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Krankengeld – Begriff derselben Krankheit

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 1 KR 84/20 – Urteil vom 20.05.2021

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zahlung von Krankengeld aufgrund einer ab dem 03.11.2015 attestierten Arbeitsunfähigkeit.

Der am … 1976 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld I gesetzlich krankenversichert. Ab dem 03.11.2015 war der Kläger aufgrund der Diagnosen R 51.G (Kopfschmerzen) und D 43.0 A (Neubildung unseren oder unbekannten Verhaltens des Gehirns und des Zentralnervensystems) arbeitsunfähig erkrankt und erhielt zunächst Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit Hamburg. In der Folgebescheinigung vom 27.11.2015 wurden zudem die Diagnosen G 44.2G (Spannungskopfschmerz) und F 45.41G (Anhaltende somatoforme Schmerzstörung) angegeben. Mit Bescheid vom 15.12.2015 stellte die Bundesagentur für Arbeit das Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall zum 15.12.2015 fest und hob die bis dahin laufende Bewilligung von Arbeitslosengeld auf. Daraufhin begehrte der Kläger die Zahlung von Krankengeld durch die Beklagte.

Zuvor hatte der Kläger in der Zeit vom 27.08.2013 bis zum 23.02.2015 bereits für 78 Wochen Krankengeld durch die Beklagte erhalten. Ausweislich der damaligen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen lauteten die in diesem Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit zugrundeliegenden Diagnosen F 32.1 (Depressive Episode), F 60.8 (Spezifische Persönlichkeitsstörungen) und F 33 (Rezidivierende depressive Störung). Zudem wurden bei dem Kläger im Laufe des damaligen Krankengeldbezuges u.a. die Diagnosen I 48.0 (Vorhofflimmern), F 41.0 (Generalisierte Angststörung [episodisch paroxysmale Ängste), F 54 (Krankheitsverarbeitungsstörung) als Grund für die Arbeitsunfähigkeit angegeben.

Die Beklagte prüfte deshalb einen etwaigen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen aus dem vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitszeitraum und der nunmehr attestierten Arbeitsunfähigkeit. Dabei gab die behandelnde Ärztin des Klägers, Frau Dr. F., auf Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 08.01.2016 an, dass am 22.11.2015 die Krankheiten „chronifizierte Kopfschmerzen, G 44.2, F 45.41, F 32.1“ hinzugetreten seien und die derzeitige Arbeitsunfähigkeit von den hinzugetretenen Krankheiten bedingt werde. Frau Dr. F. gab in dem Schreiben auch an, dass es sich bei den hinzugetretenen Krankheiten und den früheren Erkrankungen des Klägers nicht um dieselbe Krankheit handele.

Mit Bescheid vom 14.01.2016 teilt die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Krankengeldhöchstanspruch innerhalb der bestehenden 3-Jahres-Rahmenfrist mit dem Krankengeldbezug vom 27.08.2013 bis zum 23.02.2015 ausgeschöpft sei und daher der Krankengeldanspruch des Klägers nicht bestehe.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass kein Zusammenhang zwischen seiner aktuellen Erkrankung und dem letzten Zeitraum von Krankengeldbezug bestehe. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) mit der Begutachtung des Falles. Dieser kam nach Prüfung der Aktenlage am 08.02.2016 zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen den damals aktuellen Erkrankungen und den Vorerkrankungen aus dem letzten Krankengeldbezug anzunehmen sei. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11.02.2016 mit. Daraufhin korrigierte Frau Dr. F. in einer weiteren ärztlichen Stellungnahme vom 14.03.2016 ihre bisherigen Diagnosen. Die aktuelle Krankschreibung des Klägers bei ihr als Schmerztherapeutin beruhe auf den Hauptdiagnosen R52.2 und G 44.2. Dabei sei es wahrscheinlich, dass psychologische Faktoren, wie bei allen chronischen und lebensbeeinträchtigenden Erkrankungen, eine Rolle spielten, weshalb die Diagnose F45.41 dazukomme. Die in der Zusammenhangsanfrage ursprünglich genannte Diagnose F 32.1 könne dagegen nicht mehr bestätigt werden und müsse daher als aktueller Krankheitsgrund herausgenommen werden. Der daraufhin nochmals befasste MDK verblieb in seinem Gutachten vom 20.05.2016 sodann bei seiner im Erstgutachten geäußerten Auffassung und merkte ergänzend an, dass die nun wieder aufgetretenen Kopfschmerzen, welche bereits im Rahmen der vorangegangenen depressiven Episode mit somatischen und psychosomatischen funktionellen Einschränkungen vorbeschrieben waren, in einem inneren Zusammenhang mit der vorherigen somatoformen Störung stünden. Die behandelnde Ärztin des Klägers habe bereits am 08.01.2015 ein chronifiziertes Kopfschmerzsyndrom im Rahmen der depressiven Episode verschlüsselt. Die erneut aufgetretene chronische Schmerzstörung werde als Ausdruck der bisherigen somatoformen Störung gedeutet. Als Grundleiden bestehe eine rezidivierende depressive Episode mit einer chronischen somatischen Komponente.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2017 wies die Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück und verwies auf die eingeholten MDK-Gutachten vom 08.02.2016 und vom 20.05.2016. Sie führte ergänzend aus, dass nicht jedes erneute Auftreten oder eine Exacerbation einer somatoformen Schmerzsymptomatik eine neue Erkrankung bedinge.

Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2016 durch seinen Bevollmächtigten Klage am Sozialgericht Hamburg erhoben.

Das Sozialgericht hat daraufhin bei den behandelnden Ärzten Befundberichte angefordert und aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse eine weitere medizinische Aufklärung, insbesondere die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens für entbehrlich erachtet. Dies hat das Gericht dem Kläger mit Schreiben vom 04.09.2017 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 19.12.2017 hat der Kläger angekündigt, einen Antrag zur Anhörung eines bestimmten Arztes gemäß § 109 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu stellen. Mit Schreiben vom 26.01.2018 hat der Kläger beantragt, gemäß § 109 Abs. 1 S. 1 SGG den Arzt Prof. Dr. V.T. zu dem Streitfall anzuhören, welcher die Begutachtung des Falles jedoch mit Fax-Schreiben vom 26.02.2018 abgelehnt hat. Mit Schreiben vom 18.05.2018 hat der Kläger sodann den Arzt Dr. H.K. benannt, der die Begutachtung ebenfalls ablehnte mit der Begründung, grundsätzlich keine Gutachten zu erstellen. Nachdem der anwaltlich vertretene Kläger keinen geeigneten Arzt ausfindig machen konnte, hat das Gericht dem Kläger auf dessen Erbitten mit gerichtlichem Schreiben vom 11.03.2019 sowie mit Schreiben vom 04.06.2019 diverse, fachlich geeignete Ärzte benannt und dabei dem Kläger aufgegeben, die Bereitschaft der Ärzte zur Gutachtenerstellung im Vorfeld zu erfragen und letztmalig eine Frist für seinen angekündigten Antrag gestellt. Nachdem der Kläger auch weiterhin keinen bestimmten Arzt benannt hat, der gemäß § 109 Abs. 1 S. 1 SGG gutachterlich gehört werden sollte, hat das Gericht die Beteiligten mit Schreiben vom 12.12.2019 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Das Sozialgericht hat sodann die Klage durch Gerichtsbescheid vom 03.07.2020 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2016 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen (weiteren) Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit vom 03.11.2015 nach Beendigung der Leistungsfortzahlung durch die Agentur für Arbeit. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Gemäß § 48 Abs. 1 SGB V erhielten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit „wegen derselben Krankheit“ jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (Satz 1). Trete während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, werde die Leistungsdauer nicht verlängert (Satz 2). Dieselbe Krankheit im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB V liege nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor, wenn es sich um ein im ursächlichen Sinne einheitliches Krankheitsgeschehen handele. Dies sei der Fall, wenn und solange eine Krankheit nicht ausgeheilt sei und immer wieder zu behandlungsbedürftigen oder bzw. und Arbeitsunfähigkeit bedingenden Krankheitserscheinungen bzw. -beschwerden führe. Das Vorliegen derselben Krankheit setze dabei keine fortlaufende Behandlung voraus. Es komme auch nicht darauf an, ob die Krankheitserscheinungen stets in gleicher Weise und ohne zeitliche Unterbrechung fortbestünden. Ebenso wenig müsse es sich dabei um die gleiche oder gleichartige Diagnose handeln. Der vom BSG geforderte innere Zusammenhang zwischen den Erkrankungen könne vielmehr schon dadurch begründet sein, dass die Entstehung einer Krankheit jedes Mal durch eine gemeinsame Bedingung begünstigt oder herbeigeführt werde. Es genüge daher, dass ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden latent weiterbestehe und nach einem beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervall erneut Krankheitssymptome hervorrufe. Dieselbe Krankheit könne auch dann noch fortbestehen, wenn Arbeitsunfähigkeit und/oder Behandlungsbedürftigkeit (vorübergehend) entfallen seien, also der ursprüngliche Leistungsfall bereits abgeschlossen sei. Entscheidend sei dabei die tatsächliche Krankheitsursache und nur sekundär die auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestierte Diagnose. Danach sei der Krankengeldanspruch des Klägers zum Zeitpunkt des erneuten Eintritts der Arbeitsunfähigkeit ab dem 03.11.2015 innerhalb des laufenden 3-Jahreszeitraums vom 27.08.2013 bis zum 26.08.2016 bereits erschöpft gewesen. Nach Durchsicht der umfangreichen Befundlage sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Arbeitsunfähigkeit ab dem 03.11.2015 auf derselben Krankheit im Rechtssinne beruhe, wie die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 27.08.2013 bis zum 23.02.2015. Die Frage, ob die mit Fax vom 12.01.2016 durch Dr. F. angegebene Diagnose F32.1 zu Recht kodiert worden sei, sei insoweit nicht entscheidungserheblich. Denn neben einer etwaigen mittelgradigen depressiven Episode verblieben diverse andere psychische und somatoforme Erkrankungen des Klägers sowie seine verminderte Belastbarkeit, welche bereits im vergangenen Krankgengeldzeitraum vom 27.08.2013 bis zum 23.02.2015 im Zusammenhang mit den chronischen Kopfschmerzen des Klägers aufgetreten seien. Ausweislich der weiteren Stellungnahme von Frau Dr. F. vom 20.06.2017 hätten bereits seit Behandlungsbeginn im Jahr 2009 – und somit lange vor dem 03.11.2015 – die Kopfschmerzen im Vordergrund der Beschwerden des Klägers gestanden. Es sei seitdem eine Behandlung mittels transkutaner elektrischer Nervenstimulation begonnen, physiotherapeutische Ansätze gewählt und die Teilnahme an einer an einer Gruppe in der Schmerzpsychologie initiiert worden. Den diagnostizierten Spannungskopfschmerz (ICD: G44) sehe sie im Zusammenhang mit der Diagnose „chronische Schmerzen mit psychologischen Faktoren“ (ICD: F45.41). Auch ausweislich des Befundberichtes des Asklepios Westklinikums Hamburg vom 22.08.2014 habe der Kläger bereits während des ersten Krankengeldbezuges unter chronischen Kopfschmerzen gelitten, die im Zusammenhang mit seinen diversen psychischen Erkrankungen und Angstzuständen (ICD: F32.1, F41.0, F61, I48.0 und F54) jeweils in Stresssituationen aufgetreten seien bzw. sich dann verstärkt hätten. Ebenso hätten die behandelnden Ärzte des Klägers im A. am 04.02.2015, mithin ebenfalls noch während des Zeitraumes des ersten Krankengeldbezuges vom 27.08.2013 bis zum 23.02.2015, Kopfschmerzen mit den Diagnosen R51.G und D43.0 verschlüsselt, welche später auch den erneuten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem 03.11.2015 zugrunde gelegen hätten. Darüber hinaus stelle das Gericht fest, dass die ursprünglich vom 27.08.2013 bis zum 23.02.2015 zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen (F32.1G und F60.8V) noch am 08.07.2016 durch den Arzt Dr. S. diagnostiziert worden seien, also nach Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit am 03.11.2015. Auch wenn die chronischen Kopfschmerzen des Klägers nach seinem Vortrag bereits im Jahr 2009 erstmals nach einer Meningitis aufgetreten sein sollten, hätten sie nachweislich während des vergangenen Krankengeldbezuges in Verbindung mit den diversen psychischen Beschwerden des Klägers gestanden. Ebenso sei auf Grundlage der ärztlichen Befundberichte davon auszugehen, dass die Erkrankungen, welche der Arbeitsunfähigkeit vom 27.08.2013 bis zum 23.02.2015 zu Grunde gelegen hätten, auch über den 03.11.2015 hinaus noch nicht ausgeheilt gewesen seien. All dies spreche in hohem Maße dafür, dass die seit dem 03.11.2015 zur Arbeitsunfähigkeit führenden Beschwerden des Klägers, insbesondere das chronische Schmerzsyndrom, auf dem Boden der nicht vollständig ausgeheilten multiplen psychischen und somatoformen Erkrankungen des Klägers bestünden bzw. mit diesen seit mehreren Jahren in einem inneren Zusammenhang stünden und deswegen im rechtlichen Sinne von „derselben Krankheit“ auszugehen sei. Entstünden aufgrund chronischer Schmerzen in Verbindung mit psychischen und somatoformen Störungen – wie hier – immer wieder gleichartige oder ähnliche Beschwerden, so könne es sich, auch wenn für sich betrachtet jedes Mal ein neues, akutes Krankheitsgeschehen vorliege, nur um „dieselbe Krankheit“ im Rechtssinne handeln. Denn würde man bei der Bewertung „derselben Krankheit“ einer stärker differenzierenden Betrachtung im Sinne einer engen fachmedizinisch-anatomischen Sicht folgen und zudem der zeitlichen Komponente größeres Gewicht einräumen, käme dem Begriff nach der Rechtsprechung des BSG im Kontext des § 48 SGB V letztlich gar keine eigenständige rechtliche Bedeutung in Bezug auf die vom Gesetz damit bezweckte Einengung des zeitlichen Umfangs der Krankengeldgewährung mehr zu. Nach alledem habe es nicht der zusätzlichen Befragung eines medizinischen Sachverständigen von Amts wegen gemäß §106 SGG bedurft. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen und Befundberichte würden keine Anhaltspunkte dafür bieten, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger auch nur hinreichend wahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte.

Gegen den ihm am 06.07.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.07.2020 Berufung eingelegt. Er ist insgesamt der Ansicht, dass es sich bei der Arbeitsunfähigkeit ab dem 03.11.2015 nicht um dieselbe Krankheit wie bei der Arbeitsunfähigkeit vom 27.08.2013 bis zum 23.02.2015 handele. Die Anästhesistin Frau Dr. F. habe weder die fachliche Kompetenz noch die rechtliche Befugnis, eine Diagnose wie F32.1 zu stellen. Sie habe diese Diagnose lediglich einem alten Bericht entnommen, ohne deren Voraussetzungen konkret festzustellen. Eine Depression sei keine mit chronischen Kopfschmerzen vergleichbare Krankheit. Die Ziffer F45.41 dürfe vergeben werden, wenn die körperlichen Beschwerden zahlreich, unterschiedlich und hartnäckig seien, aber das vollständige und typische Bild einer Somatisierungsstörung nicht erfüllt sei. Diese Krankheit stehe somit in keinem Zusammenhang mit einer Depression. Die ursprünglich falsche Diagnose der Ärztin Dr. F. dürfe nicht zu Lasten des Klägers gehen. Ihre Aussage, psychologische Faktoren würden bei den Schmerzzuständen eine Rolle spielen, könne auch zu keinem anderen Ergebnis führen. Weil nahezu jede Krankheit auch zu psychischen Belastungen führe, könne eine psychische Belastung oder Auffälligkeit bei einer unabhängig hiervon bestehenden Erkrankung nicht zum Ausschluss des Krankengeldes führen. Dies würde eine Ungleichbehandlung psychisch kranker Personen ohne sachlichen Grund darstellen. Die psychische Beeinträchtigung des Klägers sei laut Dr. F. die Folge der starken Beeinträchtigungen des Klägers durch die Kopfschmerzen. Eine Depression sei nicht mit Kopfschmerzen verbunden. Die chronischen Kopfschmerzen des Klägers seien erstmals im Jahr 2009 nach einer Meningitis aufgetreten. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger nicht unter psychischen Krankheiten gelitten. Das chronische Schmerzsyndrom und die Depression seien zwei Krankheitsbilder, die nicht identisch seien. Es gebe 220 Arten von Kopfschmerzen und es sei ein Sachverständigengutachten einzuholen, um diese Fragen zu beantworten.

Der Kläger beantragt, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur der Behauptung, dass es sich hierbei nicht um dieselbe Erkrankung handelt, und, dass die aktuellen festgestellten Diagnosen in keinem Zusammenhang mit einer Depression stehen, unter der Aussage, dass die psychologische Beeinträchtigung des Klägers die Folge der Beeinträchtigung durch den Kopfschmerz ist; die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts und des Bescheides der Beklagten vom 14. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2016 zur Gewährung von Krankengeld zu verpflichten.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 23. März 2021 gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Gericht nimmt nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Das Sozialgericht hat die rechtlichen Grundlagen des Falles und die Subsumption hierunter sorgfältig und zutreffend erarbeitet. Dem ist im Wesentlichen nichts hinzuzufügen.

Im Hinblick auf das Begehren des Klägers, die Frage medizinisch begutachten zu lassen, sei noch auf Folgendes hingewiesen:

Bei dem Begriff „derselben Krankheit“ im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dessen Auslegung und Anwendung ist in erster Linie eine juristische und keine medizinische Frage. Soweit für die Beantwortung der juristischen Frage auf medizinische Fakten zurückgegriffen werden muss, führt dies nicht automatisch zur Notwendigkeit der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. In dem vorliegenden Fall, ergeben sich die notwendigen medizinischen Fakten aus den vom Sozialgericht eingeholten fachkundigen Angaben der behandelnden Ärzte und auch aus den Bewertungen des MDK. Wie das Sozialgericht völlig zutreffend herausgearbeitet hat, ergibt sich daraus das Bild einer durchgehenden psychosomatischen Erkrankung/ Schmerzstörung, in die sowohl die (wohl hauptsächlich psychosomatisch bedingten) Kopfschmerzen wie auch Erschöpfungs- und depressive Elemente eingebettet sind. Bei seiner sehr auf einzelne ICD-10 Kodes fokussierten Argumentation übersieht der Kläger, dass ein solches Vorgehen bei der Beurteilung der Rechtsfrage „derselben Krankheit“ nach der vom Sozialgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gerade nicht zulässig ist. Vielmehr kommt es darauf an, das den einzelnen Diagnosen zugrunde liegende Grundleiden zu erfassen. Dies hat das Sozialgericht überzeugend getan.

Aus diesen Gründen geht auch der „Beweisantrag“ des Klägers ins Leere. Da dieser nicht die nötigen Elemente eines förmlichen Beweisantrags beinhaltet, kann es sich schon nur um eine für das Gericht nicht verbindliche Beweisanregung handeln. Unabhängig davon zielt der Antrag aber auch auf die Begutachtung einer Rechtsfrage (nämlich der Frage, ob „dieselbe Krankheit“ im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorliegt) und ist auch daher unzulässig. Soweit der Antrag schließlich auf einen Zusammenhang mit einer Depression abzielt, ist auch nicht erkennbar, inwieweit die damit bezweckte Frage entscheidungserheblich sein könnte. Letztendlich ist auch hier nochmals darauf hinzuweisen, dass der Kläger schon erstinstanzlich ein Gutachten nach § 109 SGG einholen wollte, ihm dies jedoch trotz erhebliche Hilfe des Sozialgerichts nicht gelungen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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