Ein 58-jähriger Mann verließ sich auf Krankengeld, als ihn eine Handgelenkverletzung ab Ende April 2018 außer Gefecht setzte. Seine Arbeitsunfähigkeit endete offiziell am 27. Mai, doch schon am darauffolgenden Montag, dem 28. Mai, zwang ihn eine neue Diagnose mit Bandscheibenproblemen erneut zum Arzt. Obwohl er sich durchgehend arbeitsunfähig fühlte, verweigerte seine Krankenkasse die Fortsetzung der Krankengeldzahlung ab diesem Tag.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wie eine Rückenverletzung den Anspruch auf Krankengeld auf die Probe stellte
- Warum lehnte die Krankenkasse die weitere Zahlung ab?
- Was entgegnete der Versicherte der Krankenkasse?
- Wie entschieden die ersten Instanzen in diesem Fall?
- Warum landete der Fall vor dem Landessozialgericht?
- Wie begründete das Landessozialgericht seine Entscheidung?
- Wichtigste Erkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann besteht ein Anspruch auf fortlaufendes Krankengeld, wenn sich die Diagnose während der Arbeitsunfähigkeit ändert?
- Warum ist eine lückenlose ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für den Krankengeldanspruch entscheidend?
- Welchen Einfluss hat ein Wechsel des Versicherungsstatus auf den fortbestehenden Krankengeldanspruch?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: L 6 KR 91/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
- Datum: 24. September 2020
- Aktenzeichen: L 6 KR 91/19
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Krankenversicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein damals 58-jähriger, zuvor beschäftigter Mann, der Krankengeld bezog. Er forderte weiterhin Krankengeld von seiner Krankenkasse, obwohl er wegen einer neuen Krankheit arbeitsunfähig war.
- Beklagte: Die Krankenkasse des Klägers. Sie lehnte die Fortzahlung von Krankengeld ab einem bestimmten Datum wegen einer neuen Krankheit ab.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Der Kläger bezog Krankengeld wegen einer Handverletzung, deren Arbeitsunfähigkeit ärztlich am 27. Mai 2018 endete. Direkt am Folgetag, dem 28. Mai 2018, wurde er wegen einer neuen Rückenleiden-Diagnose erneut arbeitsunfähig.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Muss eine Krankenkasse weiterhin Krankengeld zahlen, wenn jemand direkt nach dem Ende einer Arbeitsunfähigkeit wegen einer Krankheit am nächsten Tag wegen einer neuen Krankheit erneut arbeitsunfähig wird, ohne dass die neue Krankheit rückwirkend oder als Zusatz zur ersten Krankheit festgestellt wurde?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Berufung zurückgewiesen.
- Zentrale Begründung: Der Krankengeldanspruch endete, weil die neue Arbeitsunfähigkeit eine andere Krankheit betraf und der Kläger ab diesem Zeitpunkt über eine Familienversicherung keinen Anspruch auf Krankengeld mehr hatte.
- Konsequenzen für die Parteien: Der Kläger erhält kein Krankengeld für den strittigen Zeitraum und muss die eigenen Prozesskosten tragen.
Der Fall vor Gericht
Wie eine Rückenverletzung den Anspruch auf Krankengeld auf die Probe stellte
Im Zentrum dieser Geschichte steht ein 58-jähriger Mann, der sich in einer herausfordernden Situation wiederfand. Bis Ende April 2018 war er berufstätig und damit pflichtversichert. Doch eine Verletzung am linken Handgelenk zwang ihn, ab dem 23. April 2018 krankheitsbedingt der Arbeit fernzubleiben. Da sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endete, übernahm seine Krankenkasse ab dem 1. Mai 2018 die Zahlung von Krankengeld, einer wichtigen Leistung, die den Verdienstausfall bei längerer Krankheit abfedert.

Die behandelnde Ärztin des Versicherten bescheinigte die Arbeitsunfähigkeit wegen der Handverletzung bis zum Sonntag, den 27. Mai 2018. Sie teilte der Krankenkasse mit, dass der Mann voraussichtlich ab dem darauffolgenden Montag, dem 28. Mai, wieder arbeitsfähig sein würde. Doch das Schicksal hatte andere Pläne: Just an diesem Montag, dem 28. Mai 2018, musste der 58-Jährige erneut einen Arzt aufsuchen. Diesmal war es ein Orthopäde, der eine völlig neue Diagnose feststellte: Probleme mit den Bandscheiben. Er bescheinigte dem Mann eine weitere Arbeitsunfähigkeit, die von diesem Tag an und für die nächsten Tage gelten sollte. Genau hier begann der Streit mit der Krankenkasse.
Warum lehnte die Krankenkasse die weitere Zahlung ab?
Für die Krankenkasse stellte sich die Situation so dar: Die Arbeitsunfähigkeit wegen der Handverletzung war am 27. Mai 2018 abgelaufen. Die neu festgestellte Arbeitsunfähigkeit ab dem 28. Mai betraf eine völlig andere Krankheit – die Rückenbeschwerden. Aus Sicht des Versicherers war damit der ursprüngliche Anspruch auf Krankengeld erloschen.
Einige Wochen später, Ende Juni 2018, teilte die Krankenkasse dem Versicherten in einem Schreiben mit, dass für die neue Arbeitsunfähigkeit ab dem 28. Mai kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Sie begründete dies damit, dass zu diesem Zeitpunkt kein Versicherungsschutz mehr vorgelegen habe, der zur Zahlung von Krankengeld berechtigte. Das anfängliche, eher informelle Schreiben wurde später von der Krankenkasse selbst als eine verbindliche Entscheidung, ein sogenannter Bescheid, bezeichnet.
Was entgegnete der Versicherte der Krankenkasse?
Der Versicherte war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und legte Widerspruch ein. Er argumentierte, dass er durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Obwohl die Diagnose gewechselt habe, sei er keinen einzigen Tag arbeitsfähig gewesen. Insbesondere betonte er, dass er bereits am 27. Mai, dem letzten Tag seiner Hand-Krankschreibung, an den Rückenbeschwerden gelitten habe. Er habe den Orthopäden aber erst am Montag, dem 28. Mai, aufsuchen können, da dies der nächste Werktag gewesen sei und er nicht die Notaufnahme habe aufsuchen wollen. Für ihn sei es eine durchgehende Krankheit gewesen, und der Krankengeldanspruch müsse daher fortbestehen.
Er berief sich auf eine Regelung im Sozialgesetzbuch, die besagt, dass der Krankengeldanspruch weiterbesteht, wenn eine Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit an einem Folgetag nach der vorherigen Bescheinigung festgestellt wird. Der Versicherte meinte, diese Regelung müsse sinngemäß auch auf seinen Fall angewendet werden, da er sich durchgehend krank gefühlt habe. Außerdem brachte er vor, die Rückenprobleme seien „hinzugetreten“, also zu seiner bereits bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzugekommen. Dies hätte, so seine Ansicht, dazu führen müssen, dass der Krankengeldanspruch ununterbrochen fortbesteht.
Wie entschieden die ersten Instanzen in diesem Fall?
Die Krankenkasse wies den Widerspruch des Versicherten mit einem ausführlichen Bescheid im Oktober 2018 endgültig zurück. Sie beharrte darauf, dass der Krankengeldanspruch wegen der Handverletzung mit Ablauf des 27. Mai 2018 geendet habe. Die neue Arbeitsunfähigkeit wegen der Rückenprobleme sei eine andere Krankheit gewesen und sei auch nicht zu der vorherigen Arbeitsunfähigkeit „hinzugetreten“, da es keine Überschneidung gegeben habe. Folglich, so die Krankenkasse, habe ab dem 28. Mai 2018 kein Versicherungsverhältnis mehr bestanden, das einen Krankengeldanspruch vermittelte.
Der 58-Jährige gab nicht auf und zog vor das Sozialgericht Halle. Dort wiederholte er seine Argumente: Er sei durchgehend krank gewesen, schon am 27. Mai hätten die Rückenschmerzen begonnen, und der Arztbesuch am Montag dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Das Sozialgericht Halle folgte seiner Argumentation jedoch nicht und wies seine Klage im September 2019 ab.
Warum landete der Fall vor dem Landessozialgericht?
Unzufrieden mit dem Urteil des Sozialgerichts legte der Versicherte Berufung beim Landessozialgericht ein. Er führte weitere Argumente ins Feld: Die neue Erkrankung müsse als ein Hinzutreten im Sinne des Gesetzes gewertet werden, da die beiden Krankheiten sich zumindest am 27. Mai 2018 überschnitten hätten, was rechtlich als eine einheitliche, durchgehende Krankheit gelten müsse. Er legte auch eine neue Bescheinigung seines Orthopäden vor. Darin hieß es, der Orthopäde habe die Arbeitsunfähigkeit erst ab Montag ausgestellt, da es ein arbeitsfreies Wochenende gewesen sei und er zum Zeitpunkt des Arztbesuchs nichts von der vorherigen Krankschreibung wegen der Hand gewusst habe.
Die Krankenkasse verteidigte ihre Position und verwies zusätzlich darauf, dass der Kläger in der strittigen Zeit ab dem 28. Mai 2018 über seine Ehefrau familienversichert gewesen sei. Eine solche Familienversicherung, so ihre Argumentation, schließe einen Anspruch auf Krankengeld aus einem früheren Arbeitsverhältnis grundsätzlich aus. Auf Nachfrage des Gerichts bestätigte der Orthopäde später, dass er keine medizinische Begründung dafür liefern könne, die Arbeitsunfähigkeit wegen der Rückenprobleme schon auf den 27. Mai 2018 zurückzudatieren.
Wie begründete das Landessozialgericht seine Entscheidung?
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt wies die Berufung des Versicherten zurück und bestätigte damit das Urteil des Sozialgerichts Halle. Das Gericht stellte klar, dass der Versicherte für den strittigen Zeitraum vom 28. Mai bis 22. Juni 2018 keinen Anspruch auf Krankengeld hatte.
Hier sind die wesentlichen Gründe für die Entscheidung des Gerichts:
- Keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit wegen „derselben Krankheit“: Der ursprünglich bestehende Krankengeldanspruch wegen der Handverletzung endete mit Ablauf des 27. Mai 2018. Das Gesetz ist hier eindeutig: Ein Anspruch auf Krankengeld kann nur dann fortbestehen, wenn die neue Arbeitsunfähigkeit Dieselbe Krankheit betrifft. Im vorliegenden Fall wurde die neue Arbeitsunfähigkeit jedoch allein wegen eines Bandscheibenschadens festgestellt, was eine andere Krankheit als die ursprüngliche Handverletzung darstellt. Das Gericht betonte, dass es hier ausschließlich auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ankommt und nicht darauf, ob der Versicherte subjektiv meinte, durchgehend krank gewesen zu sein. Der Orthopäde konnte auch keine ärztliche Begründung für eine Rückdatierung der Rücken-Arbeitsunfähigkeit auf den 27. Mai 2018 liefern.
- Kein „Hinzutreten“ einer weiteren Krankheit: Der Versicherte hatte argumentiert, die Rückenprobleme seien „hinzugetreten“ zur bestehenden Arbeitsunfähigkeit. Das Gericht lehnte dies ab. Ein Hinzutreten einer weiteren Krankheit ist nach dem Gesetz nur möglich, wenn sich die Krankheiten während der festgestellten Arbeitsunfähigkeit überschneiden. Da die Arbeitsunfähigkeit wegen der Handverletzung am 27. Mai 2018 als beendet galt und die Arbeitsunfähigkeit wegen der Rückenprobleme erst am 28. Mai 2018 begann, gab es keine solche ärztlich festgestellte Überschneidung. Die bloße Behauptung des Versicherten, schon am 27. Mai am Rücken erkrankt zu sein, reichte hierfür nicht aus.
- Fehlender Versicherungsschutz für Krankengeldanspruch: Ein neuer Krankengeldanspruch ab dem 28. Mai 2018 konnte nicht entstehen, weil der Versicherte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert war. Die Mitgliedschaft, die ihm bis zum 27. Mai das Krankengeld gesichert hatte, endete mit dem Verlust dieses Krankengeldanspruchs. Ab dem 28. Mai 2018 war der Versicherte stattdessen über seine Ehefrau familienversichert. Eine solche Familienversicherung sieht nach dem Gesetz jedoch keinen Anspruch auf Krankengeld vor.
- Kein nachwirkender Anspruch durch Familienversicherung: Auch ein sogenannter nachwirkender Leistungsanspruch aus seiner früheren Pflichtversicherung konnte nicht geltend gemacht werden. Das Gesetz besagt ausdrücklich, dass eine nachfolgende Familienversicherung solche nachwirkenden Ansprüche aus einem früheren Pflichtversicherungsverhältnis ausschließt.
Das Gericht entschied, dass es in diesem Fall keine Grundlage für eine Revision, also eine weitere Überprüfung des Urteils durch eine höhere Instanz, gab. Die Entscheidung beruhte auf klaren gesetzlichen Vorgaben und bereits bestehender Rechtsprechung, was ihre Bedeutung für die allgemeine Rechtspraxis einschränkte.
Wichtigste Erkenntnisse
Gerichte prüfen den Anspruch auf Krankengeld streng nach ärztlicher Feststellung und dem aktuellen Versicherungsstatus.
- Ärztliche Feststellung zählt: Der Fortbestand eines Krankengeldanspruchs setzt die ärztliche Feststellung derselben Krankheit voraus; das subjektive Empfinden der durchgehenden Krankheit genügt nicht.
- Zeitliche Überschneidung bei Krankheitstausch: Eine neue Erkrankung muss sich mit der ärztlich bescheinigten Dauer der vorherigen Arbeitsunfähigkeit überschneiden, damit der Krankengeldanspruch ununterbrochen fortbesteht.
- Versicherungsschutz bestimmt Anspruch: Der Anspruch auf Krankengeld hängt direkt vom aktuell bestehenden Versicherungsschutz ab; eine Familienversicherung schließt frühere Ansprüche oft aus.
Dieses Urteil lehrt, wie entscheidend die präzise ärztliche Bescheinigung und der jeweils gültige Versicherungsstatus für den Erhalt von Sozialleistungen sind.
Benötigen Sie Hilfe?
Endete Ihr Krankengeldanspruch wegen einer neuen, direkt folgenden Krankheit? Lassen Sie die Voraussetzungen für Ihren Krankengeldanspruch unverbindlich prüfen.
Das Urteil in der Praxis
Was auf den ersten Blick wie ein unglücklicher Zufall wirkt, ist in Wahrheit eine schonungslose Lektion über die Tücken des deutschen Sozialrechts. Dieses Urteil manifestiert knallhart, wie akribisch die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sein muss – selbst ein einziger Tag ohne lückenlose, durch dieselbe Krankheit begründete AU-Bescheinigung kann den gesamten Krankengeldanspruch zum Erliegen bringen. Es demonstriert eindrücklich, dass das Gesetz hier kaum Spielraum für subjektives Empfinden lässt und ein Wechsel der Diagnose ohne lückenhaften Übergang fatal sein kann, insbesondere wenn gleichzeitig der Versicherungsstatus wechselt. Ein klarer Sieg für die Kassen, eine bittere Pille für Betroffene – dieses Urteil schärft das Bewusstsein für die absolute Notwendigkeit lückenloser, präziser Dokumentation bei der AU-Kette.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann besteht ein Anspruch auf fortlaufendes Krankengeld, wenn sich die Diagnose während der Arbeitsunfähigkeit ändert?
Ein Anspruch auf fortlaufendes Krankengeld besteht bei einer Diagnoseänderung in der Regel nur dann, wenn es sich weiterhin um dieselbe Krankheit handelt oder eine neue Krankheit während der bereits ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit hinzukommt und sich die ärztlich bescheinigten Perioden überschneiden.
Man kann es sich wie bei einer Krankmeldung vorstellen: Wenn jemand wegen einer Handverletzung krankgeschrieben ist und diese Krankschreibung endet, die Person aber am nächsten Tag wegen einer völlig neuen Erkrankung, wie Bandscheibenproblemen, erneut zum Arzt muss, handelt es sich um zwei getrennte Erkrankungen.
Entscheidend ist hier die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Das Gesetz sieht einen fortlaufenden Krankengeldanspruch grundsätzlich nur bei derselben Krankheit vor. Tritt eine andere, nicht zusammenhängende Diagnose auf, gilt dies als neue Erkrankung, die einen neuen Anspruch auslösen müsste – sofern zu diesem Zeitpunkt noch ein entsprechender Versicherungsschutz besteht. Ein „Hinzutreten“ einer weiteren Krankheit ist nur möglich, wenn die neue Krankheit auftritt, während die ursprüngliche Arbeitsunfähigkeit noch ärztlich festgestellt ist und fortdauert, sodass sich die ärztlich bescheinigten Perioden überschneiden. Ohne eine solche Überschneidung in der ärztlichen Bescheinigung kann die neue Erkrankung nicht als Hinzutreten gewertet werden. Das subjektive Empfinden, durchgehend krank gewesen zu sein, reicht hierfür nicht aus.
Diese Regelung stellt sicher, dass Krankengeldleistungen klar definierten und ärztlich bestätigten Arbeitsunfähigkeiten zugeordnet werden.
Warum ist eine lückenlose ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für den Krankengeldanspruch entscheidend?
Eine lückenlose ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist für den Krankengeldanspruch entscheidend, weil jede Unterbrechung, selbst für einen einzigen Tag, den Anspruch auf Krankengeld beenden kann. Die Krankenkasse prüft den Anspruch ausschließlich auf Basis der ärztlichen Bescheinigungen und betrachtet eine Lücke als das Ende der fortlaufenden Arbeitsunfähigkeit.
Stellen Sie es sich wie eine ununterbrochene Kette vor: Jeder Tag der Arbeitsunfähigkeit muss durch ein Glied (die ärztliche Bescheinigung) mit dem nächsten verbunden sein. Fehlt auch nur ein einziges Glied, ist die Kette unterbrochen. Die Krankenkasse sieht dann keinen durchgehenden Krankengeldanspruch mehr.
Krankenkassen sind auf diese genaue ärztliche Dokumentation angewiesen, um zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht und wie lange er andauert. Aus ihrer Sicht bedeutet eine fehlende Bescheinigung für einen Tag das Ende der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit oder den Beginn einer völlig neuen Erkrankungsphase. Dies gilt auch, wenn der fehlende Tag auf ein Wochenende oder einen Feiertag fällt.
Versicherte müssen daher proaktiv sicherstellen, dass ihr Arzt die Arbeitsunfähigkeit lückenlos bescheinigt. Eine nachträgliche Bescheinigung oder eine Rückdatierung ist nur möglich, wenn der Arzt dafür eine medizinische Begründung liefern kann. Man sollte nicht davon ausgehen, dass dies selbstverständlich ist. Diese strenge Regelung sichert, dass der Krankengeldanspruch auf einer klaren und nachvollziehbaren medizinischen Grundlage basiert.
Welchen Einfluss hat ein Wechsel des Versicherungsstatus auf den fortbestehenden Krankengeldanspruch?
Ein Wechsel des Versicherungsstatus kann den Anspruch auf Krankengeld beenden, insbesondere wenn man von einer Pflichtversicherung in die Familienversicherung wechselt. Die Familienversicherung sieht nach dem Gesetz selbst keinen Anspruch auf Krankengeld vor.
Stellen Sie sich vor, man hat ein Ticket für einen bestimmten Zug, der einen an ein Ziel bringt (die Pflichtversicherung, die Krankengeld umfasst). Wenn man nun auf eine Buslinie umsteigt (die Familienversicherung), gilt das ursprüngliche Zugticket für diese neue Linie nicht mehr, selbst wenn man krankheitsbedingt noch unterwegs ist.
Der Anspruch auf Krankengeld ist eng an die Art des Versicherungsverhältnisses gebunden. Typischerweise entsteht er aus einer Pflichtversicherung als Arbeitnehmer. Endet dieses Verhältnis und geht man stattdessen in eine Familienversicherung über, entfällt der Anspruch auf Krankengeld für neu auftretende oder fortbestehende Arbeitsunfähigkeiten.
Ein sogenannter nachwirkender Anspruch auf Leistungen aus einer früheren Pflichtversicherung ist in einem solchen Fall ebenfalls ausgeschlossen. Dies ist eine wichtige gesetzliche Ausnahme, die verhindert, dass über die Familienversicherung indirekt Krankengeldansprüche fortgesetzt werden, die dort grundsätzlich nicht vorgesehen sind. Der Zweck dieser Regelung ist es, die klar definierten Leistungsansprüche der jeweiligen Versicherungsarten voneinander abzugrenzen und Missbrauch zu verhindern.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Arbeitsunfähigkeit (AU)
Arbeitsunfähigkeit bedeutet, dass Sie wegen Krankheit oder Unfall vorübergehend nicht in der Lage sind, Ihre bisherige Arbeit auszuüben oder nur unter Gesundheitsgefährdung. Die ärztliche Feststellung dieser Unfähigkeit ist entscheidend, um Ansprüche wie Krankengeld geltend machen zu können. Sie muss dabei lückenlos und nachvollziehbar dokumentiert werden.
Beispiel: Im vorliegenden Fall ging es darum, ob die Arbeitsunfähigkeit des Mannes wegen der Handverletzung nahtlos in die neue Arbeitsunfähigkeit wegen der Rückenprobleme überging, da die Krankenkasse eine Lücke feststellte, die den Anspruch beendete.
Bescheid
Ein Bescheid ist eine verbindliche und formale Entscheidung einer Behörde oder Krankenkasse, die bestimmte Rechte oder Pflichten begründet oder feststellt. Er wird schriftlich mitgeteilt und ist die offizielle Antwort auf einen Antrag oder eine Anfrage.
Beispiel: Die Krankenkasse teilte dem Versicherten zunächst informell mit, dass kein Krankengeldanspruch bestehe, bezeichnete dies später aber selbst als „Bescheid“, was bedeutet, dass es eine rechtlich bindende Entscheidung war, gegen die der Versicherte dann Widerspruch einlegen konnte.
Dieselbe Krankheit
Der Begriff „dieselbe Krankheit“ ist im Krankengeldrecht entscheidend dafür, ob ein Anspruch auf Krankengeld bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit ohne Unterbrechung weiterläuft, selbst wenn die Diagnose sich leicht ändert. Dies setzt voraus, dass die neue Diagnose medizinisch gesehen Teil derselben Grunderkrankung ist oder in einem engen ursächlichen Zusammenhang mit ihr steht.
Beispiel: Der Versicherte argumentierte, er sei durchgehend krank gewesen, auch wenn die Diagnose von Handverletzung auf Rückenprobleme wechselte. Das Landessozialgericht lehnte dies jedoch ab, da es sich um zwei medizinisch völlig unterschiedliche Krankheiten handelte, die nicht als „dieselbe Krankheit“ im Sinne des Gesetzes galten.
Familienversicherung
Die Familienversicherung ermöglicht es nahen Angehörigen, wie Ehepartnern oder Kindern, kostenlos in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert zu sein, wenn der Hauptversicherte Mitglied ist und bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Sie ist eine wichtige soziale Leistung, sieht aber grundsätzlich keinen eigenen Anspruch auf Krankengeld vor, da sie primär der Absicherung von Gesundheitsleistungen dient.
Beispiel: Als der Mann seinen Job verlor und kein Krankengeld mehr erhielt, war er ab dem 28. Mai 2018 über seine Ehefrau familienversichert. Das Gericht stellte fest, dass diese Familienversicherung einen Anspruch auf Krankengeld aus seinem früheren Arbeitsverhältnis ausschloss, da die Familienversicherung selbst keine Krankengeldleistung vorsieht.
Hinzutreten (einer Krankheit)
Das „Hinzutreten“ einer weiteren Krankheit bedeutet im Kontext des Krankengeldanspruchs, dass eine neue Erkrankung während einer bereits bestehenden und ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit auftritt und sich die Krankschreibungsperioden überschneiden. Ist dies der Fall, kann der Krankengeldanspruch auch bei einer geänderten Diagnose fortbestehen, ohne dass eine Lücke entsteht.
Beispiel: Der Versicherte argumentierte, seine Rückenprobleme seien zu seiner bestehenden Arbeitsunfähigkeit durch die Handverletzung „hinzugetreten“. Das Gericht verneinte dies, weil es keine ärztlich festgestellte Überschneidung der beiden Arbeitsunfähigkeitsperioden gab: Die Hand-AU endete am 27. Mai, die Rücken-AU begann erst am 28. Mai.
Krankengeld
Krankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, die Arbeitnehmern einen finanziellen Ausgleich für ihren Verdienstausfall bietet, wenn sie wegen einer Krankheit länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind und ihr Arbeitgeber die Lohnfortzahlung einstellt. Es dient dazu, die wirtschaftliche Existenz während längerer Krankheitsphasen zu sichern und wird für eine bestimmte Höchstdauer gezahlt.
Beispiel: Der Mann erhielt Krankengeld von seiner Krankenkasse ab dem 1. Mai 2018, nachdem sein Arbeitsverhältnis endete und die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber nicht mehr erfolgte. Der zentrale Streitpunkt im Fall war, ob dieser Krankengeldanspruch aufgrund der Diagnosänderung und einer vermeintlichen Unterbrechung fortbestand.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Fortbestand des Krankengeldes bei Arbeitsunfähigkeit (§ 46 Abs. 1 SGB V)
Dieser Paragraph regelt, ob und unter welchen Bedingungen ein Anspruch auf Krankengeld bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit, auch bei Wechsel der Krankheit oder Hinzutreten einer weiteren, fortbesteht.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüfte anhand dieses Paragraphen, ob der ursprüngliche Krankengeldanspruch des Versicherten wegen der Handverletzung durch die nachfolgende Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Rückenprobleme fortgesetzt werden konnte, was es verneinte, da weder dieselbe Krankheit vorlag noch ein Hinzutreten bei fehlender ärztlich bescheinigter Überschneidung. - Bedeutung der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (Allgemeines Rechtsprinzip)
Ein Anspruch auf Krankengeld setzt eine ärztlich attestierte und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit voraus, die klar datiert ist und nicht ohne medizinische Begründung rückwirkend geändert werden kann.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht betonte, dass es auf die exakte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ankommt und nicht auf das subjektive Empfinden des Versicherten; da der Orthopäde die Arbeitsunfähigkeit wegen der Rückenprobleme nicht auf den 27. Mai zurückdatieren konnte, gab es keine ärztlich bescheinigte Überschneidung der Arbeitsunfähigkeiten. - Krankengeldanspruch bei Familienversicherung (§ 10 Abs. 1 SGB V und § 19 Abs. 2 SGB V)
Personen, die über ein Familienmitglied versichert sind (Familienversicherung), haben grundsätzlich keinen eigenen Anspruch auf Krankengeld; zudem schließt eine solche Familienversicherung einen nachwirkenden Anspruch auf Krankengeld aus einem früheren Versicherungsverhältnis aus.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Ab dem 28. Mai 2018 war der Versicherte familienversichert, wodurch er keinen Anspruch Krankengeld haben konnte und auch kein „nachwirkender“ Anspruch aus seiner früheren Pflichtversicherung geltend gemacht werden konnte, selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit fortbestanden hätte. - Ende der Krankengeld-Mitgliedschaft (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V)
Die Mitgliedschaft in der Krankenkasse, die einen Anspruch auf Krankengeld vermittelt, endet, sobald der Krankengeldanspruch selbst wegfällt.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der ursprüngliche Krankengeldanspruch des Versicherten wegen der Handverletzung mit Ablauf des 27. Mai 2018 endete, erlosch auch seine Mitgliedschaft in der Krankenkasse, die diesen Krankengeldanspruch begründete, was die Voraussetzung für die nachfolgende Familienversicherung schuf.
Das vorliegende Urteil
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt – Az.: L 6 KR 91/19 – Urteil vom 24.09.2020
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Ich bin Dr. Christian Gerd Kotz, Rechtsanwalt und Notar in Kreuztal. Als Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht vertrete ich Mandant*innen bundesweit. Besondere Leidenschaft gilt dem Sozialrecht: Dort analysiere ich aktuelle Urteile und erkläre praxisnah, wie Betroffene ihre Ansprüche durchsetzen können. Seit 2003 leite ich die Kanzlei Kotz und engagiere mich in mehreren Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltvereins.


