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Krankengeldweiterzahlung – Voraussetzungen

Krankengeld-Streit: Frau verliert Gerichtsverfahren wegen verspäteter Krankschreibung

Eine Frau, die aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode arbeitsunfähig war, verlor ihr Gerichtsverfahren um die Zahlung von Krankengeld über den 17.05.2016 hinaus. Die Klägerin besuchte ihre kranke Tochter und konnte daher erst am 19.05.2016 eine erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einholen, anstatt am 18.05.2016, wie von ihrer Krankenkasse gefordert.

Die Krankenkasse lehnte die Zahlung des Krankengeldes über den 17.05.2016 hinaus ab, da die Arbeitsunfähigkeit lückenlos nachzuweisen sei. Die Klägerin legte Widerspruch ein und argumentierte, dass die lange Anreise zu ihrer Tochter einen wichtigen Grund darstelle, den Arztbesuch um einen Tag zu verschieben. Die Ärzte bestätigten, dass es sich um dieselbe Erkrankung wie am 17.05.2016 gehandelt habe.

Das Sozialgericht wies die Klage ab und entschied, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 17.05.2016 hinaus habe. Die Ausnahmen von der gesetzlich geforderten Nahtlosigkeit hätten bei der Klägerin nicht vorgelegen. Die Klägerin legte Berufung ein, jedoch blieb das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf bestehen.


Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 16 KR 197/21 – Urteil vom 12.05.2022

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.02.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Krankengeld über den 17.05.2016 hinaus.

Die 00.00.1968 geborene und in X lebende Klägerin war als Buchhalterin beschäftigt und bis 31.12.2016 Mitglied der Beklagten. Seit dem 09.02.2015 war sie u.a. aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode arbeitsunfähig und bezog ab dem 04.03.2015 von der Beklagten Krankengeld. Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin endete im März 2015.

Der behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. K stellte fortdauernde Arbeitsunfähigkeit der Klägerin mit Bescheinigung vom 10.05.2016 bis zum 17.05.2016 (Dienstag) fest. Am 18.05.2016 hielt sich die Klägerin bei ihrer in Baden-Baden lebenden Tochter auf. Nach ihrer Rückkehr bescheinigten die Vertretungsärzte, Dr. RG und DG (Fachärzte für Allgemeinmedizin), der Klägerin am 19.05.2016 Arbeitsunfähigkeit bis zum 29.05.2016.

Mit Bescheid vom 25.05.2016 lehnte Beklagte die Zahlung des Krankengeldes über den 17.05.2016 hinaus ab. Die Arbeitsunfähigkeit sei lückenlos nachzuweisen, die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit also spätestens am Tag nach der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin festzustellen. Die ärztliche Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit am 19.05.2016 habe nicht am Tag nach der bisherigen Krankschreibung stattgefunden. Diese sei zuvor bis zum 17.05.2016 bescheinigt worden. Ab dem 18.05.2016 sei die Klägerin nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Sie habe die Beklagte am Tag der ärztlichen Feststellung durch Dr. G im Anschluss direkt telefonisch benachrichtigt, dass sie ihre kranke Tochter besucht habe und deshalb am 17.05.2016 nicht zur Untersuchung habe kommen können. Die lange Anreise zu ihrer Tochter, um die sie sich habe kümmern müssen, stelle einen wichtigen Grund dar, erst am Folgetag (19.05.2016) eine erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu besorgen. Es sei ihr nicht zumutbar gewesen, am 18.05.2016 eine Folgebescheinigung einzuholen. Auch habe es sich offenkundig um dieselbe Erkrankung wie am 17.05.2016 gehandelt, wie die behandelnden Ärzte in ihrer beigefügten Bescheinigung bestätigten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2016 zurück. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld aus der Beschäftigtenversicherung, nämlich die ärztliche Feststellung der weiteren Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit jeweils spätestens am nächsten Werktag nach dem vorhergehenden Zeitraum, nicht erfüllt. Die nächste auf die bis zum 17.05.2016 folgende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 18.05.2016 bis 29.05.2016 sei erst wieder am 19.05.2016 erfolgt. Da sich an das Ende der Krankengeldzahlung zum 17.05.2016 nicht innerhalb eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall angeschlossen habe, sei das Versicherungsverhältnis im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung als freiwillige Versicherung ohne Krankengeldanspruch fortzusetzen.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.10.2016 Klage bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Der Besuch ihrer kranken Tochter sei ein wichtiger Grund gewesen, den Arztbesuch um einen Tag zu verschieben. Der Vertretungsarzt Dr. G habe sich auf telefonische Nachfrage mit dem Termin am nächstfolgenden Tag, dem 19.05.2016, einverstanden erklärt. Dr. G und Dr. K hätten die durchgehende Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Diagnose bestätigt. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass wegen der Verschiebung des Arzttermins aus wichtigem Grund um einen Tag das Krankengeld eingestellt worden sei, vor allem, nachdem sie sich mit ihrem Anruf in der Praxis des Dr. G versichert habe, dass sie den Termin verschieben könne. Dies habe Dr. G in einem kurzen Gespräch persönlich erklärt. Auf diese Zusage habe sie sich verlassen. Sie habe damit alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen, um die möglichst zeitnahe und lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erreichen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2016 zu verurteilen, Krankengeld für die Zeit vom 18.05.2016 bis zum 30.09.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch aufgrund nahtlosen Nachweises seien nicht gegeben, auch nicht unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des BSG. Die Verlegung des Termins zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufgrund persönlicher Konsultation sei nicht auf Veranlassung des behandelnden Arztes erfolgt, sondern auf Veranlassung der Klägerin. Es sei nicht erwiesen, dass Dr. G ihr auf telefonische Nachfrage hin eine falsche Auskunft gegeben habe. Denn es stehe nicht fest, dass er über die genaue Sachlage informiert gewesen sei. Zudem wäre es der Klägerin auch gar nicht mehr möglich gewesen, bei einer anderslautenden Auskunft des Arztes am 18.05.2016 die erforderliche Konsultation zeitgerecht durchzuführen.

Das Sozialgericht hat die Klägerin gehört und ihre Tochter H als Zeugin vernommen – auf die Sitzungsniederschrift vom 26.07.2018 wird Bezug genommen – sowie schriftliche Auskünfte der Ärzte für Allgemeinmedizin DG und Dr. RG eingeholt.

Mit Urteil vom 04.02.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 17.05.2016 hinaus. Sie sei zwar ab dem 18.05.2016 im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung gemäß § 188 Abs. 4 SGB V als freiwillig Krankenversicherte grundsätzlich mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen, habe ab dem 04.03.2015 jedoch kein regelmäßiges Arbeitsentgelt mehr erzielt. Für die Frage des einer Krankengeldberechnung zu Grunde zu legenden Regelentgelts sei vorliegend auf den 18.05.2016 abzustellen. Denn der Anspruch auf Krankengeld sei gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der 2016 geltenden Fassung von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an entstanden; das sei vorliegend der 19.05.2016 gewesen, da Dr. G die Arbeitsunfähigkeit am 19.05.2016 festgestellt habe. An die am 09.02.2015 während des Beschäftigungsverhältnisses festgestellte Arbeitsunfähigkeit und das damals bezogene Arbeitsentgelt könne nicht mehr angeknüpft werden, da diese Arbeitsunfähigkeit nicht in der vom Gesetz geforderten Nahtlosigkeit festgestellt worden sei, d.h. nicht an unmittelbar aufeinander folgenden (Werk-)Tagen. Denn die vorangegangene Feststellung der Arbeitsunfähigkeit habe sich lediglich bis zum 17.05.2016 (Dienstag) erstreckt und die nächste Feststellung sei erst am 19.05.2016 (Donnerstag) erfolgt. Die von der Rechtsprechung des BSG anerkannten Ausnahmen von dieser gesetzlich geforderten Nahtlosigkeit hätten bei der Klägerin nicht vorgelegen. Weder sei bei ihr unter Berücksichtigung ihres damaligen Krankheitsbildes Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit ersichtlich gewesen noch habe ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt am 18.05.2016 stattgefunden. Hierfür sei ein persönliches Vorsprechen erforderlich, ein lediglich telefonischer Kontakt reiche nicht aus. Ferner könne sich die Klägerin auch nicht auf die neuere Rechtsprechung des BSG berufen, wonach ein Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen bleibe, wenn es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus Gründen verspätet gekommen sei, die dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbar seien. Es habe kein hierfür typischer Fall der Terminsverlegung auf Wunsch der Arztpraxis vorgelegen, sondern die Initiative zur Verlegung des Termins sei von der Klägerin ausgegangen. Auch sei nicht ersichtlich, dass dem Arzt Dr. G oder seiner Sprechstundenhilfe hätte auffallen müssen, dass bei der Verschiebung der Vorstellung um einen Tag der Krankengeldanspruch der Klägerin mangels nahtloser Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gefährdet gewesen sei, zumal Dr. G lediglich in Vertretung für den behandelnden Arzt Dr. K gehandelt habe. Es sei sowohl nach den Angaben der Klägerin und ihrer Tochter als auch nach den eingeholten Auskünften der beiden Ärzte G nicht erwiesen, sondern eher unwahrscheinlich, dass die Ärzte über die näheren Umstände und genauen Daten der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bei der Klägerin informiert gewesen seien. Die beiden Ärzte G hätten sich nicht an das Gespräch erinnern können bzw. ob ein persönliches Telefongespräch stattgefunden habe. Die Tochter der Klägerin habe ein persönliches Gespräch bezeugen, aber zum Inhalt nichts sagen können. Hinzu komme, dass das Telefongespräch wohl auch erst am 18.05.2016 stattgefunden habe. An diesem Tag wäre es der Klägerin jedoch nicht mehr möglich gewesen, von Baden-Baden aus rechtzeitig in der Praxis G vorzusprechen. Selbst eine – unterstellte – schuldhaft falsche Auskunft des Arztes G habe für das Ausbleiben der Klägerin am 18.05.2016 daher nicht mehr ursächlich sein können. Auch eine bloße Nichterweislichkeit, dass das Telefongespräch bereits am Dienstag, 17.05.2016, stattgefunden habe, gehe nach dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der anspruchsstellenden Klägerin.

Gegen dieses ihr am 17.02.2021 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 15.03.2021 eingelegten Berufung. Sie habe am Pfingstdienstag, den 17.05.2016 in der Praxis ihres Therapeuten K angerufen, bei dem ein Band gelaufen sei, dass er sich im Urlaub befinde und man sich in dringenden Fällen an den Vertretungsarzt Dr. RG zu wenden habe. Dies habe sie im Anschluss auch telefonisch getan. Dieser habe ihr mitgeteilt, dass sie am Donnerstag (19.05.2016) in die Praxis kommen könne, was sie befolgt habe, ohne in diesem Moment zu wissen, dass sie ab diesem Zeitpunkt von der Beklagten kein Krankengeld mehr erhalte. Sie habe sich rechtzeitig beim Arzt wegen einer Folgebescheinigung gemeldet und darauf hingewiesen, dass keine Lücke zwischen den Krankschreibungen entstehen dürfe. Aufgrund der bekannten Umstände sei ihr eine persönliche Vorstellung leider nicht möglich gewesen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.02.2021 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2016 zu verurteilen, ihr auch über den 17.05.2016 hinaus Krankengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 u. 4, 56 SGG) zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 25.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Sie hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 17.05.2016 hinaus, weil sie ab dem 18.05.2016 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert war.

Die durch eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vermittelte Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten endete mit der Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses im März 2015. Jedoch blieb ihre durch die Versicherungspflicht als Beschäftigte begründete Mitgliedschaft bei der Beklagten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bis zum Ablauf des 17.05.2016 durch den Bezug von Krankengeld erhalten.

Die leistungsbegründende Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V besteht jedoch nur solange, wie ein Anspruch auf Krankengeld nach Maßgabe der entsprechenden Vorschriften (§§ 44 ff. SGB V) erfüllt ist, d.h. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verweist wieder auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch (vgl. nur BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R – Rn. 14 ff., juris m.w.N.). Dieser war jedoch ab dem 18.05.2016 mangels nahtloser Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr gegeben.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Gemäß § 46 Satz 1 SGB V in der hier noch maßgeblichen, vom 23.07.2015 bis 10.05.2019 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 15 Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) vom 16.07.2015 (BGBl. I, S. 1211) entsteht der Anspruch auf Krankengeld (1.) bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, (2.) im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage (§ 46 Satz 2 SGB V). Maßgeblich ist damit allein der Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit, nicht aber etwa deren „wirklicher“ Beginn bzw. Fortsetzung (s. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.11.2021 – L 4 KR 4148/20 – Rn. 31, juris unter Hinweis auf die Rspr. des BSG zu § 46 Satz 1 SGB V i.d.F. bis 22.07.2015, etwa Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 9, juris). Hier hätte die Klägerin nach dem Ende der ihr durch den behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K am 10.05.2016 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit bis zum 17.05.2016 (Dienstag) spätestens am nächsten, hierauf folgenden Werktag, also Mittwoch, den 18.05.2016, ihre weitere Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen lassen müssen. Tatsächlich datierte die nächste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Vertretungsarztes erst vom 19.05.2016. Das Fehlen einer nach Maßgabe des § 46 Satz 2 SGB V (hier anzuwenden in der bis zum 10.05.2019 gültigen Fassung) lückenlosen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit mit der Folge einer Beendigung der nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrecht erhaltenen Pflichtmitgliedschaft mit Krankengeldanspruch am 17.05.2016 geht zu Lasten der Klägerin, weil sie ihrer entsprechenden (verschuldensunabhängigen) Obliegenheit zur rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 29.10.2020 – B 3 KR 5/20 R – Rn. 15, juris m.w.N.) nicht nachgekommen ist.

Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf die von dem BSG entwickelten Ausnahmetatbestände berufen, mit denen die höchstrichterliche Rechtsprechung in engen Grenzen Ausnahmen von der grundsätzlich gebotenen strikten Anwendung des § 46 SGB V a.F. zugelassen hat. Das ist der Fall, wenn

1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist,

2. er an der Wahrung der Krankengeldansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z.B. eine irrtümlich nicht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung), und

3. er – zusätzlich – seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Versicherte so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erhalten (BSG, Urteil vom 29.10.2020 – B 3 KR 5/20 R – Rn. 18 f., juris). Einem „rechtzeitig“ erfolgten Arzt-Patienten-Kontakt hat das BSG in seinen neueren Entscheidungen (BSG, Urteile vom 26.03.2020 – B 3 KR 9/19 R u. B 3 KR 10/19 R; Urteile vom 29.10.2020 – B 3 KR 6/20 R und B 3 KR 5/20 R) Fälle gleichgestellt, in denen der erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt nicht rechtzeitig zustande gekommen ist, weil dies auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen, und die auch den Krankenkassen zuzurechnen sind (s. nur BSG, Urteil vom 29.10.2020 – B 3 KR 5/20 R – Rn. 24, juris; zuletzt BSG, Urteil vom 07.04.2022 – B 3 KR 16/20 R – Terminbericht Nr. 15/22).

Keine dieser Ausnahmekonstellationen ist im Anschluss an die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts bei der Klägerin gegeben. So ist es bis zum 18.05.2016 unstreitig nicht zu einem Arzt-Patienten-Kontakt zwischen der Klägerin und ihrem (zu diesem Zeitpunkt im Urlaub weilenden) behandelnden Arzt Dr. K gekommen. Ein solcher hat vielmehr erst am 19.05.2016 bei dem Vertretungsarzt DG stattgefunden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die nicht rechtzeitige Vorstellung beim Vertretungsarzt auf Gründen beruhte, die in der Sphäre des Vertragsarztes liegen und damit der beklagten Krankenkasse zuzurechnen sind. Soweit die Klägerin nunmehr behauptet, sie habe sich im Anschluss an den Anruf bei ihrem behandelnden Arzt am 17.05.2016 an dessen Vertreter Dr. RG gewandt und ihn im Rahmen des mit ihm geführten Telefonats darauf hingewiesen, dass keine Lücke zwischen den Krankschreibungen entstehen dürfe, steht dies im krassen Widerspruch zu ihrem bisherigen Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren und ist daher nicht glaubhaft. Unstreitig ist, dass – anders als in den von BSG bisher entschiedenen Fällen – die Verlegung des Termins auf den 19.05.2016 nicht von dem Arzt, sondern der Klägerin selbst ausging, weil sie sich am 18.05.2016 bei ihrer Tochter in Baden-Baden und damit hunderte Kilometer von ihrem Wohnort X entfernt aufgehalten hat. Ferner gibt es nicht den geringsten objektiven Hinweis darauf, dass die Klägerin im Rahmen des mit dem Vertretungsarzt geführten Telefonats auf den Ablauf der zuletzt festgestellten Arbeitsunfähigkeit am 17.05.2016 sowie die Bedeutung der nahtlosen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für den (weiteren) Anspruch auf Krankengeld hingewiesen hat. Dies konnten im Klageverfahren weder der Arzt DG (Schreiben vom 25.10.2020) noch dessen Vater Dr. RG (Schreiben vom 15.11.2020) bestätigen. Im Gegenteil hat DG in seinem an die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin gerichteten Schreiben vom 25.10.2016 ausgeführt, dass die Klägerin beim persönlichen Kontakt am 19.05.2016 keinerlei Unterlagen bezüglich der Vorgeschichte und zur vorausgegangenen Arbeitsunfähigkeit mitgebracht habe, so dass nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Arbeitsunfähigkeit bereits am 17.05.2016 ausgelaufen war. Dass vielmehr ausschließlich die aus ihrem freien Willen resultierende örtliche Abwesenheit der Klägerin am 18.05.2016 für die nicht rechtzeitige Folgefeststellung der Arbeitsunfähigkeit ursächlich gewesen ist, hat sie bereits 2016 (und damit unbeeinflusst vom Gang des Klageverfahrens) selbst eingeräumt, indem sie ausweislich ihrer Ausführungen im Verwaltungsverfahren zunächst davon ausgegangen war, dass eine telefonische Krankschreibung ausreichen würde. Später hat sie dann im Widerspruchsverfahren die kurzfristige Anreise zu ihrer kranken Tochter und die hieraus resultierende fehlende Möglichkeit einer persönlichen Vorstellung als „wichtigen Grund“ für die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Vertretungsarzt erst am 19.05.2016 reklamiert. Damit ist der nicht rechtzeitig zustande gekommene Arzt-Patienten-Kontakt ausschließlich der Sphäre der Klägerin zuzuordnen. Dass die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren behauptet, den Arzt telefonisch darauf hingewiesen zu haben, dass keine Lücke zwischen den Krankschreibungen entstehen dürfe, stellt nach Lage der Akten und insbesondere unter Berücksichtigung ihres bisherigen Vorbringens eine Schutzbehauptung dar, die nur dem Verfahrensgang sowie den Urteilsgründen des Sozialgerichts geschuldet sein kann. Doch selbst wenn dem Vertretungsarzt diese Umstände bekannt gewesen sein sollten, wäre dies unerheblich. Denn sie hat sich – ungeachtet dessen, ob das Telefonat zwischen ihr und dem Vertretungsarzt am 18.05.2016 oder einen Tag vorher stattgefunden hat – an jenem Mittwoch, den 18.05.2016, unstreitig in Baden-Baden aufgehalten. Damit ist sie nicht willens und in der Lage gewesen, rechtzeitig bei dem Arzt in X persönlich vorstellig zu werden, um ihren Anspruch auf weitere Zahlung des Krankengeldes zu wahren. Schon deshalb kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin hierfür alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan hat.

Ein Anspruch der Klägerin auf Krankengeld über den 17.05.2016 hinaus lässt sich auch nicht über den nachgehenden Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V begründen. Endet die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, besteht danach Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Grundsätzlich ist § 19 Abs. 2 SGB V auch nach dem Ende einer nach § 192 Abs. 1 SGB V fortbestehenden Mitgliedschaft anzuwenden (BSG, Urteil vom 05.05.2009 – B 1 KR 20/08 R – Rn. 22, juris m.w.N.). Ein Eingreifen dieser Vorschrift scheitert hier aber daran, dass ein nachwirkender Anspruch nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann besteht, wenn bei prognostische Betrachtung davon auszugehen ist, dass der betroffene Versicherte spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende seiner bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen wird, wobei maßgeblicher Zeitpunkt für die anzustellende Prognose zunächst der letzte Tag der Mitgliedschaft aus der Beschäftigtenversicherung ist (vgl. BSG, Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 68/12 R – Rn. 24, 26, juris m.w.N.). Nach Aktenlage war die Klägerin jedoch sowohl nach dem Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses im März 2015 als auch dem (für die Prognose hier maßgeblichen) Ende der Zahlung des Krankengeldes zum 17.05.2016 ausweislich der aktenkundigen weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis 30.09.2016 durchgängig arbeitsunfähig, so dass eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall spätestens nach Ablauf eines Monats nicht zu erwarten war. Erst im Oktober 2016 war die Klägerin laut ihrer Angaben wieder kurzzeitig beschäftigt und ab Mitte 2017 selbstständig; ferner bezieht sie seit März 2020 rückwirkend zum 01.12.2019 eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Hinsichtlich der ab dem 18.05.2016 sodann eingreifenden obligatorischen, freiwilligen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V fehlt es jedenfalls an einem durch Krankengeld ersatzfähigen Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen (§ 47 Abs. 1 SGB V) bei Eintritt dieser Versicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht.

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