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Krankenversicherung – Anspruch des Versicherten auf Gewährung einer Magenbandoperation

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz – Az.: L 5 KR 325/12 – Urteil vom 09.01.2014

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 24.10.2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.12.2011 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Magenbandoperation zu gewähren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch auf Gewährung einer Magenbandoperation.

Krankenversicherung - Anspruch des Versicherten auf Gewährung einer Magenbandoperation
Symbolfoto: Von Girish Menon /Shutterstock.com

Der 1965 geborene Kläger, bei der Beklagten krankenversichert, beantragte im März 2011 die Gewährung einer operativen Magenverkleinerung. Zur Begründung machte er geltend: Sein Körpergewicht betrage 146 kg bei einer Körpergröße von 193 cm (BMI 39,2). Er habe in den letzten Jahren unzählige Versuche unternommen, sein Übergewicht durch Diäten in den Griff zu bekommen. Auch verschreibungspflichtige Medikamente hätten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. In den Jahren 2009 und 2010 habe er erfolglos an einem von der Beklagten mit einem Zuschuss geförderten einjährigen Mobilis-Programm in der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin des Universitätsklinikums F. (multimodales Konzept) zur Gewichtsreduzierung teilgenommen. Er versuche auch nach Beendigung des Programms, sich sportlich zu betätigen (einmal wöchentlich ca eine Stunde Spazierengehen; einmal wöchentlich ca eine Stunde Radfahren). In einem Attest der den Kläger behandelnden Ärzte Dres M./S. vom April 2011 heißt es, aus haus- und sportärztlicher Sicht sei eine chirurgische Intervention zur Gewichtsreduktion dringend angezeigt, da auch der Bewegungsapparat betroffen sei, insbesondere durch schwerste Knorpelschäden an beiden Kniegelenken; außerdem bahne sich ein metabolisches Syndrom an. Zur Begründung legte der Kläger ferner ein ausführliches Arztschreiben von Prof Dr D. (Leiterin des Adipositaszentrums des Klinikums M. T.) vom Mai 2011 vor, worin es hieß: Begleiterkrankungen der Adipositas seien beim Kläger ein Hypertonus, eine Dyslipidämie, eine Fettleber, ein Schlafapnoesyndrom, eine Hyperurikämie sowie eine Gonarthrose beidseits; zudem bestehe eine hormonell bedingte erektile Dysfunktion. Der Kläger habe „hervorragend“ an dem einjährigen Mobilis-Programm teilgenommen, außerdem an einem weiteren multimodalen Programm in einem Fitness-Center. Mit dem multimodalen Therapiekonzept habe er sein Essverhalten deutlich umgestellt. Ein sweet eating bzw ein sweet drinking bestünden nicht. Es komme immer wieder zu Jojo-Effekten. Ein Gutachten der leitenden Diplom-Psychologin des Klinikums, Frau B., zeige entsprechend den aktuellen Leitlinien zur chirurgischen Therapie der Adipositas keine Bedenken gegen eine Operation; auch psychologischerseits sei diese dringend indiziert. Der Kläger habe die konservativen multimodalen Therapiemöglichkeiten der Adipositasbehandlung ausgeschöpft. Bei entsprechender Gewichtsreduktion würden sich die Begleiterkrankungen und Beschwerden des Klägers deutlich bessern. Der Kläger zeige eine deutliche Motivation zur Gewichtsreduktion. Die erforderliche Compliance sei gegeben. Die operative Behandlung sei im Sinne der Ultima ratio indiziert.

Die Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Dr M. führte in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom Juli 2011 aus: Die fehlende Gewichtsabnahme im Rahmen des Mobilis-Programms spreche gegen eine hohe Compliance. Aus dem vorgelegten Freiburger Ernährungsprotokoll ergebe sich, dass der Kläger weiterhin hochkalorische/energiedichte Nahrungsmittel bevorzuge, Außerdem fehle die Durchführung eines strukturierten Bewegungsprogramms im Sinne eines Ausdauer-/Krafttrainings nach Abschluss des Mobilis-Programms. Von einer ausreichenden Motivation und Compliance für einen adipositaschirurgischen Eingriff sei nicht auszugehen. Die vom Kläger angegebene Refluxkrankheit sei eine Kontraindikation für eine Magenbandoperation. Darauf gestützt lehnte die Beklagte die Gewährung der operativen Behandlung durch Bescheid vom 25.7.2011 ab.

Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs legte der Kläger ein Attest der Ärzte Dres M./S. vom August 2011 vor, wonach der klinische Befund zurzeit nicht für das Vorliegen einer Refluxerkrankung spreche. Der Kläger reichte der Beklagten ferner den Abschlussbericht über das Mobilis-Schulungsprogramm vom Oktober 2010 ein, worin ua festgehalten ist: Nach den Anwesenheitslisten ergebe sich beim Kläger eine Teilnahmehäufigkeit von 90 % bei einem vorgeschriebenen Prozentsatz von mindestens 75 %. Das Ziel der Maßnahme sei zwar wegen der fehlenden Gewichtsreduktion nicht erreicht worden. Der Kläger solle sich aber hierdurch nicht entmutigen lassen.

Der Kläger machte ua geltend, neben seinen sportlichen Aktivitäten sei er durch die Pflege seines ca 1100 qm großen Grundstücks mit Wohnhausbebauung und zusätzlich durch die Bepflanzung und Bearbeitung eines direkt angrenzenden gepachteten Gartens von ca 500 qm ausgiebig körperlich tätig; in den vergangenen Monaten habe er seine Ernährung auch in Bezug auf Mahlzeiten wie Kartoffelchips oder Leberwurst-Wurstbrote dauerhaft umgestellt und versuche, solche Lebensmittel jetzt ganz zu vermeiden. In einer Stellungnahme nach Aktenlage vom September 2011 legte die Ärztin im MDK Dr K. dar: Aufgrund der nachgereichten medizinischen Unterlagen sei davon auszugehen, dass beim Kläger keine Refluxösophagitis oder Refluxerkrankung vorliege. Es verbleibe aber dabei, dass wegen der fehlenden Gewichtsreduktion während der Mobilts-Maßnahme von einer mangelnden Motivation und Compliance auszugehen sei. Die konservativen Maßnahmen seien nicht erfolglos ausgeschöpft, da weder eine Ernährungsumstellung noch eine adäquate Bewegungstherapie nachvollzogen werden könne. Der Kläger hat im Anschluss daran betont, seine Ernährung bestehe seit Monaten nur noch aus energiereduzierter Mischkost. Wegen der Gonarthrose im Bereich beider Knie sei es ihm nicht möglich, neben regelmäßigem alltäglichem Treppensteigen, regelmäßigen Spaziergängen und regelmäßigem Radfahren Sport zu treiben; Schwimmen sei für ihn keine Alternative, da er sich wegen seiner Adipositas sehr schäme, sich unbekleidet vor anderen Menschen zu bewegen; mit seinen „Kraft- und Ausdauerübungen“ (Sport und Garten) erreiche er wöchentlich 2-3 Stunden sportliche Aktivität. Im Hinblick auf die Ausführungen der Ärztin Dr K. wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 1.12.2011 zurück.

Mit seiner am 29.12.2011 beim Sozialgericht (SG) Trier erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und ua vorgetragen: Aus der fehlenden Gewichtsreduktion während der Mobitis-Maßnahme könne nicht auf eine unzureichende Compliance geschlossen werden. Bei der Umwandlung von Fettmasse in Muskelmasse müsse es nicht notwendigerweise zu einer Gewichtsabnahme kommen. Durch Urteil vom 24.10.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krankenbehandlung in Form einer stationär durchzuführenden Krankenhausbehandlung zur operativen Magenverkleinerung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die mittelbare Behandlung eines gesunden Organs durch eine Operation bedürfe einer speziellen Rechtfertigung im Sinne einer Ultima ratio (Hinweis auf BSG 19.2.2003 – B 1 KR 1/02 R). Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt, weil der Kläger an dem Mobilis-Programmoffenkundig nicht aktiv teilgenommen, sondern, wie das Ergebnis zeige, kontraproduktiv weiter Gewicht zugelegt habe. Vor diesem Hintergrund seien die Feststellungen des MDK nachvollziehbar und plausibel, dass der Kläger nicht mit der erforderlichen Motivation und Compliance ambulante Maßnahmen zur Reduzierung seines Körpergewichts ernsthaft versucht habe. Darüber hinaus seien auch Zweifel angebracht, ob von der erforderlichen Motivation und Compliance für das nach einem adipositas-chirurgischen Eingriff zu beachtende Verhalten auszugehen sei.

Gegen dieses ihm am 31.10.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.11.2012 eingelegte Berufung des Klägers. Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Internisten Dr W. vom Juni 2013 (persönliche Untersuchung des Klägers am 22.5.2013) eingeholt, der dargelegt hat: Beim Kläger lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: 1. Adipositas Grad II, 2. Gonarthrose beidseits, 3. Schlafapnoe mit CPAP-Beatmung, 4. Fettleber, 5. statische Unterschenkelödeme. Die Kniegelenksarthrose stehe teilweise mit dem Übergewicht im Zusammenhang, teilweise mit einer früheren Kniegelenksverletzung. Die Fettleber sei evident im Zusammenhang mit dem Übergewicht zu sehen; auch der Zusammenhang der Schlafapnoe mit dem Übergewicht sei wahrscheinlich. Der Zusammenhang der Adipositas mit der Kniegelenksarthrose und dem Schlafapnoesyndrom sei aber nicht „bewiesen“. Von einer positiven Beeinflussung des Bluthochdrucks durch eine Gewichtsabnahme könne ausgegangen werden. Gravierende metabolische Störungen seien bisher nicht nachzuweisen. Der Kläger halte die Grundprinzipien der notwendigen Ernährungsumstellung nicht nachhaltig durch. Bei verschiedenen Diätansätzen habe er teilweise deutliche Gewichtsreduktionen erzielt, die aber nach Beendigung der Diät in wenigen Monaten wieder verloren gegangen seien. Mehrfach habe er Trennkost praktiziert, jeweils über zwei bzw. drei Monate. Dieser Ernährungsansatz sei durchaus von Erfolg gekrönt gewesen; die konsequente Schlussfolgerung, dauerhaft auf Trennkost umzustellen, habe der Kläger aber nicht gezogen. Der Kläger scheine also die Überlegung, dass eine dauerhafte Verhaltensänderung zwingend erforderlich sei, nicht verinnerlicht zu haben. Dafür sprächen auch die Angaben in dem aktenkundigen Freiburger Ernährungsprotokoll. Ferner müsse auch darauf hingewiesen werden, dass die beim Kläger durchgeführten Testosteroninjektionen einer Gewichtsabnahme entgegenstünden; sie führten zB zu einer Kochsalzreduktion mit der Neigung zu Wassereinlagerungen, die beim Kläger deutlich zu beobachten seien, und einen zusätzlichen Gewichtseffekt habe. Im Übrigen fehle es an einer zeitlich und substanziell hinreichend strukturierten Bewegungstherapie und an einer konsequent durchgehaltenen Ernährungsumstellung. Treppensteigen, Spaziergänge, Walking, gelegentliches Fahrradfahren und Gartenarbeit könnten ein konsequent strukturiertes Bewegungsprogramm nicht ersetzen.

Dazu hat der Kläger eine Stellungnahme von Prof Dr P. D. /Prof Dr D. D. vom Klinikum des M. in T. vom September 2013 vorgelegt, worin es heißt: Es treffe nicht zu, dass beim Kläger keine Erkrankungen im Sinne eines metabolischen Syndroms bestünden. Beim Kläger liege als Begleiterkrankung der Adipositas aktuell ein grenzwertig erhöhter Nüchternglukosewert als Anhalt für eine gewisse Insulinresistenz vor. Außerdem bestünden eine arterielle Hypertonie und eine mäßige linksventrikuläre Hypertrophie, eine Schlafapnoe, eine Fettleber, eine Gonarthrose und rezidivierende Unterschenkelödeme. Die Indikationskriterien für eine bariatrische Operation nach der S3-Leitlinie zur Chirurgie der Adipositas seien erfüllt. Die Annahme des Dr W., die konservative Therapie sei, speziell hinsichtlich einer Ernährungsumstellung, nicht ausgeschöpft, entspreche nicht den Tatsachen. Der Kläger habe das Mobilis-Programm konsequent durchgeführt. Er habe eine konsequente und kontinuierliche Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie durchlaufen. Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme eine Verurteilung der Beklagten in Betracht komme.

Der Kläger trägt vor: Das Gutachten des Dr W. überzeuge nicht, wie aus den Darlegungen von Prof Dr P. D. /Prof Dr D. D. vom September 2013 hervorgehe. Der Vorwurf des Dr W. hinsichtlich der fehlenden Nachhaltigkeit beziehe sich einzig auf verschiedene Diätansätze, deren Wirksamkeit im Hinblick auf eine nachhaltige Gewichtsreduzierung sehr umstritten sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Trier vom 24.10.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.12.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine operative Magenverkleinerung als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Magenbandoperation.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung in Gestalt der stationären Krankenhausbehandlung gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), soweit diese gemäß § 2 Abs 1, 12 Abs 1, 39 Abs 1 Satz 2 SGB V wirtschaftlich notwendig sowie erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch eine ambulante Behandlung erreicht werden kann. Wird durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht, bedarf diese mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG 19.2.2003 – B 1 KR 1/02 R, juris). Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer solchen Operation im Sinne der Ultima ratio sind die Leitlinien der betreffenden medizinischen Fachgesellschaft zu berücksichtigen. Nach der S3-Leitlinie Chirurgie der Adipositas (Stand Juni 2010) der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Adipositas-Chirurgie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin ist bei Patienten mit einem BMI zwischen 35 und 40 kg/m2 ohne Kontraindikationen und mit einer oder mehreren Adipositas-assoziierten Folge-/Begleiterkrankungen (zB Diabetes mellitus Typ 2, koronare Herzkrankheit etc) eine chirurgische Therapie indiziert, sofern die konservative Therapie erschöpft ist. Ausgehend hiervon steht dem Kläger die gewünschte Magenbandoperation zu.

Beim Kläger liegt nach dem Gutachten des Dr W. ein BMI von 39,25 kg/m2 vor. Bei ihm sind auch Adipositas-assoziierte Folge-/Begleiterkrankungen vorhanden. Er leidet nach den Feststeifungen des Dr W. an einer Kniegelenksarthrose, einer Fettleber und einer Schlafapnoe. Jedenfalls bei der Fettleber und der Schlafapnoe handelt es sich um Folge- bzw Begleiterkrankungen der Adipositas. Wie Dr W. auf Seite 11 seines Gutachtens betont hat, ist die Fettleber evident im Zusammenhang mit dem Übergewicht zu sehen. Auch die ursächliche Verbindung der Schlafapnoe mit dem Übergewicht ist wahrscheinlich. Dass der Zusammenhang der Adipositas mit dem Schlafapnoesyndrom nicht mit absoluter Sicherheit bewiesen ist (so Dr W. S. 12), ist unschädlich, da, wie sonst im Sozialrecht, die Wahrscheinlichkeit einer Verursachung genügt. Ob- auch die Kniegelenksarthrose mit Wahrscheinlichkeit Folge (zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursächlichkeit) der Adipositas ist, kann bei dieser Sachlage offenbleiben.

Nach den in der Leitlinien „Chirurgie der Adipositas“ genannten Kriterien sind die konservativen Behandlungsmöglichkeiten dann erschöpft, „wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von sechs bis zwölf Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten wurde“; bei Patienten mit einem BMI von 35-39,9 kg/qm – wie beim Kläger – werden 10 bis 20 % Verlust des Ausgangsgewichts gefordert. Auch die Beklagte hat nicht in Frage gestellt, dass das vom Kläger durchgeführte einjährige Mobilis-Programm die Kriterien für ein qualifiziertes Behandlungsprogramm im Sinne der Leitlinie erfüllt. Der Kläger konnte das dadurch angestrebte Therapieziel einer Gewichtsreduzierung um 10 bis 20 % nach Abschluss des Programms jedenfalls nicht haften. Da die erfolglose Durchführung des qualifizierten konservativen Behandlungsprogramms nach der Leitlinie gerade Voraussetzung für eine Indikation zur chirurgischen Therapie ist, steht die Erfolglosigkeit der konservativen Therapie dem Anspruch des Klägers auf eine chirurgische Therapie grundsätzlich nicht entgegen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Erfolglosigkeit der konservativen Therapie auf die mangelnde Teilnahme oder Motivation des Klägers bei der konservativen Therapie zurückzuführen ist. Nach den Angaben von Prof Dr D. hat der Kläger jedoch „hervorragend“ an dem Therapieprogramm und zusätzlich an einem weiteren multimodalen Programm in einem Fitness-Center teilgenommen. Wenn die konservative Therapie gleichwohl erfolglos geblieben ist, so steht das dem Anspruch auf eine chirurgische Therapie nicht entgegen, sondern ist Voraussetzung des Anspruchs. Die Ärztin Prof Dr D. hat dem Kläger im Übrigen eine genügende Motivation und Compliance bestätigt. Das vom Klinikum M. beigezogene Gutachten der leitenden Diplom-Psychologin des Klinikums, Frau B., zeigte keine Bedenken gegen eine Operation auf. Eine Refluxkrankheit, die eine Kontraindikation für eine Magenbandoperation darstellen könnte, liegt beim Kläger nicht vor. Dass die durchgeführten Testosteroninjektionen einer Magenbandoperation entgegenstehen, ist nicht nachvollziehbar und wird auch von den Ärzten des MDK nicht behauptet.

Dem Kläger kann auch nicht vorgehalten werden, er betreibe keine „hinreichend strukturierte“ Bewegungstherapie. Abgesehen davon, dass der Kläger wegen seiner Kniegelenksarthrose etliche Sportarten nicht verrichten kann, hat er glaubhaft vorgetragen, dass er regelmäßig Treppen steige, Spaziergänge unternehme, im Garten arbeite und Rad fahre. Weshalb die von ihm angegebene wöchentliche sportliche Aktivität von zwei bis drei Stunden im vorliegenden Zusammenhang nicht ausreichend sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Der Senat folgt auch insoweit der überzeugenden Stellungnahme der Ärzte Prof Dr P. D. /Prof Dr D. D. vom September 2013. Er ist befugt, sich in seiner Überzeugung entscheidend auf eine im Gegensatz zu dem vom Gericht eingeholten Gutachten stehende ärztliche Stellungnahme zu stützen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage. § 128 Rn 7g). Bei Gesamtwürdigung aller Umstände führt die erforderliche Abwägung dazu, dass nach Art und Schwere der Erkrankung, der Dringlichkeit der Intervention, der gegebenen Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Magenbandoperation diese im Sinne der Ultima ratio notwendig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorigen.

 

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