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Krankengeldausschluss ab Rentenbeginn wegen voller Erwerbsminderung

Landessozialgericht Baden-Württemberg – Az.: L 5 KR 4093/18 – Urteil vom 13.05.2020

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24.10.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Krankengeld für die Zeit ab dem 04.03.2001.

Der 1969 geborene, gesetzlich durch eine Betreuerin vertretene Kläger ist Mitglied der Beklagten und seit dem 01.03.2004 in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gesetzlich versichert. Seit dem 01.12.2003 bezieht der Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Bescheid der damaligen Landesversicherungsanstalt – jetzt Deutschen Rentenversicherung – Baden-Württemberg vom 13.02.2004). In den Jahren 2001 bis 2004 bezog der Kläger von der Beklagten in mehreren Zeiträumen Krankengeld.

Am 07.04.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die rückwirkende Gewährung von Krankengeld ab dem Jahr 2001. Seit dieser Zeit sei er dauerhaft krank. Belegt werde dies durch den Bezug der Erwerbsminderungsrente und seine zahlreichen stationären Aufenthalte. Er fügte seinem Antrag eine Bescheinigung einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 05.04.2017 bei.

Mit Bescheid vom 11.04.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Versicherte, die eine Rente wegen Erwerbsminderung bezögen, hätten keinen Anspruch auf Krankengeld.

Hiergegen legte der Kläger am 15.04.2017 Widerspruch ein.

Am 25.08.2017 hat der Kläger, vertreten durch seine Betreuerin, beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine Reaktion der Beklagten auf seinen Widerspruch sei ausgeblieben. Krankengeld stünde ihm rückwirkend zu, weil die Erwerbsminderung bereits seit 2001 bestehe. Die Erwerbsminderungsrente gelte als Einkommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, aus dem Gesetz ergebe sich, dass für Versicherte, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezögen, ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistungen an ende. Darüber hinaus verjährten Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden seien. Die Verjährungsfrist für eine Krankengeldzahlung ab dem Jahr 2001 sei deshalb bereits seit mehreren Jahren abgelaufen.

Das SG hat am 16.05.2018 mit den Beteiligten die Rechts- und Sachlage erörtert. Der Kläger hat dabei sein Begehren dahingehend eingeschränkt, dass er Krankengeld für die Zeit ab dem 01.12.2003 beansprucht.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.10.2018 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krankengeld. Das Gericht folge der Begründung des angegriffenen Bescheids und Widerspruchsbescheids. Nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ende der Anspruch auf Krankengeld mit Beginn der Rentenleistung. Damit stünde dem Kläger unabhängig vom Vorliegen der anderen Voraussetzungen kein Krankengeld zu.

Gegen den seiner Betreuerin am 25.10.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.11.2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung verweist er auf seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend führt er aus, durch die Nichtzahlung des Krankengeldes sei ihm ein finanzieller und gesundheitlicher Schaden entstanden. Er fordere Schadensersatz. Krankengeld und Rentenbezug seien voneinander zu trennen. Rente stünde ihm für die geleistete Arbeit im Leben zu. Krankengeld stünde ihm aufgrund seiner Erkrankungen zu.

Der Kläger beantragt -sinngemäß-, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24.10.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2017 zu verurteilen, ihm Krankengeld ab dem 04.03.2001 zu gewähren, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm Schadensersatz und Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung und ihre Bescheide für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft; der erforderliche Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750,00 EUR) ist bei dem mit der Berufung begehrten Krankengeld überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid vom 11.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld ab dem 04.03.2001.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der seit Einführung des SGB V zum 01.01.1989 unverändert geltenden Fassung) haben „Versicherte“ Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (in der seit 01.01.2001 inhaltlich unveränderten Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl. I 1827) endet ein Anspruch auf Krankengeld für Versicherte, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen vom Beginn dieser Leistungen an; nach Beginn dieser Leistungen entsteht ein neuer Krankengeldanspruch nicht. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass dem gleichen Zweck – dem Ersatz von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen – dienende Sozialleistungen kumulativ bezogen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers sieht das Gesetz keinen Vorrang des Krankengeldes gegenüber Renten wegen voller Erwerbsminderung vor. Im Gegenteil: Aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB V (s. auch § 51 SGB V) ergibt sich vielmehr eine sachgerechte Abgrenzung der Leistungszuständigkeit von Kranken- und Rentenversicherung dahingehend, dass Rentenzahlungen den Vorrang vor Krankengeldzahlungen haben, weil es in erster Linie Aufgabe der Rentenversicherung ist, bei dauerhafter Erwerbsminderung mit Leistungen einzutreten.

Der Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 01.12.2003 (Rentenbescheid vom 13.02.2004). Damit scheidet ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit ab dem 01.12.2003 wegen § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aus.

Ob ein Krankengeldanspruch für die Zeit vor dem 01.12.2003 schon deshalb nicht mehr zur Prüfung steht, weil der Kläger sein Begehren im Erörterungstermin beim SG auf die Zeit seit dem 01.12.2003 begrenzt hat, kann dahin gestellt bleiben. Denn jedenfalls wäre die Klage auch für den Zeitraum vom 04.03.2001 bis 30.11.2003 unbegründet. Ein etwaiger Anspruch auf Krankengeld ist verjährt. Nach § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, der vor Beantragung der Leistungen am 07.04.2017 eine Hemmung oder Unterbrechung des Fristlaufs zur Folge hätte, sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht behauptet. Gleiches gilt hinsichtlich eines Sachverhalts, der einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zugänglich wäre. Abgesehen davon hat der Kläger innerhalb dieses Zeitraums mehrmals von der Beklagten Krankengeld bezogen.

Auch der Hilfsantrag ist ohne Erfolg. Die Berufung ist insoweit bereits unzulässig, weil der Kläger erstmals im Berufungsverfahren Schadensersatz und Schmerzensgeld von der Beklagten fordert. Im Verfahren beim SG hat er dies nicht geltend gemacht. In den Schriftsätzen vom 05.09.2018 und 26.09.2018 macht er eine Verzögerung der Verfahren durch das SG und einen damit zusammenhängenden Schadensersatzanspruch geltend. Über einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber der Beklagten hat das SG nicht entschieden. Der Senat ist erstinstanzlich für die Entscheidung hierüber nicht zuständig. Eine Klageerweiterung nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 SGG kommt insoweit nicht in Betracht. Für Amtshaftungsansprüche sind die Gerichte der Zivilgerichtsbarkeit ausschließlich zuständig. Eine Teilverweisung des Rechtsstreits wäre nicht zulässig (z.B. BSG, Beschluss vom 30.07.2014 – B 14 AS 8/14 B -, in juris, Rn. 5).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

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