Landessozialgericht Baden-Württemberg – Az.: L 5 KR 3247/16 – Urteil vom 21.03.2018
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.03.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten einer operativen Behandlung mit penisverlängernder Wirkung.
Der im Jahr 1953 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Am 08.05.2013 wurden bei der Beklagten Arztbriefe des Dr. M., Oberarzt der Urologischen Klinik am D.-Klinikum, S., vom 29.01.2013 und vom 07.05.2013 eingereicht, in denen ausgeführt ist, dass der Kläger unter einem concealed Penis bei Adipositas und induratio penis plastica (IPP, Penisverkrümmung), einem Zustand nach IPP-Deviations-Korrektur 2007 und Adipositas per magna leide. Durch den nahezu vollständig verborgenen Penis bestünden beim Kläger psychische Beeinträchtigungen, eine erschwerte Miktion sowie Hautreizungen. Die Intimhygiene sei erschwert. Konservative Maßnahme (Gewichtsreduktion, Vakuumpumpe) seien frustran verlaufen. Durch eine Haut-Pexie der symphysären Fettschürze und Lösung des Penisschaft-Ligaments mit ggf. zusätzlichem „Mons-Pubis-Lift“ könne, so Dr. M., eine deutliche Verbesserung der Situation erreicht werden.
Die Beklagte interpretierte die Vorlage der Arztbriefe als Leistungsantrag und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein, für den Dr. D. unter dem 21.05.2013 ausführte, beim Kläger liege keine behandlungsbedürftige Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn vor. Der concealed Penis stelle eine Veränderung der Körperform dar, bedeute jedoch keine Gesundheitsstörung. Im Hinblick auf die bestehende Adipositas und hiermit assoziierte Folgeerkrankungen sei eine Gewichtsreduktion zu empfehlen. Bei Selbstwertproblematiken komme evtl. eine Psychotherapie in Betracht.
Gestützt hierauf entschied die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2013, die Kosten der geplanten plastischen Operation nicht zu übernehmen, da beim Kläger keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege.
Hiergegen erhob der Kläger am 17.06.2013 Widerspruch. Hierzu legte er ein Schreiben des Dr. M. vom 04.06.2013 vor, in dem ausgeführt worden ist, dass die zur Verfügung stehenden Alternativtherapien in der Vergangenheit bereits erfolglos angewandt worden seien. Sowohl aus urologischer als auch aus plastisch-chirurgischer Sicht werde eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität sowie die Vermeidung weiterer Folgeerkrankungen durch die geplante operative Therapie gesehen. Anwaltlich vertreten begründete der Kläger seinen Widerspruch sodann damit, dass entgegen der Einschätzung der Beklagten sehr wohl ein krankhafter Zustand vorliege. Seit dem Eingriff, der operativen Behandlung der Penisverkrümmung im März 2008, habe sich die Penislänge stark verkürzt. Diese belaufe sich bei einer Erektion auf maximal 6 cm. Ihm sei es hiernach nicht möglich, mit seiner Ehefrau den Beischlaf zu vollziehen. Eine psychotherapeutische Behandlung, wie von der Beklagten angeregt, sei nicht notwendig, da er über eine ausgeglichene und selbstbewusste Psyche verfüge. Auch eine Gewichtsreduktion würde den bestehenden Zustand nicht ändern, da der Penis nicht von dem Fettgewebe eingeschlossen, sondern faktisch nicht mehr vorhanden sei.
Die Beklagte schaltete daraufhin abermals den MDK ein, für den Dr. P. unter dem 08.07.2013 ausführte, die von Dr. M. angeführte erschwerte Miktion sei nicht nachvollziehbar, da der Penis über das Hautniveau reiche. Im Vordergrund stehe eine dauerhafte Gewichtsreduktion und eine fachärztlich psychiatrische Mitbehandlung. Die zur Verfügung gestellte Fotodokumentation lasse bei einem über das Hautniveau reichenden Mons pubis (Schamhügel) ein äußeres männliches Genital erkennen. Auch unter Berücksichtigung der Fotodokumentation und den weiteren Ausführungen des Klägers bzw. des behandelnden Urologen sei das Vorgutachten in vollem Umfang zu bestätigen; eine Verpflichtung der Beklagten, die Kosten des gewünschten Eingriffs zu übernehmen, bestehe nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2013 wies die Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers zurück. Begründend führte die Beklagte aus, dass Maßnahmen der Krankenbehandlung unmittelbar an der eigentlichen Krankheit anzusetzen hätten. Die Ärzte des MDK hätten insofern ausgeführt, dass der concealed Penis bei Adipositas und die IPP Veränderungen der Körperform darstellten, die als solche keine Gesundheitsstörungen bedeuteten; Funktionsstörungen seien hierdurch nicht bedingt. Eine behandlungsbedürftige Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn liege daher nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger am 17.10.2013 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zu deren Begründung brachte er vor, der bestehende Zustand sei für ihn sehr belastend, weswegen nicht auszuschließen sei, dass diesbzgl. Behandlungsbedürftigkeit eintreten werde. Nach der operativen Korrektur der Penisverkrümmung habe sich seine Penislänge um mehr als die Hälfte reduziert. Sie weiche vom natürlich gegebenen Zustand ab. In Folge der reduzierten Penislänge sei der Beischlaf mit seiner Ehefrau nicht mehr zu vollziehen. Auch beim Wasserlassen habe er erhebliche Probleme. Die vom MDK vorgeschlagenen Behandlungsmethoden seien ohne Erfolg geblieben. Auch Therapieversuche mit einer Vakuumpumpe bzw. Prostavasin seien erfolglos verlaufen. Die Behandlung der Adipositas verspreche für sich allein keine Aussicht auf Erfolg, da sie zu keiner wesentlichen Verlängerung des Penis führen könne. Überdies lasse sich beim Abnehmen nicht steuern, an welchen Körperstellen Fettgewebe abgebaut werde. Der grundrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Grundgesetz (GG) schütze auch ein gesundes und konfliktfreies Eheleben. Hierunter rechne auch ein geordnetes eheliches Sexualleben, weswegen vorliegend die grundrechtlichen Rechte des Klägers tangiert seien.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie betont, dass ein concealed Penis keine behandlungsbedürftige Erkrankung darstelle. Funktionsstörungen lägen beim Kläger nicht vor. Bei dem Wunsch des Klägers nach einer operativen Verlängerung seines Penis handle es sich um eine ästhetisch-kosmetische Indikation, für die keine Leistungspflicht bestehe.
Das SG vernahm die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor der Urologischen Klinik am Klinikum S., K., führte unter dem 13.01.2014 aus, dass der letzte Kontakt zwischen dem Kläger und der Urologischen Klinik des K. S. am 12.08.2008 stattgefunden habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Kläger über die zu geringe Größe seines Penis beklagt. Am 19.03.2008 sei er wegen einer IPP in der Urologischen Klinik am Penis operiert worden. Zum Zeitpunkt der Operation im März 2008 habe eine ausgeprägte Verkrümmung des Penis (90°) vorgelegen. Schon zum Operationszeitpunkt sei der Penis des Klägers klein gewesen, was teilweise schon durch die damals bestehende Fettleibigkeit begründet gewesen sei. Die angewandte Operationsmethode bringe methodisch eine Penisverkürzung mit sich, da die Penisbegradigung durch die Raffung der nicht verhärteten Schwellkörperanteile erreicht werde. Die Operationsmethode sei, wie deren Konsequenzen und deren Nebenwirkungen, Gegenstand der präoperativen Aufklärung gewesen.
Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum F. und der Oberarzt der Klinik, Dr. L., führten unter dem 13.01.2014 aus, der Kläger sei im Oktober 2011 und im Februar 2012 in der Urologischen Klinik untersucht und behandelt worden. Beim Kläger bestehe zweifelsfrei eine deutliche Penisverkürzung. Die zuletzt gemessene Penislänge hätte bei maximaler Streckung 9,0 cm bzw. 9,5 cm betragen und läge hiermit deutlich unter dem deutschen bzw. europäischen Durchschnitt von 12,5 cm. Ein Mikropenis i.S.d. geltenden Kriterien – weniger als die durchschnittliche Penislänge in gestrecktem Zustand minus 2 Standardabweichungen – liege indes nicht vor, da eine Penislänge von 7 – 7,5 cm überschritten werde. Die beim Kläger gemessene Penislänge liege im unteren Drittel der Normalverteilung. Die Funktionalität des Penis (Sensibilität und Erektionsfähigkeit) sei nicht beeinträchtigt gewesen. Ziel einer Penisverlängerungsbehandlung sei in der Regel ein Längenzuwachs von ca. 2 cm.
Dr. M. führte in seiner Stellungnahme vom 23.01.2014 aus, dass der Kläger seit dem 13.12.2012 in Behandlung in der Urologischen Klinik des D.-klinikums S. stehe. Im Dezember 2012 sei mittels Prostavasin eine artefizielle Erektion zur Beurteilung des zunächst vollständig verborgenen Penis durchgeführt worden, worunter sich ca. 1/3 des etwa 10 cm langen, verborgenen Penis gezeigt habe. Aus seiner Sicht sei eine operative Penisvergrößerung nicht die geeignete Maßnahme, vielmehr sei die Reduzierung/Rückverlagerung des vor dem Schambein gelegenen Fettgewebes zu präferieren. Die Penislänge bleibe bei diesem Verfahren unbeeinträchtigt. Selbige bedürfe keiner Korrektur. Konservative Maßnahmen seien über einen langen Zeitraum frustran durchgeführt worden.
Der Kläger trat sodann der Einschätzung von Prof. Dr. W. bzgl. der vergleichenden Werte der Penislänge entgegen.
Anlässlich eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 30.01.2015 gab der Kläger ferner an, dass mit der Operation eine Verlängerung des Penis um 2 – 3 cm erreicht werden solle. Er sei nicht mehr in der Lage, die Situation psychisch zu verarbeiten. Gelegentlich habe er Schmerzen im Penis, eine Erektion sei jedoch noch möglich. Er sei in der Lage zu urinieren, müsse jedoch aufpassen, den Penis richtig zu greifen, damit nichts in die Hose laufe. Auch habe er Hautreizungen am Penis, wegen derer er jedoch nicht in hautärztlicher Behandlung stehe. Sein Urologe habe ihm eine Salbe verschrieben. Selbige nutze er ca. einmal wöchentlich. Derzeit wiege er ungefähr 108 kg, zu Zeiten, als er noch Alkohol getrunken habe, habe sich sein Gewicht auf 125 kg belaufen. Zur Reduzierung seines Körpergewichtes laufe er ca. 5 – 6 km täglich und gehe ab und zu schwimmen. Vor der urologischen Operation im März 2008 sei ihm gesagt worden, dass er mit einem Längenverlust des Penis zu rechnen habe, indes sei selbiger nunmehr in erigiertem Zustand nur noch ca. 7 cm lang. Klägerseits wurde sodann klargestellt, dass das Ziel der Klage eine operative Reduzierung bzw. Rückverlagerung des vor dem Schambein gelegenen Fettgewebes, wie von Dr. M. empfohlen, sei.
Mit Urteil vom 17.03.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid die „Kostenübernahme für eine plastische Operation“ abgelehnt habe. Hierunter rechne auch der vom Kläger begehrte Eingriff, sodass die Beklagte hierüber entschieden habe. Nach § 27 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestünde ein Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Krankheit in diesem Sinne liege vor, wenn Versicherte in ihrer Körperfunktion beeinträchtigt seien oder die anatomische Abweichung entstellend wirke. Im Hinblick auf die Penislänge des Klägers liege insofern kein krankhafter Befund vor, da weder eine Funktionsstörung hervorgerufen sei noch eine Entstellung des Klägers vorliege. Eine Abweichung von der Normgröße stelle keine Krankheit im beschriebenen Sinne dar. Die begehrte Operation diene daher nicht der Behandlung einer körperlichen Erkrankung, sondern sei als plastische Operation zu qualifizieren. Zur Behandlung der bestehenden Fettschürze könne der Kläger den begehrten Eingriff gleichfalls nicht beanspruchen. Die Reduzierung bzw. Rückverlagerung des vor dem Schambein gelegenen Fettgewebes stelle keine Maßnahme dar, die an einer Krankheit ansetze und diese behandle. Da auch das Gewebe und die umgebende Haut nicht beeinträchtigt seien, könne die Behandlung der Gesundheitsstörung nicht beansprucht werden. Im Krankenversicherungsrecht gelte der Grundsatz, dass die Krankenkassen nur solche Behandlungsmaßnahmen schuldeten, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzten. Auch eine krankheitswertige Adipositas rechtfertige den geplanten Eingriff nicht, da die geplante Operation keine unmittelbare Behandlung der Adipositas bezwecke. Diese werde durch die Reduzierung bzw. Rückverlagerung des Fettgewebes nicht beseitigt. Auch bestehende Hautreizungen rechtfertigten die begehrte Operation nicht, da diese dermatologisch behandelbar seien. Da der Kläger nach seinen eigenen Angaben, so das SG weiter, einen Hautarzt nicht konsultiert habe, sei der Eingriff auch nicht als ultima ratio zu genehmigen. Auch die psychische Belastung des Klägers rechtfertige eine operative Behandlung nicht, da psychische Beschwerden grundsätzlich nicht mit chirurgischen Eingriffen, sondern mit Mitteln der Psychotherapie und Psychotherapie zu behandeln seien. Ein Leistungsanspruch bestehe schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der entstellenden Wirkung, da die betroffenen Körperregionen beim Kläger durch Kleidung verdeckt und Dritten nicht ersichtlich seien.
Gegen das am 08.08.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.08.2016 Berufung eingelegt. Entgegen der Einschätzung des SG läge bei ihm ein krankhafter Zustand vor. Sein Penis sei in die bestehende Haut- bzw. Fettschürze versunken. Dieser Zustand könne nicht durch eine Behandlung der Adipositas reduziert werden. Auch der Fettschürze selbst komme Krankheitswert zu. Dies sei insb. dann der Fall, wenn die Fettschürze ein solches Ausmaß erreiche, dass ihr eine entstellende Wirkung zukomme. Das SG habe überdies die weiteren Probleme des Klägers, z. B. zum Wasserlassen ignoriert bzw. bagatellisiert. Auch habe Dr. M. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft davon berichtet, dass bei Durchführung einer artifiziellen Erektion ein Drittel des ca. 10 cm langen Penis zum Vorschein getreten sei. Dies führe dazu, dass selbst bei einer vollständigen Erektion, der Penis lediglich 3 cm über die Fettschürze hinausrage, was dem Vorliegen eines Mikropenis entspreche.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.03.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2013 zu verurteilen, die Kosten einer operativen Haut-Plexie der symphysären Fettschürze mit Lösung des Penisschaft-Ligaments mit zusätzlichem „Mons-Pubis-Lift“ zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages bringt die Beklagte vor, das SG habe im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, dass Penisform und -größe bei dem Kläger dem Normbereich entsprächen und auch bauchseitig kein krankhafter Zustand bestehe.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. Sc., Facharzt für Urologie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 11.09.2017 hat Dr. Sc. ausgeführt, der Kläger beklage zuvorderst die Penisverkürzung nach der IPP-Operation im Jahr 2008. Funktionsstörungen des Penis lägen beim Kläger nicht vor, insb. erlaube die bestehende Penisgröße ein normales, komplikationsloses Wasserlassen. Auch bestehe eine gute Rigidität und Tumeneszenz. Ejakulationsstörungen bestünden nicht. Bei maximaler Streckung betrage die Penislänge des Klägers 6,5 cm, vor der Operation habe sie auf 18 cm belaufen. Es bestehe indes eine erhebliche psychische Belastung durch den zurückgezogenen Penis und der hiermit einhergehenden fehlenden sexuellen Aktivität sowie der erschwerten Miktion. Die begehrte Reduzierung bzw. Rückverlagerung der vor dem Schambein gelegenen Fettschürze durch Lösung des Penisschaft-Ligaments erscheine zur Erreichung des klägerischen Begehrens am sinnvollsten. Durch die Rückverlagerung der Fettschürze könne der Penis besser gesehen bzw. besser gefasst werden. Mit Entfernung der Fettschürze sollte eine normale sexuelle Aktivität erreichbar sein. Die Reduzierung der Fettschürze sei nicht durch eine Gewichtsabnahme zu erzielen, sondern bedürfe der plastischen Chirurgie. Durch eine weitere Gewichtsabnahme würde ein störender Hautlappen zurückbleiben. Eine Penisverlängerung mit Fremdmaterial oder körpereigenem Gewebe scheide aus, da ein Infektionsrisiko bestehe und die Gefahr einer erektilen Dysfunktion im Raum stehe. Des Weiteren bestehe die Gefahr einer Sensibilitätsstörung.
Nach Vorlage des Gutachtens bringt die Beklagte vor, es sei unverändert fraglich, ob beim Kläger ein krankheitsbedingter, behandlungsbedürftiger Körperzustand vorliege. Der Kläger sieht sein Begehren durch das Gutachten von Dr. Sc. bestätigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Leistungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2018 geworden sind, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (vgl. § 143 Abs. 1 SGG), da der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,– € (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) durch die Kosten der begehrten operativen Behandlung überstiegen wird.
Die Berufung führt jedoch für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 24.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2013, mit dem die Beklagte, wie der im Bescheid angeführte Betreff ausweist, die Übernahme der Kosten einer plastischen Operation abgelehnt hat. Da dem ablehnenden Bescheid der Beklagten die Arztbriefe des Dr. M. vom 29.01.2013 und vom 07.05.2013 zugrunde lagen, in denen die Haut-Plexie der symphysären Fettschürze und Lösung des Penisschaft-Ligaments mit ggf. zusätzlichen Mons-Pubis-Lift (Straffung des Schambeinbereichs) ausdrücklich als Möglichkeit einer Verbesserung der Situation benannt sind, ist die vom Kläger zuletzt begehrte dahingehende operative Behandlung Gegenstand des durchlaufenen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren gewesen, sodass, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, die Klage nicht wegen der Nichtdurchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens und entsprechender Bescheidung unzulässig gewesen ist.
Der angefochtene Bescheid 24.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2013 ist jedoch rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Entfernung bzw. Rückverlagerung der über dem Schambein gelegenen Fettschürze bei gleichzeitiger Lösung des Penisschaft-Ligaments sowie auf eine weitergehende Straffung des Schambeinbereichs.
Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V auch die Krankenhausbehandlung. Der Anspruch auf vollstationäre oder stationsäquivalente Behandlung durch ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus besteht nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn die Aufnahme oder Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insb. die ärztliche Behandlung, die Krankenpflege, die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Unterkunft und Verpflegung; die akut stationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation.
Voraussetzung für den Leistungsanspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist der Eintritt des Versicherungsfalls der Krankheit. Krankheit meint einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] u. a. Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R -, in juris). Der krankenversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff ist hiernach enger als der Krankheitsbegriff im allgemein-medizinischen Sinne, der jede Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen bzw. objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen bzw. das Vorhandensein typischer ätiologisch, morphologisch oder symptomatisch beschreibbarer Erscheinungen, die als eine bestimmte Erkrankung verstanden werden, umfasst (BSG, Urteil vom 22.04.2015 – B 3 KR 3/14 R-, in juris). Krankheitswert i.S.d. § 27 SGB V kommt hiernach nicht jeder körperlichen Anomalität zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 11/04 R -, in juris m.w.N.). Abweichungen von der morphologisch idealen Norm, die noch befriedigende körperliche Funktionen zulassen, stellen hingegen keine Krankheit i.S.d. § 27 SGB V dar, weswegen die Korrektur zwar normabweichender, aber nicht funktionsbeeinträchtigender Körperzustände nicht beansprucht werden kann (Landessozialgericht [LSG] für das Land Brandenburg, Urteil vom 06.03.2002 – L 4 KR 24/00 – [für eine Penisverlängerung], in juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger die von ihm begehrte Entfernung bzw. Rückverlagerung der über dem Schambein gelegenen Fettschürze bei gleichzeitiger Lösung des Penisschaft-Ligaments sowie auf eine weitergehende Straffung des Schambeinbereichs nicht beanspruchen.
Die Fettschürzenbildung an sich sowie die Existenz von Fettzellen im Bauchbereich stellen bereits, entgegen der Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sc., keine Krankheit im oben beschriebene Sinne dar (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 15.09.2004 – L 9 KR 56/03 -: Hessisches LSG, Urteil vom 15.04.2013 – L 1 KR 119/11 -, jew. in juris). Der Abweichung der körperlichen Erscheinung von normalgewichtigen und normalfigurierten Menschen kommt allein für die ästhetische Beurteilung Gewicht zu. Eine – aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht erforderliche – Abweichung vom Normalzustand mit Blick auf die physischen Funktionen ist hingegen nicht gegeben. Weder die Bauchdecke noch die diese umgebende Haut sind nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen durch die Fettschürze oder die bestehenden Fettzellen in ihrer jeweiligen Funktion beeinträchtigt.
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen besteht beim Kläger auch keine funktionelle Störung des Penis. So hat der gerichtliche Sachverständige Dr. Sc. ausgeführt, dass beim Kläger keine Funktionsstörungen des Penis vorliegen, insb. ist dem Kläger ein normales, komplikationsloses Wasserlassen möglich. Dies hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG so bestätigt. Der Notwendigkeit erhöhter Aufmerksamkeit, auf die der Kläger hingewiesen hat, kommt kein Krankheitswert zu; sie ist vielmehr Ausdruck allgemeiner Hygieneerfordernisse. Auch besteht eine gute Rigidität und Tumeneszenz. Ejakulationsstörungen liegen nicht vor. I.d.S. hat auch Prof. Dr. W. in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG vom 13.01.2014 mitgeteilt, dass die Funktionalität des Penis nicht beeinträchtigt ist. Dieser ist regulär sensibel und erektionsfähig. Dies wird auch vom Kläger selbst nicht bestritten. Auch in der Penisgröße ist kein regelwidriger Körperzustand zu erblicken. Diese unterliegt von Natur aus völlig unterschiedlichen Entwicklungsumfängen. Ein sehr kleiner Penis entspricht dabei ebenso wie ein sehr großer dem Leitbild eines gesunden Mannes. Es ist nicht angezeigt, für die Größe des männlichen Penis, außerhalb des Bestehens eines Mikropenis, der beim Kläger nach den Bekundungen des behandelnden Arztes Prof. Dr. W. nicht vorliegt, einen Normbereich festzulegen und davon abweichende Erscheinungsbilder als krankhaft zu bewerten. Ungeachtet hiervon mag die Penisgröße des Klägers zwar unterdurchschnittlich sein, sie liegt jedoch noch im Rahmen der Normbreite. So hat Prof. Dr. W. ausgeführt, dass die Penislänge im unteren Drittel anzusiedeln sei.
Ein Anspruch auf die begehrte Leistung ergibt sich auch nicht mit Blick auf die beim Kläger bestehende Adipositas, denn die Fettschürzenentfernung stellt keine unmittelbare Behandlung der Adipositas dar (vgl. BSG, Urteil vom 09.06.1998 – 1 KR 18/96 R -; Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R -, jew. in juris). Die Adipositas selbst wird durch die begehrte operative Behandlung nicht beseitigt. Eine Fettschürzenresektion zielt einzig auf die Beseitigung einzelner Symptome ab, nicht hingegen auf die Behandlung der Krankheit selbst. Als solche Behandlung kommt in erster Linie eine medizinisch begleitete Gewichtsreduktion ggf. unter Anleitung in Betracht.
Soweit der Kläger eine psychische Beanspruchung geltend macht, vermag dies eine operative Fettschürzenentfernung bzw. -rückverlagerung gleichfalls nicht zu rechtfertigen, da derartigen Belastungen nicht durch chirurgische Eingriffe in eine an sich gesunde Körpersubstanz, sondern mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu begegnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 3/03 R -, in juris).
Kosmetische Beeinträchtigungen sind zwar nicht vollständig ungeeignet zur Begründung einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen zu werden, sie müssen aber ein extremes und unzumutbares Ausmaß erreicht haben. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine so erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und die damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Betrachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht oder zu vereinsamen droht, sodass Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit im Sinne einer Entstellung anzunehmen, muss objektiv eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein; die körperliche Auffälligkeit muss in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen „quasi im Vorbeigehen“ bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (BSG, Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R -, in juris m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Leibesfülle des Klägers ist, wovon sich der Senat anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2018, an der der Kläger teilgenommen hat, überzeugen konnte, weder außergewöhnlich ausgeprägt, noch führt sie, in Ansehung der gesellschaftlichen Ausprägung von Fettleibigkeit, dazu, dass bei Dritten eine (negative) Betroffenheit ausgelöst wird. Im Hinblick auf die Penisgröße des Klägers scheidet eine entstellende Wirkung bereits deswegen aus, da der Penis beim Kontakt mit Mitmenschen durchgängig bedeckt ist.
Mithin liegt zur Überzeugung des Senats beim Kläger keine behandlungsbedürftige Krankheit i.S.d. § 27 Abs. 1 SGB V vor. Soweit Dr. Sc. in seinem Gutachten die Einschätzung vertritt, beim Kläger liege eine Gesundheitsstörung vor, vermag dies aus – medizinischer – Hinsicht zutreffend zu sein, indes ist der rechtliche Begriff der Krankheit im Sinne des § 27 SGB V, wie oben ausgeführt, enger und vorliegend nicht erfüllt.
Die klägerseits geltend gemachte Unfähigkeit, den Geschlechtsverkehr mit seiner Frau ausüben zu können, begründet gleichfalls keinen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten der begehrten operativen Maßnahme. § 27a SGB V umfasst in diesem Zusammenhang nach Maßgabe der dort normierten Voraussetzungen, ausschließlich Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Ungeachtet davon, dass bereits nicht vorgetragen ist, dass die Fähigkeit wieder den Geschlechtsverkehr ausüben zu können vor diesem Hintergrund begehrt wird, ist der Kläger bereits in Ansehung seines Lebensalters nicht leistungsberechtigt (vgl. § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V). Soweit der Kläger sein Begehren in Art. 6 Abs. 1 GG begründet sieht und anführt, der grundrechtliche Schutz der Familie schütze ein gesundes und konfliktfreies Eheleben, worunter auch ein geordnetes eheliches Sexualleben rechne, verkennt dies, dass der in Art. 6 Abs. 1 GG statuierte besondere Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie zwar positiv die Aufgabe für den Staat begründet, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern, jedoch aus Art. 6 Abs. 1 GG keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen erwachsen können (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 06.05.1975 – 1 BvR 332/72 -, in juris). Auch im Übrigen können vorliegend grundrechtliche Positionen einen Leistungsanspruch des Klägers nicht begründen. Zwar hat es das BVerfG in seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Sozialstaatsprinzip und mit der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn diese Behandlungsmethode eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht, indes ist dies auf lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung bzw. auf hiermit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen beschränkt (vgl. § 2 Abs. 1a SGB V in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung), wovon vorliegend ersichtlich nicht ausgegangen werden kann.
Der begehrte operative Eingriff, mit dem der Kläger die Veränderung des im Normbereich liegenden Körperzustandes anstrebt, rechnet daher nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, auch und gerade wenn der Versicherte wie vorliegend der Kläger hierauf psychisch fixiert ist (vgl. BSG, Urteil vom 09.06.1998 – B 1 KR 18/96 R – [Hodenprothese]; Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 3703 R – [brustvergrößernde Operation], jew. in juris). Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Entfernung der symphysären Fettschürze mit Lösung des Penisschafts-Ligaments mit zusätzlichem Mons-Pubis-Lift.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten 24.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.