.
Quelle: Bundesfinanzhof vom 20. Februar 2025 (Az. III R 43/22)
Kindergeld und Kaserne: Bundesfinanzhof schafft Klarheit für freiwillig Wehrdienstleistende
Viele junge Menschen stehen nach dem Schulabschluss vor der Frage: Sofort studieren, eine Ausbildung beginnen oder vielleicht erst einmal etwas ganz anderes machen? Der Freiwillige Wehrdienst (FWD) bei der Bundeswehr ist für einige eine attraktive Option, um Orientierung zu gewinnen oder die Zeit bis zum Studienbeginn zu überbrücken. Doch was bedeutet diese Entscheidung für den Kindergeldanspruch der Eltern?
Zahlt die Familienkasse weiter, auch wenn das volljährige Kind Uniform trägt? Genau diese Fragen standen im Mittelpunkt eines aktuellen Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH), das für viele Familien von großer Bedeutung ist. Mit seiner Entscheidung vom 20. Februar 2025 (Az. III R 43/22) haben die höchsten deutschen Finanzrichter wichtige Leitlinien für den Kindergeldbezug während des FWD aufgestellt und für mehr Rechtssicherheit gesorgt.
Ein typischer Fall landet vor Gericht
Stellen Sie sich Familie K. vor. Ihr Sohn S., geboren 2002, hat gerade sein Abitur bestanden. Bevor er ein Studium aufnehmen möchte, entscheidet er sich für einen zehnmonatigen Freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Die Eltern beantragen weiterhin Kindergeld. Die Familienkasse bewilligt dieses zunächst auch – für die Übergangszeit zwischen Abitur und Dienstantritt sowie für die dreimonatige Grundausbildung. Doch dann, nach Abschluss der Grundausbildung, folgt die Ernüchterung: Die Familienkasse stellt die Zahlungen ein. Begründung: Der Sohn leiste nun regulären Dienst und sei nicht mehr in Ausbildung.
Für die Familie K. geht es um die Monate März, April und Mai 2022. Der Sohn hatte während des Wehrdienstes den Entschluss gefasst, nach dessen Ende ein ziviles Studium zu beginnen. Die Frage war nun: Gilt er in diesen Monaten als ausbildungsplatzsuchend, obwohl er noch Soldat war? Und viel grundsätzlicher: Ist der Freiwillige Wehrdienst selbst vielleicht schon ein Grund für Kindergeld? Oder zählt die absolvierte Grundausbildung als eine erste Berufsausbildung, was die Regeln für das Kindergeld verschärfen würde? Solche Fragen sind kein Einzelfall, sondern betreffen viele Familien in Deutschland.
Der Weg durch die Instanzen: Vom Finanzgericht zum BFH
Die Familie K. wollte die Entscheidung der Familienkasse nicht akzeptieren und zog vor das Finanzgericht (FG) Bremen. Dieses gab der Klage statt und sprach der Familie Kindergeld für die strittigen Monate zu (Az. 2 K 51/22). Das Finanzgericht sah den Sohn als ausbildungsplatzsuchend an und bewertete die Grundausbildung nicht als eine abgeschlossene Erstausbildung, die den Kindergeldanspruch gefährden könnte.
Doch die Familienkasse, als Vertreterin des Staates für Kindergeldzahlungen zuständig, war mit diesem Urteil nicht einverstanden. Sie legte Revision beim Bundesfinanzhof in München ein. Die Revision ist ein Rechtsmittel, mit dem Urteile der Finanzgerichte auf Rechtsfehler überprüft werden können. Der BFH entscheidet dann endgültig, wie das Gesetz in solchen Fällen auszulegen ist. Damit lag der Fall bei den obersten Finanzrichtern Deutschlands, die nun eine grundsätzliche Klärung herbeiführen mussten.
Die Kernfragen auf dem Prüfstand des BFH
Der Bundesfinanzhof musste sich mit mehreren zentralen juristischen Fragestellungen auseinandersetzen, um den Fall von Sohn S. und damit auch ähnliche Fälle fair und gesetzeskonform zu lösen:
- Kann der Freiwillige Wehrdienst an sich einen Anspruch auf Kindergeld begründen, ähnlich wie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ)?
- Falls nein, ist es trotzdem möglich, während des FWD Kindergeld zu erhalten, wenn andere gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind – zum Beispiel, weil das Kind einen Ausbildungsplatz sucht?
- Führt die Beendigung der Grundausbildung bei der Bundeswehr dazu, dass das Kind bereits eine „erstmalige Berufsausbildung“ abgeschlossen hat? Dies hätte weitreichende Folgen, da nach einer Erstausbildung strengere Regeln für den Kindergeldbezug gelten, insbesondere wenn das Kind nebenbei arbeitet.
- Unter welchen Bedingungen gilt ein Kind, das FWD leistet, als ausbildungsplatzsuchend im Sinne des Kindergeldrechts? Welche Nachweise sind dafür erforderlich?
Diese Fragen zeigen, dass es nicht nur um den Einzelfall von Familie K. ging, sondern um die Auslegung wichtiger kindergeldrechtlicher Vorschriften im Kontext des Freiwilligen Wehrdienstes.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs: Ein wegweisendes Urteil
Der Bundesfinanzhof fällte am 20. Februar 2025 sein Urteil und brachte Licht ins Dunkel der kindergeldrechtlichen Behandlung des FWD. Die Richter formulierten zwei klare Leitsätze, die die künftige Praxis der Familienkassen maßgeblich beeinflussen werden.
Leitsatz 1: FWD allein kein Kindergeldgrund, aber andere Gründe zählen
Der BFH stellte unmissverständlich klar: Der Freiwillige Wehrdienst ist – anders als etwa ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr – kein Berücksichtigungstatbestand (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG), der für sich genommen einen Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind begründen kann. Das bedeutet, die bloße Tatsache, dass ein junger Mensch FWD leistet, reicht nicht aus, um Kindergeld zu erhalten.
Aber, und das ist die entscheidende gute Nachricht für viele Eltern: „Gleichwohl kann während der Zeit des Freiwilligen Wehrdienstes ein Kindergeldanspruch bestehen, wenn das Kind einen der im Gesetz genannten Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also etwa für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.“ Damit bestätigte der BFH seine bisherige Rechtsprechung.
Leitsatz 2: Grundausbildung ist keine schädliche Erstausbildung
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die militärische Grundausbildung. Hierzu urteilte der BFH: „Die Beendigung der Grundausbildung im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes führt nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug gegebenenfalls schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.“ Diese Feststellung ist enorm wichtig. Wäre die Grundausbildung als Erstausbildung zu werten, dürften Kinder danach nur noch sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten, um den Kindergeldanspruch nicht zu verlieren, falls sie sich z.B. in einer Wartezeit auf einen Studienplatz befinden. Diese Hürde hat der BFH nun beseitigt.
Die konkrete Entscheidung im Fall von Sohn S.
Für den Sohn S. der Familie K. bedeutete dies im Ergebnis eine geteilte Entscheidung:
- Für den Monat März 2022 wurde der Kindergeldanspruch abgelehnt.
- Für die Monate April und Mai 2022 wurde der Kindergeldanspruch hingegen bestätigt.
Die Revision der Familienkasse war also teilweise erfolgreich (bezüglich März) und teilweise unbegründet (bezüglich April und Mai). Die Kosten des Verfahrens wurden entsprechend aufgeteilt: Der Kläger (Vater) musste 1/3 tragen, die Beklagte (Familienkasse) 2/3.
Die richterliche Lupe: Die Begründung des BFH im Detail
Warum aber kamen die Richter zu diesen Schlussfolgerungen? Die Argumentation des BFH ist logisch und stützt sich auf die genaue Auslegung der Gesetze.
Warum der FWD nicht mit FSJ/FÖJ gleichzusetzen ist
Dass der FWD keinen eigenen Kindergeldanspruch auslöst, begründet der BFH damit, dass der Gesetzgeber ihn schlicht nicht in den Katalog der sogenannten Berücksichtigungstatbestände des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgenommen hat. Das Einkommensteuergesetz (EStG) ist die zentrale Rechtsquelle für das Kindergeld. In dieser Vorschrift sind die Fälle aufgezählt, in denen für volljährige Kinder (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres) Kindergeld gezahlt wird. Dazu gehören beispielsweise Kinder in Schul- oder Berufsausbildung, Kinder in einer Übergangszeit von maximal vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder eben Kinder, die ein FSJ oder FÖJ leisten. Der FWD fehlt in dieser Aufzählung. Diese Unterscheidung ist nach Ansicht des BFH auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Tür bleibt offen: andere Gründe für Kindergeld während des FWD
Entscheidend ist jedoch, dass der BFH betont: Auch wenn der FWD selbst kein Grund ist, können andere im Gesetz genannte Gründe währenddessen vorliegen. Der häufigste Fall ist hier das Kind, das „eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann“ (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Wenn also ein junger Mensch während seines Wehrdienstes aktiv nach einem Studien- oder Ausbildungsplatz sucht, sich bewirbt und diesen nur deshalb noch nicht antreten kann, weil er z.B. erst zum nächsten Semester beginnt, kann ein Kindergeldanspruch bestehen.
Grundausbildung unter der Lupe: Keine abgeschlossene Erstausbildung
Sehr praxisrelevant ist die Einstufung der Grundausbildung. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gelten für Kinder, die bereits eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen haben, strengere Regeln. Sie werden nur dann kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn sie keiner oder nur einer sehr geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Hätte der BFH die dreimonatige Grundausbildung als solche „schädliche“ Erstausbildung gewertet, wäre für viele freiwillig Wehrdienstleistende, die danach im Mannschaftsdienstgrad weiterdienen und Sold erhalten, der Kindergeldanspruch verloren gegangen, selbst wenn sie sich um einen Studienplatz bemühen.
Der BFH verneinte dies klar. Eine erstmalige Berufsausbildung im Sinne des Kindergeldrechts erfordert in der Regel einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang, der auf einen qualifizierenden Abschluss mit Prüfung abzielt und zur Aufnahme eines Berufs befähigt. Die allgemeine Grundausbildung bei der Bundeswehr erfüllt diese Kriterien nicht. Sie ist zwar Teil einer möglichen späteren Laufbahnausbildung (z.B. zum Unteroffizier oder Offizier), endet aber für sich genommen nicht mit einer solchen Laufbahnprüfung. Somit stellt sie keinen Abschluss dar, der den weiteren Kindergeldbezug einschränkt.
Der springende Punkt: Nachweis der Ausbildungsplatzsuche
Warum aber erhielt Sohn S. für März kein Kindergeld, für April und Mai jedoch schon? Hier kommt es auf den objektiven Nachweis der Ausbildungsbemühungen an. Der BFH betonte, dass die bloße Behauptung des Kindes oder der Eltern, man habe sich zu einer Ausbildung entschlossen, nicht ausreicht. Dieser Entschluss muss sich durch „belegbare ernsthafte Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben“.
Im Fall S. war es so:
- Zwar gab es eine frühe Mitteilung, dass S. sich während des Wehrdienstes zwischen Bundeswehrkarriere und zivilem Studium entscheiden wolle. Dies war den Richtern aber zu vage als konkreter Studienwunsch.
- Eine erst im Klageverfahren vorgelegte undatierte Stellungnahme von S., er habe sich im März 2022 für ein bestimmtes Studium entschieden, reichte dem BFH für diesen Monat nicht aus. Es fehlten objektive Beweise aus dem März selbst.
- Anders für April und Mai: Am 29. April 2022 ging bei der Familienkasse eine Ausbildungsbescheinigung der Bundeswehr vom 21. April ein. Darin stand, S. werde nach dem Wehrdienst ein ziviles Studium beginnen und befinde sich in der Bewerbungsphase. Am 15. Mai bewarb er sich dann auch tatsächlich für das Wintersemester. Damit war der Studienwunsch im April objektiviert und die Bemühungen waren ernsthaft. Da ein Studienbeginn zum Sommersemester (Beginn meist Anfang April) im April 2022 nicht mehr möglich war, galt S. als Kind, das seine Ausbildung mangels Ausbildungsplatz noch nicht beginnen konnte.
Das kleine ABC des Kindergeldrechts für volljährige Kinder
Um die Tragweite des Urteils voll zu erfassen, ist ein kurzer Blick auf die Grundlagen des Kindergeldrechts hilfreich. Kindergeld ist eine staatliche Leistung, die Familien finanziell unterstützen soll. Für minderjährige Kinder wird es in der Regel ohne weitere Voraussetzungen gezahlt.
Voraussetzungen für volljährige Kinder
Für volljährige Kinder gibt es Kindergeld grundsätzlich bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, aber nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Diese sind in § 32 Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt. Zu den wichtigsten Berücksichtigungstatbeständen gehören:
- Das Kind befindet sich in einer Schul- oder Berufsausbildung (z.B. Studium, betriebliche Ausbildung).
- Das Kind befindet sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten (z.B. zwischen Abitur und Studienbeginn).
- Das Kind kann eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen (die sogenannte „Wartezeit“).
- Das Kind leistet ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) oder bestimmte andere anerkannte Freiwilligendienste.
Die „Falle“ der erstmaligen Berufsausbildung
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Regelung zur „erstmaligen Berufsausbildung“ in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Hat ein Kind bereits eine solche Erstausbildung (oder ein Erststudium) abgeschlossen, wird es danach nur noch berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ist dann schädlich für den Kindergeldanspruch (Ausnahmen bestätigen die Regel, z.B. bei Ausbildungsdienstverhältnissen).
Vor dem Abschluss einer Erstausbildung spielt der Umfang einer Nebentätigkeit des Kindes für den Kindergeldanspruch hingegen seit 2012 grundsätzlich keine Rolle mehr, solange einer der oben genannten Berücksichtigungstatbestände (z.B. Ausbildungssuche) erfüllt ist. Die Klarstellung des BFH, dass die Grundausbildung beim FWD keine solche abgeschlossene Erstausbildung darstellt, ist daher ein Segen für viele Familien.
Bedeutung des Urteils: Was hat sich geändert?
Das BFH-Urteil ist keine Revolution im Kindergeldrecht, aber eine sehr wichtige Konkretisierung und Bestätigung der bestehenden Rechtslage.
Vor dem Urteil: Grauzonen und Unsicherheit
Vor dieser Entscheidung herrschte oft Unsicherheit darüber, wie der FWD kindergeldrechtlich zu behandeln ist. Insbesondere die Frage, ob die Grundausbildung als abgeschlossene Erstausbildung zählt, wurde von Familienkassen möglicherweise unterschiedlich bewertet. Dies führte zu Rechtsunsicherheit bei den betroffenen Familien.
Nach dem Urteil: Mehr Klarheit und Rechtssicherheit
Das Urteil des BFH schafft nun mehr Klarheit und Rechtssicherheit. Eltern wissen jetzt genauer, woran sie sind:
- Der FWD allein löst keinen Kindergeldanspruch aus.
- Ein Kindergeldanspruch während des FWD ist aber möglich, wenn das Kind z.B. aktiv einen Ausbildungs- oder Studienplatz sucht und dies nachweisen kann.
- Die Grundausbildung ist unschädlich und zählt nicht als abgeschlossene Erstausbildung. Das ist besonders relevant, da die Kinder während des FWD Sold erhalten und somit eine Erwerbstätigkeit ausüben.
„Was bedeutet das jetzt konkret für mich?“ – Praktische Auswirkungen
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hat direkte Auswirkungen auf Familien, deren volljährige Kinder einen Freiwilligen Wehrdienst leisten oder planen. Die Kernbotschaft lautet: Aktiv werden und Nachweise sammeln!
Kindergeld während des FWD: Die Chancen stehen gut, wenn…
Ihr Kind leistet FWD und Sie fragen sich, ob Sie Kindergeld bekommen? Die Chancen stehen gut, wenn Ihr Kind die Zeit nicht nur „absitzt“, sondern parallel seine berufliche Zukunft plant. Entscheidend ist, dass Ihr Kind sich nachweislich um einen Ausbildungs- oder Studienplatz bemüht. Dies gilt auch, wenn der Antritt der Ausbildung erst nach dem Ende des Wehrdienstes möglich ist. Der Zeitraum des FWD kann dann als Wartezeit kindergeldrechtlich relevant sein.
Der Teufel steckt im Detail: die Nachweispflicht
Wie der Fall von Sohn S. zeigt, ist der Zeitpunkt, ab dem der Ausbildungswunsch objektiv nachweisbar ist, entscheidend. Es reicht nicht, wenn Ihr Kind Ihnen erzählt, es wolle nach dem Bund studieren. Dieser Wille muss durch konkrete Handlungen untermauert und dokumentiert werden.
Praktische Tipps für den Nachweis:
- Frühzeitige und kontinuierliche Bemühungen: Ihr Kind sollte sich rechtzeitig um Studien- oder Ausbildungsplätze bewerben, auch schon während des FWD.
- Alles dokumentieren: Heben Sie alle Bewerbungsschreiben (auch Entwürfe mit Datum), E-Mail-Korrespondenz mit Hochschulen oder Betrieben, Eingangsbestätigungen von Bewerbungen, Absagen und Zusagen sorgfältig auf. Auch Anmeldungen zu Studieninformationstagen oder Beratungsgespräche können Indizien sein.
- Familienkasse informieren: Teilen Sie der Familienkasse die Ausbildungsbemühungen Ihres Kindes mit und reichen Sie entsprechende Belege ein. Im Fall von Sohn S. war die bei der Familienkasse eingegangene Ausbildungsbescheinigung der Bundeswehr ein wichtiger Wendepunkt.
- Konkreter werden: Allgemeine Aussagen wie „Ich will irgendwas studieren“ sind weniger hilfreich als konkrete Angaben zu Wunschstudiengängen oder -ausbildungen und den entsprechenden Hochschulen oder Betrieben.
Grundausbildung absolviert? Kein Grund zur Panik!
Die Klarstellung des BFH, dass die Grundausbildung keine abgeschlossene Erstausbildung ist, nimmt vielen Eltern eine große Sorge. Selbst wenn Ihr Kind nach der Grundausbildung weiterhin Dienst bei der Bundeswehr leistet und dafür Sold bezieht, steht dies einem Kindergeldanspruch aus Gründen der Ausbildungsplatzsuche nicht entgegen. Die 20-Stunden-Grenze für Erwerbstätigkeit greift hier noch nicht.
Was tun bei Ablehnung durch die Familienkasse?
Sollte die Familienkasse Ihren Antrag auf Kindergeld während des FWD ablehnen, prüfen Sie die Begründung genau. Wenn Sie der Meinung sind, dass die Voraussetzungen – insbesondere nachweisliche Ausbildungsbemühungen – vorliegen, können Sie Einspruch gegen den Bescheid einlegen. Hierfür gilt in der Regel eine Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheids.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs stärkt die Position vieler Familien. Es verdeutlicht, dass der Staat den Ausbildungswillen junger Menschen auch dann fördert, wenn sie sich vorübergehend für einen Dienst bei der Bundeswehr entscheiden. Voraussetzung ist jedoch, dass dieser Ausbildungswille nicht nur ein frommer Wunsch bleibt, sondern durch handfeste Taten belegt wird.
Kindergeld im FWD: Klarheit vom BFH, aber Belege bleiben Pflicht
Das Urteil des Bundesfinanzhofs schafft wichtige Rechtssicherheit: Der Freiwillige Wehrdienst ist zwar kein direkter Kindergeldgrund, die Tür für den Bezug bleibt jedoch offen, wenn parallel ernsthafte Ausbildungsbemühungen nachgewiesen werden. Die Klarstellung, dass die Grundausbildung keine schädliche Erstausbildung darstellt, ist dabei ein zentraler Lichtblick für betroffene Familien.
Für Eltern und ihre wehrdienstleistenden Kinder bedeutet dies vor allem eines: Der kontinuierliche und frühzeitig belegbare Wille zur Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums ist entscheidend. Aktive Planung und sorgfältige Dokumentation dieser Bemühungen sind somit der Schlüssel, um den Kindergeldanspruch während des Dienstes zu sichern.