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Long-Covid-Syndrom beim Grad der Behinderung: Gesamt-GdB 40 statt 50

Ein Maschinenbediener forderte wegen der schweren Folgen des Long-Covid-Syndroms beim Grad der Behinderung eine Erhöhung auf 50. Trotz anerkannter kritischer Nervenschäden wurde das Long-Covid-Syndrom vom Gericht nicht als gesonderter Teil-GdB anerkannt.

Zum vorliegenden Urteil Az.: L 6 SB 1119/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landessozialgericht Baden-Württemberg
  • Datum: 18.09.2025
  • Aktenzeichen: L 6 SB 1119/24
  • Verfahren: Berufung
  • Rechtsbereiche: Schwerbehindertenrecht, Sozialrecht

  • Das Problem: Ein Mann forderte nach einer schweren COVID-19-Erkrankung die Erhöhung seines Grades der Behinderung (GdB) von 40 auf 50. Er machte geltend, die Folgen des sogenannten Long-Covid-Syndroms seien als eigenständige Behinderung zu bewerten.
  • Die Rechtsfrage: Reichen die gesundheitlichen Folgen der schweren COVID-19-Erkrankung aus, um den Gesamt-GdB auf mindestens 50 zu erhöhen? Darf das „Long-Covid-Syndrom“ dabei als gesonderter GdB-Wert anerkannt werden?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Berufung zurück und bestätigte den Gesamt-GdB von 40. Das sogenannte Long-Covid-Syndrom darf keinen gesonderten Teil-GdB begründen, sondern die Symptome müssen den betroffenen Körpersystemen zugeordnet werden.
  • Die Bedeutung: Das Urteil bestätigt, dass allgemeine Diagnosen wie „Long-Covid“ oder „Fatigue“ nicht isoliert bewertet werden. Stattdessen sind für die Feststellung des Grades der Behinderung nur die messbaren, konkreten Einschränkungen in den einzelnen Funktionssystemen relevant (z. B. im Nervensystem oder Bewegungsapparat).

Der Fall vor Gericht


Kann man für Long-Covid einen eigenen Grad der Behinderung verlangen?

Im Recht der Schwerbehinderung ist die Zahl 50 eine magische Grenze. Sie entscheidet über Schutzrechte, Steuererleichterungen und früheren Renteneintritt.

Ein Long-Covid-Betroffener sieht die Folgen seiner Erkrankung, um eine Erhöhung des Grades der Behinderung (GdB) auf 50 zu begründen.
Gerichte bewerten Long-Covid-Folgen streng nach Funktionssystemen, nicht als einheitlichen Grad. | Symbolbild: KI

Ein Maschinenbediener, bereits mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 eingestuft, glaubte, diese Grenze nach einer verheerenden Covid-Infektion locker zu überspringen. Seine Ärzte dokumentierten eine lange Liste neuer Leiden. Doch die Behörde und später die Gerichte sahen das anders. Sie begannen, seine Beschwerden nicht zu summieren, sondern zu sortieren – und landeten bei der Zahl 40. Ein juristisches Rechenspiel, das alles veränderte.

Worum drehte sich der Streit im Kern?

Der Mann litt schon vor seiner Covid-Erkrankung unter mehreren gesundheitlichen Problemen. Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, ein Bandscheibenvorfall und weitere Leiden hatten ihm bereits einen GdB von 30 eingebracht. Ende 2020 traf ihn eine schwere COVID-19-Pneumonie. Er musste intubiert und wochenlang beatmet werden. Zurück blieben massive Folgeschäden: Nervenschmerzen, Kribbeln in Händen und Füßen, eine massive Erschöpfung und Konzentrationsprobleme.

Im April 2021 beantragte er bei der zuständigen Behörde eine Neubewertung. Sein Ziel war die Feststellung eines GdB von mindestens 50 und die Zuerkennung von Merkzeichen für Gehbehinderung. Die Behörde lehnte ab. Sie sah keine wesentliche Verschlechterung, die über den bereits anerkannten GdB von 30 hinausging. Der Mann klagte vor dem Sozialgericht Heilbronn. Dieses sprach ihm immerhin einen GdB von 40 zu. Dem Mann reichte das nicht. Er legte Berufung beim Landessozialgericht ein. Sein zentrales Argument: Die vielfältigen Folgen seiner Covid-Erkrankung – zusammengefasst unter dem Begriff „Long-Covid“ – müssten als einheitliches, schweres Krankheitsbild mit einem eigenen hohen Wert anerkannt werden.

Wie bewertet das Gesetz Behinderungen?

Das Gericht musste nicht nach Gefühl, sondern nach festen Regeln urteilen. Diese Regeln finden sich im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (§ 152 SGB IX) und in der Versorgungsmedizin-Verordnung mit ihren „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ (VG). Die Logik dahinter ist streng systematisch. Ärzte und Juristen dürfen nicht einfach Symptome aufaddieren. Sie müssen jede einzelne Gesundheitsstörung einem von mehreren „Funktionssystemen“ zuordnen – etwa dem Nervensystem, dem Bewegungsapparat oder der Psyche.

Für jedes Funktionssystem wird ein eigener Teil-GdB in Zehnerschritten (10, 20, 30…) vergeben. Am Ende wird aus diesen Teil-Werten ein Gesamt-GdB gebildet. Dieser ist aber keine einfache Summe. Stattdessen gibt der höchste Einzelwert die Richtung vor. Weitere Werte erhöhen diesen Ausgangswert nur, wenn sie ein anderes Funktionssystem betreffen und die allgemeine Belastung spürbar steigern. Zwei Leiden, die sich ganz ähnlich auswirken – zum Beispiel zwei verschiedene Ursachen für Schmerzen im selben Bein – erhöhen den Gesamt-GdB kaum.

Warum bekam „Long-Covid“ keinen eigenen Wert?

Hier lag der entscheidende Punkt des Urteils. Der Kläger wollte, dass das Gericht „Long-Covid“ als eine eigenständige, schwere Beeinträchtigung mit einem hohen Teil-GdB bewertet. Das Landessozialgericht verweigerte diesen Schritt. Es folgte strikt der Logik der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Dort steht klar, dass Sammelbegriffe wie „Long-Covid“ nicht als Grundlage für einen eigenen Teil-GdB dienen (VG, Teil A, Nr. 2 e).

Im Klartext bedeutet das: Das Gericht musste die einzelnen Symptome des Mannes auseinandernehmen und den passenden Funktionssystemen zuordnen. Die Nervenschäden und das Kribbeln (eine sogenannte Polyneuropathie) landeten im Funktionssystem „Nervensystem“. Die Erschöpfung und die psychische Belastung wurden dem System „Psyche“ zugeordnet. Die Kopfschmerzen bekamen eine eigene Bewertung. Diese Zerlegung verhinderte, dass „Long-Covid“ als ein großes, einheitliches Leiden mit hohem GdB-Wert durchschlug.

Wie errechnete das Gericht den Gesamt-GdB von 40?

Das Gericht ging die Leiden des Mannes systematisch durch und verteilte die Punkte:

  • Rheumatische Erkrankung: Für die bereits bekannte Grunderkrankung mit Gelenkbeteiligung bestätigte das Gericht den bestehenden Teil-GdB von 30. Das war der höchste Einzelwert und damit der Ausgangspunkt für die Berechnung.
  • Nervenschäden nach Covid-19: Die nachgewiesene Polyneuropathie mit Empfindungsstörungen und leichten Schmerzen bewertete das Gericht nach den Vorgaben der VG (Teil B, Nr. 3.11) mit einem Teil-GdB von 20. Da keine Lähmungen oder Muskelschwund vorlagen, war ein höherer Wert nicht drin.
  • Psychische Belastung: Der Kläger klagte über Angst und sozialen Rückzug. Ein Gutachter fand aber keine klinisch relevante Depression. Die Stimmung war ausgeglichen, der Mann ging seiner Vollzeitarbeit nach und plante Urlaube. Ohne eine fachärztlich festgestellte und behandelte psychische Erkrankung konnte das Gericht hierfür keinen Teil-GdB von mindestens 10 ansetzen.
  • Weitere Leiden: Andere Beschwerden wie der Bandscheibenschaden, die Kopfschmerzen oder ein später festgestellter Diabetes brachten jeweils nur einen Teil-GdB von 10 oder 0.

Nun folgte die finale Berechnung. Der höchste Wert war die 30 für das Rheuma. Der zusätzliche Wert von 20 für die Nervenschäden erhöhte diesen Ausgangswert auf einen Gesamt-GdB von 40. Die vielen kleinen Leiden mit einem Wert von 10 fielen nicht mehr ins Gewicht. Sie erhöhten die Gesamtbelastung nicht so weit, dass der nächste Zehnerschritt – die begehrte 50 – erreicht wurde. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen.

Die Urteilslogik

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze unterbinden die einfache Addition von Gesundheitsstörungen, indem sie die Bewertung von Behinderungen einem strengen Zerlegungsprinzip unterwerfen.

  • Sammelbegriffe wirken nicht als Teil-GdB: Juristische Sammelbegriffe wie „Long-Covid“ oder „Post-Covid-Syndrom“ führen nie zu einem eigenen Grad der Behinderung; stattdessen zerlegen Behörden und Gerichte die komplexen Symptome streng nach den betroffenen Funktionssystemen.
  • GdB ist nicht additiv: Der Gesamt-Grad der Behinderung ergibt sich nicht aus der Addition der Einzelwerte, sondern orientiert sich stets am höchsten Teil-GdB, wobei nur Beeinträchtigungen anderer Funktionssysteme eine spürbare Steigerung des Gesamtwerts bewirken.
  • Strenge Kriterien für Nervenschäden: Eine Polyneuropathie rechtfertigt nur dann einen hohen Teil-GdB, wenn sie zu relevanten Lähmungen oder Muskelschwund führt; reine Empfindungsstörungen oder leichte Schmerzen führen zwangsläufig zu niedrigeren Werten.

Für die Anerkennung einer Schwerbehinderung müssen Betroffene ihre multiplen Beschwerden präzise in klar definierte funktionelle Beeinträchtigungen übersetzen.


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Sind Ihre Long-Covid-Folgen bei der GdB-Erhöhung unzureichend berücksichtigt worden? Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer speziellen Situation.


Experten Kommentar

Wenn man von Long-Covid spricht, sieht man eine große, lähmende Krankheit. Die Gerichte sehen aber nur eine Sammlung von Einzelproblemen. Dieses Urteil zieht eine klare rote Linie: Der Name Long-Covid oder Post-Covid bringt allein keinen eigenen hohen Teil-GdB. Die entscheidende Praxis-Konsequenz lautet: Die Behörden zerlegen die Symptome konsequent und ordnen sie den starren Funktionssystemen zu, was es massiv erschwert, die magische Schwelle GdB 50 zu erreichen. Betroffene müssen nicht nur die Schwere, sondern vor allem die passende Kombination der Folgeschäden nachweisen, die sich in unterschiedlichen Funktionssystemen auswirken.


Ein Holzfragezeichen steht neben einem Buch mit der Aufschrift "SGB Sozialrecht" auf einem Holzuntergrund. Daneben befinden sich ein Paar Schuhe, ein Stift und eine Registerkarte in einem warmen, orangefarbenen Licht.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wird Long-Covid bei der GdB-Bewertung als ein eigenständiges schweres Krankheitsbild gewertet?

Die Behörden und Sozialgerichte bewerten Long-Covid nicht als einheitliches Krankheitsbild, das einen eigenen hohen Grad der Behinderung (GdB) rechtfertigt. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) schließen dies explizit aus, da Sammelbegriffe nicht zur Festlegung eines Teil-GdB dienen. Gutachter müssen die umfassenden Beschwerden stattdessen in separate Funktionssysteme zerlegen. Dies ist für Betroffene oft frustrierend, weil es die Schwere der Gesamterkrankung scheinbar ignoriert.

Das Gesetz verlangt, dass jede einzelne Gesundheitsstörung nach ihrer konkreten Auswirkung auf die Körperfunktionen bewertet wird. Die Symptome von Long-Covid, etwa massive Erschöpfung, Nervenschäden oder Konzentrationsprobleme, werden daher verschiedenen Funktionssystemen zugeordnet, zum Beispiel dem Nervensystem oder der Psyche. Diese juristische Zerlegung verhindert, dass die gesamte Schwere als ein großes, einheitliches Leiden mit einem Teil-GdB von 50 oder höher durchschlägt.

Dieses Vorgehen erschwert das Erreichen eines hohen Gesamt-GdB, da nur der höchste Einzelwert zählt und nicht die Summe aller Symptome. Wer auf der Anerkennung von „Long-Covid“ als Gesamterkrankung besteht, verschwendet Zeit, weil Gerichte diese Ansicht strikt ablehnen. Entscheidend ist die präzise ärztliche Dokumentation der Folgeschäden. Ärzte sollten die spezifischen Diagnosen nach Funktionssystemen kategorisieren, wie zum Beispiel Polyneuropathie anstelle von allgemeinem Kribbeln.

Bitten Sie Ihren behandelnden Neurologen oder Schmerztherapeuten, die Diagnosen präzise nach den betroffenen Funktionssystemen zu kategorisieren, um Ihren Grad der Behinderung optimal festzustellen.


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Welche Long-Covid-Symptome brauche ich, um den Gesamt-GdB von 50 zu erreichen?

Das Erreichen des Gesamt-GdB von 50 ist juristisch anspruchsvoll, da die Symptome nicht einfach addiert werden. Sie benötigen entweder ein einziges Leiden mit einem Teil-GdB von 50, was bei Long-Covid-Folgen selten ist. Alternativ müssen Sie ein dominierendes Leiden (GdB 40) durch eine weitere, klar abgrenzbare Störung eines anderen Funktionssystems (GdB 20) steigern. Long-Covid-Folgen werden dabei immer in einzelne Komponenten zerlegt, um die Berechnungsgrundlage zu schaffen.

Die Herausforderung liegt oft darin, dass typische Long-Covid-Symptome wie chronische Erschöpfung (Fatigue) ohne klinisch fassbaren Befund keinen hohen Einzelwert erhalten. Auch psychische Beeinträchtigungen, wie Angst oder massive Konzentrationsprobleme, müssen fachärztlich als klinisch relevante, behandelte psychische Erkrankung nachgewiesen werden. Nur dann erhalten Sie einen Teil-GdB von mindestens 20 oder 30. Fehlt dieser spezifische klinische Nachweis, bleibt der Einzelwert zu niedrig für eine signifikante Erhöhung des Gesamtwertes.

Das zeigt sich häufig bei Nervenschäden: Ein Kläger scheiterte vor Gericht am GdB 50, weil seine Polyneuropathie nur mit einem Einzelwert von 20 bewertet wurde. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze sehen bei Nervenschäden nur dann einen Wert über 20 vor, wenn Lähmungen oder Muskelschwund nachweisbar sind. Da diese objektiven Befunde fehlten, war der Teil-GdB nicht hoch genug, um den bereits bestehenden GdB auf die nächste Stufe 50 zu heben.

Lassen Sie neurologische Befunde (zum Beispiel elektrophysiologische Tests) anfertigen, die objektiv belegen, dass Ihre Nervenschäden über bloße Empfindungsstörungen hinausgehen.


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Wie muss ich meine Long-Covid-Folgen juristisch korrekt in Funktionssysteme zerlegen lassen?

Der juristische Prozess verlangt die Zerlegung Ihrer Long-Covid-Folgen in objektiv messbare Einzeldiagnosen. Sie selbst nehmen diese Zuordnung nicht vor, sondern Ihre ärztlichen Befunde müssen so detailliert sein, dass der begutachtende Arzt die Symptome präzise den juristisch relevanten Funktionssystemen zuordnen kann. Diese Strukturierung ist entscheidend, um den Grad der Behinderung (GdB) nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) festzulegen.

Die VG akzeptieren den Sammelbegriff „Long-Covid“ nicht als alleinige Grundlage für einen Teil-GdB. Stattdessen müssen Gerichte und Behörden prüfen, welche Hauptsysteme im Körper konkret beeinträchtigt sind. Das Gesetz unterscheidet zwischen etwa zehn Haupt-Funktionssystemen, darunter das Nervensystem, der Bewegungsapparat oder das Herz-Kreislauf-System. Wenn Ihr behandelnder Arzt spezifische Diagnosen wie Polyneuropathie oder Myositis stellt, lassen sich diese klar in das Nervensystem beziehungsweise den Bewegungsapparat einordnen.

Vermeiden Sie Berichte, die lediglich allgemeine Beschreibungen liefern. Um eine gute Bewertung zu erreichen, müssen Befunde messbare Einschränkungen belegen, die jeweils einem System zugeordnet sind. Nehmen wir an, Sie leiden unter Kribbeln in den Gliedmaßen und zusätzlich unter Angststörungen. Die Polyneuropathie betrifft das Nervensystem, während die Ängste in das Funktionssystem Psyche fallen. Der Fokus sollte immer auf dem Leiden liegen, das den höchsten Einzelwert erreichen kann, da dieser Wert den Gesamt-GdB dominiert.

Erstellen Sie eine Übersichtstabelle für Ihren Arzt, die jedes schwerwiegende Symptom dem mutmaßlichen Funktionssystem zuordnet, um die juristisch korrekte Dokumentation zu unterstützen.


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Warum zählen viele Long-Covid-Symptome wie chronische Erschöpfung beim GdB nicht zusammen?

Der Grad der Behinderung (GdB) wird entgegen der Intuition nicht einfach addiert. Stattdessen bildet der höchste Einzelwert das Fundament für den Gesamt-GdB. Leiden mit geringen Werten, selbst wenn sie zahlreich sind und die Lebensqualität stark beeinträchtigen, führen oft nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Die vielen kleinen Einschränkungen „untergehen“ in der juristischen Berechnung, wenn bereits ein dominierendes Leiden existiert.

Die Berechnung folgt streng dem Prinzip des dominierenden Leidens, wie es in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen festgelegt ist. Wenn eine chronische Erkrankung bereits einen hohen Ausgangswert, etwa GdB 30, festlegt, gehen weitere, ähnliche Störungen mit einem Teil-GdB von GdB 10 in diesem Wert auf. Das Sozialrecht bewertet nicht die reine Menge der Symptome, sondern die Funktionssysteme, die dadurch zusätzlich und spürbar beeinträchtigt werden.

Symptome, die einzeln nur mit GdB 10 bewertet werden – beispielsweise leichte Kopfschmerzen, Fatigue oder ein Bandscheibenschaden – können den Gesamt-GdB meist nicht steigern, wenn der Ausgangswert 30 oder 40 beträgt. Um auf den nächsten Zehnerschritt zu springen, muss die neue Störung in einem bisher unbeeinträchtigten Funktionssystem eine eigenständige, erhebliche Einschränkung von mindestens GdB 20 darstellen. Nur ein Leiden, das eine eigene deutliche Beeinträchtigung mitbringt, hat das Potenzial, den Gesamt-GdB zu erhöhen.

Filtern Sie daher alle Ihre Symptome und fokussieren Sie die gesamte Beweisführung auf maximal zwei Leiden, die potenziell den höchsten Einzel-GdB erreichen können.


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Wie wird mein Gesamt-GdB berechnet, wenn ich bereits andere Vorerkrankungen habe?

Ihre Sorge, dass neue Long-Covid-Leiden durch bestehende chronische Krankheiten unterbewertet werden, ist unbegründet. Die juristische Berechnung beginnt stets mit der höchsten Einzelbewertung, die den Ausgangswert festlegt. Neue Störungen müssen ein anderes Funktionssystem betreffen, um diesen Ausgangswert in Zehnerschritten signifikant zu steigern. Dadurch wird verhindert, dass Ihre neuen Beschwerden von den bereits bestehenden Beeinträchtigungen „geschluckt“ werden.

Das Gesetz verbietet die einfache Addition von Einzelwerten. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze bestimmen, dass der Gesamt-GdB nicht 30 + 20 = 50 ergibt. Stattdessen wird der höchste Einzel-GdB zur Basis genommen. Nur wenn die neuen Long-Covid-Folgen einen anderen und bisher unbeeinträchtigten Funktionsbereich erfassen, beispielsweise das Nervensystem, können sie den Gesamt-GdB auf den nächsten Zehnerschritt anheben. Die Verschlimmerung muss dabei eine wesentliche Auswirkung auf die Gesamtbelastung darstellen.

Konkret: Hatten Sie bereits einen GdB 30 für eine rheumatische Erkrankung, dient dieser als Ausgangspunkt der Berechnung. Im Fallbeispiel bewertete das Gericht die neuen Covid-bedingten Nervenschäden separat mit einem Teil-GdB von 20. Weil diese Nervenschäden ein neues, eigenständiges System betrafen und die Gesamtbelastung wesentlich erhöhten, wurde der Ausgangswert von 30 auf den Gesamt-GdB von 40 angehoben. Ein Wert von nur 10 für die neuen Leiden hätte diese Steigerung wahrscheinlich nicht bewirkt, da dies oft als geringfügig erachtet wird.

Vergleichen Sie die Teil-GdB-Bewertungen Ihrer Vorerkrankungen und stellen Sie sicher, dass Ihre Long-Covid-Folgen einen Teil-GdB von mindestens 20 in einem neuen Funktionssystem erreichen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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**Wesentliche Bildelemente:** Buch, Lupe, Kugelschreiber

**Bildbeschreibung:** Das Bild zeigt eine büroähnliche Umgebung mit einem Schreibtisch. Auf dem Tisch liegen ein geöffnetes Buch, eine Lupe und Kugelschreiber. Ein Ordner mit der Aufschrift "BEWILLIGT" und ein Aktenkorb mit beschrifteten Unterlagen sind ebenfalls sichtbar.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Funktionssysteme

Funktionssysteme sind die juristische Kategorisierung, in welche Mediziner und Behörden gesundheitliche Beeinträchtigungen einteilen, um den Grad der Behinderung (GdB) festzustellen. Das Gesetz im SGB IX schreibt diese Zerlegung vor, um sicherzustellen, dass nicht einfach Symptome summiert, sondern die tatsächlichen Auswirkungen auf definierte Körperbereiche wie das Nervensystem oder den Bewegungsapparat bewertet werden.

Beispiel:
Die Nervenschmerzen des Klägers mussten dem Funktionssystem „Nervensystem“ zugeordnet werden, während die psychische Belastung in das System „Psyche“ fiel.

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GdB (Grad der Behinderung)

Der Grad der Behinderung (GdB) beziffert die Schwere der gesundheitlichen Einschränkungen eines Menschen in Zehnerschritten und ist die Grundlage für sozialrechtliche Nachteilsausgleiche. Dieser Wert ist entscheidend, da ab einem GdB von 50 die Betroffenen offiziell als schwerbehindert gelten und Anspruch auf besonderen Kündigungsschutz oder Zusatzurlaub haben.

Beispiel:
Trotz seiner schweren Long-Covid-Folgen reichte der Maschinenbediener Klage ein, weil er einen GdB von mindestens 50 und nicht nur 40 erreichen wollte.

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Gesamt-GdB

Der Gesamt-GdB ist der Endwert, der aus den verschiedenen Einzelwerten (Teil-GdB) berechnet wird und die gesamte Beeinträchtigung durch alle vorhandenen Leiden widerspiegeln soll. Da die Einzelwerte nicht einfach addiert werden dürfen, wird der höchste Wert als Basis genutzt; nur andere, spürbar relevante Beeinträchtigungen aus anderen Funktionssystemen können diesen Ausgangswert in Zehnerschritten erhöhen.

Beispiel:
Nachdem der höchste Teil-GdB von 30 durch die zusätzlichen Covid-bedingten Nervenschäden (GdB 20) erhöht wurde, ermittelte das Landessozialgericht einen Gesamt-GdB von 40.

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Merkzeichen

Ein Merkzeichen ist ein Zusatz im Schwerbehindertenausweis, der die konkrete Art der Einschränkung kennzeichnet, zum Beispiel eine Gehbehinderung oder die Notwendigkeit ständiger Begleitung. Diese Markierungen sind notwendig, um spezifische Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen zu können, wie etwa die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder steuerliche Vergünstigungen.

Beispiel:
Der Kläger beantragte die Zuerkennung von Merkzeichen für Gehbehinderung, weil er hoffte, dadurch bestimmte Mobilitätshilfen und Vergünstigungen beanspruchen zu können.

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Teil-GdB

Als Teil-GdB bezeichnen Juristen und Gutachter den spezifischen Wert, der für eine einzelne gesundheitliche Störung innerhalb eines bestimmten Funktionssystems festgelegt wird, etwa für eine Polyneuropathie oder eine rheumatische Erkrankung. Diese Einzelwerte dienen als Grundlage für die Berechnung des Gesamt-GdB und sind fast immer in Zehnerschritten (10, 20, 30 etc.) festgelegt.

Beispiel:
Weil die Polyneuropathie des Klägers keine Lähmungen umfasste, wurde sie nach den Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nur mit einem Teil-GdB von 20 bewertet.

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Versorgungsmedizinische Grundsätze (VG)

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) sind das zentrale Regelwerk, das behördlichen Gutachtern und Sozialgerichten vorschreibt, wie die konkreten Teil-GdB-Werte für alle denkbaren Krankheitsbilder zu ermitteln sind. Dieses juristische Handbuch soll gewährleisten, dass die Bewertung von Behinderungen in Deutschland standardisiert und nachvollziehbar erfolgt, um Willkür zu vermeiden.

Beispiel:
Das Landessozialgericht lehnte die Anerkennung von „Long-Covid“ als einheitliches Leiden ab, weil die Versorgungsmedizinischen Grundsätze explizit gegen die Bewertung von Sammelbegriffen sprechen.

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Das vorliegende Urteil


Landessozialgericht Baden-Württemberg – Az.: L 6 SB 1119/24 – Urteil vom 18.09.2025


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