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Krankengeld – lückenlose ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

SG Koblenz – Az.: S 13 KR 580/12 –  Urteil vom 16.09.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Krankengeld über den 04.06.2012 hinaus streitig.

Der am …1969 geborene Kläger war in der Zeit vom 27.10.2011 bis 14.03.2012 aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld I bei der Beklagten krankenversichert. Unter dem 02.02.2012 erkrankte er an einer sonstigen biomechanischen Funktionsstörung im Zervikalbereich arbeitsunfähig; im Anschluss an die Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit leistete die Beklagte ab dem 15.03.2012 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten blieb daher zunächst erhalten.

Die Beklagte schaltete sodann den MDK ein und bat diesen um Stellungnahme zum Leistungsbild des Klägers. Der MDK kam am 08.03.2012 zu dem Ergebnis, dass bis zum 27.03.2012 kein positives Leistungsbild festgestellt werden könne.

Unter dem 28.03.2012 reichte der Kläger bei der Beklagten einen weiteren Auszahlungsschein ein, auf dem weitere Arbeitsunfähigkeit ohne voraussichtliches Enddatum angegeben war. Ein weiterer Auszahlungsschein mit Datum vom 23.04.2012 attestierte ebenfalls Arbeitsunfähigkeit bis auf Weiteres.

Krankengeld - lückenlose ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Symbolfoto: Von PeJo /Shutterstock.com

Sodann wurde der Kläger am 25.04.2012 vom MDK persönlich untersucht. Dabei kam der MDK zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein vollschichtiges Leistungsbild für den Allgemeinen Arbeitsmarkt vorliege. Hierüber wurde der Kläger durch die Beklagte mit Bescheid vom 25.04.2012 informiert. Zugleich wurde die Einstellung der Krankengeldzahlungen zum 28.04.2012 verfügt.

Der Kläger reichte bei der Beklagten eine Erstbescheinigung der Gemeinschaftspraxis S. ein, in der am 03.05.2012 Arbeitsunfähigkeit bis 07.03.2012 festgestellt wurde. Sodann wurde eine Folgebescheinigung bis zum 25.05.2012 vorgelegt. Daneben legte der Kläger einen weiteren Auszahlungsschein vom 07.05.2012 vor, nach dem er bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei.

Mit Schreiben vom 03.05.2012 legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.04.2012 Widerspruch ein. Der Kläger sei aufgrund eines schweren HWS-Syndroms mit Nervenkompression bei Bandscheibenprolaps weiter arbeitsunfähig erkrankt. Auch der MDK habe festgestellt, dass dem Kläger die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel kaum möglich sei. Allein dies bedinge jedoch Arbeitsunfähigkeit, da der Kläger die Arbeitsstätte gar nicht aufsuchen könne. Weiterhin sei dem Kläger bei seiner Einladung zur persönlichen Untersuchung nicht bekannt gemacht worden, dass der MDK ihn zur Frage der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit begutachte. Hier habe man vielmehr mitgeteilt, dass es um eine Beratung und etwaige Einleitung medizinischer Maßnahmen ginge. Schließlich sei für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht der allgemeine Arbeitsmarkt, sondern die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit maßgeblich.

Der erneut hinzugezogene MDK verblieb bei seiner bisherigen Einschätzung. Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 25.05.2012 mit, dass es für die Frage der Arbeitsunfähigkeit keine Rolle spiele, wie der Versicherte den Weg zur Arbeit zurücklegen würde.

Der Kläger reichte eine weitere Folgebescheinigung über seine Arbeitsunfähigkeit vom 25.05.2012 ein, die bis zum 04.06.2012 reichte.

Mit Schreiben vom 14.06.2012 teilte die zuständige Bundesagentur für Arbeit … mit, dass dem Kläger seit dem 09.05.2012 Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gewährt werden würden.

Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 22.06.2012 (Arbeitsunfähigkeit bis 13.07.2012) und 13.07.2012 (Arbeitsunfähigkeit bis 08.08.2012) wurden vorgelegt.

Mit Bescheid vom 27.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach den Feststellungen des MDK sei der Kläger über den fraglichen Termin hinaus nicht arbeitsunfähig gewesen. Entgegenstehende medizinische Unterlagen lägen nicht vor. Insbesondere hätten die behandelnden Ärzte gegen die MDK-Entscheidung keinen Widerspruch eingelegt, sondern lediglich weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert.

Mit seiner am 23.10.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Beim Kläger sei bis zum 14.12.2012 lückenlos Arbeitsunfähigkeit ärztlich attestiert worden. Diese sei ausgelöst durch ein schweres HWS-Syndrom, aufgrund dessen dauerhafte Schmerzen bestanden hätten. Es habe regelmäßig eine Cortisoninjektion in die Halswirbelsäule erfolgen müssen. Der Kläger sei jeweils nur für kurze Zeiträume dazu in der Lage gewesen, zu sitzen, zu stehen oder zu liegen. Im Bereich des rechten Arms und beider Beine hätte ein Taubheitsgefühl bestanden. Da die Erkrankung bereits während der Tätigkeit des Klägers als Metallbauer aufgetreten sei, müsse diese Tätigkeit als Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit herangezogen werden. Schließlich sei das MDK-Gutachten nicht verwertbar, da dem Kläger hier im Vorfeld der Zweck der Untersuchung nicht mitgeteilt worden sei. Man habe ihn vielmehr in dem Glauben gelassen, der Beklagten ginge es um seine Genesung.

Der Kläger beantragt, die Beklagte nach Abgabe des Teilanerkenntnisses unter Aufhebung des Bescheids vom 25.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2012 zu verpflichten, ihm über den 04.06.2012 hinaus bis einschließlich 15.01.2013 Krankengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, zunächst sei die Arbeitsunfähigkeit des Klägers in Bezug auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu beurteilen, da der Kläger bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 02.02.2012 Mitglied der Krankenversicherung der Arbeitslosen gewesen sei. Hinsichtlich dieser Bezugstätigkeit habe der MDK eindeutig ein positives Leistungsbild festgestellt. Schließlich sei darauf zu verweisen, dass eine Lücke in den AU-Feststellungen bestünde, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einem Wechsel des Versicherungsverhältnisses führe.

Das Gericht hat vorliegend Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage des § 106 SGG. Der Sachverständige Dr. med. D. geht von einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum aus.

Die Beklagte hat den klagweise geltend gemachten Anspruch des Klägers bis einschließlich 04.06.2012 anerkannt. Ein weitergehender Anspruch bestehe mangels durchgehender ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen, verfolgt den Klageanspruch im Übrigen, d.h. über den 04.06.2012 hinaus, jedoch weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die zum Gegenstand der vorliegenden Entscheidung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Klage erweist sich als unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 25.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2012 erweist sich nach seiner Modifizierung durch das Teilanerkenntnis als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn mangels durchgehender ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit scheidet ein Krankengeldanspruch des Klägers aus. Ein etwaiger Anspruch ab dem 22.06.2012 (Tag nach der erneuten ärztlichen Feststellung) stellt demgegenüber einen neuen Leistungsfall dar, der zunächst gegenüber der Bundesagentur für Arbeit verfolgt werden müsste.

1. Nach § 44 Abs. 1 S 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt (vgl. BSG SozR 4-2500 § 48 Nr. 4 Rn. 9; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr. 4 Rn. 13; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 14 Rn. 12; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 Rn. 13; BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 2 Rn. 12; BSG Urteil vom 26.6.2007 – B 1 KR 2/07; BSGE 98, 33; BSGE 111, 9).

Nach § 46 Satz 1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld

1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, § 24, § 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an,

2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

Wird Krankengeld wegen ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 2 Rn. 11; BSGE 111, 9).

Unter Zugrundlegung dieser Voraussetzungen bestand vorliegend ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von Krankengeld über den zunächst streitigen 29.04.2012 hinaus nur bis zum 04.06.2012; bis zu diesem Tag hat die Beklagte den Klageanspruch jedoch anerkannt. Bis zum 04.06.2012 wurde Arbeitsunfähigkeit hinreichend ärztlich attestiert und nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen war der Kläger aus medizinischer Sicht auch tatsächlich nicht in der Lage, irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Ein weitergehender, d.h. über den 04.06.2012 hinausgehender Anspruch scheitert demgegenüber ungeachtet der Arbeitsunfähigkeit des Klägers an dem Umstand, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit ärztlicherseits nicht festgestellt wurde. Das Gericht wertet diese ärztliche Feststellung als zwingende Voraussetzung des Krankengeldanspruchs, auf die nur innerhalb enger, hier nicht einschlägiger Ausnahmetatbestände verzichtet werden kann. In diesem Zusammenhang folgt das erkennende Gericht insoweit uneingeschränkt der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04; BSG, Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 8/07 R; BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R; BSG, Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R). Die von vereinzelten Gerichten vertretene Ansicht, wonach die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lediglich einmalig zu Beginn des Anspruchs auf Krankengeld erfolgen muss und dass weitere ärztliche Feststellungen entbehrlich sind (vgl. Sozialgericht Trier, Urteil vom 24.4.2013 – S 5 KR 77/12; Sozialgericht Mainz, Urteil vom 24.9.2013 – S 17 KR 247/12; Sozialgericht Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11; Sozialgericht Mainz, Urteil vom 04.06.2014 – S 3 KR 298/12), überzeugt die Kammer demgegenüber nicht.

Das Bundessozialgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankengeld abschnittsweise bewilligt wird. Die Auszahlung des Krankengeldes stelle keinen bloßen Realakt dar, sondern müsse als Verwaltungsakt gewertet werden, in dem letztlich der Wille der Krankenkasse zum Ausdruck komme, Krankengeld nur für die Dauer der ärztlich prognostizierten Arbeitsunfähigkeit zu zahlen. Sofern weitere Arbeitsunfähigkeit auch über den zunächst genannten Prognosezeittraum hinaus bestehe, sei es Sache des Versicherten, diese erneut ärztlich feststellen zu lassen. Sofern eine ärztliche Feststellung vorliegt, hat sodann eine weitere Bewilligung durch die Krankenasse bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen zu erfolgen. Das Bundessozialgericht sieht damit in einer nach außen hin durchgehenden Krankengeldbewilligung eine Kette von einzelnen Verwaltungsakten. Das wiederum hat zur Folge, dass eine Lücke in den ärztlichen Feststellungen sich für den Versicherten extrem nachteilig auswirken kann. Denn eine solche führt nicht nur zu Versagung des Krankengeldes, sondern unter Umständen auch zur Beendigung der Mitgliedschaft des Versicherten.

Diese zugegebenermaßen sehr strikte Rechtsprechung, von der das Bundessozialgericht soweit ersichtlich nur dann eine Ausnahme macht, wenn

1. der Versicherte nachweislich daran gehindert war, sich mit der nötigen Sorgfalt um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern (etwa bei einer psychischen Erkrankung)

2. die fehlende ärztliche Feststellung dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzuschreiben ist (wobei das Verhalten des Vertragsarztes der Krankenkasse in der Regel zugerechnet werden kann)

wurde in der jüngsten Vergangenheit von einigen Gerichten kritisiert. Die Kritik richtete sich dabei soweit ersichtlich in erster Linie gegen das Konstrukt der abschnittsweisen Krankengeldbewilligung. Darüber hinaus wurde dem Bundessozialgericht ein Verstoß gegen die Vorgaben des Gesetzes vorgeworfen; ein Überschreiten der Wortlautgrenze der maßgeblichen Vorschriften wurde behauptet. Die Kammer hat sich mit diesen Kritikpunkten auseinandergesetzt und vermag diesen jedoch nicht zu folgen:

a) Nach Ansicht der Kammer ist es zunächst zwingend, in der Auszahlung des Krankengeldes nicht nur einen bloßen Realakt, sondern einen Verwaltungsakt zu sehen (was in den zitierten anderslautenden Entscheidungen letztlich auch nicht bestritten wird). Geht der Auszahlung einer Geldleistung kein schriftlicher oder mündlicher Bescheid voraus, so erschöpft sich die Auszahlung nicht in einer bloßen Handlung (dem Realakt), sondern tut darüber hinaus den Willen des Sozialleistungsträgers kund, dass dem Begünstigten diese Leistung zusteht. Die Krankenkasse erklärt dem Versicherten also durch die Auszahlung des Krankengeldes konkludent, dass ein entsprechender Anspruch besteht. Da der Wille der Krankenkasse nicht ausdrücklich geäußert wird, ist dieser aus der Sicht eines objektiven Empfängers auszulegen. Der kann die Bewilligung von Krankengeld letztlich aber nicht anders als abschnittsbezogen verstehen. Denn zunächst hat er selbst bei der Krankenkasse eine ärztliche Feststellung eingereicht, die lediglich zeitlich befristete Geltung hat. Hieraus eine unbefristet Bewilligung durch die Krankenkasse zu erwarten, wäre widersinnig. Darüber hinaus muss man stets Sinn und Zweck des Krankengeldes im Blick behalten, und bei diesem handelt es sich anders als bei einer Rentenzahlung eben nicht um eine Dauerleistung, sondern um eine solche, die zur Überbrückung einer gesundheitlich bedingten Arbeitsunfähigkeit vorrübergehend erbracht wird.

Wenn eine Krankengeldbewilligung aber lediglich abschnittsweise erfolgt, so muss man denknotwindig die Frage stellen, was nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts passiert. Geht man davon aus, dass die Krankenkasse nur bis zum vom Arzt prognostizierten Endzeitpunkt Krankengeld bewilligt hat, besteht ein über diesen Zeitpunkt hinausgehender Anspruch ganz einfach nicht, es sei denn, eine weitere Bewilligung erfolgt. Dann ist es aber in einem weiteren Schritt nur konsequent, für diese Bewilligung die erneute Erfüllung der in § 46 SGB V genannten Voraussetzungen zu fordern. Und das ist eben auch die ärztliche Feststellung.

In diesem Zusammenhang überzeugen die Kammer die Ausführungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen nicht, welches in der oben zitierten Entscheidung dargetan hat, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur abschnittsweisen Bewilligung letztlich nur formale Auswirkungen hat bzw. haben sollte. Sicherlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass nur eine abschnittsweise Bewilligung den Anforderungen der Praxis gerecht werden kann. Würde Krankengeld entgegen des mit ihm verfolgten Zwecks als Dauerverwaltungsakt bewilligt werden, so würde dies dazu führen, dass eine Beendigung der Leistung nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 ff. SGB X erfolgen könnte. Warum die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aber nur auf dieser verfahrensrechtlichen Ebene Bedeutung haben soll, so wichtig diese auch sein mag, erschließt sich der Kammer nicht. Wird durch die Auszahlung des Krankengeldes ein zeitlich begrenzter Anspruch zuerkannt, so führt dies nach Zeitablauf dazu, dass eine weitere Auszahlung – zumindest zunächst – nicht mehr erfolgt. Hier ist vielmehr eine erneute Verwaltungsentscheidung zugunsten des Versicherten erforderlich. Vor diesem Hintergrund erscheint es dann aber nur konsequent, wenn das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 22.03.2005 ausführt, dass auch nach vorangegangener Krankengeldgewährung „die rechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs und damit ein neuer Leistungsfall“ zu prüfen seien. Eine befristete Verwaltungsentscheidung, wie die Krankengeldbewilligung, wirkt sich damit letztlich nicht nur formal aus, sondern hat – spürbare – Auswirkungen für den Anspruch des Versicherten.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts damit letztlich nur konsequent. Will man – auch zur Vermeidung ganz erheblicher praktischer Probleme – in der Zahlung von Krankengeld eine jeweils nur abschnittsweise Bewilligung sehen, so muss zum Ende eines jeden Bewilligungsabschnitts erneut geprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, um weiteres Krankengeld bewilligen zu können. Dies setzt dann aber auch eine erneute ärztliche Feststellung voraus – denn dies sieht § 46 SGB V ausdrücklich vor.

c) Aber auch dann, wenn man von einem durchgängigen (materiell-rechtlichen) Krankengeldanspruch bei nur abschnittsweiser Bewilligung ausgehen wollte, verstößt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht gegen die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere vermag das erkennende Gericht keinen Verstoß gegen eine Wortlautschranke feststellen. Denn der Wortlaut des § 46 SGB V gibt über die Frage des Fortbestehens des Krankengeldanspruchs keine Auskunft.

Das Sozialgericht Mainz hat in der zitierten Entscheidung vom 04.06.2014 (S 3 KR 298/12) ausgeführt, dass § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V über das Ende des Krankengeldanspruchs keine Aussage treffe. Geregelt sei allein die Entstehung des Anspruchs. Gleichwohl wird der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorgeworfen, dass diese anhand des Normtextes nicht begründbar sei. Da der Gesetzestext jedoch die äußeren Grenzen funktionell vertretbarer und in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Sinnvarianten abstecke, sei die Auffassung des Bundessozialgerichts schlicht unzulässig. Dem kann so nicht gefolgt werden. Denn § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V enthält, wie das Sozialgericht Mainz auch zugesteht, allein eine Aussage über die Voraussetzungen, unter denen ein Krankengeldanspruch entsteht. Über das Anspruchsende oder auch den Anspruchsfortbestand (und um den geht es hier letztlich) gibt § 46 SGB V keine Auskunft. Auch in den übrigen gesetzlichen Regelungen findet sich zu dem vorliegenden Streitpunkt, ob eine weitere ärztliche Feststellung erforderlich ist oder nicht, nichts. Eine Wortlautgrenze, die das Bundessozialgericht mit seiner ständigen Rechtsprechung daher überschritten haben könnte, liegt so nicht vor. Es ist allerdings aufgrund der fehlenden Regelung eine Gesetzeslücke festzustellen. Diese hat die Rechtsprechung zu schließen, was das Bundessozialgericht in zulässiger und verfassungsmäßiger Weise getan hat.

aa) Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn der Gesetzgeber einen bestimmten Sachverhalt nicht geregelt oder sich einer bestimmten Frage nicht angenommen hat. Dies kann aufgrund einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers geschehen. In einem solchen Fall hat die Rechtsprechung die Entscheidung der Legislative zu respektieren. Eine Schließung der Lücke würde dann einen unzulässigen Eingriff der Judikative in die Kompetenzen des Gesetzgebers bedeuten. Liegt demgegenüber eine unbewusste Regelungslücke vor, so ist es Sache der Gerichte, diese bis zu einem etwaigen Tätigwerden des Gesetzgebers zu schließen, wobei selbstverständlich die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten sind.

Weder § 46 SGB V noch die übrigen gesetzlichen Bestimmungen über das Krankengeld treffen eine Aussage dahingehend, unter welchen Voraussetzungen der einmal entstandene Krankengeldanspruch fortbesteht. Anhand der Gesetzgebungsmaterialien kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine diesbezügliche Regelung als überflüssig angesehen und daher bewusst auf diese verzichtet hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich um ein gesetzgeberisches Versehen handelt mit der Folge, dass die Rechtsprechung diese Lücke schließen muss. Dies hat das Bundessozialgericht mit der Forderung, lückenlose ärztliche Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit zu fordern, verfassungskonform und praxisorientiert getan.

bb) Das Erfordernis der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit in § 46 SGB V geht auf eine Neufassung der Vorgängerregelung in § 182 Abs. 3 RVO durch das „Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall“ vom 12.07.1961 zurück. Dabei wurde die Anzahl der Karenztage auf einen Tag reduziert und zugleich das Tatbestandsmerkmal „Eintritt der Arbeitsunfähigkeit“ durch das Merkmal „Ärztliche Feststellung“ ersetzt. Dem Versicherten wurde damit im Krankheitsfalle letztlich auferlegt, seine objektiv bestehende Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen. Mit dieser Gesetzesänderung ging damit eine Verschärfung des Krankengeldrechts einher; der Gesetzgeber nahm es ausweislich der Gesetzesmaterialien bewusst in Kauf, dass ein Krankengeldanspruch bei unterbliebener ärztlicher Feststellung ausgeschlossen ist, auch wenn objektiv Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Die Gesetzesänderung erfolgte aus Gründen der Praktikabilität und sollte Missbrauch verhindern.

Der Gesetzgeber hat sich damit 1961 letztlich dafür entschieden, dem Versicherten im Falle seiner Arbeitsunfähigkeit eine Mitwirkungspflicht aufzuerlegen: Er sollte einen Arzt aufsuchen, der Arbeitsunfähigkeit attestiert. Nur dann entsteht ein Anspruch auf Krankengeld. Das bloße Vorliegen der den Versicherten arbeitsunfähig machenden Erkrankung genügt seitdem nicht mehr. Aussagen über den Fortbestand des Krankengeldanspruchs hat der Gesetzgeber wie dargelegt nicht getroffen. Betrachtet man sich aber den 1961 zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen, so erscheint es nur konsequent, den Fortbestand des Krankengeldanspruchs ebenfalls von einer ärztlichen Feststellung abhängig zu machen und die Gesetzeslücke damit letztlich so zu schließen, wie das Bundessozialgericht dies tut. Denn auch beim Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit stehen die gleichen Praktikabilitätserwägungen im Raum wie bei deren erstmaligem Auftreten. Auch dann ist es legitim, eine weitere ärztliche Feststellung zu fordern, da die Krankenkasse (Weitere) Anhaltspunkte dahingehend haben muss, dass der Versicherte seiner Beschäftigung nach wie vor nicht nachgehen kann. Darüber hinaus besteht auch bei der Frage des Fortbestands des Anspruchs eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr. Es erscheint daher nur logisch, auch hier eine Mitwirkung des Versicherten zu fordern, die der Gesetzgeber als zumutbar angesehen hat und deren Zulässigkeit vom Bundesverfassungsgericht zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen wurde.

cc) Dass das Bundessozialgericht die bestehende Gesetzeslücke adäquat und verfassungsgemäß geschlossen hat, ergibt sich für die Kammer letztlich auch aus dem Umstand, dass in besonderen Fallkonstellationen durchaus Ausnahmen von dem Erfordernis der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zugelassen sind. Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass sowohl die Möglichkeit der Rückdatierung als auch der Umstand, dass eine bestimmte Form der ärztlichen Feststellung letztlich entbehrlich sein dürfte, für den Versicherten ausreichenden Schutz bietet.

(1) Das Bundessozialgericht hat, wie oben bereits dargelegt, letztlich zwei Fallgruppen etabliert, in denen eine ärztliche Feststellung entbehrlich ist. Sofern der Versicherte aufgrund seiner persönlichen Situation nicht dazu in der Lage ist, mit der erforderlichen Sorgfalt für seine Angelegenheiten zu sorgen, kann ihm die fehlende ärztliche Feststellung von der Krankenkasse nicht vorgehalten werden. Hier werden insbesondere diejenigen Fälle erfasst, in denen bereits die Arbeitsunfähigkeit auf einer (schweren) psychischen Erkrankung beruht. Dies hat zur Folge, dass die Anforderungen letztlich an die Fähigkeiten des Versicherten angepasst werden, was es den Gerichten im Einzelfall ermöglicht, auf Besonderheiten Rücksicht zu nehmen.

Eine Ausnahme von dem Erfordernis der ärztlichen Feststellung ist ferner zulässig, wenn ein Verschulden des Vertragsarztes zu deren Fehlen geführt hat. Hier sind etwa auch Fallkonstellationen zu sehen, in denen ein Vertragsarzt Wochenenden und Feiertage unter dem Hinweis, es handele sich nicht um Arbeitstage, nicht attestiert. Auch wenn sich der Vertragsarzt nachdrücklich weigert, weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszufüllen, wird dies nicht dem Versicherten anzulasten sein.

(2) Darüber hinaus bietet die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie die Möglichkeit, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung um bis zu drei Tage zurückzudatieren. Macht der Arzt hiervon Gebrauch, so können kleinere Lücken, die den Versicherten letztlich seinen Versicherungsschutz kosten könnten, vermieden werden. Wendet man darüber hinaus die eben dargestellten Grundsätze konsequent an, so müsste auch ein Verschulden des Vertragsarztes bei der Frage der Rückdatierung – etwa wenn der Arzt angibt, von dieser Möglichkeit keine Kenntnis gehabt zu haben – nicht zulasten des Versicherten gehen.

(3) Das Gericht weist schließlich darauf hin, dass das Gesetz eine zeitnahe ärztliche Feststellung fordert, deren Form jedoch nicht vorschreibt. Das hat zur Folge, dass auch Atteste in freier Form, aus denen sich die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten zum fraglichen Zeitpunkt zweifelsfrei ergibt, den Anforderungen des § 46 SGB V genügen. Liegen solche Stellungnahmen des Arztes vor, ist eine Verweigerung des Krankengeldes allein aus formalen Gründen daher wohl nicht zulässig. An dieser Stelle ist stets zu beachten, dass sich etwaige Formerfordernisse nicht aus dem Gesetz, sondern allein aus der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie ergeben. Bestimmte Formanforderungen hat das Bundessozialgericht soweit ersichtlich aber auch nicht aufgestellt.

Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen erscheint es für die Kammer zwingend, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu folgen. Denn nur sie wird den Anforderungen des Gesetzes und der Praxis gerecht und ermöglicht den Versicherten und den Krankenkassen eine reibungslose Auszahlung von Krankengeld.

Im vorliegenden Fall führt dies dazu, dass der Anspruch des Klägers aufgrund eines Fehlens jeglicher zeitnaher ärztlicher Stellungnahme in der Zeit vom 05.06.2012 bis 22.06.2012 ausscheidet. Auch soweit der Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen hat, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt erneut Leistungen nach dem SGB III bezogen und daher mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei, ändert dies an dem vorstehenden Ergebnis nichts. Denn dies würde wenn überhaupt einen neuen Leistungsfall ab dem 22.06.320012 begründen mit der Folge, dass zunächst ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung gegen die Bundesagentur für Arbeit bestünde. Die hier relevante Lücke vermag die Mitgliedschaft in der Versicherung der Arbeitslosen jedoch nicht zu schließen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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