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Krankenversicherung – Genehmigungsfiktion bei telefonisch gestelltem Antrag

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Az.: L 5 KR 339/16, Urteil vom 29.09.2016

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.9.2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.5.2015 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten der Mammareduktionsplastik von 7.001,08 € zu erstatten.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Brustverkleinerungsoperation in Höhe von 7.001,08 €.

Krankenversicherung - Genehmigungsfiktion bei telefonisch gestelltem Antrag
Foto: Gajus/Bigstock

Die 1992 geborene Klägerin ist bei der Beklagten im Wege der Familienversicherung gesetzlich krankenversichert. Am 12.3.2014 teilte ihre Mutter der Beklagten telefonisch mit, bei der Klägerin sei eine Brustverkleinerung geplant; das diesbezügliche Aufklärungsgespräch werde in der folgenden Woche stattfinden; ob die Operation ambulant oder stationär erfolgen solle, wisse sie nicht. Das Aufklärungsgespräch der Klägerin mit der Ärztin Dr Z erfolgte am 19.3.2014. Ausweislich eines Aktenvermerks erklärte die Mutter der Klägerin am 19.3.2014 einem Mitarbeiter der Beklagten telefonisch, die Operation solle von der Ärztin Dr Z durchgeführt werden; die Klägerin müsse danach zwei bis drei Tage in der Klinik bleiben. Die Mutter der Klägerin fragte den Mitarbeiter, ob die Beklagte die Kosten übernehme. Ein Mitarbeiter der Beklagten nahm daraufhin mit der Praxis der Ärztin Dr Z Rücksprache und hielt in einem Aktenvermerk fest, er habe erfahren, dass diese Ärztin keine Zulassung „als private Krankenanstalt“ habe. Am 20.3.2014 teilte die Mutter der Klägerin der Beklagten telefonisch mit, der Eingriff solle ambulant erfolgen; dieser sei für den 6.5.2014 geplant. In dem betreffenden Telefonvermerk des Mitarbeiters der Beklagten M S heißt es weiter: „Vertragsleistung? MDK-Verfahren erläutert. Antrag soll folgen.“

Mit Schreiben vom 31.3.2014 (eingegangen bei der Beklagten am 2.4.2014) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die „Kostenübernahme“ für eine Mammareduktionsplastik und wies darauf hin, sie habe schmerzhafte Verspannungen im oberen Rücken-, Nacken- und Schulterbereich, die starke Kopfschmerzen nach sich zögen, sowie starke Druckstellen im Bereich der BH-Träger; sie habe sich entschlossen, die Operation durch die Ärztin Dr Z durchführen zu lassen. Die Klägerin legte ein Attest der Ärztin Dr Z sowie eine mit dieser geschlossenen Honorarvereinbarung vor. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 11.4.2014 mit, sie habe die Unterlagen an den MDK weitergeleitet; sie, die Beklagte, bitte die Klägerin um etwas Geduld; die Klägerin werde dann informiert.

Am 4.4.2014 teilte die Mutter der Klägerin der Beklagten erneut den Operationstermin am 6.5.2014 mit. Mit Schreiben vom 24.4.2014 informierte die Beklagte die Klägerin über den Termin der Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 5.5.2014. Dr H-V führte in ihrem aufgrund einer am 5.5.2014 stattgefundenen persönlichen Untersuchung erstatteten Gutachten vom Mai 2014 aus: Bei der Klägerin bestehe bei symmetrischer Körperform eine leichte Mammahypertrophie und Ptosis (herabhängende Brüste) bei geringer Asymmetrie links gegenüber rechts. Das Brustgewicht betrage rechts 700 g und links 800 g. Es handele sich keinesfalls um eine Gigantomastie. Die orthopädischen Beschwerden ließen sich durch die Brustgewichtsbelastung nicht hinreichend erklären. Bei der Klägerin lägen anatomische Veränderungen mit Protrusion bei L5/S1 vor. Ihre Beschwerden seien muskulär-skelettalen Ursprungs. Eine Brustverkleinerungsoperation sei medizinisch nicht indiziert. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden seien eine konservative fachärztliche Behandlung, weitere Physiotherapie sowie ein Muskelaufbau ausreichend und zweckmäßig.

Am 6.5.2014 führte die Ärztin Dr Z die Brustverkleinerungsoperation ambulant durch. Sie berechnete der Klägerin 5.900,– € unter Zugrundelegung der Gebührenordnung für Ärzte – GOÄ – (Rechnung vom 24.6.2014). Die Anästhesisten Dr B und Kollegen verlangten für ihre Leistungen 1.101,08 € ausgehend von den Vorschriften der GOÄ (Rechnung vom 9.5.2014). Am 15.5.2014 informierte die Beklagte die Mutter der Klägerin telefonisch über das Ergebnis der MDK-Begutachtung, die Rechtslage und die Ablehnung des Antrags. Durch Bescheid vom 14.11.2014 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf das Ergebnis des Gutachtens der Ärztin Dr H-V die Erstattung der Kosten der Brustverkleinerungsoperation ab.

Zur Begründung ihres Widerspruchs machte die Klägerin geltend, sie habe täglich Übungen zur Stärkung der Bauch- und Rückenmuskulatur und wegen der Rückenschmerzen durchgeführt, damit aber keine Schmerzlinderung erreichen können; im MDK-Gutachten sei mit keinem Wort erwähnt, dass die BH-Träger im Schulterbereich eingeschnitten und so zusätzliche Schmerzen verursacht hätten; die Striaebildung (Streifenbildung) im oberen Brustbereich sei extrem ausgeprägt gewesen und habe bei der Operation nicht einmal vollständig, sondern nur teilweise beseitigt werden können; alle konservativen Methoden zur Linderung der Rücken- und Kopfschmerzen (manuelle Therapie, Massagen, Reha-Sport, gezielte Übungen zum Aufbau der Brust- und Rückenmuskulatur) seien ohne Erfolg geblieben. Ihre übergroßen Brüste hätten ihr ganzes Erscheinungsbild beherrscht, sodass sie immer weite Kleidung habe tragen müssen, um davon abzulenken. Seit der Operation sei sie schmerzfrei. Die Klägerin legte ein Attest der Ärztinnen C /F vom Dezember 2014 vor. In ihrer Stellungnahme nach Aktenlage vom Januar 2015 schloss sich die Ärztin im MDK Dr B -S der Beurteilung der Ärztin Dr H-V a an. Durch Widerspruchsbescheid vom 28.5.2015 (am 5.6.2015 als einfacher Brief abgesandt) wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.

Am 6.7.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Durch Urteil vom 29.9.2016 hat das Sozialgericht (SG) Koblenz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Brustverkleinerungsoperation nach § 13 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift müsse zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil der Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehle es vorliegend, weil im Zeitpunkt der Vereinbarung des Operationstermins die Entscheidung der Beklagten noch nicht vorgelegen habe. Eine unaufschiebbare Leistung iSd § 13 Abs 3 Alternative 1 SGB V habe nicht vorgelegen.

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 13.10.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.11.2016 (Montag) eingelegte Berufung der Klägerin. Die Beklagte hat einen Vermerk ihres Mitarbeiters M S, der am 20.3.2015 das Telefongespräch mit der Mutter der Klägerin geführt hat, vorgelegt. Darin hat dieser erklärt, er könne dem seinerzeitigen Aktenvermerk nach über drei Jahren nichts mehr hinzufügen.

Die Klägerin trägt vor: Das SG sei unzutreffend von einem fehlenden Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und ihrer (der Klägerin) Kostenlast ausgegangen. Die Notwendigkeit der Brustverkleinerung zeige sich daran, dass sie, die Klägerin, seit der Operation absolut schmerzfrei sei. Vor dem Eingriff habe sie sämtliche konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft gehabt, um ihre Bauch- und Rückenbeschwerden zu lindern. Es seien Wesensänderungen eingetreten; sie habe eine Schonhaltung entwickelt. Folge sei die Reduzierung von Kontakten nach außen gewesen. Bei dem Telefonat ihrer Mutter am 20.3.2015 habe sie, die Klägerin, danebengestanden. Sie habe ihre Mutter gebeten, das Gespräch zu führen, weil diese mit solchen Angelegenheiten etwas bewanderter sei. Ihre Mutter habe dem Sachbearbeiter der Beklagten den Sachverhalt ausführlich dargelegt und insbesondere erklärt, dass sie, die Klägerin, sich entschlossen habe, die Operation durchführen zu lassen, und um Kostenerstattung nachgesucht. M S habe der Mutter der Klägerin gesagt, diese möge sich erst einmal einen Arzt suchen und beraten lassen, worauf ihre Mutter erwidert habe, eine Beratung durch den Arzt sei nicht mehr erforderlich, da sie sich bereits verbindlich zur Durchführung der Operation entschlossen habe. Es sei dann lediglich noch um die Frage gegangen, welche weitergehenden Unterlagen vorgelegt werden müssten. Die mangelnde Bevollmächtigung ihrer Mutter sei nicht Gegenstand der Unterredung gewesen. Wäre dieser Punkt zum Thema gemacht worden, hätte ihre Mutter sofort den Telefonhörer an sie weiterreichen können. Immer dann, wenn der Sachbearbeiter der Beklagten versucht habe, die Ausführungen ihrer Mutter so auszulegen, dass noch nicht feststehe, ob die Operation durchgeführt würde, habe ihre Mutter eindeutig erklärt, dass dem nicht so sei. Sie könne sich noch gut an ihren Ausspruch „Sie wird´s machen.“ erinnern. Damit habe schon zu diesem Zeitpunkt ein verbindlicher Leistungsantrag vorgelegen. Die Beklagte habe die vermeintlich fehlende Bevollmächtigung ihrer Mutter nie gerügt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Koblenz vom 29.9.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.5.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der am 6.5.2014 durchgeführten Mammareduktionsplastik in Höhe von 7.001,08 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Das angefochtene Urteil sei zutreffend. § 13 Abs 3a SGB V greife nicht zugunsten der Klägerin ein. Aufgrund der Einbindung des MDK, über die sie die Klägerin mit Schreiben vom 11.4.2014 informiert habe, habe die zulässige Entscheidungsfrist fünf Wochen betragen. Diese Frist sei am 7.5.2014 und damit erst nach der Durchführung der Operation abgelaufen. Auf die telefonische Unterredung mit der Mutter der Klägerin am 20.3.2015 könne nicht abgestellt werden. Zwar bedürfe es für eine Antragstellung nicht zwingend einer Unterschrift, und es reiche aus, wenn der Antrag in Vertretung der Versicherten mit Vertretungsmacht gestellt werde, da sich ein Beteiligter nach § 13 Abs 1 Satz bis 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen könne. Die Bevollmächtigung wäre aber schriftlich nachzuweisen (§ 13 Abs 1 Satz 3 SGB X). Unabhängig davon sei bei einer bloßen Kontaktaufnahme mit dem Ziel, sich im Rahmen von § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) über Rechte und Pflichten nach dem SGB V von der Krankenkasse beraten zu lassen, nicht von einer Antragstellung auszugehen. Dementsprechend sei der Anruf der Mutter der Klägerin am 20.3.2015 nicht als Antrag, sondern als bloße Bitte um ein Beratungsgespräch zu werten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung von A G (Mutter der Klägerin) und M S (Sachbearbeiter der Beklagten). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.7.2017 verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung; das Urteil des SG ist deshalb aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 13 Abs 3a SGB V. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und den Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachterlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies nach Satz 5 dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung gemäß Satz 6 nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). § 13 Abs 3a SGB V greift zugunsten der Klägerin ein.

Die Klägerin hat einen im Sinne dieser Vorschrift relevanten Leistungsantrag bereits am 20.3.2014 gestellt. Für einen derartigen Antrag ist keine Form vorgeschrieben (Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, K § 13 Rn 58d). Ein Leistungsantrag liegt zwar nur vor, wenn der Versicherte sein Begehren unmissverständlich zum Ausdruck bringt (Seewald in Kasseler Kommentar, § 16 Rn 4) und der Antrag hinreichend bestimmt ist (vgl Bundessozialgericht – BSG – 8.3.2016 – B 1 KR 25/15 R, juris Rn 23). Diese Voraussetzungen sind jedoch vorliegend bezogen auf den 20.3.2014 erfüllt. Die Mutter der Klägerin hat anlässlich dieses Gesprächs klargestellt, dass der Eingriff ambulant erfolgen werde und die Operation bereits für den 6.5.2014 vorgesehen sei. Sie hat dem Sachbearbeiter der Beklagten gegenüber unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Brustverkleinerungsoperation durch die Ärztin Dr Z geltend mache. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der Zeugin A G. Zwar heißt es insoweit in dem Telefonvermerk vom 20.3.2014 des Mitarbeiters der Beklagten: „Antrag soll folgen.“ Diese Angabe gibt jedoch die Erklärungen der Mutter der Klägerin nicht zutreffend wieder. Aus dem Gesamtzusammenhang der Angaben der Mutter der Klägerin am 20.3.2014, die die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19.5.2017 beschrieben und deren Mutter als Zeugin bestätigt hat, musste der Mitarbeiter der Beklagten entnehmen, dass die Klägerin bereits telefonisch am 20.3.2014 einen Leistungsantrag gestellt hat. Dass auch die Beklagte dies seinerzeit so aufgefasst hat, zeigt der Vermerk „Antrag vom 20.3.2014“ auf Blatt 3 der Verwaltungsakte.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, am 20.3.2014 habe ihr noch keine schriftliche Vollmachtserteilung vorgelegen. Nach § 13 Abs 1 Satz 1 SGB X kann sich ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Vorliegend hatte die Klägerin ihrer Mutter Vollmacht für den Anruf am 20.3.2014 erteilt. Entsprechend dem Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 9 SGB X) ist die mündliche Erteilung einer Vollmacht möglich (Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 13 Rn 13). Die Vollmacht muss sich nicht auf die Vertretung im gesamten Verwaltungsverfahren erstrecken, sondern kann sich auch auf eine einzelne Verfahrenshandlung, etwa einen Anruf, beschränken (Vogelgesang aaO Rn 16). Zwar hat die Mutter der Klägerin am 20.3.2014 und in den Tagen danach die Vollmachtserteilung nicht nachgewiesen. Dies ist aber unschädlich, weil die Vollmacht nach § 13 Abs 1 Satz 3 SGB X nur auf Verlangen nachzuweisen ist. Bei Ehegatten und Verwandten in gerader Linie kann zwar im Verwaltungsverfahren (anders als im gerichtlichen Verfahren; vgl zu diesem § 73 Abs 6 Satz 3 SGG) eine Bevollmächtigung nicht unterstellt werden (vgl BSG 15.10.1981 – 5b5 RJ 90/80, juris); gerade bei diesem Personenkreis kann es jedoch naheliegen, dass die Behörde ihr im Rahmen von § 13 Abs 1 Satz 3 SGB X bestehendes Ermessen so ausübt, dass sie auf die Vorlage einer Vollmacht verzichtet. Entscheidend ist im Übrigen vorliegend, dass es an einem tatsächlichen Verlangen des Nachweises einer Vollmachtserteilung fehlt.

Die Klägerin durfte die beantragte Brustverkleinerung für erforderlich halten. Dies ist der Fall, wenn die behandelnden Ärzte sie – wie vorliegend – befürworten und keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch vorliegen (BSG 8.3.2016 aaO, juris Rn 26 f). Die Leistung lag auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung. Dem steht nicht entgegen, dass die Ärztin Dr Z nicht als Leistungserbringerin im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen war (BSG 11.7.2017 – B 1 KR 1/17 R, Terminbericht. Davon ist zwar in Fällen eines Rechtsmissbrauchs eine Ausnahme zu machen (vgl BSG 8.3.2016 – B 1 KR 25/15 R, juris Rn 26). Ein solcher ist jedoch vorliegend nicht ersichtlich. Der Klägerin war nicht bekannt, dass ein Leistungsanspruch wegen der fehlenden Zulassung der Ärztin Dr Z ausgeschlossen war. Sie musste dies auch nicht wissen. Wie die Zeugin A G angegeben hat, hat der Sachbearbeiter der Beklagten M S anlässlich eines der Telefongespräche lediglich gesagt, die Ärztin sei ja eine Privatärztin, vielleicht auch, dass sie keine Kassenzulassung habe. Der Zeugin zufolge hat er ihr dagegen nicht erklärt, die Leistung dürfe im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nur von einem zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassenen Arzt erbracht werden. Dem steht die Aussage des Zeugen M S nicht entgegen. Dieser hat bekundet, er gehe davon aus, dass er die Anruferin darauf hingewiesen habe, dass die Behandlerin nicht für Vertragsleistungen zugelassen sei, und dass er erläutert habe, dass die Beklagte gegebenenfalls Kosten nur in der Höhe übernehmen könne, wie sie bei einem zugelassenen Behandler entstehen würden. Davon, dass der Zeuge letzteres anlässlich des Telefongespräches gesagt hat, ist der Senat nicht überzeugt, da die Mutter der Klägerin, die einen glaubhaften Eindruck gemacht hat, dies nicht bestätigt und der Zeuge erklärt hat, sich an das Gespräch nicht erinnern zu können und lediglich Schlussfolgerungen aus einem Aktenvermerk gezogen zu haben. Unabhängig davon – worauf es nicht entscheidend ankommt – würde ein telefonischer Hinweis des Zeugen, dass die Beklagte gegebenenfalls Kosten nur in der Höhe übernehmen könne, wie sie bei einem zugelassenen Behandler entstehen würden, zu keinem anderen Ergebnis führen. Aus einer solchen Angabe, die im Übrigen so unzutreffend gewesen wäre (zur grundsätzlichen Beschränkung des Auswahlrechts des Versicherten auf zugelassene Leistungserbringer vgl BSG 2.9.2014 – B 1 KR 11/13 R, juris Rn 17), hätte die Klägerin nichts entnehmen müssen, was ein rechtsmissbräuchliches Verhalten begründen könnte. Der Zeuge M S hat ausdrücklich bekundet, er habe der Anruferin nicht gesagt, dass eine Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt grundsätzlich ausgeschlossen sei.

Die im Rahmen des § 13 Abs 3a SGB V maßgebende Frist begann in Anbetracht des am 20.3.2014 gestellten Leistungsantrags am 21.3.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –). Da die Beklagte eine Stellungnahme des MDK eingeholt und die Klägerin mit Schreiben vom 11.4.2014 hierüber informiert hat, gilt vorliegend nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V die Fünfwochenfrist (vgl BSG 8.3.2016 aaO, juris Rn 18). Diese endete am Donnerstag, dem 24.4.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB).

Am 24.4.2014 hatte die Beklagte die Entscheidung über den Antrag der Klägerin noch nicht getroffen. Sie hat der Klägerin auch keinen hinreichenden Grund für die fehlende Entscheidung mitgeteilt. Zwar hat die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 24.4.2014 über den Termin der Untersuchung durch den MDK am 5.5.2014 informiert. Dieses Schreiben war aber für eine Verlängerung der Fünfwochenfrist nicht geeignet, weil es keine Aussage enthielt, bis zu welchem konkreten Zeitpunkt mit einem Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu rechnen war (zu diesem Erfordernis BSG 8.3.2016 aaO, juris Rn 20). Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin das Schreiben vom 24.4.2014 noch am gleichen Tag erhalten hat. Deshalb gilt der Anspruch auf eine Brustverkleinerung nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V am 24.4.2014 als genehmigt. Dieser Anspruch hat sich nach der Selbstbeschaffung der Leistung durch die Klägerin nach § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt. Auf die Kausalität zwischen der Leistungsablehnung durch die Krankenkasse und der Kostenlast des Versicherten kommt es im Rahmen des Anspruchs auf der Grundlage des § 13 Abs 3a SGB V, im Gegensatz zu einem Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V (dazu vgl BSG 8.9.2015 – B 1 KR 14/14 R, juris Rn 9), nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.

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